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In der Liebe ist alles erlaubt ... Arrochar Adair ist in den Ex-Bodyguard ihres berühmten Bruders Lachlan verliebt, und das seit sie denken kann. Doch Mac ist 13 Jahre älter als Arro und noch dazu, würde er niemals etwas tun, das Lachlan nicht gutheißen könnte. Aber auch Mac kann sich der Anziehung, die Arro auf ihn ausübt nur schwer entziehen. Und so sendet er Arro immer häufiger gemischte Signale. Liegt Arro falsch, wenn sie daran glaubt, mit genug Zeit, könnte aus den beiden wirklich ein Paar werden?
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Seitenzahl: 528
Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem TitelAlways You.
© 2021 by Samantha Young
Deutsche Erstausgabe
© 2024 für die deutschsprachige Ausgabe
HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Covergestaltung von zero Werbeagentur, München
Coverabbildung von Cherednychenko Ihor, VAlekStudio, chempina, Flame of life, Sittipol sukuna, chempina / Shutterstock
E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783749907175
www.harpercollins.de
Arro
Vor sechs Jahren und vier Monaten
Ardnoch Castle, Sutherland
Schottische Highlands
Es war seltsam, das Zuhause meiner Familie so zu sehen: schöne, glamouröse und berühmte Menschen in glitzernden Abendkleidern, traditionellen Kilts und eleganten Smokings, so weit das Auge reichte. Kellner in traditionellen Uniformen – Frack, Krawatte und weiße Handschuhe – glitten mit Tabletts voller Kanapees und Champagnerschalen durch die Menge.
In einem großen Schloss aufzuwachsen, hatte für uns bedeutet, dass wir aufgrund des überwältigenden und nicht endenden Reparaturbedarfs immer nur auf ein paar bewohnbare Zimmer beschränkt waren. Die restlichen Räume waren ebenso wie die Flure feucht, kalt und düster. Im Winter war es im Schloss eisig gewesen.
Mein ältester Bruder jedoch, Lachlan Adair, hatte einen Großteil seiner Megaeinnahmen als Hollywoodactionstar in das Anwesen unserer Familie investiert. Auch einige wohlhabende Freunde hatte er überredet, etwas von ihrem Geld beizusteuern, um unser Zuhause in das zu verwandeln, was es jetzt war: ein exklusiver privater Club für die Elite der Film- und Fernsehbranche.
Ich will nicht lügen: Ein Teil von mir hasste es. Ich befürchtete, dass all die berühmten Leute unser Zuhause, unsere Geschichte, unsere Traditionen nicht respektieren würden. Tief in mir drinnen wusste ich natürlich, dass es nicht so sein würde; das würde Lachlan niemals zulassen. Und ich wusste, dass die Adairs Ardnoch Castle ohne diesen Club für immer verloren hätten. Lachlan hätte es verkaufen müssen. Auf diese Weise blieb es zumindest in der Familie.
»Warum siehst du so betrübt aus und bist hier so ganz allein?«, fragte Thane, mein zweitältester Bruder, der mit seiner Frau Francine an seiner Seite auf mich zugeschlendert kam.
Ich zuckte mit den Schultern und rang mir ein Lächeln ab. »Findest du es nicht seltsam?«
Er blickte sich um. »Aye, sehr. Aber es ist ein grandioses Gebäude, Arro. Und genau für so etwas wurde es doch gebaut.«
Ich wusste, dass er recht hatte, und hob zustimmend mein Glas.
»Du bist immerhin eine adäquate Erscheinung.« Francine legte einen Arm um meine Schultern und drückte mich kurz an sich. »Du siehst umwerfend aus und passt perfekt zu all diesen Hollywoodleuten. Ich dagegen sehe aus wie ein Wal.«
»Kein bisschen«, widersprach ich. »Du siehst so strahlend aus und wunderschön.« Fran war im fünften Monat schwanger mit ihrem und Thanes zweitem Kind, und da es mir sehr gefiel, Tante meines Neffen Lewis zu sein, freute ich mich riesig darauf, bald wieder einen Familienzuwachs zu begrüßen.
Fran zupfte an ihren dunklen Locken, während sie gleichzeitig mit einer Hand über ihren runden Bauch streichelte. »Danke, aber ich fühle mich nicht so.«
»Du bist schön«, entgegnete Thane ruppig, aber mir fiel auf, dass er sie nicht berührte. Normalerweise gingen mein Bruder und seine Frau auch in der Öffentlichkeit so zärtlich miteinander um, dass ich reflexartig Reißaus nahm. Erstens weil ich meinen Bruder nicht beim Knutschen sehen wollte und zweitens aus Neid. Ich war sehr glücklich über Thane, aber manchmal wünschte ich mir eine Liebe, wie er sie hatte. Das Problem war, dass die Wahrscheinlichkeit, sie jemals zu finden, sehr gering war. Ich war nämlich bereits in jemanden verliebt – in jemanden, der mich nicht liebte. Ich hatte Angst, dass ich es nie schaffen würde, mich von ihm zu lösen.
Dennoch war ich nicht so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich die leichte Anspannung zwischen Thane und Fran nicht bemerkt hätte. Oder dass mein Bruder in letzter Zeit allen gegenüber distanziert war. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich ihn so intensiv anstarrte, aber als hätte er gespürt, woran ich dachte, nahm er Frans Hand, und Fran schmiegte sich anscheinend erleichtert an seine Seite.
»Wo sind Brodan und Arran?«, fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern und blickte mich nach unseren Brüdern um. »Irgendwo hier. Wahrscheinlich suchen sie jemanden, den sie um Mitternacht küssen können.«
»Hast du schon jemanden dafür gefunden, Arro?«, fragte Fran und grinste mich an.
Ja! Ja! Habe ich. Ich schüttelte den Kopf, denn obwohl ich wusste, wen ich gern küssen wollte, und zwar an allen zukünftigen Mitternächten meines Lebens, war es zweifelhaft, dass es ihm genauso ging.
Apropos: »Wo ist eigentlich Mac? Ich habe ihn den ganzen Abend nicht gesehen. Er wird doch wohl nicht arbeiten, oder?«
Fran zuckte mit den Schultern. »Er ist der Sicherheitschef.«
Thane schüttelte den Kopf. »Nein, Lachlan hat ihm freigegeben, damit er mit uns Silvester feiern kann. Jemand aus seinem Team hat die Leitung für den Abend übernommen.«
»Wo ist er dann?«
Fran schnaubte. »Wahrscheinlich versteckt er sich vor dem Ansturm an Frauen, die ihn gern bei sich im Bett hätten.«
Innerlich zuckte ich zusammen, aber Thane zwinkerte mir zu und sagte zu seiner Frau: »Schatz, davor verstecken Männer sich nicht.«
»Ach, du.« Sie drehte sich um, um ihn zu schelten, aber er hinderte sie mit einem Kuss daran.
