Als Kind emotional unreifer Eltern Heilung finden - Lindsay C. Gibson - E-Book

Als Kind emotional unreifer Eltern Heilung finden E-Book

Lindsay C. Gibson

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  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Emotionale Vernachlässigung während der Kindheit aufarbeiten und daran wachsen.

Das Praxisbuch von einer erfolgreichen Autorin und selbst Betroffenen Psychotherapeutin.

Das Kind emotional unreifer Eltern zu sein, hinterlässt tiefe Spuren. Wenn Eltern nicht in der Lage sind, die emotionalen Bedürfnisse ihres Kindes so zu erfüllen, um gestärkt und geborgen aufzuwachsen, macht es eine schmerzhafte Erfahrung, die für das ganze Leben prägend ist. Die Betroffenen leiden später oft unter psychischen Problemen, Bindungs- und Verlustängsten oder mangelndem Selbstwertgefühl.
Mit berührenden Fallgeschichten, einfühlsamen Fragestellungen und vielen einfachen, aber kraftvollen Übungstools hilft die Psychologin Lindsay Gibson, derartige Wunden und emotionale Vernachlässigung aus der Kindheit aufzuarbeiten, emotionale Bedürfnisse klar zu artikulieren und toxische Elternbeziehungen zu heilen.

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Seitenzahl: 330

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Zum Buch

Das Praxisbuch von einer erfolgreichen Autorin und selbst Betroffenen Psychotherapeutin.

Das Kind emotional unreifer Eltern zu sein, hinterlässt tiefe Spuren. Wenn Eltern nicht in der Lage sind, die emotionalen Bedürfnisse ihres Kindes so zu erfüllen, um gestärkt und geborgen aufzuwachsen, macht es eine schmerzhafte Erfahrung, die für das ganze Leben prägend ist. Die Betroffenen leiden später oft unter psychischen Problemen, Bindungs- und Verlustängsten oder mangelndem Selbstwertgefühl.

Mit berührenden Fallgeschichten, einfühlsamen Fragestellungen und vielen einfachen, aber kraftvollen Übungstools hilft die Psychologin Lindsay Gibson, derartige Wunden und emotionale Vernachlässigung aus der Kindheit aufzuarbeiten, emotionale Bedürfnisse klar zu artikulieren und toxische Elternbeziehungen zu heilen.

Über die Autorin

Die amerikanische Autorin Lindsay C. Gibson ist Psychotherapeutin. Ihre Bücher zum Thema Emotional unreife Eltern sind Bestseller in den USA. Sie lebt und arbeitet in Virginia Beach, West-Virginia.

Lindsay C. Gibson

Als

Kind

emotional

unreifer

Eltern

Heilung

finden

Das Praxisbuch – Schritt für Schritt Grenzen setzen und emotionale Unabhängigkeit gewinnen

Aus dem Englischen von Dr. Gabriele Würdinger

Die Informationen in diesem Buch sind von der Autorin und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Die amerikanische Originalausgabe ist 2019 unter dem TitelRecovering from Emotionally Immature Parents. Practical Tools to Establish Boundaries & Reclaim Your Emotional Autonomy erschienen bei New Harbinger Publications, Inc.

Deutsche Erstausgabe

© 2024 Kailash Verlag, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

© 2019 by Lindsay C. Gibson

Lektorat: Ralf Lay, Mönchengladbach

Umschlaggestaltung: ki 36, Daniela Hofner Editorial Design, München

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-31875-8V001

www.kailash-verlag.de

Für Skip

Bis in die Unendlichkeit und noch weiter

Inhalt

Einleitung

Teil I: Womit Sie es zu tun haben

Mit emotionaler Unreife umgehen

1. Ihre emotional unreifen Eltern

Wie die Beziehung zu ihnen aussieht und wie sie so geworden sind, wie sie jetzt sind

2. Emotional unreife Eltern verstehen

Ihre Charaktereigenschaften und ihr Hang zu emotionaler Vereinnahmung

3. Die Sehnsucht nach einer Beziehung zu Ihrem emotional unreifen Elternteil

Warum Sie es immer wieder versuchen

4. Emotionale Vereinnahmung abwehren

Erkennen Sie die Verzerrungen anderer und verlieren Sie nicht den Kontakt zu sich selbst

5. Interaktionen meistern und mit emotionaler Erpressung umgehen

Maßnahmen, die Sie handlungsfähig machen

6. Emotional unreife Eltern sind Ihrer inneren Welt gegenüber feindlich eingestellt

Wie Sie Ihr Recht auf Ihre ureigensten Erfahrungen verteidigen

Teil II: Emotionale Autonomie

Fordern Sie die Freiheit ein, Sie selbst zu sein

7. Nähren Sie die Verbindung zu sich selbst

Wie Sie Vertrauen in Ihre innere Welt schöpfen

8. Mental Clearing – die Kunst, zu geistiger Klarheit zu gelangen

Schaffen Sie Raum für Ihre eigenen Gedanken

9. Bringen Sie Ihr Selbstkonzept auf den neuesten Stand

Wie Sie Verzerrungen korrigieren und selbstbewusster werden

10. Jetzt können Sie die Beziehung aufbauen, die Sie sich immer gewünscht haben

Fokussieren Sie sich jeweils auf nur eine Interaktion

Epilog: Die Grundrechte erwachsener Kinder emotional unreifer Eltern

Danksagung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Als ich eines Tages einer Klientin zuhörte, die von ihrem Vater erzählte, wurde mir klar, dass dieser sich nicht nur unangemessen und ausfallend verhielt, sondern dass er auch krankhaft unreif war. Der Vater dieser Klientin war impulsiv und egozentrisch und dachte keine Sekunde darüber nach, welche Auswirkungen sein Verhalten auf seine Tochter hatte. Emotional befand er sich auf der Stufe eines zu groß geratenen Kleinkinds – bestenfalls auf der Stufe eines Vierzehnjährigen. Mir wurde bewusst, wie viele Klienten zu mir kamen, weil ihre Kindheit von der Unberechenbarkeit und den emotionalen Überreaktionen ihrer Eltern überschattet worden war. Deren emotionale Unreife war für sie wie ein Gefängnis. Psychologisch gesehen waren diese Eltern zwar noch Kleinkinder, aber sie steckten in einem starken Erwachsenenkörper und besaßen große Autorität. An jenem Tag sah ich diese Eltern in einem anderen Licht, denn jenseits ihrer vermeintlichen Autorität waren sie nichts anderes als Mobber.

