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Dieses Buch versucht die Persönlichkeiten Dubcek und Gomulka in ihren jeweiligen Umfeld zu vergleichen. Dabei beginne ich bei der Emigration und Rückkehr der Eltern, ehe ich dann die eigentlichen Protagonisten beleuchte. zentrale Themen sollen die Zwischenkriegszeit in Polen, der Tschechoslowakei und der UdSSR, die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges, der Weltkrieg selbst und die Nationalen Aufstände der Polen und Slowaken, die Neuordnung Europas und die Entwicklung Polens und der Tschechoslowakei zur Volksdemokratie seien. Danach soll ein Blick auf die Säuberungen der 1950er Jahre geworfen werden, die in den 1960er Jahren vor der Rehabilitierungskommission bzw. in Polen schon 1956 wiederaufgenommen wurden. Nach den Säuberungen soll eine Darstellung der unterschiedlichen Entwicklung in Polen als Reformland einerseits und der Tschechoslowakei als Stalinistisches Regime anderseits beleuchtet werden. Anschließend soll der Reformkurs der Tschechoslowakei und der sowjetische Weg Polens aufgezeigt werden. Die vorletzten Kapitel zeigen die Vorgeschichte zum Prager Frühling und seine Auswirkungen auf die sozialistischen Nachbarstaaten auf. Des Weiteren soll in den Kapiteln auch das Verhältnis Dubcek-Breznev, Gomulka-Breznev und Dubcek-Gomulka aufgezeigt werden.
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Seitenzahl: 134
Rene Schreiber
Alexander Dubcek & Wladyslaw Gomulka
Der Prager Frühling & Der Polnische Oktober
Über den direkten Nachbarn, der ehemaligen Tschechoslowakei weiß man nur sehr wenig. Einerseits dass dieser Staat geteilt wurde, in die Tschechische und Slowakische Republik, andererseits an Vaclav Havel. Havel war jedoch Tscheche nicht Slowake. Wie sollen man dann über Polen etwas wissen? Siehe da, über Polen weiß man etwas, die Solidarność. Aber was war das? Mehr ist auch nicht im Repertoire.
In den Schulen lernt man auch nicht besonders viel. Dort wird meist nur auf den Kalten Krieg zwischen den USA und der UdSSR hingewiesen und darauf, dass es den Ostblock gab. Jedoch war der „Ostblock“ etwas vielfältiges, ebenso wie die Länder die zu diesen Block zählten. Unter diesen Ländern befanden sich Polen und die Tschechoslowakei. Zwei Staaten, die im 20. Jahrhundert eine turbulente Geschichte durchlebten und die beide berühmte Staatsmänner hervorbrachten. Ich möchte mir die wohl bekanntesten kommunistischen Politiker Alexander Dubček aus der Tschechoslowakei und Władysław Gomułka aus Polen auswählen. Aber wieso ausgerechnet diese beiden?
Die Welt, in welche die beiden geboren wurden, war grundlegend verschieden. Gomułka musste in einem geteilten Polen aufwachsen, welches sich unter der Fremdherrschaft dreier Mächte befand. Er lebte unter der österreichischen Fremdherrschaft in Galizien und durfte als Jugendlicher erleben, wie ein geeinter polnischer Staat langsam entstand. Dubček, der in den 1920igern geboren wurde, konnte eine demokratische Gesellschaft in der Tschechoslowakei vorfinden. Jedoch wuchs der junge Dubček mehr in der sozialistischen UdSSR auf. Während in Polen ein innenpolitischer Kampf um die Orientierung des Staates herrschte, ging man in der Tschechoslowakei den Weg der Demokratie. Doch war für beide Staaten das Ende gekommen, als das Dritte Reich zur Großmacht wurde. Die Tschechoslowakei verschwand von der Landkarte und es entstand ein Protektorat Böhmen und Mähren, sowie ein faschistischer Vasallenstaat namens Slowakei unter Tiso. Polen wurde 1939 wieder aufgeteilt. Man könnte von der vierten Teilung sprechen. Dubček kehrte in ein fremdes Land zurück. Gomułka musste mit ansehen wie seine Heimat abermals besetzt wurde.