Ich war froh, dass sie wieder normal miteinander umgingen, hatte aber keine Lust, dabei zuzusehen. »Viel Spaß noch!«, rief ich über die Musik hinweg und machte mich auf den Weg aus der großen Halle hinaus.
Mac war definitiv nicht hier, dabei war sein Gesicht das einzige, das ich sehen wollte.
Wie immer.
Das war so, seit Dad gestorben war.
Vielleicht auch schon länger. Ich kannte Mac, seit ich vierzehn war. Er war Bodyguard im Sicherheitsteam meines großen Bruders, und weil Lachlan als Schauspieler und Hollywoodstar ständig in der Weltgeschichte unterwegs war, hatte ich damals kaum Zeit mit ihm verbracht. Aber ich erinnerte mich sehr genau daran, wie Mac über Weihnachten bei uns gewesen war, als ich achtzehn war. Ich hatte gerade mein erstes Semester an der Universität in Aberdeen begonnen und war froh, zu Hause bei meiner Familie zu sein. Während der zwei Ferienwochen waren Mac und Lachlan auch in Ardnoch gewesen, und ich hatte mich in den besten Freund meines Bruders verknallt. Mac war damals ganz sicher nicht an der Teenagerschwester seines Freundes interessiert. Das störte mich damals nicht. Ich war einfach gern verknallt, genoss die Schmetterlinge im Bauch und die überbordende Wahrnehmung, das Schwärmen und die Fantasien. Es machte Spaß!
Liebe jedoch war kein Spaß.
Liebe tat weh.
Und irgendwie hatte ich mich fast acht Jahre nach dieser Schwärmerei, als Lachlan und Mac nach Hause gekommen waren, um das Anwesen wieder aufzubauen, in Mackennon Galbraith verliebt. Ich war mir ziemlich sicher, dass er in mir immer noch Lachlans kleine Schwester sah.
Deshalb hatte ich mich heute Abend auch so zurechtgemacht. Ausnahmsweise hatte ich ein wenig von meinem Erbe verwendet, um mir ein widersinnig teures Kleid zu kaufen, aber ich fühlte mich sexy darin. Mein Job als Forstingenieurin brachte es mit sich, dass ich meist in Jeans, bequemen Pullis und schlammigen Boots in den Highlands herumlief. Jetzt wollte ich einmal meine Figur zeigen.
Ich ging durch die Halle, die Lachlan für seine Gäste in eine luxuriöse Lobby mit riesigem offenen Kamin, Chesterfield-Sofas, Tiffanylampen und opulentem schottischen Dekor verwandelt hatte, und fuhr mit den Händen an meinem Kleid entlang, während ich mich nach Mac umsah.
Lachlan hatte zuvor zwar ein wenig gereizt gewirkt, als er mich sah, hatte aber zum Glück den Mund gehalten. Egal wie sehr er sich wünschte, dass ich ein kleines Mädchen blieb, ich war es nicht mehr. Ich war eine erwachsene Frau und in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Unter anderem auch ein langes Kleid zu tragen, in dem ich mich ein wenig nackt fühlte. Es war aus Seide, anliegend geschnitten und in einem blassen Eisblau gehalten, passend zu meinen Augen. Mit einem Saum aus Spitze hätte es glatt als Negligé durchgehen können.
Ich trug die Haare offen und hatte meine Friseurin gebeten, mein Naturblond zu einem Platinblond aufzuhellen. Der Effekt ließ meine eisblauen Augen noch blauer erscheinen, und es gefiel mir so gut, dass ich auf eine Hochsteckfrisur verzichtete und mir die Haare stattdessen in Wellen stylte.
Innerhalb der ersten Stunde hatten schon zwei Hollywoodschauspieler mit mir geflirtet.
Ich brauchte diese Art von Aufmerksamkeit kaum, um mein Selbstvertrauen zu stärken, aber Mac war anders als alle Männer, die ich je begehrt hatte. Und bis jetzt war ich noch nie verliebt gewesen.
Mac war nicht der Typ Mann, der sich auf eine ernsthafte Beziehung einlässt, aber ich hatte die Frauen gesehen, mit denen er sich gelegentlich traf. Er war ein Mann mit vielseitigem Geschmack, also bestand durchaus die Möglichkeit, dass er sich zu mir hingezogen fühlte. An Selbstvertrauen hatte es mir nie gefehlt, und ich hatte auch nie Probleme mit meinem Selbstbild, was vor allem an meiner Erziehung lag. Wen interessierte es schon, was andere dachten? Über was auch immer! Ich war in einem Dorf aufgewachsen, in dem jeder wusste, was man tat, und das konnte man nur überleben, wenn man sich nicht darum scherte.
Heute war ein BH-loser Abend für mich, und es war mir scheißegal. Das Kleid hatte dünne Spaghettiträger, und der Seidenstoff war so fein, dass es unmöglich war, einen BH darunter zu tragen.
Okay, es war also eine bewusste Entscheidung. Ich wollte sehen, ob Mac es bemerkte. Ja, ich gebe es zu.
Aber wie sollte er es bemerken, wenn ich ihn nicht mal finden konnte?
Plötzlich fiel mir ein, dass er sich vielleicht in seinem Büro verschanzt hatte, also wechselte ich die Richtung, vermied den Blickkontakt mit den Gästen und schlüpfte in den Personalkorridor.
Macs Bürotür war geschlossen.
Ich holte tief Luft, klopfte mit den Fingerknöcheln dagegen und öffnete sie.
Als ich den Kopf durch die Tür steckte, sah ich Mac in dem kleinen Büro auf dem Sessel sitzen. Er sah riesig aus in dem Raum, den er mit Bücherregalen vollgestellt hatte. Er wandte sich um, und die Melancholie in seinen wunderschönen Augen ließ mein Herz dahinschmelzen.
Ohne ein Wort zu sagen, trat ich ein und machte die Tür hinter mir zu. »Mac?«
Er ließ den Blick an meinem Körper hinunterwandern, und er verweilte auf meinen Brüsten. Mir stockte der Atem, und mein Magen zog sich vor Erregung zusammen.
Aber er sah finster drein und blickte schnell auf den Boden. »Was machst du hier? Du solltest auf der Party sein und feiern.«
»Mit einem Haufen Leute, die ich nicht kenne?«, murrte ich und setzte mich auf die Kante des Schreibtisches. »Nein danke.«
Er starrte mürrisch zu Boden, und meine Brust schmerzte vor Sehnsucht.
Meist war Mac charmant, und zwar derartig, dass es mir schwerfiel, nicht aufs Heftigste mit ihm zu flirten. Er hatte ein verruchtes Lächeln, und irgendwie wusste er immer genau das Richtige zu sagen.