Andere Klienten hatten emotional unreife Eltern, die sich zwar unauffällig zu verhalten wussten, aber so distanziert, ja geradezu abweisend waren, dass ihre Kinder unter seelischer Vereinsamung litten und mit einem Gefühl der Unverbundenheit aufwuchsen. Diese Eltern wirkten nach außen oft kompetent und verlässlich, waren aber empathielos und so mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich nicht auf ihre Kinder einlassen konnten. Die Eltern anderer Klienten waren zwar freundlich, ließen aber ihre Kinder im Stich, weil sie sich immer dann aus dem Staub machten, wenn es ein ernsthaftes Problem gab oder ihr Kind ihren Schutz gebraucht hätte.

Auch wenn es Unterschiede im Verhalten der emotional unreifen Eltern meiner Klienten gab, waren sie im Grunde alle gleich: Allen fehlte es an Empathie, alle waren egozentrisch und alle waren nicht in der Lage, eine angemessene emotionale Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Insgesamt wuchsen viele meiner Klienten in einem familiären Umfeld auf, das von Konflikten, Hänseleien und einem Mangel an gefühlsmäßiger Nähe geprägt war.

Paradoxerweise können sich viele solche Eltern ansonsten wie echte Erwachsene verhalten und am Arbeitsplatz oder in ihrer sozialen Gruppe gut funktionieren. Von außen betrachtet, ist es schwer zu glauben, dass sie ihren Kindern zu Hause so viel Leid zufügen.

Meine Klienten wurden in ihrer Kindheit durch die widersprüchlichen Persönlichkeiten ihrer Eltern stark verunsichert. Es erschien ihnen daher naheliegend, sich selbst die Schuld zu geben. Diejenigen, die sich als Kinder schlecht behandelt oder vernachlässigt fühlten, glaubten, dass es an ihnen lag, weil sie nicht liebenswert oder interessant genug wären. Diese Klienten und Klientinnen empfanden ihre emotionalen Bedürfnisse als unangemessen, hatten Schuldgefühle wegen ihrer Wut auf die Eltern und bagatellisierten oder entschuldigten deren Verhalten. (»Natürlich haben sie mich geschlagen, aber das haben damals viele Eltern mit ihren Kindern gemacht.«)

Das Problem mit emotional unreifen Eltern

Eine Kindheit mit solchen Eltern kann zu einem dauerhaften Gefühl der Einsamkeit und generell zu einem ambivalenten Beziehungsverhalten führen. Emotionale Einsamkeit entsteht aus dem Gefühl, nicht gesehen zu werden und unbeachtet zu bleiben, egal, wie sehr man sich um Kommunikation und Beziehungen bemüht. Im Erwachsenenalter fühlen sich diese Kinder oft zu Partnern und Freunden hingezogen, die sie enttäuschen und die ihnen in ihrer Selbstbezogenheit und ihrer Weigerung, tiefe emotionale Bindungen einzugehen, sehr vertraut sind.

Wenn ich Klienten über emotional unreife Eltern aufkläre, erkennen viele ihre eigene Lebensgeschichte wieder. Es ist, als ob ihnen ein Licht aufgeht. Ihnen wird klar, warum sie das Gefühl hatten, dass ihre Eltern in erster Linie sich selbst liebten, und warum ihre Versuche, eine tiefere Bindung zu ihnen aufzubauen, scheiterten. Wenn meine Klienten erst einmal verstehen, dass sie emotional unreife Eltern haben, bekommen die einschneidenden Erlebnisse ihrer Kindheit endlich einen Sinn. Sobald sie deren Unzulänglichkeiten objektiver sehen, können sie sich aus dem Gefängnis der elterlichen Unreife befreien.

Es ist nicht nur die tatsächliche Misshandlung, die Schaden anrichtet. Der gesamte Erziehungsansatz dieser Eltern ist ungesund für die emotionale Entwicklung und schafft ein Klima der Angst und des Misstrauens zwischen Eltern und Kind. Ihr Umgang mit dem Kind ist oberflächlich, zwanghaft und verurteilend. Sie hindern das Kind daran, seinen eigenen Gedanken und Gefühlen zu vertrauen, und hemmen dadurch die Entwicklung seiner Intuition, Selbststeuerung, Leistungsfähigkeit und Autonomie.

Als Kind derart aufgelegter Eltern haben Sie vielleicht gelernt, sich abzuschotten, um deren emotionales Gleichgewicht nicht zu stören. Sie sind so dünnhäutig, dass sie sich durch Ihre Spontaneität leicht gekränkt fühlen.

Statt die Individualität ihres Kindes und sein Vertrauen in andere zu fördern, machen emotional unreife Eltern mit ihren heftigen Reaktionen ihr Kind gehemmt, passiv und unterwürfig. Um mit ihnen zurechtzukommen, ist es kurzfristig einfacher, zu verbergen, wer man wirklich ist und was man wirklich will. Auf Dauer wird man jedoch von Schuldgefühlen und Scham eingeholt. Sie werden sich gefangen fühlen in der Rolle, die Sie in Ihrer Familie spielen. Die gute Nachricht ist aber, dass Sie Ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen können, wenn Sie verstehen, wie Ihre Eltern ticken und welche Auswirkungen ihr Verhalten auf Sie hat.

Das Ziel dieses Buches

In diesem Buch geht es darum, zu verstehen, wie sich die emotionale Unreife Ihrer Eltern auf Sie auswirkt. Solange Ihnen nicht klar ist, dass Ihre Eltern psychisch krank sind, werden Sie sich vielleicht Vorwürfe machen oder vergeblich hoffen, dass sich Ihr Vater oder Ihre Mutter eines Tages ändern wird. Dieses Buch hilft Ihnen, zu erkennen, womit Sie es zu tun haben, und Ihre Eltern so gut wie möglich zu verstehen.

Sie werden lernen, typische Merkmale und Verhaltensweisen emotional unreifer Eltern zu benennen und zu erklären, da es bisher keine allgemeingültigen Definitionen gibt. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen eine Sprache für all das geben, was in der Beziehung mit solchen Eltern vor sich geht. Sowohl für das, was zwischen Ihnen und Ihren Eltern passiert, als auch für das, was in Ihrem Inneren vorgeht, während Sie versuchen, mit Ihren Eltern zurechtzukommen. Wenn Sie es benennen können, können Sie damit umgehen. Ihr Leben muss nicht von emotional unreifen Menschen bestimmt werden. Sie können herausfinden, welchen Einfluss sie auf Ihr Leben haben, und sich von ihnen befreien. In diesem Buch finden Sie Übungen, die Sie schriftlich ausführen können, um Ihre Selbstwahrnehmung zu stärken und Einblicke in Ihre Erfahrungen mit emotional unreifen Eltern und Personen zu gewinnen. Ich hoffe, dass Sie diese interaktiven Übungen aufschlussreich und unterhaltsam finden.

