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Bruni war überglücklich, sie hätte die ganze Welt umarmen mögen vor Seligkeit. Ihr Liebster, der Justus Steigerwald, wollte sie schon im Herbst zu seiner Frau machen. Ein Leben mit ihm - etwas Schöneres konnte sie sich gar nicht vorstellen!
Aber dann, nach kurzen Wochen des Glücks, endete Brunis Traum, denn Justus entschied sich Hals über Kopf für eine andere: für ein reiches Dirndl, das einmal einen großen Gasthof erben würde ...
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Sie träumte nur einen Sommer
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Impressum
Sie träumte nur einen Sommer
Ein gutgläubiges Mädchen verliebt sich in einen gewissenlosen Mann
Von Marianne Burger
Bruni war überglücklich, sie hätte die ganze Welt umarmen mögen vor lauter Seligkeit. Ihr Liebster, der Justus Steigerwald, wollte sie schon im Herbst zu seiner Frau machen. Ein Leben mit ihm – etwas Schöneres konnte sie sich gar nicht vorstellen!
Aber dann, nach kurzen Wochen des Glücks, endete Brunis Traum, denn Justus entschied sich Hals über Kopf für eine andere: für ein reiches Dirndl, das einmal einen großen Gasthof erben würde ...
»Bring mir geschwind noch eine Halbe Bier und einen Obstler!«, rief der Irschinger-Jockel lauthals der feschen Kellnerin zu.
Es ging bereits auf Mitternacht zu, und der Jockel war der letzte Gast an diesem Mittwochabend ...
Die hübsche Bruni wusste ganz genau, warum der Irschinger-Jockel so häufig ins Wirtshaus zur »Zur Alpenrose« kam und warum er jedes Mal hocken blieb, bis der Wirt schließen wollte.
Ihretwegen kam er, der reiche Bauernsohn Jockel Irschinger!
Bruni hatte es ihm schon zu wiederholten Malen ausgedeutscht, dass er sich umsonst bemühte. Aber der Jockel war einfach taub auf diesem Ohr.
»Feierabend ist jetzt, Jockel«, sagte die Bruni energisch. »Du hast schon genug für heut', und in zehn Minuten ist Kehraus, mein Lieber!«
Er haschte nach ihrer Hand und hielt sie eisern fest.
»Geh, Dirndl, tu doch net allerweil gar so streng«, schmeichelte er mit dem Starrsinn des Angetrunkenen. »Schau, wennst jetzt zusperren tust, dann könnt' ich dir doch gleich ein bisserl zur Hand gehen, beim Aufräumen! Und hernach könnten wir uns noch so ein wenig unterhalten miteinander, Bruni.«
Über Brunis frisches, rotwangiges Gesichterl huschte eine zornige Röte.
»Geh, jetzt fang net schon wieder an mit deinen windigen Sprücherln, du!«, fuhr sie ihn an. »Hundertmal hab's ich dir schon gesagt, dass ich nix im Sinn hab' mit dir, Jockel. Gib's auf und such dir ein Dirndl drunten in Adelsried. Bei mir bist an der falschen Adresse, begreif's doch endlich!«
Er kniff die Augen halb zusammen und knurrte: »Wissen möcht' ich gern, was du an mir auszusetzen hast, Bruni! Dass du einen anderen gern hast, kann ich mir net denken, denn ich hab' dich noch nie mit einem Burschen zusammen im Dorf gesehen.«
Ungeduldig erwiderte das Dirndl: »Und wenn ich schon einen hätt', dem ich gut bin, so wär' das meine Sach' und net die deine, Jockel, das merk dir gut! Und jetzt ist genug disputiert, Feierabend ist, sag' ich!«
Jockel raffte sich auf. Er tappte ein wenig schwankend zur Tür, drehte sich auf der Schwelle noch einmal um und stieß bissig hervor:
»Vielleicht tut's dir später mal leid, dass du deine Nase gar so hoch trägst, Bruni Tobler!«
Kopfschüttelnd blickte die Bruni ihm nach. Dann stellte sie die Stühle hoch und griff nach dem Besen.
Bruni war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie gar nicht merkte, wie der Sohn des Wirts hereinkam und ihr eine Weile zuschaute.
Lorenz Steigerwald war fünfundzwanzig Jahr alt, ein hochgewachsener Bursche mit braunem Haar und dunklen Augen.
Lorenz war genauso ruhig und bedächtig wie sein Vater. Er machte nicht viele Worte, sondern packte stets an, wo es nötig war. Und was er anpackte, das war recht getan.