Als ich ihn aber in den letzten zwei Jahren besser kennenlernte, bekam ich mit, dass er Phasen hatte, in denen er zu grübeln schien. Lachlan wollte mir nicht sagen, was Mac in diese seltsame Stimmung versetzte, aber ich wollte es unbedingt wissen. Um ihn trösten zu können. Um zu lindern, was ihn bedrückte. So wie er und Lachlan mich getröstet hatten, nachdem mein Vater in meinen Armen gestorben war.
Bei der Erinnerung daran traten mir Tränen in die Augen, und ich schaute weg. »Was hat Silvester eigentlich an sich, dass es einen so deprimiert?«
Ein schroffes Schnauben lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf Mac. Unsere Blicke trafen sich, und mein Puls hämmerte.
Mein Gott, würde ich mich jemals zu einem anderen Mann so sehr hingezogen fühlen wie zu diesem?
»Neujahr steht für Neuanfänge«, antwortete Mac, und seine tiefe Stimme ließ mich erschauern.
Nope. Es war höchst unwahrscheinlich, dass ich mich jemals zu einem anderen Mann so sehr hingezogen fühlen würde wie zu Mackennon Galbraith. Es war, als hätte alles an ihm einen direkten Draht zu meinen erogenen Zonen.
»Und Neuanfänge erinnern einen unweigerlich an die Vergangenheit und an das, was wir hinter uns lassen wollen.«
Ich atmete langsam aus und zwang mich zu fragen: »Und welchen Teil der Vergangenheit versuchst du hinter dir zu lassen, Mac?«
Ich hatte solche Angst, dass es eine Frau war, so egoistisch das auch sein mochte.
Er antwortete nicht. Stattdessen erhob er sich von seinem Stuhl, und mein Blick folgte ihm. Mac war ein sehr großer Mann von etwa eins neunzig, und mit seinen breiten Schultern und der schmalen Taille hatte sein Oberkörper genau die perfekte V-Form, um die sich Superhelden in Filmen so bemühen. Als ich zum ersten Mal seinen Bizeps in einem engen T-Shirt sah, wurden mir von dem bloßen Anblick die Knie weich. Dennoch hoffte ich, kein total oberflächlicher Mensch zu sein.
Ich hatte eigentlich nie Wert auf Äußerlichkeiten gelegt, aber Macs Ausstrahlung hatte mich umgehauen. Es war die Kombination aus dieser Kraft und seiner vollkommenen Robustheit. Er war kein blasser Schönling, ganz im Gegenteil. Er war so männlich, so verwegen, so attraktiv, dass es nahezu lächerlich übertrieben wirkte: von den markanten Augenbrauen über die Adlernase bis hin zu seinem markanten Kiefer, den auch sein Dreitagebart nicht verbergen konnte.
Wenn man die Bedeutung des Wortes »männlich« im Wörterbuch nachschlug, sollte man ein verdammtes Bild von Mac Galbraith direkt daneben vorfinden. Sosehr ich auch glauben mochte, ein entwickeltes, vernunftbegabtes Wesen zu sein, sprach doch etwas an Macs Körperlichkeit ein Urbewusstsein in mir an, das ich nicht leugnen konnte.
Vielleicht hätte ich die körperliche Anziehungskraft, die dieser starke Mann auf mich ausübte, überwinden können, wenn er nur in den letzten zwei Jahren nicht auch der wunderbarste, fürsorglichste Freund gewesen wäre.
Mac drehte mir den Rücken zu und ging zum Sideboard an der gegenüberliegenden Wand. Sein Kilt wippte gegen seine muskulösen Waden, und ich versuchte meine Gedanken über das, was er darunter verbarg, im Zaum zu halten, und biss mir auf die Unterlippe.
Wie unpassend.
Der Mann war sichtlich niedergeschlagen, und ich konnte nicht aufhören, an Sex zu denken.
Ich versuchte mich zu konzentrieren, während er eine Flasche Whisky und zwei Kristallgläser aus der Anrichte holte. »Drink?«
Ich hatte zwei Gläser Champagner getrunken, die mich mutig genug gemacht hatten, um zu Mac zu gehen.
Wer wusste schon, wozu der Whisky mich anspornen würde? »Sicher.«
Als er sich mit dem Drink in der Hand näherte, hielt ich seinen Blick fest und sagte, indem ich das Glas nahm: »Kilt kannst du wirklich gut tragen, Mac.«
Er zog seine sehr küssbaren Mundwinkel hoch. »Danke.« Dann ließ er einen Blick über mich huschen und wandte schnell wieder die Augen ab. »Du siehst sehr hübsch aus.«
Ich rümpfte die Nase. »Danke.« Ich nippte am Clynelish und genoss das Brennen in der Kehle, die Hitze, die sich in meiner Brust ausbreitete.
»Warum bist du an Silvester so deprimiert?«, fragte er.
Er blieb stehen, sodass ich den Kopf ein wenig in den Nacken legen musste, um zu ihm aufzuschauen. Sex mit Mac, so stellte ich mir vor, wäre ein bisschen so, wie erobert zu werden. Und während ich außerhalb des Schlafzimmers eine völlig unabhängige Frau war und es verabscheute, wenn jemand versuchte, meine Entscheidungen zu beeinflussen, gefiel mir die Vorstellung durchaus, dass Mac mich festhielt, während er mich verführte. Allerdings träumte ich auch davon, seine Hände an mein Bettgestell zu binden und ihn zu reiten, bis wir beide Sterne sehen würden, so viel also dazu.
Ich trank einen für meine Verhältnisse großen Schluck Whisky, um wieder in der Realität anzukommen.
»Arro?« Mac krauste die Stirn.
Als ich mich an seine Frage erinnerte, zuckte ich mit den Schultern. »Es ist komisch, das Schloss so zu sehen, so voller Menschen … von denen keiner mein Vater ist.« Stuart Adair war kein besonders zugänglicher Mensch gewesen, und um ehrlich zu sein, war Lachlan in meiner frühen Kindheit eher eine Vaterfigur für mich gewesen. Aber ich hatte gewusst, dass mein Vater mich liebte, und nach meinem Abschluss an der Universität Aberdeen und meiner Rückkehr nach Ardnoch waren wir uns nähergekommen.
Es war schon fast zwei Jahre her, seit er an einem Herzinfarkt gestorben war. Wir hatten einen Spaziergang am Strand gemacht mit seinem Hund Bram, einem großen Scottish Deerhound, den er adoptiert hatte, als ich an der Uni war.
Ich konnte ihm nicht helfen.
Ich konnte ihn nicht retten.
So machtlos zu sein, das war …
Ich schluckte noch mehr Whisky und verbiss mir die Tränen über die Erinnerung. Die Schuld.
»Hey.« Mac hob mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Sein Blick war zärtlich. »Du musst die Schuldgefühle loslassen, Arro.«
»Kannst du Gedanken lesen, Mackennon?«
Er ließ mich los, und seine Nasenflügel blähten sich, als sein voller Name im Büro widerhallte. Niemand nannte ihn Mackennon, und es klang seltsam intim von meinen Lippen.