Emotionale Unreife – ein hochaktuelles Thema

Das Thema war noch nie so wichtig wie heute. Emotional unreifes Verhalten ist weit verbreitet und verursacht in allen Lebensbereichen enormes Leid. Das Dominanzstreben emotional Unreifer und ihr Drang, immer im Mittelpunkt zu stehen, lassen anderen keinen Raum, ganz sie selbst zu sein. Ihr Ich-zuerst-Anspruch und ihre Selbstgerechtigkeit untergraben die Rechte ihrer Mitmenschen, sodass sie ihrer Neigung zu Missbrauch, Schikane, Vorurteilen, Ausbeutung und Korruption aller Art freien Lauf lassen können.

Leider führt die Unfähigkeit, sich selbst infrage zu stellen, dazu, dass so disponierte Führungspersönlichkeiten stark und selbstbewusst erscheinen, was ihre Anhänger oder Untergebenen dazu verleitet, Pläne zu unterstützen, die nicht in ihrem besten Interesse und fast ausschließlich der Führungspersönlichkeit von Nutzen sind. Unsere Anfälligkeit für egozentrische Autorität beginnt in der Kindheit, wenn emotional unreife Eltern uns beibringen, dass unsere Gedanken nicht so wertvoll sind wie ihre und dass wir alles akzeptieren müssen, was sie sagen. Es ist nachvollziehbar, dass die betroffenen Kinder im späteren Leben zu Extremismus neigen und häufig Opfer von Ausbeutung oder sogar Sekten werden.

Das Wissen über emotionale Unreife wird Ihnen helfen, das entsprechende Verhalten zu verstehen und damit umzugehen, unabhängig davon, von wem es ausgeht. Die emotional unreife Person in Ihrem Leben kann ein Elternteil, ein Partner, ein Kind, ein Geschwister, ein Arbeitgeber, ein Kunde oder jemand anders sein. Ob innerhalb oder außerhalb der Familie, die zwischenmenschliche Dynamik ist immer die gleiche. Alle Methoden, die mit solchen Eltern funktionieren, funktionieren auch mit anderen emotional unreifen Menschen.

Themenübersicht

In der ersten Hälfte dieses Buches, in Teil I, geht es darum, wie es ist, mit solchen Eltern aufzuwachsen – oder in einer Beziehung mit einem entsprechend disponierten Menschen zu leben –, und wie man damit umgehen kann. In Kapitel 1 erkunden wir die Beziehung zu Ihrem emotional unreifen Elternteil. Sie werden etwas über sein charakteristisches Beziehungssystem erfahren und darüber, wie er versucht, Sie für sein Selbstwertgefühl und seine emotionale Stabilität verantwortlich zu machen. Sie werden auch mögliche Gründe erfahren, warum Ihr Vater oder Ihre Mutter zu einer solchen Persönlichkeit geworden ist.

In Kapitel 2 werden die typischen Persönlichkeitsmerkmale ausführlich beschrieben. Sie werden auch lernen, emotionale Erpressung und Vereinnahmung durch emotional unreife Personen zu erkennen – und wie diese Ihre Selbstzweifel, Angst, Scham und Schuldgefühle instrumentalisieren, um in Ihrer Beziehung langfristig die dominante Rolle zu spielen.

In Kapitel 3 werden wir untersuchen, wie Sie sich fühlten, als Sie versuchten, eine zufriedenstellende Beziehung zu Ihren Eltern zu haben. Wir werden uns die verschiedenen Typen emotional unreifer Eltern ansehen und die Gründe, warum sie keine Nähe zulassen. Sie werden lernen, die Eltern objektiver zu betrachten, Ihre Trauer über das, was Ihnen vorenthalten wurde, zuzulassen und eine mitfühlendere und loyalere Beziehung zu sich selbst und anderen aufzubauen.

Kapitel 4 zeigt Ihnen, wie Sie die Vereinnahmung durch solche Personen vermeiden können, indem Sie deren Realitätsverzerrungen und vermeintliche Notlagen hinterfragen. Sie erfahren, wie Sie angemessene Grenzen setzen und wann und wie Sie auf Hilferufe reagieren können. Sie werden verstehen, wie zwischenmenschlicher Druck dazu führen kann, dass Sie nicht mehr auf sich selbst hören und wider besseres Wissen die Verantwortung für das Glück Ihrer emotional unreifen Eltern übernehmen.

In Kapitel 5 beschreibe ich im Detail, wie Sie auf typische Verhaltensweisen derart eingestellter Leute reagieren und was Sie sagen und tun sollten. Sie erfahren, wie Sie dem Druck einer solchen Person ausweichen, wie Sie die Führung im Umgang mit ihr übernehmen und wie Sie sie davon abhalten können, das Ruder an sich zu reißen.

Kapitel 6 zeigt die unzähligen subtilen Wege auf, auf denen emotional unreife Eltern und andere Menschen Ihr Selbstvertrauen und Ihr Vertrauen in Ihre Intuition untergraben. Sie sind feindselig gegenüber Ihrem Seelenleben, indem sie Ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle verspotten und abwerten. In diesem Kapitel werden Sie erfahren, wie Sie sich gegen Abwertung immunisieren können, indem Sie Ihrer eigenen Erfahrungswelt treu bleiben.

In der zweiten Hälfte des Buches, Teil II, geht es nicht mehr vornehmlich darum, emotional unreife Menschen zu verstehen und mit ihnen umzugehen, sondern darum, wie Sie trotz ihres Einflusses Ihre eigene Individualität stärken können. Sie werden die Auswirkungen Ihrer Kindheit revidieren, indem Sie sich auf Ihre eigene persönliche Entwicklung konzentrieren.

In Kapitel 7 erfahren Sie, warum die Wertschätzung Ihrer inneren Welt entscheidend ist, um wieder eine stabile Beziehung zu sich selbst aufzubauen. Mit dieser neu gewonnenen Loyalität gegenüber den eigenen Gefühlen werden Sie Selbstvertrauen gewinnen und Ihre Gefühle als wertvolle Hinweise darauf sehen, worauf Sie Ihre Aufmerksamkeit richten sollten.

Kapitel 8 zeigt Ihnen, wie Sie sich von der Denkweise, die Ihnen aufgezwungen wurde, befreien können, um Platz für Ihre eigenen Ideen zu schaffen. Sie werden lernen, Selbstzweifel zu überwinden, die von kritischen, emotional unreifen Eltern verursacht wurden, welche alle Ansichten ablehnten, die nicht ihren eigenen entsprachen. Wenn Sie Ihre Gedankenwelt vom Einfluss einer solchen Person befreit haben, werden Sie weniger anfällig für zwanghafte Sorgen und Selbstkritik sein.