Der Zweite Weltkrieg brachte für beide Probleme. Keiner von beiden konnte seine politische Gesinnung leben. Im autoritär regierten Polen war es überhaupt verboten, kommunistisch zu denken und Gomułka konnte sich nach seiner Flucht in die Sowjetunion nicht gegen den Stalinismus-Kommunismus stellen. Der Krieg führte beide in die Hände der Kommunistischen Partei. Für Władysław Gomułka war dies der Schritt, der ihn etappenweise nach oben brachte, bis er zum stellvertretenden Ministerpräsidenten wurde und im Zentralkomitee saß. Sascha, wie Alexander Dubček von Leonid Brežnev genannt wurde, schaffte es in die Regionalpolitik. Beide schlossen sich den Nationalen Aufständen gegen die Deutschen an.
Doch das Ende des Weltkriegs änderte auch die Wege beider Persönlichkeiten. Ihre Länder gerieten zunehmend unter sowjetischen Einfluss, ehe die kommunistischen Regime installiert wurden. Diese rasanten Veränderungen prägten die beiden und änderten auch ihre Ansichten über ihre marxistisch-leninistische Ideologie. Beide sahen, dass Reformen in ihren Ländern angebracht waren. Gomułka konnte diese veranlassen, aber nur mit Vorsicht. Dubček hatte zu jener Zeit dazu keine Möglichkeit. Inwieweit dies die Personen formte und ihre weitere Laufbahn beeinflusste soll anhand von Gemeinsamkeiten und Gegensätze aufgezeigt werden.
Mit dem Jahr 1968 hatte Dubček die Möglichkeit in seinem Land Reformen durchzuführen, Gomułka musste innenpolitisch um seine Position kämpfen und hoffte ebenfalls auf Reformansätze der Partei. In beiden Staaten sollten die angestoßenen Reformen den Untergang beider Politiker einleiten. Deshalb ist das Jahr 1968 eines der Schlüsseljahre, welches ausführlicher behandelt wird.
Aus all diesen Gründen bin ich zur Idee gekommen, einen biographischen Vergleich zu ziehen, als auch auf die innen- und außenpolitischen Probleme und Einflüsse ihrer Zeit zu schauen. Dabei sollen besonders allgemeine Ereignisse wie der Zweite Weltkrieg, die Mächtekonstellation, Innen- und Außenpolitik der „Bruderstaaten“, insbesondere der Sowjetunion, ihre persönlichen Erfahrungen, sowie Beziehungen zu Ereignissen und anderen Personen aufgezeigt werden.
Alexander Dubček und Władysław Gomułka sollen nicht beurteilt oder gar hochstilisiert werden, sondern ausgewogen von diversen Seiten (Innerparteilich, innerhalb des Kommunistischen Blocks, der „westlichen“ Welt, aber auch von Österreich aus) betrachtet werden.
MSZMP= Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (Magyar Szocialista Munkáspárt)
NKWD =Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (Narodni Kommissariat Wnutrennych Del)
Władysław Gomułka wurde am 6. Februar 19051 in Baiłobrzegi (ein Vorort von Krosno) geboren. Krosno liegt zwischen Krakau (Krakow) und Lemberg (Łwow). Die Eltern Jan und Kunegunda waren in die USA ausgewandert, jedoch konnten sie dort nicht Fuß fassen und kehrten nach Galizien zurück. Das Gebiet war damals Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und das spätere Polen war aufgeteilt zwischen Österreich-Ungarn, dem Deutschen Reich und dem Russländischen Reich. Gomułka ging in Krosno in die Volksschule und machte dort seinen Abschluss. Seine Fächer waren Deutsch, Polnisch, Geschichte, Erdkunde (Geographie) und Geometrie.2 Das Ende seiner Schulzeit fiel mit dem Ende der Monarchie zusammen, als ein neuer souveräner polnischer Staat entstand.
Gomułka ging als Vierzehnjähriger (1919) drei Jahre in eine Schlosserlehre. Jeden Tag musste er zehn Stunden arbeiten. Nach einer der Gesellenprüfung fand er, wie auch sein Vater, Arbeit in der Erdölindustrie. In seiner Lehrlingszeit beteiligte er sich schon am politischen Leben. Da er von seinem Vater die politische Orientierung übernahm, ging er zur Sozialistischen Partei (PPS). Gomułka nahm an Demonstrationen und an Maifeiern der Sozialisten teil.