Es gefiel mir.
Mac erforschte eine Sekunde lang mein Gesicht, während ich in seine sich ständig verändernden Augen starrte. Eigentlich waren sie von einem hellen Braun um die Pupillen, mit grauen und grünen Schlieren am Rand der Iris, aber ihre Farbe wechselte je nach Lichteinfall. In seinem hell beleuchteten Büro waren sie von einem dunklen Blaugrau. »Nein. Aber ich kann Schuldgefühle erkennen, wenn ich sie sehe. Ich schätze, heute Abend gibt es hier zwei Menschen, die sich für schuldig halten.«
»Weswegen kannst du dich schuldig fühlen?«
Er seufzte schwer. »Wenn ich es dir sage, wirst du weniger von mir halten, und ich glaube nicht, dass ich das verkraften kann.«
Ich streckte die Hand aus und berührte seinen Arm. »Ich würde nie weniger von dir halten.«
Sein Kiefermuskel zuckte, dann drehte er sich um und kippte gleichzeitig seinen Whisky hinunter. Ich beobachtete misstrauisch, wie er den Raum durchquerte, um sich noch einen einzuschenken. Seine Stimmung war so sprunghaft, so unberechenbar. Das war untypisch für ihn, und ich mochte es nicht.
»Mackennon, sag mir bitte, was los ist.«
Er warf mir einen scharfen Blick über die Schulter zu. »Warum nennst du mich Mackennon?«
»Weil es ein schöner Name ist und ich ihn gern ausspreche.«
Ich wartete auf eine Antwort, bekam aber keine. Stattdessen schenkte er sich einen weiteren Drink ein und lehnte sich nach hinten. Als wollte er absichtlich Abstand zwischen uns bringen.
»Du solltest rausgehen und mitfeiern, Arro.«
Ich glitt vom Schreibtisch hinunter, machte aber keine Anstalten, auf ihn zuzugehen. »Erst wenn du mir sagst, was los ist.«
»Ich habe eine Tochter«, stieß er hervor.
Ich erstarrte vor Schreck.
Mac grinste unglücklich. »Oh, aye, damit hast du nicht gerechnet.«
»Was?« Ich schnaubte und trat einen Schritt näher. »Ich meine, wann …? Wie?« War das kürzlich geschehen? Bei dem Gedanken, dass eine Frau in sein Leben treten und ihn mir wegnehmen könnte, geriet ich in Panik.
»Ich habe ein Mädchen geschwängert, als ich fünfzehn war.«
Oh mein Gott!
»Das war kurz nachdem ich in die Staaten gezogen bin, um bei meinem Onkel zu arbeiten.«
Ich wusste, dass seine Großmutter ihn zu seinem Onkel nach Boston geschickt hatte, um dort als Mechaniker zu arbeiten, und dass er, als er alt genug war, zur Bostoner Polizei gestoßen war und von dort später in den Securitysektor wechselte.
Aber eine Tochter … »Mac?«
»Sie heißt Robyn und ist zweiundzwanzig.«
Heiliger … Mac war erst achtunddreißig, aber er sah eher wie Anfang dreißig aus, und jetzt sollte er eine zweiundzwanzigjährige Tochter haben? »Wie kann es sein, dass ich das nicht wusste?«
»Ich hatte keinen Kontakt mehr zu ihr, seit sie vierzehn war. Ihre Mum hat es mir schwer gemacht.« Mac fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Und ich habe nicht genug dafür gekämpft. Alle meine Briefe und Geschenke kamen zurück. Jetzt ist sie eine erwachsene Frau und ein Cop.« Er zuckte resigniert mit den Schultern.
»Ihr Stiefvater ist ihr Dad. Ich bin nur der Samenspender.« Er kippte den Rest seines Whiskys hinunter. »Das Arschloch, das sie im Stich gelassen hat, so wie meine Mum mich im Stich gelassen hat.« Ich bemerkte, dass in seinen Augen Tränen glitzerten. »Sie weiß nicht, wie sehr ich sie liebe, und ehrlich gesagt verdiene ich es nicht mal, sie zu lieben. Ich verdiene es auch nicht, dass sie es erfährt.«
»Ach, Mac!« Ich ging zu ihm, stellte mein Glas auf den Tisch hinter ihm und umarmte ihn.
Er vergrub seinen Kopf in meinem Nacken und legte die Arme um mich. Als ich spürte, wie er, von seinen Gefühlen überwältigt, zitterte, stiegen mir die Tränen in die Augen.
Ich hatte ja keine Ahnung.
Ich drückte ihn an mich und hielt ihn, so fest ich konnte.
Schließlich entspannte er sich und hob den Kopf, um mir in die Augen zu sehen. Der gequälte Ausdruck in seinem Blick hatte sich ein klein wenig verflüchtigt. Ich drückte meine Handflächen auf seine Brust, spürte, wie sein Herz dagegenschlug. Ich war mir seiner männlichen Präsenz so bewusst, seiner Hitze, seiner Stärke, seines Geruchs … Ich versuchte diese Wahrnehmung zu verdrängen, weil sie mir so unpassend vorkam, aber mein ganzer Körper kribbelte und bebte von seiner Nähe.
»Ich war ein guter Dad«, beteuerte er, »als sie noch ein Kind war. Als Stacey, ihre Mutter, und ich uns trennten, war Robbie noch ganz klein, aber ich war immer für sie da. Stacey war sprunghaft, machte alles zu einem Kampf. Es war schwierig, an ihrem Leben teilzuhaben, aber ich tat alles dafür, dass Robyn in meinem Leben bleiben konnte. Bis Stacey dann Seth heiratete. Von da an wurde es wieder besser. Wir kamen alle miteinander aus. Ich hatte Seth vor ein paar Jahren kennengelernt und ihn Stacey vorgestellt. Er war ein Freund. Ich war froh, dass er in Robyns Leben war, wenn ich es nicht sein konnte. Und er hatte nie versucht, mich rauszudrängen. Aber als ich den Job als Bodyguard annahm, bedeutete das, mehr unterwegs zu sein, und alles änderte sich. Stacey wurde wieder schnippisch und streitsüchtig. Und als Lachlan mir schließlich den Job in seinem Securityteam anbot, der viele Reisen quer durchs Land mit sich brachte, wollte sie nicht einmal in Erwägung ziehen, das Sorgerecht weiterhin mit mir zu teilen. Ich wollte, dass Robyn während der Schulferien bei mir in Kalifornien ist. Ich wäre nach Boston gekommen, wann immer es möglich gewesen wäre. Aber Stacey machte daraus alles oder nichts. Und ich war ein egoistischer Mistkerl und wollte den Job haben. Er wurde gut bezahlt. Ich konnte Robyn Dinge ermöglichen, die sie sonst nie bekommen hätte. Aber ich habe ihn nicht nur deswegen angenommen, sondern wegen mich. Und ich nahm ihn an, weil mein Stolz verlangte, dass Stacey mir nicht mein Leben diktieren konnte. Mein Stolz war mir wichtiger als mein Kind, und niemand kann mir das ausreden.«
»Wenn du gewusst hättest, dass du sie verlieren wirst, hättest du dich trotzdem für den Job und deinen Stolz entschieden?«
»Niemals«, antwortete er barsch, fast als würde er mich anflehen, ihm zu glauben. »Niemals, Arro. Robyn hat mir deutlich gezeigt, dass sie nichts mit mir zu tun haben will. Ich schicke jedes Jahr Briefe und Geschenke, aber ich bekomme sie immer ungeöffnet zurück. Ich … Ich kann nicht ungeschehen machen, was ich getan habe.« Er strich mit seinen Händen über meine nackten Arme, als wollte er mich beruhigen. Er schien sich seiner Liebkosung nicht bewusst zu sein. »Ich liebe Lachlan wie einen Bruder, und ich liebe Ardnoch. Ich würde sie gegen nichts eintauschen wollen … außer für sie. Für sie würde ich alles eintauschen, was mich je glücklich gemacht hat, um sie wieder in meinem Leben zu haben. Ich wünschte, ich hätte den Job nie angenommen.«
Tränen um seinetwillen füllten meine Augen. Ich hatte nicht gewusst, wie viel Schmerz und Reue er mit sich herumtrug.
