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Ganz oben in der Liste der Themen, die zur Allgemeinbildung zählen, steht die deutsche Literatur, die Literatur aus dem Land der Dichter und Denker. Dieses Buch gibt Ihnen einen Überblick über die Gattungen Prosa, Lyrik und Drama und leitet Sie durch die Epochen. Minnesang, Aufklärung, Klassik, Romantik, Realismus und Naturalismus, klassische Moderne und zeitgenössische Literatur bleiben dabei nicht abstrakte Begriffe. Die Autoren geben Einblick in die Werke und erzählen vom Leben der Schriftsteller, deren Freundschaften und Feindschaften, deren Kampf um Anerkennung und deren Reaktion auf unbarmherzige Kritik. Und alle, die den ganz schnellen Überblick bekommen wollen, finden hier Listen mit zehn Schriftstellern, die man kennen sollte, zehn Schriftstellerinnen, die man kennen sollte, und mit zehn Schreibenden, die zu Unrecht vergessen wurden.
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Seitenzahl: 1051
Allgemeinbildung deutsche Literatur für Dummies
1902 Theodor Mommsen (1817–1903), gelobt als »Meister der historischen Darstellungskunst« und tatsächlich vor allem als Historiker aktiv mit seinem dreibändigen Hauptwerk Römische Geschichte
1908 Rudolf Eucken (1846–1926) als »Sucher nach der Wahrheit«, die der Philosoph – und Vater des bekannten Ökonomen Walter Eucken – mit Werken wie Die Methode der aristotelischen Forschung oder Der Wahrheitsgehalt der Religion unter Beweis stellte
1910 Paul Heyse (1830–1914) als »Lyriker, Dramatiker, Romanschriftsteller und Dichter weltberühmter Novellen« und vor allem vieler, könnte man hinzufügen, denn er war ungemein produktiv, was aber nicht viel dagegen half, heute weitgehend vergessen zu sein
1912 Gerhart Hauptmann (1862–1946) für seine »reiche, vielseitige, hervorragende Wirksamkeit auf dem Gebiet der dramatischen Dichtung«, eine Wirksamkeit, die sich in vielen Aufführungen seiner Dramen wie Die Ratten oder Vor Sonnenaufgang bis heute fortsetzt
1919 Carl Friedrich Georg Spitteler (1845–1924) als erster Schweizer »in Würdigung besonders seines machtvollen Epos ›Olympischer Frühling‹«. Faszinierend zu lesen bis heute ist eher sein Roman Imago, in dem es darum geht, wie viel Wirklichkeit unser Traum vom Leben eigentlich verträgt.
1929 Thomas Mann (1875–1955) »vornehmlich für seinen großen Roman Buddenbrooks«, der schon 1901 erschien. Der Schriftsteller selbst war darüber nicht entzückt, hielt er doch den Zauberberg von 1924 für bedeutender als sein Frühwerk.
1946 Hermann Hesse (1877–1962) für »seine Kühnheit und Tiefe und zugleich klassischen Humanitätsideale und hohen Stilwerte«, die der leidenschaftliche Pazifist in Romanen wie Siddhartha, Demian, Narziß und Goldmund, Der Steppenwolf oder Das Glasperlenspiel insbesondere der Jugend der (ganzen) Welt nahebrachte
1966 Nelly Sachs (1891–1970) für ihre »hervorragenden lyrischen und dramatischen Werke«, die, obwohl sie von den Nazis vertrieben wurde und längst schwedische Staatsbürgerin war, ihre Dankesrede auf Deutsch hielt
1972 Heinrich Böll (1917–1985) für »eine Dichtung, die durch ihre Verbindung von zeitgeschichtlichem Weitblick und liebevoller Gestaltungskraft erneuernd in der deutschen Literatur gewirkt hat« und dessen Humanitätsideal in seinen Werken heute so wichtig ist wie je
1981 Elias Canetti (1905–1994) für sein »schriftstellerisches Werk, geprägt von Weitblick, Ideenreichtum und künstlerischer Kraft«, eindrucksvoll nachzulesen in seinem Hauptwerk Masse und Macht oder in seinem autobiografischen Zyklus, den der erbitterte Verächter des Todes zu Lebzeiten nicht vollenden konnte
1999 Günter Grass (1927–2015), »weil er in munterschwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet hat«, auch wenn ihm erst spät sein wahres Gesicht in seiner persönlichen Geschichte aufleuchtete. Doch Die Blechtrommel, Der Butt oder Das Treffen in Telgte faszinieren nach wie vor.
2004 Elfriede Jelinek (geboren 1946) für ihr von »sprachlicher Leidenschaft« und dem »musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen« geprägtes Werk, das sowohl als Roman den heimischen Leser wie als Theaterstück den Besucher verstört, berührt oder zumindest nicht kaltlässt
2009 Herta Müller (geboren 1953), die »mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet« und vielen Lesern eine Welt nahegebracht hat – tief im Osten unter dem Banner des Kommunismus –, die wir bis dato kaum wahrgenommen hatten
»München leuchtete.« Thomas Mann: Gladius Dei
»Ich bin nicht Stiller!« Max Frisch: Stiller
»Ilsebill salzte nach.« Günter Grass: Der Butt
»Flieger waren über der Stadt, unheilkündende Vögel.« Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras
»Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.« Franz Kafka: Die Verwandlung
»So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier.« Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
»Wie komme ich hierher?« Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh
»Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Rußland lagernden Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen.« Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften
»Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand kippen.« Uwe Johnson: Jahrestage
»Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.« Wolfgang Herrndorf: Bilder deiner großen Liebe
Die Wahlverwandtschaften von Johann Wolfgang Goethe
Wie in einem chemischen Kräftespiel von Anziehung und Abstoßung, auf das schon der Titel Bezug nimmt, mischen sich die Verhältnisse von vier jungen Menschen neu, der adlige Eduard und seine Frau Charlotte, die sich endlich gefunden hatten und nun auf Eduards Landgut ihre Liebe lebten, sowie dem ehemaligen Hauptmann Otto, und Charlottes Nichte Ottilie, in die sich Eduard leidenschaftlich verliebt; schließlich aber stirbt ein Kind durch einen Unfall, Ottilie durch Entsagung, Eduard durch seine ungestillte Leidenschaft und es bleibt die Frage nach Wahl und Moral.
Der Zauberberg von Thomas Mann
Der junge Hamburger Hans Castorp reist ins Schweizer Hochgebirge, um seinen kranken Vetter Joachim Ziemßen drei Wochen im Lungensanatorium zu besuchen, führt dort mit Patienten und Ärzten politische und philosophische Debatten, verliebt sich unsterblich in die Russin Clawdia Chauchat, erkrankt selbst, um diesen magischen Ort nie mehr verlassen zu müssen, und zieht sieben Jahren später von dort in den Ersten Weltkrieg.
Der Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil
Ein Mann namens Ulrich, der viele Begabungen, aber keine Leidenschaften hat, nimmt sich Urlaub vom Leben, um sich neu zu orientieren, trifft nach dem Tod des Vaters seine Schwester Agathe wieder, der er sich tief verbunden fühlt, und beteiligt sich an den Vorbereitungen der sogenannten Parallelaktion anlässlich des 70. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph und des 30. Thronjubiläums des Deutschen Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1918, die wohl nie stattfinden wird – genau wie der Roman kein Ende findet.
Jahrestage von Uwe Johnson
Gesine Cresspahl, die Hauptfigur des Romans – und vielleicht auch des Lebens des Autors – flieht aus dem kommunistischen Nordosten der jungen Deutschen Demokratischen Republik nach New York, lebt dort in der Nähe des Central Park mit ihrer kleinen Tochter und führt sie »für wenn ich tot bin«, langsam und Tag für Tag im Jahre 1967 in die Vergangenheit ihrer Heimat, in Verstrickung und Widerstand gegen Diktatur und Terror, aber auch in das Leben und (unmögliche) Lieben im Jetzt ein.
Café Bräunerhof, Stallburggasse 2, 1010 Wien, www.braeunerhof.at
Das Stammlokal von Thomas Bernhard: In dem klassischen Wiener Kaffeehaus las sich der österreichische Schriftsteller durch das internationale Presseangebot und verbat sich jegliche Störung. Eine breite Zeitungsauswahl gibt es bis heute und Devotionalien erinnern an den berühmten Stammgast.