Dagegen war sein jüngerer Bruder, der Justus, ein vollkommen anderer Typ. Immer lustig und zu Scherzen aufgelegt, die ihm flott über die Lippen sprangen, immer gut Freund mit jedermann.
Lorenz schaute noch immer die Bruni an, und unwillkürlich ging es ihm durch den Sinn: Ich wünschte, ich wär' so wie der Justus! Der würde net so schwerfällig und stumm sein einem bildhübschen Dirndl gegenüber – der würde irgendwas Lustiges sagen, was die Bruni zum Lachen bringt, und im Handumdrehen täten sie sich näher kommen. Aber ich, ich kann einmal net heraus aus meiner Haut. Ich bring's einfach net über meine Lippen, der Bruni zu sagen, wie gern ich sie hab', und zwar schon lange Zeit.
Er räusperte sich laut, und das Dirndl schrak zusammen und blickte auf.
»Mach Schluss jetzt, Bruni«, meinte Lorenz. »Es ist schon arg spät.«
»Ist recht, Lorenz.«
»Du, Bruni, hat er sich etwa schlecht benommen dir gegenüber, der Irschinger-Jockel?«, fragte der Lorenz unvermittelt. »Wann er frech wird, alsdann brauchst mich bloß zu rufen.«
Bruni lächelte flüchtig.
»Das braucht's net, Lorenz, ich kann mich schon meiner Haut erwehren. Hundertmal hab' ich's ihm schon gesagt, dass er bei mir keinen Nelkenstock gewinnen kann, aber er versucht es halt immer wieder.«
Lorenz trat an den Tresen heran und stützte die Hände flach auf die polierte Platte.
»Er gefällt dir also net, der reiche Irschinger-Bub«, sagte er in seiner bedächtigen Art. »Verrat mir doch mal, Bruni, wie denn der Bursche ausschauen müsste, der dir gefallen könnte?«
Bruni wurde dunkelrot. Hastig wandte sie sich ab und machte sich an den Regalen zu schaffen.
»Nix für ungut, Lorenz«, murmelte sie dabei, »aber ich bin so viel müd'. Ich geh' jetzt zu Bett. Gute Nacht!«
Sie schob sich seitwärts hinter dem Schanktisch hervor und huschte in die Küche.
Seufzend griff Lorenz nach einem Bierglas und zapfte sich eine Halbe. Hastig stürzte er das kühle Nass herunter. Es tat ihm weh, dass die Bruni immer so kurz angebunden war. Er konnte einfach nicht an sie herankommen, sie hielt auf Abstand – und Lorenz getraute sich einfach nicht, sie in den Arm zu nehmen und ihr zu sagen, dass er ihr gut war.
Sein Vater hatte ihn schon mehr als einmal unter vier Augen ins Gebet genommen und ihm klargemacht, dass er sich freuen würde, wenn die Bruni eines guten Tages seine Schwiegertochter würde.
Weder Lorenz noch sein Vater ahnten unterdessen, dass die Bruni ihr junges Herz bereits verloren hatte, und zwar an den Justus, den jüngeren Sohn des Hauses.
***
Es war Justus nicht schwergefallen, der Bruni den Kopf zu verdrehen – mit seinen lustigen Sprücherln und schönen gedrechselten Redensarten.
Und Bruni in ihrer Unerfahrenheit und vertrauensvollen Unschuld hatte seine Beteuerungen von ewiger Liebe für bare Münze genommen. Sie hatte sich schier die Augen ausgeweint, als Justus freiwillig zum Wehrdienst gegangen wurde. Er aber hatte mit seinem jungenhaften Lachen gesagt:
»Tröste dich, Schatzerl, ich bin ja net aus der Welt! Übers Jahr komme ich wieder, und dann geh' ich nicht mehr fort von dir.«
»Schreibst du mir wenigstens oft, ja?«, hatte Bruni gebeten, und Justus hatte es ihr hoch und heilig versprochen.
Aber jetzt war er schon ein Dreivierteljahr weg, und er hatte ihr bloß ein paar Zeilen geschrieben, denen sie nicht viel entnehmen konnte. Nur, dass der Dienst sehr streng wäre und er keinen Urlaub kriegen könnte, um einmal heimzufahren am Wochenende.
Dieses Schreiben verwahrte Bruni wie einen kostbaren Schatz zwischen den Seiten ihres Gebetbücherls.