»Mackennon«, flüsterte ich und umfasste sein Gesicht. Die Bartstoppeln kratzten an meinen Handflächen, und unsere Blicke trafen sich. »Du kannst es nicht ungeschehen machen. Du kannst nur einen Schritt nach vorn machen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit für dich zurückdrehen, aber das funktioniert nicht. Wir sind nun mal hier, aber das bedeutet nicht, dass wir hier festsitzen.« Unbewusst drückte ich mich an ihn, und er legte die Hände auf meine Hüften. »Du kannst die Zukunft verändern.«
»Ich verdiene keine Zukunft mit ihr.«
Die Erkenntnis, dass er es wirklich so meinte, dass er wirklich so wenig von sich hielt, tat weh. »Du bist ein guter Mann«, sagte ich, und meine Stimme war heiser vor Rührung. »Der beste von allen.«
Er schüttelte den Kopf, aber ich nahm sein Gesicht in meine Hände. »Ich entscheide das. Und ich habe entschieden, dass du wundervoll bist. Ohne dich hätte ich die letzten zwei Jahre nicht überstanden. Ich wünschte, du könntest dich so sehen, wie ich dich sehe.«
Mac strich über meine Hüften, und seine Augen wurden ganz dunkel. »Arro …«
Dann ergriff mich eine Art Wahnsinn. Ich zog seinen Kopf zu mir und presste meinen Mund auf seinen. Die Erregung ließ mich zittern, als ich den Whisky auf seinen Lippen schmeckte. Er stöhnte, öffnete überrascht den Mund, und ich nutzte es aus, indem ich seine Zunge mit meiner liebkoste.
Sein Stöhnen vibrierte in mir, und er erwiderte den Kuss.
Auf einmal stand ich in Flammen, Lust rauschte durch meinen Körper, und ich bestand nur noch aus Verlangen nach diesem Mann. Jahrelang aufgestautes Begehren brach wie eine Sturmflut hervor.
Wir küssten uns wild, hungrig. Ich vergrub meine Finger in seinem dunklen Haar, spürte seinen Dreitagebart an meiner Haut, fühlte, wie seine Hände sich in mein Kleid krallten und sich die Seide dadurch schier unerträglich eng über meine empfindlichen Brüste spannte.
Ja. Ja.JA.
Solch drängende Begierde hatte ich noch nie erlebt.
Ich wollte seine Hände überall auf einmal haben.
Vor allem wollte ich sie zwischen meinen Beinen haben. Nein, seinen Mund, ich wollte seinen Mund dort.
Ich stöhnte bei dem Gedanken.
Mac umfasste meine Schultern.
Und stieß mich abrupt von sich.
Ich strauchelte und schlug gegen die Lehne seines Sessels.
Jeder Quadratzentimeter meiner Haut errötete, und meine Lippen waren geschwollen.
Mac starrte mich an, als hätte er mich noch nie gesehen. Sein Blick fiel auf meine Brüste und verfinsterte sich. Er wandte sich ab, ballte seine Hände.
Ein Blick nach unten verriet, dass meine Brustwarzen hart waren, unübersehbar unter meinem Seidenkleid.
Meine Wangen wurden heiß, aber ich wollte mich nicht verstecken.
Stattdessen starrte ich auf Macs Rücken. »Siehst du mich bitte an?«
Er drehte sich um, mit etwas Dunklem im Blick, das ich nicht mochte, und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. »Verdammt.«
»Mac, es ist okay.«
»Das ist es nicht, verdammt noch mal!« Er hielt inne und sah mich düster an. »Ich bin gerade über die kleine Schwester meines besten Freundes hergefallen. Die kleine Schwester meines Chefs! Großer Gott, du bist kaum drei Jahre älter als meine Tochter.«
Ich zuckte zusammen. »Sag das nicht so. Das hört sich viel schlimmer an, als es ist. Du bist dreizehn Jahre älter als ich, Mackennon. Das ist keine große Sache.«
»Oh doch, das ist es.« Seine Stimme wurde leiser und sein Gesichtsausdruck weicher, fast flehend. »Arro … Lachlan ist alles, was ich an Familie habe. Ich könnte ihm oder dir nie wehtun. Das …« Er gestikulierte zwischen uns. »Liebes, das darf nicht geschehen. Es wird nie geschehen. Ich … bin heute Abend mit meinen Gedanken ganz woanders, und ich hätte nicht … Wir hätten das nicht tun sollen! Ich … Ich sehe dich nicht auf diese Weise.«
Er wies mich zurück.
Ein stechender Schmerz durchzuckte mein Herz, aber ich wollte um keinen Preis, dass er das bemerkte.
Ich sehe dich nicht auf diese Weise.
Ich atmete unmerklich ein. Also gut. Dann wusste ich ja jetzt Bescheid, nicht wahr?
Hatte ich gerade die Verletzlichkeit meines Freundes ausgenutzt?, schoss es mir durch den Kopf.
Ich wollte ihn nicht deswegen verlieren.