Cafe Luitpold, Brienner Straße 11, 80333 München, www.cafe-luitpold.de
Um 1900 verbrachte hier die Schwabinger Bohème rund um Franziska zu Reventlow viele Stunden. Man trank, diskutierte, schrieb, zeichnete. Ein Stammgast späterer Jahre war Erich Kästner, der ebenfalls gern im Kaffeehaus schrieb. Mit dem Salon Luitpold und Sonntagsmatineen führen die heutigen Betreiber ihre kulturelle Tradition fort.
Antico Caffè Greco, Via dei Condotti, 86, 00100 Roma, www.anticocaffegreco.eu
In dem 1760 eröffneten Künstlercafé verkehrten Maler, Dichter und Kreative aus aller Welt. Johann Wolfgang Goethe war während seiner Italienreise zu Gast und in Prinzessin Brambilla von E.T.A. Hoffmann nimmt dessen Held Celionati »mitten unter den teutschen Künstlern Platz«. Heute droht dem nahe der Spanischen Treppe gelegenen berühmten Café die Schließung.
Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt, Charlottenstraße 56, 10117 Berlin, www.l-w-berlin.de
Die 1811 am wohl schönsten Platz in Berlin eröffnete Weinhandlung Lutter & Wegner avancierte zum Stammlokal von E.T.A. Hoffmann und der Serapionsbrüder. Jacques Offenbachs Oper Hoffmanns Erzählungen spielt in dem Etablissement, Heinrich Heine, Ludwig Börne, Friedrich de La Motte Fouqué waren Gäste. Im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, wurde Lutter & Wegner nach der Wende in der nahe gelegenen Charlottenstraße wiedereröffnet. In einem Vorgängerbau hatte E.T.A. Hoffmann gewohnt.
Café de Flore, 172 Boulevard Saint-Germain, 75006 Paris, www.cafedeflore.fr
Deutsche Dichter lebten und arbeiten nicht nur in Deutschland – manche verließen freiwillig, viele notgedrungen ihre Heimat, auf Zeit oder für immer. Man traf sich auch im Ausland, in Rom, New York, Tel Aviv. Und im Pariser Café de Flore: Es existiert seit 1887 und wurde zum Zentrum französischer Literaten, Künstler und Intellektueller wie Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Pablo Picasso und Guillaume Apollinaire. Und die deutschen Dichter? Gut, hier saßen und diskutierten auch Joseph Roth, Stefan Zweig, Heinrich Mann, Alfred Döblin – wenn sie nicht im nahe gelegenen Café Les Deux Magots ihr Exil beweinten – und Hermann Kesten, der sie in seinem Buch Dichter im Café lebendig werden ließ.
Allgemeinbildung deutsche Literatur
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1. Auflage 2018
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Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverfoto: © Africa Studio/stock.adobe.comKorrektur: Frauke Wilkens, München
Print ISBN: 978-3-527-71218-2ePub ISBN: 978-3-527-69832-5
Der gebürtige Augsburger Ulrich Kirstein schloss ein Brotstudium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing mit dem Diplom und ein Herzensstudium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Geschichte mit dem Magister ab. Beide Abschlüsse gehören heutzutage in die Mottenkiste. Dafür bot ihm das erste Studium viel Zeit und das zweite erforderte viel Zeit zum Lesen – seiner Leidenschaft seit er vernünftig Buchstaben interpretieren konnte! Eine eindrucksvoll geradlinige Karriere wurde daraus nicht, dafür Stationen als Marketingassistent, Ausstellungskurator, Vernissagenredner, Katalogautor, Geschäftsführer einer Multimedia-Agentur – bevor es Multimedia wirklich gab –, Sachbuchautor (von Börsenbüchern!), Wirtschaftsredakteur, Pressesprecher, Hochschuldozent. Berufen ja, aber zu welchem Berufe? Heute lebt er in München, hat zwei Kinder und widmet sich seiner Leidenschaft, der Literatur, durch Lesen und Vorlesen.
Tina Rausch mochte Deutsch schon zu Schulzeiten am liebsten, alles andere lief so mit. Sie studierte Neuere Deutsche Literatur, Pädagogik und Sozialpsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und arbeitet seit ihrem Magisterabschluss als freie Redakteurin und Journalistin mit Schwerpunkt auf literarischen Themen sowie als Lektorin für Verlage und Unternehmen. Zudem konzipiert und leitet sie am Literaturhaus München und an der Internationalen Jugendbibliothek Schloss Blutenburg literarische (Schreib-)Workshops für Kinder und Jugendliche sowie Fortbildungen für Erwachsene. In ihrer Freizeit sitzt sie in Cafés und liest – oder überlegt sich zu Hause, welches der leider immer noch ungelesenen Bücher als Nächstes dran ist. Weit oben auf der Liste stehen Austerlitz von W. G. Sebald, Und ich schüttelte einen Liebling von Friederike Mayröcker, Das achte Leben (Für Brilka) von Nino Haratischwili und Die Gruppe 47 von Helmut Böttiger.
Cover
Titelseite
Impressum
Über die Autoren
Einführung
Über dieses Buch
Konventionen in diesem Buch
Was Sie nicht lesen müssen
Törichte Annahmen über den Leser
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Was (deutsche) Literatur ist
Kapitel 1: Lange Texte, Reime und Ähnliches: Literaturgattungen im Überblick
Quer durch die Zeiten
Erfunden oder gefunden – Stoff, Motiv und Symbol
Lang, kurz, gereimt und ungereimt – die Gattungen
Kapitel 2: Von der Idee zum Buch – Einsichten in den Literaturbetrieb
Wie aus der Idee ein Buch wird
Vermarktung beginnt mit Kritik
Leben um zu schreiben, schreiben um zu leben
Ohne Fleiß kein Preis
Museale Weihe und aktuelle Arbeit
Kapitel 3: Ganz prosaisch
Der Roman tat sich schwer
Das Epos als Urform des Romans
Quer durch die Epochen – die berühmtesten Romane
Von Schelmen und Schäfern – Barock
Insel der Seligen – die Aufklärung
Leiden am Jungsein – Sturm und Drang
Von der Bildung zum Bildungsroman – Klassik
Blaue Blume und wahnhafte Mordlust – die Romantik
Lauer Nachsommer – das Biedermeier
Mitten im Geschehen – Junges Deutschland und Vormärz
Echt und wahr – Realismus
Jahrhundertende und -wende: Fin de Siècle
Der Beginn der Moderne
Der einsame Mensch – Expressionismus
Trümmerliteratur – von Schwarzmarkt und Ruinen
Die 1960er-Jahre
Die (Wieder-)Entdeckung des Politischen – die 1970er-Jahre
Zurück in die Vergangenheit – die Postmoderne
Zeitgenossen haufenweise – die Gegenwart
Hauptsache kurz – Novelle oder Kurzgeschichte
Denken mit Sprache – Essays
Kapitel 4: Lyrik – oder von der wahren Poesie
Eintauchen in Begrifflichkeiten
Quer durch die Zeiten im Gedicht
Tränen und Gesang im Barock
Lehren und Belehren: Aufklärung und Empfindsamkeit
Stürmisch und populistisch
Von Glocken und Zauberlehrlingen
Romantische Weltsicht
Vom Biedermeier zum Realismus
Die klassische Moderne
Von Kriegen und danach
Das Ende der Genies
Kapitel 5: Die gespielte Literatur – das Drama
Schon die alten Griechen spielten gerne
Theater, Theater, die Welt des Barock
Empfindsam, nicht empfindlich
Ein Mann wie Lessing tut not – Drama der Aufklärung
Auf den Spuren von Shakespeare – Sturm und Drang
Kunst als Kunst
Schwarz und weiß: Die Romantik
Weder hü noch hott – Einzelgänger
Politik auf der Bühne
Die Sache mit der Wahrheit: Der Realismus
Ende oder Anfang: Die Moderne
Zweigeteiltes Theaterleben in Ost und West
Teil II: Von Minnesang bis Naturalismus
Kapitel 6: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung
Viel Latein und erste Lieder
Wenn Ritter leiden – Minnesang
Städte blühen auf
Humanismus und Reformation
Krieg und Ornamente – Barock