In Kapitel 9 werden Sie Ihr Selbstbild aktualisieren und erweitern. Es ist unwahrscheinlich, dass Ihre Eltern Ihnen geholfen haben, ein stimmiges und selbstbewusstes Selbstbild zu entwickeln. Stattdessen haben sie Ihnen wahrscheinlich Unterwürfigkeit beigebracht, was dazu führt, dass die Bedürfnisse und Gefühle anderer wichtiger für Sie sind als Ihre eigenen. Erst wenn Ihr Selbstkonzept auf dem neuesten Stand ist, werden Sie erkennen, was Ihr Beitrag zu dieser Welt ist. Darüber hinaus lernen Sie, sich von verzerrten oder überholten Selbstbildern zu verabschieden.

Im letzten Kapitel fassen Sie zusammen, was Sie gelernt haben. Sie werden die unterschwelligen Bedingungen des Beziehungsvertrags mit Ihren Eltern überprüfen und herausfinden, ob Sie bereit sind, eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen. Ihr ultimatives Ziel ist es, eine loyale Beziehung zu sich selbst aufzubauen und sich engagiert um Ihr eigenes Wohlergehen zu kümmern. Sie werden Klarheit darüber gewinnen, wie Sie die Beziehung zu Ihren Eltern am besten gestalten können, ohne Ihre Integrität zu opfern oder Ihren Eltern Vorwürfe zu machen.

Im Nachwort finden Sie einen Katalog von Rechten für alle erwachsenen Kinder emotional unreifer Eltern. Diese Rechte fassen die zentralen Ideen des Buchs zusammen und dienen Ihnen als schnelle Erinnerung an das Gelernte.

Was ich mir für Sie wünsche

Ich hoffe, dass Sie sich nach der Lektüre dieses Buches verstanden und ermutigt fühlen, eine tiefere Beziehung zu sich selbst aufzubauen und sich selbst besser zu verstehen. Ihre Eltern haben Ihnen Leben und Liebe geschenkt, aber nur so, wie sie sie kannten. Dafür können Sie ihnen dankbar sein, aber Sie sollten ihnen nicht länger ungerechtfertigte Macht über Ihr emotionales Wohlbefinden geben. Ihre Aufgabe ist es nun, sich selbst weiterzuentwickeln: ein Mensch zu werden, der sich der eigenen Person und anderen gegenüber verpflichtet fühlt. Für mich ginge ein Traum in Erfüllung, wenn dieses Buch Ihnen dabei helfen würde.

Teil I

Womit Sie es zu tun haben

Mit emotionaler Unreife umgehen

Im ersten Teil dieses Buches erfahren Sie, wie es sich anfühlt, mit emotional unreifen Eltern zu tun zu haben, wie sie zu solchen geworden sind, welche Persönlichkeitsmerkmale sie haben und warum es schwierig ist, mit ihnen eine befriedigende, enge Beziehung zu führen. Sie lernen Methoden und Interaktionsstrategien kennen, um Ihren Eltern trotz ihrer Verzerrungen und Versuche, Sie zu dominieren, Grenzen zu setzen. Sie werden verstehen, warum es so wichtig ist, sich selbst in ihrer Gegenwart treu zu bleiben, und wie Sie ihren dringenden Forderungen und emotionalen Erpressungsversuchen widerstehen können.

Kapitel 1

Ihre emotional unreifen Eltern

Wie die Beziehung zu ihnen aussieht und wie sie so geworden sind, wie sie jetzt sind

Emotional unreife Eltern sind frustrierend und demoralisierend. Es ist schwer, Eltern zu lieben, die auf der Gefühlsebene nicht verfügbar sind, die Respekt erwarten, Sie aber zugleich kontrollieren wollen und mit Ablehnung bestrafen. Typisch für solche Eltern ist es, dass sie nicht auf die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen. Sie haben wenig Interesse an emotionaler Nähe, bei der sich zwei Menschen auf einer tiefen Ebene kennen- und verstehen lernen. Eine befriedigende, enge Bindung, die die Beteiligten füreinander wertvoll macht, entsteht durch das Teilen tiefer Gefühle. Solche Eltern sind dazu nicht in der Lage.

Manchmal erahnt man bei ihnen eine flüchtige Sehnsucht nach echter Nähe, die einen weiter auf sie zugehen lässt. Leider ziehen sie sich aber immer weiter zurück, je näher man ihnen kommt, weil sie Angst vor echter Nähe haben. Es ist, als würde man mit jemandem tanzen, der sich in perfekter Synchronisation mit den eigenen Bemühungen um Nähe von einem entfernt. Das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und die Unfähigkeit, wirkliche Nähe zuzulassen, führt zu einer »Push-pull-Dynamik« in der Beziehung, die Ihre Bedürfnisse nicht erfüllt und zu seelischer Einsamkeit führt. Ihr Vater oder Ihre Mutter ist Ihnen wichtig, aber Sie können ihnen nicht nah genug kommen, um eine echte Beziehung aufzubauen.

Doch wenn Sie erst einmal herausgefunden haben, wie Ihre Eltern ticken, bekommen Ihre Erfahrungen einen Sinn – und damit auch die emotionale Einsamkeit. Wenn Sie die Psyche Ihrer emotional unreifen Eltern verstehen, werden Sie in der Lage sein, mit ihnen und allen anderen Menschen gleichen Schlages umzugehen, ohne Opfer emotionaler Erpressung zu werden. Auf diese Weise können Sie eine ehrlichere Beziehung zu Ihren Eltern aufbauen, weil Sie wissen, was Sie von ihnen erwarten können und was nicht.

In diesem Kapitel erforschen wir, wie es ist, eng mit emotional unreifen Eltern verbunden zu sein. Sie erfahren etwas über das Beziehungssystem, das Ihre Eltern als Liebesersatz benutzen, und Sie erhalten Erklärungen dafür, warum Ihre Eltern so geworden sind, wie sie sind.

Im weiteren Verlauf dieses Buches finden Sie Übungen, die Ihnen helfen, das Gelesene zu verarbeiten. Es bietet sich an, als Teil Ihres Selbstfindungsprozesses ein Tagebuch darüber zu führen, was Sie im Laufe der Zeit lernen. Wenn Sie Ihre Selbsterkenntnisse festhalten – am besten in einem neuen Tagebuch speziell für diesen Zweck –, geben Sie sich selbst emotionale Unterstützung und Bestätigung, die Sie von Ihren Eltern kaum erhalten.

Der Prozess des Schreibens wird Ihnen helfen, schwer fassbare und vage Erfahrungen endlich in Worte zu fassen. Machen Sie sich Notizen zu den Gefühlen, Erinnerungen und Erkenntnissen, die beim Lesen auftauchen. Diese Notizen können sich auf Ihre Eltern oder andere emotional unreife Menschen beziehen, denen Sie in Ihrem Leben begegnet sind. Wenn Sie Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aufschreiben, lassen Sie nach jedem Eintrag ein paar Zeilen frei, damit Sie nachträglich noch etwas hinzufügen können. Es ist von unschätzbarem Wert, später einmal zurückzublicken und zu sehen, wo Sie angefangen haben. Lassen Sie uns auf solche Weise mal einen Blick darauf werfen, was Sie dazu gebracht hat, dieses Buch zu lesen.