»Mac, es tut mir leid. Es war nur ein Kuss. Wir haben beide zu viel getrunken. Niemand muss davon erfahren, und es wird nie … nie wieder passieren. Ich werde es nie wieder tun. Entschuldige. Es ist alles okay. Es ist doch alles gut zwischen uns, oder?«
Er kniff die Augen zusammen und musterte mich. Es kostete mich alle Mühe, seinen Blick einigermaßen neutral zu erwidern. Schließlich schien die Anspannung von ihm abzufallen. »Du musst dich nicht entschuldigen, Liebes. Alles ist gut Liebes.«
»Gut, dann …« Ich versuchte gelassen auszusehen, richtete mir die Haare. »… gehe ich besser wieder raus. Es ist gleich Mitternacht. Du solltest mitkommen, Mac. Du musst unter Leute. Lass dich eine Weile von Robyn ablenken.«
Er nickte grimmig. »Ich komme gleich nach.«
Auf dem Korridor wurde mir schlagartig kalt. Benommen schlenderte ich zurück in die große Halle, und diesmal nickte ich den Gästen unterwegs zu. Macs Geschmack hatte ich noch auf der Zunge, und meine Lippen pulsierten von seinem Kuss. Mein Körper pochte weiter vor unbefriedigtem Verlangen.
Vergiss es, Arro!
Lachlan hielt gerade seine Neujahrsansprache. Ich hörte seine Stimme dröhnen, und gerade als ich die große Halle betrat, rief er von seinem Platz auf der Treppe: »Auf dass ihr für immer glücklich sein möget und eure Feinde es wissen! Slàinte Mhath!«
Alle erhoben ihre Gläser und erwiderten fröhlich und lautstark den schottisch-gälischen Trinkspruch, der so viel bedeutete wie »Gute Gesundheit«: »Slàinte Mhath!«
Ich wartete am Rand, während die Kellner Decken an die Gäste austeilten. Die Leute legten sie sich um die Schultern, und auf einmal stand Lachlan vor mir. »Da bist du ja!« Er wickelte mir eine Decke um die Schultern. »Zeit fürs Feuerwerk, bevor die Glocken läuten.«
Ich nickte und ließ mich von ihm mit den Gästen nach draußen führen.
»Wo warst du?«
»Ich musste nur mal verschnaufen«, log ich. »Es ist alles ein bisschen überwältigend.«
Mein großer Bruder drückte mich liebevoll an seine Seite. »Ich weiß, Süße. Aber es wird sich lohnen, das verspreche ich.«
Ich nickte und stand mit ihm und den Gästen auf der Zufahrt. In der Ferne spielte ein Dudelsackspieler »Auld Lang Syne«.
Plötzlich pfiff etwas scharf in den Himmel, und Sekunden darauf explodierten mit einem gewaltigen Knall lauter Gold- und Silber-, Blau- und Rosatöne in der Dunkelheit, und die Gäste jubelten und applaudierten wild.
Eine Zeit lang war ich von der Pracht der Darbietung ergriffen.
Aber dann spürte ich ihn, bevor ich ihn sah.
Ich drehte den Kopf und sah Mac an, der sich an meine andere Seite stellte.
Er hielt meinem Blick stand, betreten, unsicher.
Ich wollte nicht, dass er sich meinetwegen auch noch schuldig fühlte.
Er trug schon genug mit sich herum.
Ich wollte nicht der Grund für noch mehr Reue sein. Lieber würde ich mit der Ablehnung leben.
Ich tastete an meiner Seite nach seiner Hand und umfasste sie. »Freunde für immer«, murmelte ich.
Macs Blick hellte sich auf, und er drückte dankbar meine Hand.
Ich schaute wieder in den Himmel, betrachtete das Feuerwerk und verbarg, dass mir bei jeder einzelnen Explosion das Herz brach.
Arro
Gegenwart
Ardnoch Castle, Sutherland
Schottische Highlands
Sieben Jahre lang hatte ich zugesehen, wie sich die große Halle des Schlosses meiner Familie für ein Ereignis nach dem anderen verwandelte. Doch nie zuvor hatte sich ein Moment so richtig angefühlt wie dieser. Ich schritt als Brautjungfer auf der Hochzeit meines großen Bruders den Gang hinunter. Stühle füllten den Raum zu beiden Seiten des champagnergoldenen Teppichläufers aus. Altmodische Laternen kennzeichneten jede Stuhlreihe, die nach vorn und dann im Bogen zu der beeindruckenden Treppe herumführte. Durch die bodentiefen Fenster aus Buntglas, die mein Bruder liebevoll hatte restaurieren lassen, wurde der Treppenabsatz aus dem Hintergrund beleuchtet. Dort warteten Lachlan, Thane, unser Pfarrer und mein Neffe Lewis, der absolut bezaubernd in seinem Kilt aussah, der zu denen seines Vaters und seines Onkels passte.
Eilidh, Lewis’ kleine Schwester, deren Namen man Ay-Lay aussprach, hüpfte die Treppe hinauf und warf die letzten roten Rosenblätter, wobei der Rock ihres Blumenmädchenkleides, das sie selbst ausgesucht hatte, imposant hüpfte und ihren Petticoat enthüllte, ganz wie sie es beabsichtigt hatte. Meine Lippen zuckten angesichts des Eifers meiner Nichte, die ihren Onkel und ihren Vater anstrahlte, und bei dem liebevollen Blick, den beide Männer ihr zuwarfen, fühlte ich ein Ziehen in der Brust. Erst vor wenigen Monaten war Eilidh und Lewis etwas widerfahren, was kein Kind je erleben sollte, und ich hatte mir viele Gedanken darüber gemacht, wie wir ihnen helfen könnten, darüber hinwegzukommen. Aber Kinder waren widerstandsfähig, und ich würde ewig dankbar sein, dass sie jetzt so glücklich und zufrieden sein konnten.
Regan Penhaligon, die jüngere Schwester von Lachlans zukünftiger Frau, schritt in ihrem Kleid als Trauzeugin vor mir her, und mein Herz quoll über vor Dankbarkeit. Sie hatte so viel mit Eils und Lews gegenwärtigem Glück zu tun. Sie strahlte in ihrem silbernen Kleid, ihr Haar eine kupferrote Version von meinem, gestylt in kunstvoll hochgesteckten Locken. Regan stieg die Treppe leichtfüßig hinauf, wobei sie ihr Kleid anhob, und ich war neidisch auf den glühenden Blick, den sie Thane zuwarf, bevor sie ihren Platz ihm gegenüber einnahm. Sie nahm Eilidhs Hand, woraufhin sich meine Nichte an ihre Seite schmiegte, und mein Bruder sah aus, als würde er vor Liebe bersten.
Ich hatte diese Version von Thane noch nie gesehen. Nicht in der Zeit, als wir aufwuchsen, nicht als seine verstorbene Frau Fran noch lebte. Regan machte ihn auf eine Weise jung, wie er es in ihrem Alter nie gewesen war. Sie hatten sich über ihren Altersunterschied von dreizehn Jahren Gedanken gemacht, aber nicht so sehr, als dass er sie hätte hindern können. Kopfüber hatten sie sich in ihre leidenschaftliche Liebesgeschichte gestürzt, weil sie beide dies als einzigen Weg ansahen.