Es werde Licht – die Aufklärung
Kapitel 7: Klassik und mehr
Sturm und Drang
Weimar, Weimar, Weimar: Die Klassik
Schillerlocken und Goethewahn – Anmerkungen zur Rezeptionsgeschichte
Einzelgänger zwischen den Welten
Triviale Anmerkungen
Kapitel 8: Mehr als blaue Blumen – die Romantik
Gar nicht romantisch – der Begriff
Roman und Romantik
Romantikerinnen – Frauen in der Romantik
Die Spätromantiker
Die Vernachlässigten
Links – Jakobiner sind unromantisch
Kapitel 9: Alles wahr – Realismus und Naturalismus
Zwischen Restauration und Revolution
Umstritten und streitend – das Junge Deutschland
Die zweite Jahrhunderthälfte – im Zeichen des Realismus
Deutschland wird erwachsen – Gründerzeit
Ganz unten – der Naturalismus
Teil III: Von der klassischen Moderne zu unseren Zeitgenossen
Kapitel 10: Die Ismen des 20. Jahrhunderts
Impression, Jugendstil und Symbolismus
Neue Sachlichkeit und Weimarer Republik
Episch oder volksnah: Das Theater
Kapitel 11: Verbrannte und Verbannte – Dichter im Exil
Keine Erfindung der Nazis
Orte der Emigration
Die wichtigsten Werke der Emigration
Folgen der Emigration
Kapitel 12: Die Gegenwart in Ost und West
Die Stunde null: Dichten nach der Katastrophe
Hören statt sehen – das Hörspiel
Dominanz der Politik – die 1960er- und 1970er-Jahre
Arbeiter und Bauern – die DDR
Kapitel 13: Zeitgenossen, haufenweise
Die Postmoderne hält Einzug
Popkultur in der Literatur
Geballte Frauenpower
Weder Fräulein noch Wunder
Die neue deutsche Einheit
Von ferne so nah – interkulturelle Literatur
Teil IV: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 14: Zehn Romanformen – für jeden etwas
Sie liebt ihn, er liebt sie nicht – Liebesromane
Im Orbit – Science-Fiction und fantastischer Roman
Hände hoch – Krimi und Thriller
Wahre Helden – Kriegsromane
Nicht nur Cowboy und Indianer – der Abenteuerroman
Ritter, Räuber und Germanen – der historische Roman
Auf dem Dorfe – Kirchturmperspektive
Von Einhörnern und Feen – Fantasy
Zum Grausen schön – der Schauerroman
Unterm Ladentisch
Kapitel 15: Zehn Dichterinnen, die Sie gelesen haben sollten
Bettina von Arnim
Annette von Droste-Hülshoff
Marieluise Fleißer
Irmgard Keun
Anna Seghers
Christa Wolf
Ingeborg Bachmann
Elfriede Jelinek
Herta Müller
Ulla Hahn
Kapitel 16: Zehn Dichter, die Sie gelesen haben sollten
Gotthold Ephraim Lessing
Johann Wolfgang Goethe
Friedrich Schiller
Heinrich von Kleist
Theodor Fontane
Thomas Mann
Hermann Hesse
Heinrich Böll
Uwe Johnson
Thomas Bernhard
Kapitel 17: Diese zehn Schriftsteller wurden (von uns) zu Unrecht vergessen
Oskar Panizza
Friedrich Torberg
Hans Henny Jahnn
Hans Erich Nossack
Albert Vigoleis Thelen
Hermann Lenz
Ricarda Huch
Nelly Sachs
Hilde Domin
Friederike Mayröcker
Kapitel 18: Zehn Websites zur Orientierung
Perlentaucher.de
Zehn Seiten
Literaturcafé
Fixpoetry
Poetenladen
Literaturport
Literaturportal Bayern
Deutsche Nationalbibliothek
Projekt Gutenberg-DE
krimi-couch.de
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Kapitel 3
Tabelle 3.1: Die wichtigsten Romane in ihrer Epoche
Kapitel 6
Tabelle 6.1: Ritterliche Tugenden
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Inhaltsverzeichnis
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Ein Buch über Bücher zu schreiben, über Literatur, ist so anspruchsvoll wie hoffnungslos, hat man auch nur einen Hauch von Vollständigkeit im Blick. Zu viele Autoren, Dichter, Lyriker, Dramatiker männlichen wie weiblichen Geschlechts begleiten uns durch die Jahrhunderte, als dass wir hier auch nur annäherungsweise alle erwähnen könnten. Sollten wir es doch versuchen, würden wir uns umgehend den Vorwurf des »Namedroppings« einheimsen, dabei wollten wir doch nur Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sich auf die großen Leitplanken der Literatur ausrichten, ohne dabei das Leben einzelner, wichtiger, exemplarischer oder auch abseitiger Schriftsteller aus dem Auge zu verlieren – wie soll das gelingen? Wolf von Niebelschütz, er zählt zu den heute eher vergessenen Autoren, hat dieses Problem präzise beschrieben und einen Weg aus dem Dilemma aufgezeichnet. Man solle sich durch den Urwald der Möglichkeiten mit ihrer phantastisch wuchernden Vegetation Schneisen schlagen. Am besten sternförmig, wie in barocken Gärten. Das erlaubt mehr Übersicht, Muße zur Betrachtung und Mut zur Einfachheit. Ob uns, was Niebelschütz da leicht umreißt, auch gelingt, mögen unsere Leser entscheiden. Eine entscheidende Schneise war die Beschränkung auf deutsche Literatur beziehungsweise – womit die Schneise gleich wieder breiter wird – auf deutschsprachige Literatur. Denn es ging uns nicht um nationale Grenzziehungen, die auch noch im Laufe der Jahrhunderte wechselvolle Geschichte schrieben, sondern um die deutsche Sprache. Deshalb gehören selbstverständlich auch Österreich und die Schweiz dazu, aber auch alle Gegenden, in denen deutsch gesprochen oder zumindest noch geschrieben wird. Dass nicht unbedingt in Deutschland geboren sein muss, wer diese Sprache virtuos beherrscht, beweisen zudem die vielen zugewanderten Autoren, die seit Langem hier leben und längst wesentlicher Bestandteil unserer Literatur sind. Und, das sei den Lesern auch und gerade in dieses Buch geschrieben: »Vieles Lesen macht stolz und pedantisch; viel sehen macht weise, verträglich und nützlich«, so der Meister des Aphorismus Georg Christoph Lichtenberg.
Warum heute noch lesen? Die Zeiten sind schnelllebig, soziale Netzwerke geben uns auf unseren Smartphones so viele Informationen und so viel Klatsch, dass es für den ganzen Tag reicht. Abends noch ein Buch lesen, vielleicht, aber welches denn und von wem? Das Jammern, dass die junge Generation nicht mehr liest, ist wahrscheinlich so alt wie das Buch oder zumindest der Buchdruck. Zu vielfältig waren und sind die Ablenkungen seit jeher. Doch ein Blick in gut gefüllte Buchhandlungen und die vielen Kommentare begeisterter oder frustrierter Leser auf diversen Internetportalen sowie die eifrig publizierenden Blogger beweisen das Gegenteil: Die Freude am Buch, am Lesefutter, ist ungebrochen. Doch woran sich halten, gibt es einen Kanon dessen, was man gelesen haben muss? Nein, gibt es nicht, so viel sei gleich verraten, und auch wir wollen keinen neuen bieten. Manch einer hat versucht, einen solchen Kanon des unbedingt zu Lesenden zusammenzustellen – Germanistikprofessoren zum Beispiel für ihre Studenten oder Großkritiker für den Normalleser –, aber die Mehrzahl von Kanon ist nicht Kanonen, die letzten Endes auf Spatzen schießen, wenn sie versuchen, Allgemeingültigkeit vorzustellen.
Wir wollen mit diesem Buch nichts weniger, als einen Kurzführer durch die deutsche Literatur geben. Einen Einstieg, eine Tür weisen; hindurchgehen, also lesen dürfen Sie dann selbst. Sie müssen nicht Autor für Autor und Epoche für Epoche abarbeiten – es sei denn, Sie stehen vor einer Prüfung in Literatur –, sondern können sich die Zeiten, Genres, Gattungen, Autoren herauspicken, die Sie besonders faszinieren. Wenn es uns gelungen ist, dass Sie hier neue interessante Autoren entdecken oder bereits gelesene besser einordnen können, sind wir schon glücklich.