Übung

Warum Sie zu diesem Buch gegriffen haben

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken, was Sie an diesem Buch gereizt hat. Schreiben Sie in Ihr Tagebuch oder vorerst nur auf ein Blatt Papier, was Sie neugierig gemacht hat, als Sie den Titel gelesen haben. Was haben Sie sich erhofft zu erfahren und an welche Person haben Sie dabei gedacht? Welche Gefühle löst diese Person in Ihnen aus? Inwiefern wünschen Sie sich eine andere Beziehung zu dieser Person? Wie hätte die Beziehung zu dieser Person aussehen sollen, falls sie nicht mehr lebt?

Schauen wir uns nun an, wie es ist, eine Beziehung zu einem emotional unreifen Elternteil oder anderen Menschen mit solchen Eigenschaften zu haben, und welche Gefühle diese Person bei Ihnen auslöst. Das kann alte Wunden aufreißen, daher sollten Sie – wie bei jedem Selbstfindungsprozess – bei Bedarf einen Psychotherapeuten aufsuchen, um weitere Hilfe und Unterstützung zu erhalten.

Was es bedeutet, eine Beziehung mit ihnen zu haben

Emotional unreife Eltern und Personen zeigen ein typisches Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Die folgenden zehn Erfahrungen können mit einem solchen Menschen gemacht werden.

1. Sie fühlen sich in ihrer Gegenwart einsam

Eine Kindheit mit emotional unreifen Eltern begünstigt emotionale Einsamkeit. Auch wenn Ihr Vater oder Ihre Mutter physisch anwesend war, haben Sie sich vielleicht allein gelassen gefühlt. Obwohl Sie möglicherweise eine familiäre Bindung zu Ihrem emotional unreifen Elternteil haben, unterscheidet sich diese doch sehr von einer emotional sicheren Eltern-Kind-Beziehung. Unreife Eltern sagen ihren Kindern gern, was sie tun sollen, doch emotionale Fürsorge ist ihre Sache nicht. Sie können sich gut um ihr Kind kümmern, wenn es krank ist, aber sie wissen nicht, was zu tun ist, wenn es Liebeskummer hat. Daher wirkt ihr Verhalten, etwa wenn sie versuchen, ihr wütendes Kind zu beruhigen, manchmal gekünstelt oder unbeholfen.

2. Interaktionen mit ihnen fühlen sich einseitig und frustrierend an

Die Selbstbezogenheit und das begrenzte Einfühlungsvermögen emotional unreifer Eltern führen dazu, dass sich die Interaktion mit ihnen einseitig anfühlt. Wenn Sie versuchen, ihnen etwas mitzuteilen, was Ihnen wichtig ist, werden sie Sie wahrscheinlich ignorieren, das Thema wechseln, über sich selbst sprechen oder einfach abtun, was Sie sagen. So aufgewachsene Kinder wissen oft sehr viel mehr über die Probleme ihrer Eltern als die Eltern über ihre.

Obwohl emotional unreife Eltern Ihre Aufmerksamkeit einfordern, wenn sie verärgert sind, sind sie selten bereit, Ihnen zuzuhören oder mit Ihnen zu fühlen, wenn Sie Sorgen oder Probleme haben. Anstatt sich mit Ihnen zusammenzusetzen, damit Sie Ihr Herz ausschütten können, bieten sie in der Regel oberflächliche Lösungen an, sagen Ihnen, dass Sie sich keine Sorgen machen sollen, oder reagieren sogar verärgert, wenn Sie wütend sind. Sie haben das Gefühl, dass Ihnen der Zugang zu Ihren Eltern versperrt ist und dass Sie vergeblich nach Mitgefühl und Trost suchen.

3. Sie fühlen sich genötigt und gefangen

Emotional unreife Eltern bestehen darauf, dass man sie an die erste Stelle setzt und ihnen die Bühne überlässt. Um ihren Willen durchzusetzen, lösen sie bei Ihnen Scham-, Schuld- und Angstgefühle aus. Hält man sich nicht an ihre Regeln, reagieren sie mit heftigen Vorwürfen oder Wutausbrüchen.

Oft wird für diese Art der emotionalen Erpressung der Begriff »Manipulation« verwendet, den ich aber für irreführend halte. Dieses Verhalten ist eher ein Überlebensinstinkt. Die Eltern tun alles, was sie können, um in der jeweiligen Situation das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit zu erhalten, ganz gleich, welchen Preis Sie dafür zahlen.

Vielleicht fühlen Sie sich auch von ihrem oberflächlichen Beziehungsstil eingeengt. Diese Eltern pflegen einen unverbindlichen, egozentrischen Umgang mit ihren Mitmenschen, weshalb Gespräche mit ihnen oft langweilig sind. Sie halten sich an Themen, bei denen sie sich sicher fühlen, was schnell zu Stagnation und Wiederholungen führt.

4. Sie kommen zuerst und erst danach ihr Kind

Emotional unreife Eltern sind extrem selbstbezogen, was bedeutet, dass sich alles immer nur um sie dreht. Sie erwarten von Ihnen, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse als zweitrangig betrachten, und stellen ihre eigenen Interessen so sehr in den Vordergrund, dass es sich anfühlt, als würden sie Ihre herabsetzen. Sie streben keine Beziehung auf Augenhöhe an. Sie erwarten von ihren Kindern, dass sie ihrem Anspruch, an erster Stelle zu stehen, blind folgen.

Wenn Eltern nicht bereit sind, den Bedürfnissen ihres Kindes hohe Priorität einzuräumen, kann dies zu Unsicherheit beim Kind führen. Nicht sicher sein zu können, dass die Eltern an einen denken und einen unterstützen, macht anfällig für Stress, Ängste und Depressionen. Dies sind verständliche Reaktionen auf eine Kindheit, in der Sie sich nicht darauf verlassen konnten, dass Vater oder Mutter Ihre Bedürfnisse wahrnehmen und Sie vor Überforderung bewahren.

5. Sie lassen weder innige Vertrautheit zu, noch zeigen Sie sich von Ihrer verletzlichen Seite

Obwohl emotional unreife Eltern zu heftigen emotionalen Reaktionen neigen, lassen sie keine tiefen Gefühle zu (McCullough et al. 2003). Sie haben Angst, sich emotional zu exponieren, und verstecken sich oft hinter einer defensiven Fassade. Das geht so weit, dass sie sogar den zärtlichen Umgang mit ihren Kindern vermeiden, weil sie sich dadurch zu verletzlich machen würden. Da Macht in ihren Augen alles ist, was sie haben, befürchten sie, dass Liebe zu zeigen ihre Macht als Eltern untergraben könnte.