Alexander Dubčeks Eltern, Stefan und Pavlina, hatten wie die Gomułkas ein ähnliches Schicksal erlebt. Dubček wurde am 27. November 19213 in Uhrovec in der Westslowakei geboren. Sein Vater hatte 1910 sein Heimatdorf in Uhrovec verlassen, um nach Budapest zu übersiedeln.4 Hier fand er Arbeit in einer Möbelfabrik und organisierte dort seine erste sozialistische Zelle. Jedoch musste er auf Grund dieser Organisation gehen und so stand er sechs Monate danach wieder mit leeren Händen da. Da er sich bewusst war, jederzeit verhaftet werden zu können, entschloss sich Stefan, auszuwandern. Er wollte in die neue Welt, wo nach seiner Ansicht nach Freiheit und Gleichheit herrschte. Mit 19 Jahren emigrierte er in die USA. Seine erste Station war Chicago und dessen slowakisches Viertel. Hier musste er erkennen, dass er unter diesen Bedingungen niemals das Englische erlernen würde. So siedelte er ins irische Viertel um und nahm die Arbeit eines Zimmermanns an. Obwohl seine Ansichten bezüglich der Vereinigten Staaten getrübt wurden, genoss er dennoch mehr Freiheiten als in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Stefan war ein überzeugter Sozialdemokrat. Anfang 1916 nahm er die US-Staatsbürgerschaft an und schloss sich der amerikanischen Sozialdemokratischen Partei an.5 Aber zum Leidwesen von Stefan traten die USA 1917 in den Ersten Weltkrieg ein und er erhielt die Einberufung zum Militärdienst. Er versuchte, dem durch Flucht zu entgehen, wurde aber gefasst und saß danach, weil er nicht 1000 Dollar zahlen konnte, achtzehn Monate im Gefängnis. Nach der Entlassung zog er in die Madison Street um und nahm eine Arbeit in einer Klavierfabrik an. Dort lernte er Pavlina kennen und heiratete sie. Sie war auch aus der Slowakei gekommen, war aber von zu Hause weggelaufen, um die Welt zu sehen. Jedoch kannte sie nur die Spülküche, wo sie arbeitete und aus diesem Grund wurde sie Kommunistin. Schritt für Schritt verlor Stefan den Glauben in die Sozialdemokratie. Durch Pavlinas Einfluss, begann er, Karl Marx zu studieren. Die Studien zu Marx faszinierten ihn so sehr, dass er die Sozialdemokratie hinter sich ließ und sich dem Marxismus anschloss. Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb Stefan nach Hause in die Slowakei: „In Amerika kann man alles haben, nur keine Freiheit. Das einzige freie Land auf der Welt ist die Sowjetunion.“6 Gegen Ende 1920 wollten beide, Stefan und die schwangere Pavlina, nach Hause zurückkehren. Obwohl Stefan eine Lohnerhöhung erhielt, änderten sie ihren Plan nicht. Im Frühling 1921 fuhren die beiden mit Sohn Julius per Schiff nach Hause in das Dorf Uhrovec.7
In der frühen Zeit Gomułkas und Dubčeks hatte sich die Landkarte Europas stark verändert. Die Slowakei war keine Provinz Ungarns mehr und die großen kontinentalen Reiche waren verschwunden. Die Tschechen und Slowaken bildeten einen gemeinsamen Staat, den sie die Tschechoslowakische Republik nannten. Jedoch waren die beiden Gebiete unterschiedlicher denn je. Die tschechischen Teile Böhmen und Mähren waren im 19. Jahrhundert rasch industrialisiert worden, dies trug auch zum Nationalbewusstsein bei. Im slowakischen Teil hatte es keine Industrialisierung gegeben, zwar war das Nationalbewusstsein nur sehr gering. In der Nationalversammlung der neuen gemeinsamen Republik waren von 256 Abgeordneten nur 40 Slowaken. Des Weiteren waren zwar beide Sprachen Amtssprachen, wurden aber im jeweils anderen Landesteil nicht gesprochen oder gelernt. Die tschechischen Politiker warfen ihren slowakischen Kollegen immer Rückständigkeit, politische Unreife und vieles mehr vor. In den gemeinsamen Verwaltungsorganen saßen meist nur Tschechen.
Mit der Wiederherstellung Polens wurde zugleich die Kommunistische Partei Polens (KPP) gegründet.8 Die KPP-Führung dachte, es stehe eine Weltrevolution bevor. Im Jahr 1920, als der polnisch-sowjetrussische Krieg stattfand9, leistete die KPP nicht wie alle anderen politischen Kräfte Widerstand gegen Sowjetrussland. Die KPP wollte, dass die polnischen Soldaten nicht gegen ihre sozialistischen Brüder den Sowjetrussen kämpfen und so brachten die KPP Flugblätter in Umlauf in denen stand: „Soldaten der polnischen Armee! Die Revolution wird nur siegen, […], wenn Ihr, statt Eure Brüder, die Arbeiter und Bauern Russlands und der Ukraine, zu bekämpfen, Eure Waffen gegen Eure Offiziere, die Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer, erhebt. Wer gegen Sowjetrussland. kämpft, der kämpft gegen die Arbeiterklasse der ganzen Welt und ist ein Volksfeind!“10 Aufgrund dieser Aussage wurden die Kommunisten nach dem Krieg zu Landesverrätern gestempelt.