Zuletzt noch eine Anmerkung in eigener Sache: Wie schreibt man eigentlich gemeinsam ein Buch? Denn darauf sei hingewiesen, wenn hier von »wir« die Rede ist, meinen wir nicht den »Pluralis Majestatis« – dazu sind wir viel zu bescheiden –, sondern tragen der Tatsache Rechnung, dass wir zu zweit waren. Haben wir uns die Kapitel brüderlich und schwesterlich geteilt, 50 zu 50? Jein, so viel sei verraten. Vielmehr hat vor allem einer geschrieben, eine hier und dort ergänzt und sich das alles dann mit kritischem Auge, großer Kennerschaft und vielen Nachfragen zu Herzen genommen. Da wurde um manchen Autor und manche Autorin gerungen: Kommt sie rein, und wie viel Platz steht ihr zu. Ist das gerecht, dass Autor X gleich drei Seiten erhält und Autorin Y dafür mit einem Nebensatz abgespeist wird? Nein, also zurück und auf ein Neues. Alles in allem ein Prozess und – wie in der Politik auch – stets mit Kompromissen verbunden – zum Wohle nicht der Wähler, dafür unserer Leser, wie wir hoffen.
Allgemeinbildung deutsche Literatur für Dummies ist kein wissenschaftliches Buch und erhebt auch nicht den Anspruch, eines zu sein. Wir sind keine akademisch lehrenden Literaturwissenschaftler, sondern eher Praktiker und vor allem Leser! Insofern ist Allgemeinbildung deutsche Literatur für Dummies das Werk von Dilettanten im besten Sinne. Die ursprüngliche Wortbedeutung des Dilettanten leitet sich vom lateinischen »delectare«, erfreuen, ab, und somit ist ein Liebhaber gemeint, der ein Fachgebiet weniger von Berufs wegen als vielmehr aus Leidenschaft und Interesse durchdringt. So sind wir also vor allem Liebhaber der Literatur, die diese Liebe gerne weitergeben möchten. Fußnoten, abstrakte Definitionen und sprachwissenschaftliche Spezialanalysen suchen Sie daher vergeblich. Dafür soll Ihnen unser Buch Anregungen geben, selbst weiterzulesen, neue Autoren zu entdecken, sich zu informieren, auf dem Laufenden zu halten – und Spaß an der Literatur zu haben. Wir wollen keinen allgemeingültigen Bildungskanon vorsetzen, das sagten wir schon, der dann freudlos und mühevoll abgearbeitet werden muss. Wenn Sie finden, dass Renaissanceliteratur vielleicht spannend sein kann, Sie aber nicht weiter interessiert, ist das vollkommen in Ordnung! Blättern Sie einfach weiter (schade ist es aber doch!).
Wir sind vor allem Leser. Als solche finden wir treff- und zielsicher alle Fehler – bei anderen! Insofern entschuldigen wir uns gleich im Vorhinein und ausdrücklich für alle Rechtschreib- und Datierungsfehler, die uns unterlaufen sein mögen, trotz aller Überprüfungsschleifen und der fleißigen Arbeit unserer Lektorin und der Fachkorrektoren. Verzeihen Sie also falsche Vornamen (Wolfgang Michael Goethe) oder Schreibweisen (Thomas Man), merkwürdig junge oder jung gebliebene Autoren (1799–1801 oder 1634–1814)! Statt »Böse« schrieben wir, das mag ein gewisser beruflicher Hintergrund mit sich gebracht haben, schon mal »Börse«, und aus Stasi-Akten wurden -Aktien – deren Kursentwicklung wahrscheinlich unter null gerutscht sein dürfte. Wir sind dankbar für jeden Hinweis, den Sie uns zukommen lassen, und schielen dabei auf eine zweite Auflage, in der dann alles besser wird!
Jetzt noch ein paar Informationen, für solche Leser, die schon im Voraus alles genau wissen wollen (soll es ja geben):
Wenn wir ein Theaterstück, einen Roman, ein Gedicht oder einen anderen Titel, zum Beispiel einer Zeitschrift, anführen, schreiben wir das Wort
kursiv
.
Wenn wir einen Autor erstmals nennen oder näher beschreiben, ist der Name
fett gedruckt
.
E-Mail- und Webadressen erkennen Sie daran, dass sie in einer
besonderen Schrift
gedruckt sind. So wissen Sie stets genau, was Sie tippen müssen.
Wenn wir von Dichter, Autor, Leser oder Kritiker schreiben, dann meinen wir selbstverständlich immer auch Dichterin, Autorin, Leserin oder Kritikerin. Papier ist zwar geduldig, aber auch teuer und wertvoll, allein deshalb haben wir diese platzsparende, leider keineswegs genderfreundliche Variante gewählt.
Als Autoren haben wir uns große Mühe gegeben, Spannendes, Seltsames, Seltenes, Merk- und Denkwürdiges zusammenzutragen. Wir finden alles spannend – auch wenn uns der eine oder andere Autor vielleicht aus dem einen oder anderen Grund besonders am Herzen liegt. Aber … für Dummies-Bücher sind so aufgebaut, dass Sie auf einen Blick sehen, was Sie überlesen könn(t)en, ohne dass der Zusammenhang verloren geht. Außerdem ist jedes Kapitel für sich abgeschlossen, sodass Sie es einzeln lesen können. Das mag auf einmal eine Wiederholung beinhalten – da appellieren wir einfach an Ihre Vergesslichkeit. Und es bringt für die Leser, die das Buch komplett in einem Zug (gerne auch im Flugzeug) lesen, den Vorteil, dass der Stoff auch wirklich sitzt.
Wenn Sie einen Kasten in diesem Buch finden, können Sie als eiliger und aufs Wesentliche konzentrierter Leser darüber hinwegsehen und -lesen, denn hier werden vor allem historische Anekdoten oder auch Details vorgestellt, manchmal auch schlicht Inhaltsangaben von besprochenen Büchern, die nicht unbedingt nötig sind, um der dargestellten Gattung oder Epoche folgen zu können. Umgekehrt können Sie sich, wenn Sie sich besonders für Details interessieren, auf ebendiese Kästen stürzen!
Diese Annahmen stellen wir nur auf, weil uns das Wort »töricht« so gut gefällt – in der heutigen, von Social-Media-Auswüchsen gezeichneten Zeit werden ja gerne sehr viel deftigere Begriffe angewandt. Wie aber sieht der Leser aus, den wir uns vorstellen? Wann und warum braucht er genau dieses Buch?
Wenn Sie wieder einmal im Buchladen stehen und der freundlichen Buchhändlerin lauschen, aber die meisten Namen, die sie herunterrasselt, noch nie gehört haben – und Sie das nervt.
Wenn Sie immer noch in diesem Buchladen stehen und sich den Hals verrenken, um die Buchrücken zu entziffern, weil sich die Buchhändlerin längst zurückgezogen hat, um Notizbücher, Kalender oder Radiergummis in Buchform zu verkaufen, und sich einfach nicht entscheiden können, was Sie für sich kaufen sollen. Oder für Ihre Freundin. Ihren Freund. Ihre Mutter …
Wenn Sie alle drei Teile von »Fack ju Göhte« gesehen haben und sich überlegen, ob Sie nicht mehr über Johann Wolfgang Goethe oder auch Max Frisch erfahren könnten, was diese wirklich geschrieben haben zum Beispiel.
Wenn Sie mit einem Bekannten darüber gestritten haben, ob Wilhelm Tell jetzt von Friedrich Schiller oder Heinrich von Kleist stammt, und Sie die richtige Antwort zwar gegoogelt haben, dabei aber feststellten, dass Sie über Kleist noch weniger wissen als über Schiller.
Wenn Sie ultimativ Ihren Deutschlehrer davon überzeugen wollen, mehrere Regalmeter Belleristik gelesen zu haben, dort aber vor allem Asterix-Hefte und Donald-Duck-Bücher stehen (die auch ihren Reiz haben, leider aber nicht zur deutschen Literatur zählen).
Wenn Ihr Kind Sie fragt, wer Thomas Mann war und ob es lohnt,
Tod in Venedig
in der Schule lesen zu müssen.
Wenn Sie sich für Small Talk mit Vorgesetzten oder Kollegen wappnen wollen, die immer furchtbar mit ihrer Allgemeinbildung angeben, und Sie endlich auftrumpfen wollen.
Wenn Sie gerne auf unterhaltsame Weise mehr über deutsche Literatur erfahren möchten.