Auch wenn sich diese Eltern ungern von ihrer verletzlichen Seite zeigen, können sie sehr emotional werden, wenn sie sich mit ihrem Partner streiten, über ihre Probleme klagen, Dampf ablassen oder vor ihren Kindern regelrecht in Rage geraten.

Wenn sie wütend sind, sieht es ganz und gar nicht so aus, als hätten sie Angst vor ihren Gefühlen. Bei diesen einseitigen Ausbrüchen lassen sie jedoch lediglich Druck ab. Mit der Bereitschaft, sich auf eine echte emotionale Beziehung einzulassen, hat das nichts zu tun.

Aus diesem Grund ist es schwierig, sie zu trösten. Sie wollen, dass man ihren Ärger spürt, wehren sich aber gegen die Nähe, die entsteht, wenn man wirklich getröstet wird. Beim Versuch, ihnen Trost zu spenden, kann es passieren, dass sie Sie mit steifen Armen auf Abstand halten. Diese geringe Aufnahmefähigkeit (McCullough 1997) macht es unmöglich, sie zu trösten oder eine Bindung zu ihnen aufzubauen.

6. Sie kommunizieren über emotionale Ansteckung

Anstatt über ihre Gefühle zu sprechen, drücken sich solche Personen nonverbal durch Gefühlsansteckung aus (Hatfield et al. 2009), wobei sie die Grenzen ihres Kindes überschreiten und es in den Zustand der Wut versetzen, in dem sie sich selbst befinden. In der Familiensystemtheorie wird dieses Fehlen gesunder Grenzen als »emotionale Verschmelzung« (Bowen 1985) und in der strukturellen Familientherapie als »Verstrickung« (Minuchin 2015) bezeichnet. Damit wird der Prozess beschrieben, in dem Familienmitglieder in die Emotionen und psychischen Probleme der jeweils anderen hineingezogen werden.

Wie Kleinkinder erwarten emotional unreife Eltern, dass Sie intuitiv wissen, was sie fühlen, ohne dass sie es sagen müssen. Sie sind verletzt und wütend, wenn Sie ihre Bedürfnisse nicht erahnen, und erwarten, dass Sie wissen, was sie wollen. Hält man dagegen, dass sie nicht gesagt haben, was sie wollen, reagieren sie so: »Würdest du mich wirklich lieben, hättest du es gewusst.« Sie erwarten von ihren Kindern, dass sie ihnen ständig Aufmerksamkeit schenken. Dass Kleinkinder diese Aufmerksamkeit von ihren Eltern einfordern, ist legitim; doch wenn Eltern dies von ihren Kindern erwarten, ist es das nicht.

7. Sie missachten Ihre Grenzen und Ihre Individualität

Emotional unreife Eltern verstehen die Bedeutung von Grenzen nicht. Sie setzen diese mit Ablehnung gleich und schließen daraus, dass sie Ihnen nicht wichtig genug sind, um ihnen freien Zugang zu Ihrem Leben zu gewähren. Deshalb reagieren sie ungläubig, beleidigt oder verletzt, wenn Sie sie bitten, Ihre Privatsphäre zu respektieren. Sie fühlen sich nur dann geliebt, wenn Sie sich jederzeit von ihnen stören lassen, und streben dominante und privilegierte Rollen an, in denen sie die Grenzen anderer nicht respektieren müssen.

Genauso wenig achten solche Eltern Ihre Individualität, weil sie keine Notwendigkeit dafür sehen. Die Rollenverteilung in der Familie ist für sie unantastbar und sie verstehen nicht, warum Sie einen Freiraum oder eine eigene Identität beanspruchen, die sich von ihnen abgrenzt. Sie sehen nicht ein, warum ihr Kind nicht einfach so sein kann wie sie, genauso denkt, die gleiche Weltanschauung hat und die gleichen Werte vertritt. Als ihr Kind gehören Sie nach Meinung Ihrer Eltern ihnen. Noch im Erwachsenenalter erwarten sie von Ihnen, dass Sie ihr gehorsames Kind bleiben oder – wenn Sie darauf bestehen, ein eigenes Leben zu führen – zumindest immer ihren Ratschlägen folgen.

8. Die Emotionsarbeit in der Beziehung zu den Eltern leisten Sie

Emotionsarbeit (Fraad 2008) ist das Bemühen, das man unternimmt, um sich gefühlsmäßig auf die Bedürfnisse anderer einzustellen. Emotionsarbeit kann einfach sein – zum Beispiel höflich und freundlich zu sein – oder kompliziert, wenn man sich beispielsweise bemüht, gegenüber einem verzweifelten Teenager die richtigen Worte zu finden. Emotionale Arbeit zu leisten, bedeutet, einfühlsam und mit gesundem Menschenverstand zu handeln, tiefer liegende Motive zu erkennen und zu antizipieren, wie das Gegenüber auf das eigene Handeln reagieren wird.Wenn in einer Beziehung etwas schiefgeht, steigt die Notwendigkeit, emotionale Arbeit zu leisten, sprunghaft an. Sich zu entschuldigen, eine Versöhnung anzustreben und Wiedergutmachung zu leisten, gehören zu den anstrengenden Aspekten emotionaler Arbeit, die der Aufrechterhaltung einer gesunden, langfristigen Beziehung dienen. Da emotional unreife Eltern aber kein Interesse daran haben, die Reparaturarbeit in ihrer Beziehung zu machen, bleibt es an Ihnen hängen, sich um die Wiederherstellung ihrer Bindung zu bemühen.

Anstatt die Dinge richtigzustellen oder sich zu entschuldigen, verschlimmern solche Eltern die Situation oft, indem sie anderen die Schuld zuschieben und die Verantwortung für ihr Verhalten ablehnen. In einer Situation, in der es einfacher wäre, sich zu entschuldigen, beharren diese Eltern gern darauf, dass Sie etwas getan oder nicht getan haben, was ihr verletzendes Verhalten rechtfertigt. Nach ihrer Logik wäre das Problem gar nicht erst entstanden, wenn man sich im Voraus an ihre Erwartungen gehalten und entsprechend gehandelt hätte.

9. Sie verlieren Ihre emotionale Autonomie und mentale Freiheit

Weil emotional unreife Eltern Sie als verlängerten Arm ihrer selbst betrachten, missachten sie Ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Stattdessen beanspruchen sie das alleinige Recht, Ihre Gefühle als nachvollziehbar oder unberechtigt zu beurteilen. Sie missachten Ihre emotionale Autonomie, Ihre Freiheit und Ihr Recht auf eigene Gefühle.