Bruni ahnte freilich nicht, dass Justus sich derweilen ein lustiges Leben machte. Sein wankelmütiges Herz entflammte lichterloh für die Serviertochter im Gasthof »Zum Adler« in Roßwang.
Die fesche Jacky war nicht so spröd und zurückhaltend wie die Bruni daheim.
Er schrieb an Bruni, dass man ihm den Urlaub gesperrt hätte, weil er einfach keine Lust hatte, die weite Heimfahrt auf sich zu nehmen, bloß, um für ein paar Stunden mit Bruni beisammen zu sein.
Sie würde ja doch kaum Zeit für ihn haben – und er wusste aus Erfahrung, dass sie ihm ihre Kammertür nicht auftun würde bei der Nacht, und wenn er noch so sehr bat ...
Dass Lorenz die Bruni manchmal ganz eigen anschaute, wenn er meinte, sie merke es nicht, war ihr nicht entgangen. Deshalb wich sie ihm nach Möglichkeit aus.
Bruni wusste selber nicht recht, warum sie es nicht über sich brachte, Lorenz zu gestehen, dass sie in seinen Bruder verliebt war.
***
»In drei Tagen kommt der Justus nach Haus«, sagte Vitus Steigerwald an einem schönen Frühlingsmorgen.
Bruni schenkte ihm Kaffee ein und stellte ein geflochtenes Körbchen mit frischen Mohnkipferln auf den Tisch.
»Freust du dich, dass er kommt, gell, ja?«, fragte Bruni. Und als Vitus nickte, setzte sie leise hinzu: »Ich auch.«
Vitus sah sie von der Seite an. Dieses Dirndl wird sich doch net gar in den Justus verschaut haben?, dachte er erschrocken.
Er biss in das knusperige Kipferl und sagte dann: »Bruni, du weißt, dass ich dich gern hab', grad' so, als wärst meine eigene Tochter. Ich mein's gut mit dir, glaubst du mir das, Dirndl?«
Sie nickte stumm.
Vitus Steigerwald redete weiter: »Schau, und eben drum will ich dir jetzt was sagen. Der Justus ist mein Sohn genauso gut wie der Lorenz, und ich habe sie beide lieb. Aber ich bin net blind und weiß, dass der Justus einen ganz anderen Charakter hat als der Lorenz. Er ist ein rechter Bruder Leichtfuß, und noch immer net richtig erwachsen mit seinen einundzwanzig Jahren. Ich könnt's schon verstehen, wenn dir der Justus gefallen tät. Aber aufs Aussehen und aufs Maulwerk kommt's im Leben net an. Und wenn auch der Lorenz net so gut ausschaut wie der Justus, so ist der Lorenz dafür ein gestandenes Mannsbild, ein Kerl, auf den man sich felsenfest verlassen kann. Ach was, ich will net lang drumherum reden, Bruni, ich sag's dir jetzt frei heraus, dass ich mich ehrlich freuen tät', wenn aus dir und meinem Ältesten eines Tages ein Paar werden möcht'!«
Bruni wurde dunkelrot.
»Ich kann den Lorenz gut leiden, Vitus. Aber ihn heiraten – na, daran denk' ich net mal im Traum!«
Vitus Steigerwald sagte nichts mehr darauf, aber er nahm sich vor, noch einmal ein Wörterl unter vier Augen mit dem Lorenz zu reden.
Doch Vitus hatte keine Gelegenheit mehr, diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen. Denn an diesem Morgen musste er in die Stadt fahren und beim Finanzamt vorsprechen, und hernach fuhr Vitus zur Brauerei, wo es allerhand Geschäftliches zu bereden gab. Dann lud der Brauereidirektor ihn zum Mittagessen ein, und als Vitus am späten Nachmittag heimkam, war die Gaststube gesteckt voll.
Sofort zog Vitus seinen Sonntagsrock aus, band einen Schurz vor und stellte sich hinter den Tresen.
Es ging hoch her in der »Alpenrose« an diesem Abend, und als Vitus endlich zu später Stunde Feierabend gebot, war er rechtschaffen müde und dachte nimmer daran, dass er ja noch mit seinem Sohn wegen der Bruni hatte reden wollen.
Am anderen Morgen saß Vitus seltsam blass und still am Frühstückstisch und mochte nicht essen.
Besorgt erkundigte sich Bruni: »Bist du krank, Vitus? Was hast du denn?«
»Ich weiß net«, murmelte er, »als ich vorhin aufgestanden bin, da ist mir so komisch geworden, alles hab' ich doppelt gesehen. Beinahe so, als wenn ich gestern Abend einen Rausch gehabt hätt'. Dabei hab' ich bloß zwei Halbe Bier getrunken und drei Enzian. Mir ist gar net gut.«
»Willst du den Doktor haben?«, fragte Bruni, aber Vitus winkte hastig ab.