Warum soll man sich mit Literaturgeschichte auseinandersetzen? Was bringt das? Ist es nicht viel sinnvoller, sich direkt die großen (und kleinen) Werke der Literatur vorzunehmen? Sagen wir so: Das eine ersetzt nicht das andere und will es auch gar nicht. Wir wollen mit diesem Buch einen Leitfaden geben, eine Orientierungskarte der manchmal etwas unübersichtlichen literarischen Landschaft. Sie müssen keinesfalls jeden der von uns genannten Autoren im Original lesen – das bleibt Ihnen überlassen. Wir freuen uns über jeden Autor, den Sie bei uns entdecken, und wenn Sie Lust bekommen, von ihm und nicht über ihn zu lesen, ist das ganz in unserem Sinne. Aber Literaturgeschichte gehört zur Allgemeinbildung und seien wir ehrlich – so wahnsinnig viel ist aus dem Deutschunterricht oft nicht hängen geblieben. Da wanderten die Gedanken oftmals zum Fenster hinaus, statt festgefügt in der Erden sich mit Schillers Glocke zu befassen.
Was ist Literatur? Weder Telefonbuch noch Gesetzestext, das erschließt sich jedem sofort, vielleicht mit Ausnahme leidenschaftlicher Juristen und überzeugter Telekomspezialisten. Aber wie steht es mit Songs von Liedermachern oder Werbetexten? Das erste Kapitel versucht sich an einer Erklärung, was unter Literatur zu verstehen ist, über die dann in den folgenden Kapiteln geschrieben wird. Und, fast noch schwieriger, geht der Frage nach, was deutsch ist – denn es soll ja um deutsche Literaturgeschichte gehen. Nun ist es ja schön, dass wir uns auf deutsche Texte konzentrieren und erklären, was davon Literatur ist, aber wie wird denn aus dieser doch sehr theoretischen Literatur dann ganz praktisch ein Buch? Und wie kommt das Buch in den Laden, was macht ein Verlag und wie findet ein unbekannter Autor überhaupt jemanden, der sein Buch druckt? Auch das beschäftigt uns im ersten Teil des Buches.
Kurz angeschnitten wird im ersten Kapitel, dass die hohe Literatur sich in drei Bereiche, die sogenannten Gattungen, unterteilt. Das mag ein wenig altmodisch sein, aber wir richten ja den Blick in die Vergangenheit. In Kapitel 3, 4 und 5 können Sie im Sauseschritt durch die Gattungen Prosa – mit dem Roman im Zentrum des Geschehens –, Lyrik und Drama eilen. Hier konzentrieren wir uns auf die Werke und den historischen Zusammenhang, weniger auf die Autoren!
Jetzt geht es los, quer durch die Gezeiten. In den Kapiteln 6 bis 9 geht es um einen chronologischen Abriss der Literatur von den armen singenden Rittern bis zum Realismus und Naturalismus. Kurze Seitenblicke auf die allgemeine Geschichte seien erlaubt, vordringlich stellen wir hier jedoch Autoren und ihre Werke vor. In Abschnitte unterteilt reisen wir in Kapitel 6 von der Zeit des Minnesangs und Nibelungenlieds bis zur Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts. Kapitel 7 behandelt dann die Weimarer Klassik sowie die kurze Epoche des Sturm und Drang und einige Einzelgänger, die sich so recht in keine Epoche pressen lassen wollen. Kapitel 8 führt uns in die Romantik, und Kapitel 9 stellt uns das 19. Jahrhundert vom Biedermeier über das Junge Deutschland bis zum Naturalismus vor.
Die Kapitel 10 bis 13 weisen uns den Weg durch das 20. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Die Ismen vor dem Ersten Weltkrieg, die spannende Weimarer Republik, das Exil, in das viele Schriftsteller durch den Nationalsozialismus getrieben wurden, und die Nachkriegs- und Trümmerliteratur beschäftigen uns hier. Auch die politisch aufgeladenen 1968er-Jahre kommen nicht zu kurz und die neue Innerlichkeit der Folgejahrzehnte, die konsequente Teilung in Ost und West bis hin zur Nachwendezeit unserer unmittelbaren Zeitgenossen.
Der Top-Ten-Teil zeigt Ihnen zehn Romangattungen auf, die für jeden Geschmack, von Sex und Crime bis Fantasy und Historie, etwas zu bieten haben. Dann noch einmal, etwas launisch und auf einen Blick, welche Dichterinnen und Dichter Sie auf jeden Fall kennen sollten und warum. Und dann noch etwas gegen unser schlechtes Gewissen: zehn Autoren, die wir vergessen haben und die teils auch weitestgehend vergessen sind. Und, selbstverständlich, unser Kniefall vor dem Internet, wichtige Websites für alle Literaturenthusiasten.
Die Symbole sollen Ihnen auf einen Blick sagen: Hallo, hier gibt es einen interessanten Tipp, dieses ist ziemlich trocken, aber vielleicht hin und wieder wichtig, und jenes nicht wirklich wichtig, aber ganz nett zu wissen.
Dieses Symbol steht für zusätzliche Informationen, interessante Websites, oftmals auch Orte und Museen, in denen es mehr über den erwähnten Dichter oder die Dichterin zu erfahren gibt. Manches Mal sind es auch gut geschriebene Biografien oder Romane über die Autoren, die wir hier für Sie nennen, als eine kleine Empfehlung zum Lesen.
Manches müssen wir nicht selbst genauer erläutern, weil es eine offizielle Erklärung gibt – eine allgemein anerkannte Definition. Nicht immer helfen diese wirklich weiter, weil oftmals auf Prägnanz und Relevanz mehr Wert gelegt wurde als auf Verständlichkeit, deshalb kann sie überfliegen, wer mag. Wir haben uns da auch stark zurückgehalten, denn seien wir ehrlich: Nichts kann man sich schlechter merken als Definitionen!
Literatur ist viel mehr als nur die zwischen Buchdeckel gepressten Texte, auch wenn es um diese vordringlich geht in dieser Literaturgeschichte. Lebendig wird es durch allzu menschliches Zwischenmenschliches oder, so ein bekanntes Buch, Genies ganz privat. Nicht zuletzt sind auch Dichter oftmals streitbare Geister und streiten vor allem mit ihresgleichen – auch das war uns oftmals ein solches »Flüster«-Symbol wert.
Mithilfe von Beispielen lernt es sich ja bekanntlich am besten. Sie sollen aber Spaß am Lesen und an Literatur vermittelt bekommen, nicht Gelerntes wiederholen. Deshalb haben wir dieses Symbol eher seltener eingesetzt, außer zum Beispiel wenn wir ein Beispiel für eine bestimmte Gattung oder ein Genre geben.
Wenn wir uns selbst ausreichend mit Definitionen, Schreibweisen oder zeitlichen Abläufen verwirrt haben, versuchen wir, mit diesem Symbol zumindest in unseren Köpfen wieder einigermaßen Ordnung zu schaffen.
Sie erinnern sich, wir sind Dilettanten, begeistern uns also für Literatur. Das machte sich leider schnell mit einer rasch wachsenden Seitenzahl bemerkbar – dann ging es erbarmungslos ans Kürzen. Trotzdem ist es ziemlich dick geworden, das Buch (wir beinahe auch, das Schreiben ist keine so sportliche Tätigkeit). Schön finden wir es, wenn Sie das Buch trotzdem von vorn bis hinten lesen. Zum schnellen Zurechtfinden gibt es ein außerordentlich ausführliches Inhaltsverzeichnis und ein mit wunden Fingern erstelltes Register. So können Sie punktgenau den Autor finden, der Sie gerade interessiert.
Jetzt bleibt uns nur noch, Ihnen viel Spaß beim Lesen zu wünschen – und viel Erfolg bei der Auswahl Ihrer nächsten Lektüre!
Teil I
IN DIESEM TEIL …
… zeichnen wir die Historie der Literatur über die Jahrhunderte hinweg nach. So vereinzelt Schriftsteller und Dichter auch sind, wenn sie in ihrem stillen Kämmerlein an ihren Texten feilen, so gibt es doch Strömungen, Stile, Epochen, die Gemeinsames haben. Und nicht nur die Art und Weise des Schreibens hat sich über die Jahrhunderte geändert, verändert hat sich auch die Form des Schreibens. Kaum noch taucht jemand einen Gänsekiel in Tusche und ritzt auf Pergament, vielmehr klopfen wir unsere Texte in den PC. Wie wird aus so einem Computertext aber ein Buch, das wir kaufen können, egal ob auf Papier gedruckt oder in elektronischer Form? Im Wesentlichen unterscheiden wir bis heute dreierlei Arten von Literatur: Sie kann in extremer Kurzform Eindrücke des Dichters wiedergeben, gerne auch gereimt – Lyrik. Es können aber auch Geschichten erzählt werden, lustig, traurig, schaurig, in der Vergangenheit, Gegenwart oder auch fernen Zukunft spielend – die Epik mit Romanen, Erzählungen, Novellen und vielen anderen Textformen. Und drittens kann Literatur auch vorgespielt werden, relativ neu im Medium Film, schon sehr lange auf Theaterbühnen – das Drama als Tragödie oder Komödie.