Es war ein seltsames Gefühl, diese Mischung aus Freude und Befreiung an meinem Bruder zu sehen und gleichzeitig zu wissen, dass seine Liebe der Beschleuniger für die Zerstörung meiner eigenen war.
Lass das!, schalt ich mich, während ich die Stufen hinaufstieg. Ich schob alle egoistischen, melancholischen Gedanken beiseite und grinste Lachlan an, der zärtlich zurücklächelte. Auch Regan bekam ein Lächeln von mir, als ich mich neben sie stellte. Heute ging es nicht um mich.
Ich stand mit Blick zu den Hochzeitsgästen, die aus allen Gesellschaftsschichten kamen – Dorfbewohner und Freunde, mit denen wir aufgewachsen waren, Schauspieler, Sänger, Sportler, bekannte Regisseure, Schriftsteller und die nicht ganz so bekannten Gesichter von Robyns Freunden und Familie aus Boston. Und in der ersten Reihe saßen meine Brüder Brodan und Arran, die beide zur Hochzeit in den Schoß der Familie zurückgekehrt waren.
Arran war so lange weggewesen, dass es zwischen uns allen Spannungen gab. Aber an einem so glücklichen Tag wollte ich nichts als Erleichterung darüber empfinden, dass mein Bruder, der mir altersmäßig am nächsten stand und dem ich als Kind nachgelaufen war, in Sicherheit und zu Hause war. Zumindest für den Moment.
Unsere Blicke trafen sich, und Arran schenkte mir dieses jungenhafte Lächeln, das dem von Lachlan so ähnlich war. Dann schweifte seine Aufmerksamkeit zu der Brautjungfer, die an ihm vorbeiging.
Unsere Freundin Eredine Willows stieg elegant die Treppe hinauf in ihrem silbernen Kleid. Sie hatte so dichtes Haar, dass die Stylistin nur die Hälfte ihrer dunkelbraunen Locken hochgesteckt hatte. Der Rest fiel ihr über den Rücken.
Der silberne Stoff glitzerte auf Eredines goldbrauner Haut, und das Kleid schmiegte sich an ihre schlanke, elegante Figur. Sie sah aus wie ein Filmstar oder ein Supermodel.
Damit, dass er die Augen nicht von ihr abwenden konnte, war Arran nicht allein. Da ich wusste, wie sehr Ery jede Art von Aufmerksamkeit hasste, rückte ich in stillem Trost näher, sobald sie neben mir ankam. Auf Ery folgte Robyns beste Freundin aus Boston, Jasmine – oder Jaz, wie sie es vorzog. Jaz sah königlich aus. Das silberne Kleid hob sich atemberaubend von ihrer umbrafarbenen Haut ab, und ihre Braids waren zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur arrangiert, die meine Frisur langweilig aussehen ließ.
Ich fragte mich, wie Robyn es geschafft hatte, einen Metallicstoff und einen Schnitt für die Kleider ihrer Brautjungfern auszuwählen, die zu all unseren Körperformen und -farben passten. Vielleicht war es die Fotografin in ihr, und sie verstand diese Dinge einfach von Natur aus, so wie sie auch Komposition und Licht verstand.
Und dann kam sie herein.
Robyn Penhaligon, zukünftige Adair.
Ich hatte sie natürlich schon gesehen. Wir hatten den ganzen Vormittag zusammen in einer Gästesuite verbracht, die zum Brautzimmer umfunktioniert worden war.
In ihrem Fit-and-Flare-Brautkleid war sie die sexyste, aber auch eleganteste Braut, die ich je gesehen hatte. Es hatte einen tiefen Sweetheart-Ausschnitt, der mit einer Spitzenbordüre verblendet war, und durch ein klein wenig durchsichtigen Stoff entstand der Eindruck, die Spitze sei kunstvoll auf ihre Haut gemalt. Die Ärmel waren aus Spitze, und hier und da blitzte Haut hindurch. Das Kleid umschmeichelte ihren Körper, als wäre es ebenfalls aufgemalt, und war dann von Kniehöhe an zu einer Schleppe mit zarter Spitzenborte ausgestellt. Ich wusste, dass der Rückenausschnitt gewagt tief war, und Seidenknöpfe betonten ihren runden Po.
Sie sah umwerfend aus.
Ich schaute Lachlan an, und Tränen stiegen in mir auf beim Anblick der Ehrfurcht auf seinem Gesicht, als sie auf ihn zuschritt und ihm dabei ununterbrochen in die Augen sah. Hatte jemals ein Mann eine Frau so sehr geliebt? Ich fühlte, wie es mir fast schmerzhaft die Brust zusammenzog. Wenn jemand es verdiente, diese Art von Liebe in seinem Leben zu haben, dann er. Lachlan hatte sich jahrelang um uns alle gekümmert, viel zu lange, und es war an der Zeit, dass er das Glück mit beiden Händen festhielt.
Widerstrebend blickte ich wieder zu Robyn und dem Mann, an dessen Arm sie den Gang entlangschritt. Ich war ihm aus dem Weg gegangen, als er seine Tochter abgeholt hatte, um sie seinem besten Freund und Chef anzuvertrauen.
Mac Galbraith.
Er sah nicht im mindesten alt genug aus, um Robyn als Brautvater zu übergeben, aber er hatte sie ja auch gezeugt, als er kaum sechzehn Jahre alt gewesen war. Robyn lehnte sich an ihn, während er ihr etwas ins Ohr murmelte, und sie grinste und sah ihn liebevoll an. Dabei hätte Mac sich nie träumen lassen, dass es je dazu käme.
Aber Robyn war seinetwegen vor einem Jahr nach Ardnoch gekommen. Sie wollte Antworten von Mac, wollte wissen, warum er sich aus ihrem Leben ferngehalten hatte, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, dass ihre Mutter sämtliche Briefe und Geschenke von ihm zurückgeschickt hatte. Zu der Zeit fürchtete ich, sie würde sein schlechtes Gewissen wegen der Entfremdung zwischen ihnen noch verstärken. Doch es zeigte sich bald, wie sehr sie Mac liebte und brauchte.
Ihre Versöhnung war aus verschiedenen Gründen nicht einfach, aber sie waren sich zu ähnlich, zu sehr verbunden, als dass es nicht funktioniert hätte. Niemand hätte gedacht, dass sich Robyn bei der Wiederannäherung an ihren Vater in meinen ältesten Bruder verlieben würde oder dass Lachlan Hals über Kopf sein Herz an sie verlieren, ihr nur wenige Monate später einen Antrag machen und darauf drängen würde, sie noch vor Ablauf eines Jahres vor den Altar zu führen.
Aber man wusste es einfach, hatte Lachlan gesagt, wenn man sich ganz sicher sein konnte.
Das i-Tüpfelchen auf ihrer Verbindung war für Mac, dass Robyn nun einen festen Wohnsitz in Schottland hatte. Er würde sich nicht mehr von ihr verabschieden müssen, und das bedeutete die Welt für ihn.