Da solche Eltern glauben, dass die Gedanken ihres Kindes den ihren entsprechen sollten, reagieren sie schockiert und ablehnend, wenn es kontroverse Ideen hat. Daher steht es Ihnen nicht frei, über bestimmte Dinge nachzudenken, nicht einmal in der Privatsphäre Ihrer eigenen Gedanken. (»Denk nicht einmal darüber nach …!«) Ihre Gedanken werden danach gefiltert, ob sie Ihren Eltern gefallen oder nicht, und dementsprechend in gut und schlecht sortiert. 

10. Solche Eltern können Spielverderber und manchmal regelrecht sadistisch sein

Da emotional unreife Eltern sich schwertun, sich in die Gefühlswelt ihrer Mitmenschen hineinzuversetzen, können sie sich auch nicht über das Glück anderer oder über die Leistungen ihres Kindes freuen und verderben ihm das Gefühl, auf sich selbst stolz zu sein. Den Träumen ihrer Kinder versetzen sie gern einen Dämpfer, indem sie sie an die deprimierende Realität des Erwachsenenlebens erinnern.

So erzählte Martin als Teenager seinem Vater stolz, dass er bei seinem ersten Auftritt als Musiker fünfzig Dollar verdient hatte. Die unmittelbare Reaktion seines Vaters bestand darin, ihn darauf hinzuweisen, dass dieser Lohn niemals ausreichen würde, um eine Familie zu ernähren. Aufgrund seines mangelnden Einfühlungsvermögens versagte sein Vater dabei, Martins Gefühlslage richtig einzuschätzen.

Ein Sadist geht noch weiter als ein Spielverderber. Sadisten machen sich einen Spaß daraus, ein Lebewesen gewaltsam zu beherrschen und ihm Schmerzen und Demütigungen zuzufügen. Sadismus ist auch ein Weg, in einer Beziehung zu dominieren und Macht und Bedeutung für sich zu beanspruchen. Sadistische Eltern genießen es, ihrem Kind körperliche oder seelische Schmerzen zuzufügen. Körperliche Misshandlung ist offensichtlich sadistisch, doch auch hinter »Necken« und »Witzeleien« kann sich Sadismus verbergen.

Als Emily zum Beispiel ihrer Familie ihren Verlobten vorstellte, »scherzte« ihr Vater, der sie körperlich misshandelte, Emilys Verlobter solle sie einfach »rauswerfen«, wenn sie zu vorlaut werde. Emilys Mutter und ihre Schwestern machten mit und lachten über die Demütigung, die Emily als unerträglich empfand.

Sadistische Eltern mögen es, wenn sich ihr Kind hilflos fühlt. Sie haben insgeheim Freude daran, es durch körperliche Züchtigung, dauernde Missachtung, lange Einschränkungen oder das Gefühl, gefangen zu sein, zur Verzweiflung zu bringen. Als Bruce ein kleiner Junge war, klemmte ihn sein Vater zwischen seine Beine und ließ ihn nicht mehr los. Wenn Bruce versuchte, sich herauszuwinden, oder zu weinen begann, schickte ihn sein Vater auf sein Zimmer und schlug ihn mit dem Gürtel. Später entschuldigte er sich bei Bruce, erklärte ihm aber, dass Bruce selbst schuld sei, weil er so »böse« gewesen sei.

Im nächsten Abschnitt werden wir uns ansehen, wie emotional unreife Eltern die Gefühle und das Selbstwertgefühl anderer Menschen beeinflussen. Ihr Beziehungsstil hat unmittelbare, unbewusste Auswirkungen auf Ihre Gefühle und Ihr Selbstwertgefühl. Die Art und Weise, wie Ihre Eltern auf Sie reagieren, kann Ihnen ein schlechtes oder ein gutes Selbstwertgefühl vermitteln, je nachdem, ob sie versuchen, Sie zu kontrollieren oder auf ihre Seite zu ziehen.

Das emotional unreife Beziehungssystem

Emotional unreife Menschen können ihr Selbstwertgefühl und ihr emotionales Gleichgewicht nicht gut selbst regulieren. Um ausgeglichen zu bleiben, sind sie darauf angewiesen, dass andere sie entsprechend behandeln. Um dies zu erreichen, verhalten sie sich so, dass sich ihre Mitmenschen für ihr Glück verantwortlich fühlen. Dies geschieht durch komplexe, sehr subtile Signale, die bei ihrem Gegenüber bestimmte Gefühle auslösen. Das bezeichne ich als das »emotional unreife Beziehungssystem«.

Dieses Beziehungssystem verleitet Sie dazu, mehr auf den emotionalen Zustand des emotional unreifen Elternteils zu achten als auf Ihr Bauchgefühl. Man hat den Eindruck, die Launen der Eltern um jeden Preis beschwichtigen zu müssen, und ertappt sich dabei, ihre Bedürfnisse und Gefühle über die eigene emotionale Gesundheit zu stellen. Dieser ungesunde und übertriebene Wunsch, die Eltern immer zu besänftigen, lenkt den Fokus immer mehr auf deren Launen, bis man regelrecht besessen davon wird. Wenn dies geschieht, ist Ihren Eltern die emotionale Vereinnahmung gelungen. Emotionale Vereinnahmung liegt dann vor, wenn der gefühlsmäßige Zustand Ihrer Eltern zum Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit geworden ist.

In den ersten Lebensjahren ist ein solches Beziehungssystem die Norm. Es ist ein unverzichtbares Arrangement zwischen dem Säugling und seinen Bezugspersonen. Um zu überleben und zu gedeihen, brauchen Babys liebevolle Erwachsene, die auf ihre Bedürfnisse eingehen und sie beruhigen. Das Schreien eines Säuglings ist für normale Eltern so belastend, dass sie alles tun, um ihn zu beruhigen. Sensible Eltern empfinden den Stress ihres Kindes augenblicklich als ihren eigenen und kümmern sich sowohl um die emotionalen als auch die körperlichen Bedürfnisse ihres Kindes (Ainsworth et al. 1974, Schore 2012). Diese emotionale Unterstützung ist im Säuglings- und Kleinkindalter von entscheidender Bedeutung.