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Quer durch die Zeiten
Was, wann und warum wer schreibt
Wie das Buch zum Leser kommt
Wer vom Buch noch so lebt
Literatur, was ist das eigentlich? Nicht alles, was wir lesen wollen oder müssen, zählt zur Literatur. Das wird uns spätestens beim Lesen unserer Einkommensteuererklärung klar: Nein, da war kein Dichter am Werk. Aber was ist dann Literatur, wie kann man sie gegen Texte wie Kochrezepte oder Bauanleitungen abgrenzen? Ist ein Bericht über einen Verkehrsunfall, eine Reportage über ein fernes Land, das Protokoll einer Vereinssitzung oder eine Kritik im Feuilleton einer Zeitung auch noch oder noch keine Literatur? Und, nicht zuletzt, muss Literatur überhaupt aufgeschrieben sein, was ist mit Hörspielen und Filmen, mündlichen Erzählungen und Liedern?
Nähern wir uns der Literatur einmal vorsichtig von mehreren Seiten. Offensichtlich empfinden wir unsere Steuererklärung nicht als Literatur. Denn zum Wesenskern von Literatur gehört, dass sie »fiktional« ist – auch wenn einige Finanzbeamte vielleicht den Eindruck haben, die abgegebenen Formulare seien ziemlich »fiktional« ausgefüllt. Literatur kann selbstverständlich trotzdem »wahr« sein und über tatsächlich Geschehenes »be- und unterrichten«, aber Literatur ist nie einfach nur abbildend, nicht einmal zur Zeit des Naturalismus, der sich genau das zum Ziel setzte. Literatur spiegelt das Wollen des Autors wider. Noch öfter sein Müssen, denn es liegt im Wesen der Kunstschaffenden, also auch der Literaten, dass Künstler mehr getrieben werden von ihrem inneren Kunstdrang, als dass sie treiben.
Literaturgeschichte – Literaturwissenschaft – Linguistik – Germanistik sind die wesentlichen Begriffe, die sich rund um die wissenschaftliche und historische Beschäftigung mit Texten ranken. Die Abgrenzungen sind fließend und meist rein akademisch. So wird unter Germanistik meist die Universitätsdisziplin verstanden, die Bezeichnung für Lehrstühle und Studiengänge, die sich mit der deutschen Literatur befassen. Sie gehört zu den Geisteswissenschaften, auch wenn man beim Lesen so mancher germanistischen Dissertation das kaum glauben mag. Die Germanistik setzt sich aus den drei Teilen Linguistik, Neuere Deutsche Literatur und Germanistische Mediävistik, also den Schriften des Mittelalters, zusammen. Die Literaturwissenschaft forscht nach Gattungen, Formen, Stoffen und Motiven, vor allem aber historisch nach Autoren, Werken und Epochen. Etwas abgegrenzt ist die Linguistik oder Sprachwissenschaft, die sich mit der Sprache an sich befasst. Die Entstehung, Herkunft und Entwicklung von Wörtern interessiert sie genauso wie etwa der Vergleich von Sprachen, die grammatische Struktur oder die Wortbedeutung. Eine spannende Tätigkeit von Linguisten heutzutage ist zum Beispiel das Erfinden von Sprachen für den Film oder Computerspiele – wie könnten die Klingonen sprechen oder wie hat Ötzi kommuniziert, wären dabei Fragestellungen von Linguisten.
Ab wann gibt es überhaupt eine »Deutsche Literatur«, über die es lohnt, eine »Geschichte« zu schreiben? Das Land, das wir heute als Deutschland kennen, existiert in dieser Form schließlich noch nicht sehr lange, und deutsch gesprochen wird heute auch in unseren Nachbarländern Schweiz, Österreich und in Italien (Südtirol). Ehemals gab es aber auch bedeutende deutsche Sprachinseln etwa in Prag, im heutigen Polen oder in Rumänien. Seit der ersten Besiedlung Mitteleuropas vor etwa 40.000 Jahren, nach neuesten Funden sogar über 43.000 Jahren, durch den Homo sapiens zogen über die Jahrhunderte immer neue Völker in und durch das Land, das wir heute Deutschland nennen, siedelten sich an, wurden besiegt und geschlagen und vom nächsten Stamm eher aufgesogen als vernichtet. Steinzeitmenschen wie Linienband- oder Trichterbecherkeramiker, Kelten, Römer, Germanen, Sachsen, Bajuwaren, der Zustrom ebbte selten ab, und Wikinger, Hunnen und selbst muslimische Krieger sorgten für stetige Abwechslung und immer neue »Flüchtlinge«. Aber seit wann wird deutsch nicht nur gesprochen, sondern auch geschrieben – und was ist dieses Deutsch eigentlich?
Das Wort Deutsch leitet sich, so eine Meinung von Sprachwissenschaftlern, aus dem germanischen Wort Theudo für Volk ab. Es bedeutete also so etwas wie »zum eigenen Volk gehörig«, im Gegensatz zu Fremden, die als »Welsche« bezeichnet wurden. Später konnte der Ausdruck deutsch aber auch für »deutlich«, »klar« stehen und so heißt es in den Räubern von Friedrich Schiller kurz und bündig: »Wo will das hinaus – rede deutscher!« – ein Ausspruch, der einem in Zeiten von Denglisch ebenfalls aus tiefster Seele käme.
Zum Volk zählte, wer die gleiche Sprache sprach, mit dem man sich also leicht verständigen konnte, und zwar ausdrücklich nicht oder zumindest nicht nur in Latein. Deshalb bezog sich das Wort Deutsch lediglich auf das Sprachliche. Als Adjektiv im Sinne von »deutscher Schäferhund« oder »deutscher Spargel« war es noch nicht zu gebrauchen – Unterhaltungen mit Schäferhund und Spargel waren schon damals eher selten.
Das vielbändige Kindlers Literatur Lexikon von 1982 beginnt im ersten Band mit einer Vielzahl von Essays zu einzelnen Literaturen, von altorientalisch bis neoafrikanisch. Im Essay zur Deutschen Literatur heißt es im ersten Satz: »Die deutsche Literatur ist, wie die deutsche Geschichte, als ganze mehr ein Problem denn eine feste Größe.« Aber der Autor Hugo Kuhn hält dann doch einen Trost bereit für alle, die sich mit dieser Literatur oder eben dem Problem beschäftigen wollen: »Doch wer auf individuelle Synthesen und auf verborgene Qualitäten hören will, kommt auf seine Kosten.« Zehn Jahre später erschien Kindlers Neues Literatur Lexikon, verbannte die Essays in den letzten und jetzt 20. (!) Band und nannte ihn jetzt richtig Die deutschsprachige Literatur.
Eine Sprache geht mit der Zeit, entwickelt sich weiter, das ist uns allen bewusst – spätestens wenn wir mit Jugendlichen reden. In jeder neuen Auflage des Duden, des Standardwerks zur deutschen Sprache, werden immer neue Wörter und Redewendungen aufgenommen. Fremde Sprachen, von Latein über Italienisch, Französisch oder Arabisch und heute vor allem Englisch, spielen genauso hinein wie Ausdrücke aus der Jugendsprache oder bestimmter Fachgebiete, vordringlich aus der Welt der Technik. Produktnamen werden zu Gattungsbegriffen, von Tesafilm bis iPhone. Schon die Sprache der 1950er-Jahre unterschied sich in vielen Aspekten von unserer heutigen Ausdrucksweise. Auf der einen Seite kommen neue Wörter hinzu, auf der anderen Seite sind mehr und mehr Begriffe dem Untergang geweiht. Wer spricht heute noch vom »Junggesellen«, »Bauernfänger« oder »Herrenzimmer«?