»Geh, mach keinen Elefanten aus einer winzig kleinen Mücke, Bruni! Wird schon wieder werden.«
Er stand auf und ging in die Gaststube hinüber. Lorenz machte sich hinter dem Tresen zu schaffen und blickte seinen Vater verwundert an, als der sich ein Stamperl Schnaps einschenkte.
»Hast's am Magen, Vater? Oder wo fehlt's sonst?«, fragte Lorenz.
Vitus kippte den Schnaps mit einem Ruck hinunter.
»Ein bisserl komisch ist mir«, murmelte er. »Ganz schwindelig ...«
Im nächsten Moment gab Vitus Steigerwald ein leises Stöhnen von sich – und ehe Lorenz begriff, was geschah, wankte der schwere Mann haltlos hin und her und stürzte krachend auf die Dielen.
»Jesses, Vater, was hast du?«, schrie Lorenz entsetzt auf und kniete sich neben ihn.
Vitus gab ihm keine Antwort. Reglos lag er da, und als Lorenz in seiner Angst nach des Vaters Schultern griff und ihn rüttelte, da fiel Vitus Steigerwalds Kopf schlaff zur Seite. Seine Augen waren ganz weit geöffnet, aber seltsam starr und blicklos.
Bruni trat in diesem Moment in die Gaststube und erstarrte bei dem Anblick, der sich ihr bot.
»Lorenz, um Gottes willen, was ist passiert?«, schrie sie auf.
Langsam hob Lorenz den Kopf.
»Hol den Doktor, Bruni. Ich glaub', der Vater ist tot«, kam es heiser über seine Lippen.
Der Arzt kam nur zehn Minuten später.
Lorenz stand schwerfällig auf, als ihn der Arzt beiseiteschob, um Vitus zu untersuchen.
Endlich sagte der Doktor leise: »Mein aufrichtiges Beileid, Lorenz! Dein Vater hat vermutlich einen Gehirnschlag erlitten, ihm hätte kein Arzt auf der ganzen Welt mehr helfen können. Für dich ist es gewiss hart, aber für ihn war's ein Segen, glaub mir das, Lorenz. Er hat net leiden müssen. Gönnen wir ihm die ewige Ruhe.«
Lorenz biss die Zähne zusammen und wandte sich Bruni zu, die leise vor sich hin schluchzte. Sanft nahm er sie in die Arme, und sie legte den Kopf an seine Brust wie ein verschrecktes Kind.
***
Am Abend kam Justus nach Hause. Still und ernst stand er am Totenbett seines Vaters.
Lorenz ließ den Bruder allein am Totenbett. Ihm war eingefallen, dass man ja den Onkel Schorsch vom Tode des Vaters benachrichtigen musste.
Schorsch Ebenthaler war der Bruder von Sophie Steigerwald, der Ehefrau des Vitus. Sophie war schon vor zwölf Jahren gestorben, und bei dem Begräbnis hatte man den Onkel Schorsch das letzte Mal gesehen. Schorsch Ebenthaler wohnte im Pinzgau drüben, und so reich er war, so geizig war er auch.
Das war auch der Grund dafür, dass er in all den Jahren kein einziges Mal nach Adelsried auf Besuch gekommen war. Die Fahrt mit der Bahn war zu umständlich, und er konnte sich erst recht nicht dazu entschließen, mit dem Auto zu fahren, wo doch das Benzin so sündhaft teuer war!
Aber als der Ebenthaler-Schorsch jetzt die Anzeige bekam, in der stand, dass Vitus ganz plötzlich das Zeitliche gesegnet hatte, da merkte der alte Geizkragen auf.
Am End' hat er mir ja was vermacht, der Schwager?, sagte er sich in seiner berechnenden Art. Schließlich hab' ich ihm ja dazumal, vor zwölf Jahren, mit einem zinslosen Darlehen ausgeholfen, damit er das Haus von Grund auf renovieren konnte.
Freilich, inzwischen hatte Vitus ihm das Geld bis auf den letzten Cent zurückgezahlt.
Ganz bestimmt hat der Schwager mich in seinem Testament bedacht, sagte sich der Schorsch und holte geschwind seinen schwarzen Anzug aus dem Kleiderschrank hervor, den er seit Jahren nimmer getragen hatte.