Gomułka schloss sich der Jugendbewegung der Polnisch Sozialistischen Partei (PPS) an. Die PPS war gegenüber der KPP eine Partei, welche das gesamte politische Spektrum umfasste. Ihre Mitglieder waren unter anderem Tomasz Arciszewski, Adam Ciołkosz11, Jozef Piłsudski, Kommunisten, führende Militärs und sowjetfreundliche Kräfte.12
Schon 1921, also mit siebzehn, nahm Gomułka am zweiten Siła-Kongreßin Bielsko (Bielitz) teil13. Nach und nach begann er, vermehrt politische Schriften zu lesen. Er wurde Marxist und sah Gutes im sowjetisch-kommunistischen Modell, jedoch war er gespalten zwischen der nationalen Liebe zu Polen und der marxistischen Überzeugung in Richtung Sowjetrusslands. Als er die rechtsstehenden Parteiführer der PPS als „Reaktionäre“ und „Verräter der Arbeiterklasse“ bezeichnete, schloss man ihn von der PPS-Jugendorganisation aus. Statt sich den Kommunisten anzuschließen, die sich durch ihre Aussagen im Krieg diskreditierten, schloss er sich dem linken Flügel der Gewerkschaft der Chemiearbeiter (Związek Zawodowy Robotników Przemysłu Chemicznego) an. Im selben Zeitraum begann er auch für die Zeitung Trybuna Rabotnicza und später für das Blatt Samopomoc Chlopska(„Bauern-Selbsthilfe“) zu schreiben.
Stefan Dubček, der nun mit seiner Familie und dem schon geborenen Alexander Dubček in Uhrovec war, arbeitete wieder als Zimmermann. Nebenbei gründete er in seinem Heimatdorf eine Ortsgruppe der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei. Diese Arbeit in der Partei stellte ihn nicht zufrieden. Er wollte beim Aufbau des Sozialismus mithelfen. So kam es, dass er mit dem Gedanken spielte, nach Russland auszuwandern. Mit dem Aufruf der IV. „Kommunistischen Internationale“ 1923 wurde von Seiten Russlands Hilfe beim Aufbau des Sozialismus gefordert. Die Idee wurde in der ganzen Slowakei diskutiert. Die größte Gruppe war der Ido14-Klub in Turčansky Svätý Martin. Dieser Klub erhielt eine Weisung der Hilfsorganisation Internationale Arbeiterhilfe der Komintern. Am 1. Mai 1923 gründeten Ido-Mitglieder Genossenschaften, die sie Interhelpo nannten.15 In einer Zweigstelle der Interhelpo in Marktfleck Trenčin schrieben sich Stefan und Pavlina ein. Moskau schrieb der Interhelpo, sie seien jederzeit in der Sowjetunion willkommen. Stefan und Pavlina kamen 1924 nach Kirgisien in die Stadt Pischpek (später Frunse / Bischkek). Die Kommune hatte ursprünglich das Ziel gehabt, dass sie als Gemeinschaft für eine bessere Welt ohne Bezahlung zu leben und arbeiten. Im Lauf der Jahre verlor die Kommune aus Trenčin, aufgrund Abwanderung in die sowjetischen Großstädte, Mitglieder.
Als Gomułka einundzwanzig wurde, trat er in die KPP ein und wurde gleich am 1. Mai 1926 zum ersten Mal inhaftiert. Es hieß, die polnische Polizei sei schon von Anfang an Gomułka interessiert gewesen.16 Jedoch wurde er 1926 von der Polizei nur überwacht und es gab etliche Hausdurchsuchungen. Er musste, ehe das Verfahren eingestellt wurde, einige Monate im Gefängnis bleiben. Ende des Jahres 1926 organisierte er Streiks. Sein erster Streik fand im Erdölgebiet Borysław statt. Im Jahr darauf übersiedelte er nach Warschau, wo er Sekretär der Chemiearbeiter-Gewerkschaft für den gesamten Bezirk Warschau wurde. In dieser Position soll Gomułka bei einer Rede die Arbeiter aufgefordert haben „den 10. Jahrestag der Oktoberrevolution zu feiern“ und auf „herzliche Beziehungen zwischen Polen und der Sowjetunion zu drängen.“17 Des Weiteren kritisierte er auch die Piłsudski-Regierung und bezeichnete diese als reaktionär.