Ein Verwandter aus Amerika, dessen Mutter in den 1950er-Jahren dorthin ausgewandert war und ihrem Sohn Deutsch beigebracht hatte, rief beispielsweise als Ausdruck tiefster Bestürzung »Gute Güte« – das würde ihm ein hierzulande aufgewachsener Jüngling heutzutage kaum gleichtun.
In der Literaturgeschichte werden zwei Epochen genannt, die unserem mehr oder weniger bis heute gebräuchlichem Deutsch vorangehen. Wobei die Übergänge fließend und nicht auf das Jahr oder auch nur Jahrzehnt genau zu benennen sind. In vielen Dialekten etwa haben sich wesentlich ältere Sprech- und Schreibweisen erhalten.
Die älteste Periode wird als die »althochdeutsche« bezeichnet und setzt etwa 750 nach Christus mit ersten längeren, auf Deutsch und mit lateinischen Buchstaben, den littera, geschriebenen Texten ein. Wer sich lieber Namen als Jahreszahlen merken will, diese Art von Literatur beginnt in etwa zur Zeit von Karl dem Großen. In Gebrauch war das Deutsche aber bereits bedeutend früher, wie noch viele Ortsnamen belegen, deren althochdeutscher Begriff oftmals in lateinischen Quellen verwendet wurde.
Die deutsche Literatur beginnt nicht sehr spektakulär mit »Glossen« – damals tatsächlich einfach Randbemerkungen in lateinischen Texten, jedoch nicht nur an den Rand, sondern oft mitten in den Text gekritzelt. Denn die Schriftsprache war nach wie vor das Lateinische. Auf Deutsch erhalten haben sich hingegen kurze Sprüche und Gebete. Geschichten, Gedichte oder gar Romane sind allerdings noch Fehlanzeige.
Ende des 8. Jahrhunderts entstand bereits ein erstes Wörterbuch vom Lateinischen ins Althochdeutsche, es bestand offensichtlich Bedarf an Übersetzungen. Benannt wurde es nach dem ersten Stichwort »abrogans«, das damals mit »dheomodi« übersetzt wurde – der heutige Lateinlehrer würde es mit »demütig« übersetzen. Das Abrogans gilt als ältestes deutsches Buch.
Als erste Schriftzeichen wurden in unserem Sprachraum Runen verwendet, die sich offensichtlich als nicht besonders praktisch erwiesen, weshalb man für das Althochdeutsche auf das Alphabet zurückgriff. Aufgezeichnet wurde ausschließlich in Klöstern, denn nur Kleriker konnten lesen und schreiben, deshalb existieren auch fast nur religiöse Texte. Gleiches gilt übrigens für die bildende Kunst – auch hier gibt es im 8. Jahrhundert noch keine profanen Werke. Jedes Kloster hatte seinen eigenen Stil, seine eigene Rechtschreibung und seine eigene Grammatik, was es den Spezialisten, den Mediävisten, erleichtert, Texte wenn schon nicht Autoren so doch wenigstens Klöstern und Regionen zuzuweisen. Eine einheitliche Norm des Schreibens existierte noch nicht, das erzählen Sie lieber keinen Schülern.!
Eine allgemeingültige Norm der Rechtschreibung für das Deutsche wurde erst relativ spät festgelegt, nämlich auf der »2. Orthographischen Konferenz« im Juni 1901 in Berlin. Die Grundlage dafür bot der sogenannte Urduden, das erste Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache von Konrad Duden aus dem Jahre 1880. Da wir treu sind, gilt der Duden bis heute – allerdings ist dieser »lernfähig« und ändert von Auflage zu Auflage gerne mal seine Ansicht: Plötzlich ist falsch, was lange als richtig galt. Offiziell zuständig für solche Änderungen ist seit der deutschen Rechtschreibreform von 1996 übrigens der Rat für deutsche Rechtschreibung (www.rechtschreibrat.com).
Räumlich reicht das althochdeutsche Sprachgebiet von Trier bis Salzburg und von Fulda bis nach St. Gallen. Sämtliche Werke dieses Sprach- und Zeitraums würden aber nur ein kleines Buchregal füllen – zumindest was sich davon bis heute erhalten hat.
Erst mit der Epoche des Mittelhochdeutschen, von etwa 1050 bis 1350, setzt eine literarische Kultur in unserem Sinne ein. Aus dieser Zeit sind die ersten Autoren namentlich bekannt: Hartmann von Aue, Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach.
Zentren der Literatur und der Literaten waren nun die Höfe und Burgen, um etwa 1200 mischten dann mehr und mehr Städte und ihre Bürger mit im jungen deutschen Literaturbetrieb. »Minnelieder« und »Höfische Epik« stehen aber auch dort noch im Vordergrund. In der Epik, also den erzählenden Formen, sind es die Sagen, wahrscheinlich bereits seit Jahrhunderten mündlich überliefert oder aus dem französischen Kulturkreis mehr oder weniger frei übernommen, die die mittelhochdeutsche Literatur dominierten. Das Nibelungenlied eines oder eher mehrerer unbekannter Verfasser, der erste deutsche Artusroman Erec sowie Iwein von Hartmann von Aue, der Parzival von Wolfram von Eschenbach und der Tristan von Gottfried von Straßburg sind in einigen Handschriften auf uns gekommen.
Wenn wir ehrlich sind, kennen wir die meisten dieser Rittersagen weniger in ihren Originalversionen als vielmehr aus Überarbeitungen – auch Adaptionen genannt – für Jugendbücher bis hin zu Fantasywälzern, für Opern oder auch Filme unterschiedlichster Güte und Qualität. Lebendiges Mittelalter.
Noch bekannter sind die Minnesänger mit ihren Liedern, von Walther von der Vogelweide bis Oswald von Wolkenstein. Sie schmachteten in ihren Gedichten eine Dame, gerne bereits vergeben, ihrer Wahl an – doch nichts wäre wohl schlimmer für sie gewesen, als wenn diese die Sänger tatsächlich erhört hätte. Es ging nicht um Erfüllung, schon gar nicht um körperliche, sondern um Erhöhung. Vergebliche Liebesmühe auf hohem Niveau, könnte man sagen. Wobei der Tonfall durchaus deftig und erotisch aufgeladen ausfallen kann.
Während im gesamten Mittelalter alle wichtigen Dokumente und Urkunden weiterhin auf Latein verfasst wurden, schrieben im Hochmittelalter Literatur also nicht mehr ausschließlich Mönche im Kloster, sondern mehr und mehr auch Ritter bei Hofe und in den Burgen sowie gebildete Bürger und selbst Handwerksmeister in den aufstrebenden Städten. Wobei Deutschland hinter dem südlichen Nachbarn Italien zurückfiel, es sei nur an die Dichtungen eines Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio oder Francesco Petrarca erinnert – in Deutschland gab es im 13. und 14. Jahrhundert nichts Vergleichbares.
Wichtig für das Zusammenleben war vor allem die Festlegung einer überregionalen Rechtsnorm, so im Sachsenspiegel von Eike von Repgow – aber Literatur in unserem Sinne ist das nicht, vielmehr eine Art Rechtssammlung. Und wer würde jenseits begeisterter Juristen das Bürgerliche Gesetzbuch schon für einen spannenden Roman halten? Auf kirchlicher Seite wären die mystischen Texte von Meister Eckhart oder Hildegard von Bingen zu nennen, die heute eher wieder einen Fanclub von Kräuterkundlern und Meditationsmeistern hinter sich vereinen.
Mit dem ausgehenden Mittelalter beginnt das bis heute verbreitete Deutsch, auch wenn es wie oben erwähnt noch lange keine allgemeingültige Rechtschreibung gab. Wann genau das quasi »moderne« Deutsch einsetzte, ist umstritten (gestritten wird auch bei Literaturhistorikern gerne und ausführlich). Meist gilt die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther als erster Höhe- und Ausgangspunkt für unser Deutsch. Noch bedeutender allerdings dürfte die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg für die rasche Verbreitung von Literatur gewesen sein.
Die Erfindung von Gutenberg, mit bewegten Lettern zu drucken, revolutionierte den Prozess der Buchherstellung und veränderte auch nachhaltig das Material, auf dem geschrieben wurde. Waren bis dahin Papyrus und Pergament weit verbreitet, setzte sich nun endgültig und fast ausschließlich Papier durch. Denn während wir seit etwa 5000 Jahren schreiben, nutzen wir erst seit etwa 2000 Jahren Papier als Grundlage.