Bei normalen Kindern nimmt das Bedürfnis nach ständiger Zuwendung mit zunehmendem Alter ab. Bei emotional unreifen Eltern ist die emotionale Selbstregulierung aber noch nicht vollständig entwickelt. Da sie nicht in der Lage sind, ihre eigenen Gefühle und Enttäuschungen zu regulieren, erwarten sie immer noch, dass andere Menschen, die genau wissen, welches Verhalten von ihnen erwartet wird, sie sofort beruhigen. Wenn man ihnen keine Priorität einräumt, kommen sie damit nicht zurande. Wie Kleinkinder brauchen sie viel Aufmerksamkeit, Zustimmung und positives Feedback, um stabil zu bleiben, doch im Gegensatz zu Kleinkindern entwickeln sie sich trotz dieser Zuwendung nicht weiter. Seelische Verletzungen und Entbehrungen in ihrer eigenen Kindheit haben bei ihnen zu Abwehrmechanismen geführt, die sie in defensiven Verhaltensmustern verharren lassen, gleich, wie viel Zuwendung sie erhalten.

Welchen Einfluss das emotional unreife Beziehungssystem Ihrer Eltern auf Sie hat

Wahrscheinlich merken Sie zunächst gar nicht, dass Sie in das Beziehungssystem einer anderen Person hineingezogen werden. Die emotionale oder Gefühlsansteckung (Hatfield et al. 2009) in diesem zwischenmenschlichen System ist vom ersten Moment an so unwiderstehlich, dass man schon mittendrin ist, bevor man sich dessen bewusst wird. Deshalb ist es so wichtig, den Druck, den diese Person auf Sie ausübt, schon im Voraus zu erkennen, um Ihre Grenzen, Ihre emotionale Autonomie und Ihr Selbstwertgefühl zu schützen. Sie müssen wachsam und vorbereitet sein, damit dieser Druck Sie nicht überwältigt.

Sie fühlen sich für ihre Gefühle verantwortlich

Stellen Sie sich das emotional unreife Beziehungssystem als eine Art Bann vor, mit dem diese Person Sie belegt und Sie davon überzeugt hat, dass Sie für ihr Glück verantwortlich sind. Natürlich werden Sie auch für Ärger und schlechte Laune zur Rechenschaft gezogen, da Sie schon im Vorfeld alles Unangenehme von dieser Person fernzuhalten haben.

Wenn sich emotional unreife Menschen ärgern, dringt ihre Verstimmung in Ihre Gedankenwelt ein und wird zum zentralen Thema. Sie machen sich zwanghaft Gedanken darüber, wie Sie alles wieder ins Lot bringen können, wobei Ihnen das, was Sie gesagt oder getan haben, ständig im Kopf herumspukt. Selbst während Sie andere Dinge erledigen oder nachts schlafen wollen, kreisen in Ihrem Kopf Gedanken wie etwa »Was habe ich falsch gemacht?«, »Was kann ich besser machen?« oder »Habe ich alles getan, um ihm/ihr zu helfen?« … Da Sie von der Unzufriedenheit dieser Person völlig eingenommen sind, haben Sie das Gefühl, dass es Ihre Aufgabe ist, alles wieder in Ordnung zu bringen. Die emotional unreife Person hat Sie so sehr in ihr Beziehungssystem hineingezogen, dass ihr Schmerz auch Ihr Schmerz ist. Sie verlieren Ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse aus den Augen. Da Sie von dem unreifen Beziehungssystem dieser Person völlig vereinnahmt sind, empfinden Sie deren Probleme als Ihre eigenen, obwohl Sie es rein rational betrachtet besser wüssten.

Johns Geschichte

Johns betagte Mutter lebte in einer schönen Seniorenresidenz. Dennoch rief sie ihn häufig wegen Problemen an, die das Personal der Einrichtung leicht hätte lösen können. Sie machte es stets so dringend, dass John das Gefühl hatte, alles stehen und liegen lassen zu müssen, um ihr zu helfen. In Wirklichkeit war es nicht nötig, dass er ihr half, aber die Mutter wollte sichergehen, jederzeit Zugriff auf ihren Sohn zu haben. Obwohl John wusste, dass seine Mutter nicht so verzweifelt war, wie es den Anschein hatte, ließ es ihm keine Ruhe, wenn sie verärgert war.

Franks Geschichte

Franks geschiedener Vater Robert meldete sich häufig mitten in der Nacht, wenn er viel getrunken hatte. Robert schloss sich oft aus seiner Wohnung aus und rief Frank an, damit dieser ihn abhole. Als Robert krank wurde, bat er Frank, bei ihm im Krankenhaus zu bleiben, »weil ich sonst niemanden habe«. Frank konnte nicht Nein sagen, weil sein Vater so erbärmlich klang. Als Franks Gedanken immer mehr um die Probleme seines Vaters kreisten, begannen seine Arbeit und seine Familie darunter zu leiden. Frank hatte sich so sehr mit Roberts Problemen identifiziert, dass es ihm nicht in den Sinn kam, dass sein Vater auch selbst dafür verantwortlich war, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Auch gesunde und reife Menschen sind manchmal auf Hilfe angewiesen. Aber sie gehen dabei anders vor. Wenn sie um Hilfe bitten, nehmen sie Rücksicht auf die Situation des anderen und geben ihm die Möglichkeit, Nein zu sagen. Sie erwarten nicht, dass man alles stehen und liegen lässt, um sich um sie zu kümmern, und sie sind dankbar für Hilfe. Im Gegensatz dazu üben emotional unreife Eltern Druck aus und unterstellen ihren Kindern, dass sie ihnen nicht wichtig sind, wenn sie Nein sagen.

Sie fühlen sich erschöpft und ängstlich

In ein solches Beziehungssystem einer anderen Person verstrickt zu sein, ist anstrengend, weil man so viel emotionale Arbeit für diese Person leistet. In der Beziehung wenden Sie viel mehr psychische Energie für diese Person auf als für andere.

Ständig ist die bange Frage im Hinterkopf, wann wohl der nächste Notfall eintritt. Haben Sie sich vom emotional unreifen Beziehungssystem eines Menschen erst einmal vereinnahmen lassen, hängen dessen Stimmungsschwankungen wie ein Damoklesschwert über Ihnen und versetzen Sie in ständige Alarmbereitschaft. Diese unfreiwillige Dauerbeobachtung der Stimmungen der emotional unreifen Person ist unglaublich auslaugend.

Reife Menschen hingegen wissen, dass Sie nicht immer verfügbar sein können, gehen sensibel mit Ihren Lebensumständen um und respektieren Ihre Grenzen.

Sie haben das Gefühl, nicht Nein sagen zu können

Derart aufgelegte Eltern laden ihre Probleme in der Rolle des wütenden Opfers bei Ihnen ab und lassen Ihnen gar nicht die Wahl, Nein zu sagen. Ehe Sie sich’s versehen, treten Ihre eigenen Gefühle in den Hintergrund, und es gibt nur noch ein Ziel: die Stabilisierung Ihrer Eltern. Wenn das passiert, haben Sie Ihre emotionale Autonomie eingebüßt – die Freiheit, Ihre Gefühle anzuerkennen und ihnen zu folgen.