Im Jänner 1928 kehrte er wieder in die Gegend von Krakau zurück und übernahm wieder die Position des Sekretärs der Chemiearbeiter-Gewerkschaft in Dąbrowa Gornicza. Durch diese Arbeit gehörte er dem örtlichen Komitee der Kommunistischen Partei in Zawiercie an. Die Gewerkschaft der Chemiearbeiter wurde sehr stark von der Linken beherrscht und geriet somit in Konflikt mit der Zentralkommission der Gewerkschaft (KCZZ), welche von der PPS beherrscht wurde.
Mit dem Staatsstreich Piłsudskis wendete sich die KCZZ von Kommunisten und extrem linken Gruppierungen ab. Dadurch wurde die Gewerkschaft der Chemiearbeiter 1928 aus dem Verband ausgeschlossen. Gomułka arbeitete in einem extrem Linken Flügel der PPS, obwohl er Mitglied der KPP war. Am Landeskongress der PPS-Linken (PPS-Lewica) wurde er in eine Fünfer-Kommission gewählt, welche ein Programm ausarbeiten sollte. Doch wurde die Arbeit nie aufgenommen bzw. ausgeführt, da sich die Führung der PPS-Linken im selben Jahr änderte. Am 21. Juli 1929 wurde Gomułka in das Zentralkomitee der PPS-Lewica gewählt.18
In Polen gab es in diesem Jahr ständig Unruhen und Streiks, an denen auch Gomułka beteiligt war. Gomułka war aktiv bei den Streiks dabei und hielt keine Reden vor den Arbeiterversammlungen oder in der Partei, deshalb stieg er sehr langsam in der KPP auf. Denn diese war zu jener Zeit stark von den Intellektuellen beherrscht.
Schon 1931 gehörte er auch dem Zentralen Gewerkschaftsbüro des ZK der KPP an. Im Jänner 1931 war er beteiligt an der Gründung der Linken Gewerkschaft (Lewica Związkowa). Man hoffte, man könne den führenden Gewerkschaften etwas entgegensetzen, doch hatte die neue Gewerkschaft 1933 nur 51 000 Mitglieder. Trotz alledem war sie die wichtigste von Kommunisten beherrschte Gewerkschaft. Innerhalb der Partei war aber der Gewerkschaftsposten kein wichtiger Posten. Unter Gomułkas Führung wurde der „Okkupationsstreik“ 19 als Waffe eingeführt.
Im Jahr 1932 wohnte Gomułka nicht mehr in der Nähe Krakaus, sondern in Łódź südwestlich von Warschau. Dort plante er für den 17. Juni einen Generalstreik. Dieser Aufstand scheiterte. Am 18. August versammelten sich vor der Stadt Kommunisten und Mitglieder der Linken Gewerkschaft. Rund 25 Personen sollen es gewesen sein. Einige dieser Personen wurden aber bis zum Konferenzort verfolgt und die Versammlung wurde gesprengt. Elf Teilnehmer wurden sofort festgenommen.20 Gomułka und Józef Krawiec wurden zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem er zwei Jahre abgesessen hatte wurde er aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Wo er nach der Haftstrafe war, ist nicht ganz geklärt. Die polnische Literatur verschweigt, dass Gomułka die Jahre 1934 und 1935 am Internationalen Lenin-Institut in der Sowjetunion verbrachte. Jedoch findet sich im Ergänzungsband der „Großen Sowjet-Enzyklopädie“ ein Vermerk über den Aufenthalt Gomułkas in der UdSSR. Auch das Osteuropa-Handbuch21 von 1959 vermerkt, dass er in der Sowjetunion war.22
Wenn eine Westdeutsche und eine Sowjetische Quelle in diesem Punkt übereinstimmen, kann man annehmen, dass er sich in der UdSSR aufhielt. Auf alle Fälle kehrte er 1935 nach Swietochowice ins polnische Schlesien zurück. Dort war er Regionalmitglied der KPP. Gemeinsam mit Jakubowski Figuła, bereitete er den Okkupations- und Hungerstreik der Bergarbeiter vor. Am 23. März 1936 riefen die Bergarbeiter von Chropaczowa diesen Streik aus.23 Dies war Gomułkas letzte Aktion vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Polizei verhaftete ihn, Figuła und sieben andere Anführer. Gomułka wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sein Vorgesetzter Figuła bekam nur vier Jahre. Dies lässt darauf schließen, dass er in der Organisation wichtiger war als sein Vorgesetzter.