Neben Ton-, Wachs- und Steintafeln zählt der Papyrus zu den frühesten Trägermedien von Texten. Auch wenn unser Wort für Papier sich vom Papyrus herleitet, dieser wurde aus den Fasern, dem Mark der Papyruspflanze gewonnen, die in Streifen geschnitten kreuzweise übereinandergelegt und dann gepresst und getrocknet wurden. Der große Nachteil von Papyrus war, dass er extrem witterungsanfällig reagiert, weshalb sich nur im trockenen Klima Ägyptens noch Papyri erhalten haben.
Pergament hingegen wird aus Tierhäuten hergestellt, in der Regel vom Schaf oder der Ziege, noch hochwertiger vom Kalb. Das Fell musste von beiden Seiten behandelt, alle Haare entfernt und Fleischreste gründlich abgeschabt werden. Dann wurde es, so belegen es Quellen, drei Tage in Kalkwasser getränkt und geschmeidig gemacht. Für ein Buch mit 250 Blättern im Folioformat – bei diesem größten Format wird die Tierhaut einmal gefaltet – benötigte man also die Haut von 125 Schafen!
Eine wichtige Folge des Gebrauchs von Pergament ist der Wechsel von der Rolle zum Kodex, dem Vorläufer des Buches. Während der Leser »von der Rolle« sich beispielsweise durch horizontal angebrachte Spalten quälen muss, werden beim Kodex gleich große Stücke des Trägermediums zu einem Buch gebunden. Der Vorteil: Gesuchte Stellen lassen sich weitaus leichter und schneller finden, der Kodex kann direkt auf einer bestimmten Seite aufgeschlagen werden. Ab etwa dem 3. Jahrhundert nach Christus wurde die Kodexform zur Regel, die Christen haben sie aber nachweislich bereits um 100 verwendet – vielleicht auch, um sich von der bis heute im Judentum gebräuchlichen Thorarolle abzugrenzen.
Das aus China stammende Papier setzte sich aus dem arabischen Raum über Italien nach Deutschland und den Rest Europas ab dem 13. Jahrhundert langsam durch, war aber ebenfalls noch teuer. Erste Papiermühlen sind 1338 aus dem französischen Troyes und bereits 1390 in Nürnberg bekannt.
Mit Gutenbergs Buchdruck erhöhten sich die Auflagen der einzelnen Bücher und damit sanken die Preise. Einen längeren Text mühsam abzuschreiben, das Pergament herzustellen und zu einem Buch zu binden war ein aufwendiger, langwieriger und extrem teurer Prozess. Dass heute mehr Werke und Titel aus der Antike und dem frühen Mittelalter bekannt sind als tatsächlich zur Gänze noch existieren, liegt auch an der geringen Auflage und dem hohen Risiko eines Totalverlustes. So brachten es Bestseller im 15. Jahrhundert auf gerade einmal 100 bis 300 Exemplare. Nach Einführung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert schnellten diese Zahlen dann auf zwischen 1.000 und 1.500, und man schätzt den damaligen Bestand an Büchern im deutschen Sprachraum auf 70 bis 90 Millionen Exemplare.
Bereits 50 Jahre nach Gutenberg wurden um die 30.000 Exemplare jährlich gedruckt, im 16. Jahrhundert sind es dann schon 90.000 in der damals bekannten Welt. Heute kommen allein in Deutschland Jahr für Jahr rund 90.000 neue Titel auf den Markt, von der Anzahl gedruckter Exemplare ganz zu schweigen. Man kann es auch umdrehen: Wie viele Bücher haben die Deutschen heute im Schnitt im Regal stehen? 57 Prozent haben weniger als 50 Bücher, 23 Prozent zwischen 50 und 100 Bücher, 12 Prozent zwischen 100 und 250 und nur 6 Prozent besitzen mehr als 250 Bücher. Uns würde schon reichen, wenn 100 Prozent dieses Buch hätten!
Noch um 1500 also schrieben der Klerus und Gelehrte ausschließlich auf Latein, wichtige juristische Texte waren ebenfalls in dieser Sprache gehalten, die sich allerdings vom Latein der römischen Zeit bereits weit entfernt hatte. Die Dichter jedoch dachten und schrieben auf Deutsch, wenn auch noch je nach Region in einem sehr unterschiedlichen, das wir heute nicht mehr so einfach verstehen.
Um die Fülle der Literatur einigermaßen zu ordnen, damit vor lauter Bücherbergen das einzelne Werk trotzdem sichtbar bleibt, wird sie in Epochen unterteilt. Diese reihen sich zwar meist chronologisch aneinander, aber oftmals leben Autoren, die in verschiedene dieser Schubladen gesteckt werden, quasi in einer Kommode nebeneinander, also gleichzeitig. Man spricht dann gerne von der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen. Ein Beispiel: In die Lebenszeit von Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) fällt nicht nur die Epoche der Aufklärung, die untrennbar mit seinem Namen verknüpft ist, sondern auch noch die Endphase des Barock sowie der Sturm und Drang und die beginnende Klassik. Die Epochenbegriffe, obwohl sie so epochal klingen, sind von höchst unterschiedlicher Dauer und Evidenz.
Einige Epochenbegriffe haben sich von ihrer Zeit losgelöst und stehen mittlerweile auch für etwas Zeitunabhängiges. Wir gebrauchen sie eher zur Typisierung, zur inhaltlichen denn zur epochalen Einordnung. Man denke nur an »barocke Formen« oder »romantische Gefühle«. Wenn Sie beispielsweise »Romantik« in Google eingeben, erfahren Sie fast mehr über romantische Locations als über das entsprechende Zeitalter!
Aber wer hat's erfunden, werden Sie sich vielleicht fragen, wenn wir jetzt in einem kurzen Parforceritt die einzelnen Epochen Revue passieren lassen wie Nummerngirls. Nicht die Schweizer, so viel sei verraten! Vielmehr werden diese Bezeichnungen selten von den Zeitgenossen und Dichtern selbst, sondern meist von späteren Generationen und noch öfter von Literaturkritikern und -historikern erstmals verwendet und durch den häufigen Gebrauch irgendwann zum Allgemeingut. Sie sind auch nicht immer freundlich gemeint – gerade die Folgegeneration geht mit den Vätern oft ungnädig um, während bei den Enkeln dann die Wertschätzung wieder stark ansteigt. So suchen wir auf Flohmärkten lieber nach Möbeln von Oma und werfen die Erbstücke der Eltern auf den Wertstoffhof.
Oft, doch keinesfalls immer, überschneiden sich die literarhistorischen Bezeichnungen mit den kultur- und kunstgeschichtlichen Epochen. Im 20. Jahrhundert sind es dann gerne Schriftsteller gemeinsam mit Künstlern, die per Manifest quasi einen Stil aus der Taufe heben, alle anderen verdammen und so – meist relativ kurze, für sie selbst aber eminent wichtige – Epochen für sich vereinnahmen. Diese Ismen reihen sich in schneller Folge: Impressionismus, Symbolismus, Expressionismus, Realismus, Naturalismus, Surrealismus … Doch genug der allgemeinen Vorrede, des Prologs.
Das Mittelalter haben wir per Alt- und Mittelhochdeutsch glücklich abgehakt, mit der Übersetzung der Bibel durch Luther und den Buchdruck setzt die Neuzeit ein. Die Welt wurde größer, Amerika entdeckt, doch friedlicher ging es nicht zu, eher im Gegenteil. Die Renaissance hat in der deutschen Literatur nur wenige Spuren hinterlassen. Ein etwa mit Albrecht Dürer in der bildenden Kunst vergleichbarer Dichter ist nicht zu erkennen. Es gab zwar die durchaus schreibfreudigen Humanisten wie Ulrich von Hutten, Johannes Reuchlin, Philipp Hainhofer oder Konrad Peutinger, doch diese äußerten sich fast ausschließlich auf Latein und für eine sehr begrenzte und sehr gelehrte Leserschaft – bis heute. Kaum jemand dürfte abends im Bett in seinem Reuchlin oder Peutinger schmökern. Erasmus von Rotterdam hat mit seinem Lob der Torheit von 1509 ein auch für uns noch genüsslich zu lesendes Stück Weltphilosophie aus ironischem Blickwinkel geleistet – und hat es damit immerhin bis zur zeitgenössischen Taschenbuchausgabe gebracht.
Humanisten nannten sich diese schreibenden Männer deshalb, weil sie sich der Renaissance