Er liebte sie über alles.
Aus diesem Grund, wegen dieser Liebe zwischen den beiden und zwischen ihm und dem Rest meiner Familie, erwartete mich eine grausame Zukunft. Jedes Mal, wenn wir uns zusammen in einem Raum aufhielten, musste ich verbergen, dass ich ihn verachtete. Wie sehr ich ihn verabscheute. Und dass ich mir wünschte, ich wäre ihm nie begegnet.
Er war die Ursache für meinen Schmerz.
Und für meine tiefe Demütigung.
Ich hasste ihn.
Dreizehn Jahre lagen zwischen Regan und Thane.
Dreizehn Jahre lagen zwischen Mac und mir.
Wenn sie es geschafft hatten, konnten wir es auch, oder?
Ich war so naiv gewesen, das anzunehmen.
Aber Mac hatte mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich damit falschlag. Seine Reaktion auf das, was vor ein paar Wochen zwischen uns vorgefallen war, war schrecklich gewesen, schmerzhaft und kränkend … Er hatte mich zutiefst gedemütigt, und das werde ich ihm nie verzeihen.
Die Erinnerung schnürte mir die Kehle zu. Er erhaschte meinen Blick, bevor ich wegschauen konnte.
Der Mistkerl besaß die Dreistigkeit, bedrückt auszusehen.
Ich riss den Blick von ihm los und konzentrierte mich auf Lachlan. Darauf, dass er nicht verbergen konnte, wie eifrig er darauf wartete, Robyn von Mac in Empfang zu nehmen, und wie er mit der Tradition brach, indem er sie an sich zog und heiser murmelte: »Du bist so schön«, bevor er sie küsste.
Wenigstens hatte er seine große Liebe gefunden.
Und Thane seine.
Wenn ich schon nicht mit meiner zusammen sein konnte, so freute ich mich doch, dass die Menschen, die ich am meisten liebte, ihre gefunden hatten.
***
Lachlans Hochzeitsplanerin hatte den großen Speisesaal in eine Empfangshalle verwandelt, mit runden Tischen, weißen Tischtüchern, Laternen als Tafelaufsatz und jeder Menge funkelnder Lichter. Der Speisesaal führte zu einem der Empfangsbereiche des Clubs, aber auch dieser war umgestaltet worden. Man hatte eine provisorische Tanzfläche eingerichtet, und später würde ein DJ da sein, aber Lachlan hatte auch eine moderne schottische Fiddleband engagiert, die von Orkney angereist war. Sie würden nach dem Essen spielen, und ich wusste, dass die Gäste die schnelle, energiegeladene Folkmusik lieben würden. Wir hatten die Band bereits für eine frühere Veranstaltung engagiert, und sie war sehr gut angekommen.
Die Gäste waren aufgefordert worden, ihre Handys in ihren Zimmern oder Suiten zu lassen, und die einzige Person, die Fotos machen durfte, war der Hochzeitsfotograf. Lachlan wollte nicht, dass Bilder der Hochzeit die Titelseiten aller Boulevardzeitungen des Landes einnehmen würden. Als er Hollywood den Rücken gekehrt hatte, um den Club zu gründen, zu dem nur Mitglieder Zugang hatten, war ihm klar gewesen, dass er weiterhin mit einem Fuß in dieser Welt stehen würde, aber seine Hochzeit sollte im privaten Rahmen bleiben. Die Familie Adair war in den letzten Monaten schon genug in den Nachrichten gewesen.
Ich saß an einem Flügel des u-förmigen Haupttisches. Rechts von Robyn saß Mac und Thane links von Lachlan. Regan hatte ihren Platz neben Thane, gefolgt von Eilidh, Lewis und mir am angrenzenden Flügel des Tisches. Wir hatten die Kinder absichtlich zwischen mir, Regan und Thane platziert, weil wir drei der vier Erwachsenen waren, denen gegenüber sie gewöhnlich ihr Herz ausschütteten, und Hochzeiten waren mitunter recht überwältigend. Wir wollten, dass sie sich sicher fühlten und glücklich waren, nach allem, was sie durchgemacht hatten.
Neben Mac saß seine Ex, Robyns Mutter, Stacey. Wenn sie lächelte, war sie attraktiv, aber leider hatte sie den größten Teil des Tages ziemlich finster geblickt. Am gegenüberliegenden Flügel des Tisches, neben Stacey, saß Robyns Stiefvater und Regans Vater, Seth Penhaligon. Ich mochte Seth. Er war freundlich, bodenständig und entspannt.
Robyn hatte vor dem schmerzhaften Dilemma gestanden, sich entscheiden zu müssen, welcher Vater sie zum Altar führen sollte. Nach einem langen Gespräch mit Seth hatte der ihr geraten, Mac zu fragen. Sie erzählte mir, dass Seth gesagt habe, wenn sie wolle, dass Mac für den Rest ihres Lebens ihr Vater sei, dann müsse sie ihn auch so behandeln.
Ich fand, das sagte viel darüber aus, was für ein Mann Seth Penhaligon war. Immerhin hatte er Robyn seit ihrer frühen Kindheit aufgezogen. Leider hatte Stacey seit ihrer Ankunft in Schottland sehr deutlich gezeigt, wie sehr es ihr gegen den Strich ging, dass nicht Seth Robyn zum Traualtar führte.
Alle, einschließlich ihres Mannes, hatten ihr unwirsches Verhalten ignoriert.
Neben Seth saß Eredine, neben ihr Jaz, und an dem runden Tisch, der uns am nächsten war, saßen Brodan, Arran, Jaz’ Mann Autry und ihre beiden Töchter Asia und Jada.
Die meiste Zeit während des Essens verbrachte ich damit, Regan mit den Kindern zu helfen oder mich auf meinem Platz umzudrehen und über einen Witz zu lachen, den Brodan an mich richtete. Nicht ein einziges Mal schaute ich zu Mac hin.
Die Musikanlage wurde leiser gestellt, und das Klirren von Silberbesteck auf Glas war zu hören. Mein Herz machte einen Hüpfer, als Mac sich langsam erhob, um die Gäste zu begrüßen. Sein Blick huschte zu mir, bevor er sich auf Robyn richtete. Sie schaute ihn mit unverhüllter Bewunderung an, und trotz allem, trotz der Tatsache, wie sehr er mich verletzt hatte, durchdrang ein Glücksgefühl meine Verbitterung. Sein ganzes Erwachsenenleben über hatte er sich nach diesem Gesichtsausdruck von ihr gesehnt.
Und einem Teil von mir widerstrebte es, dass ich mich für ihn freute.
Ich hörte, wie Regan Eilidhs Geplapper unterband, aber den Blick konnte ich nicht von Mac abwenden.
Er hielt ein Mikrofon in der Hand. »Für alle, die es nicht wissen: Ich bin Robyns Vater, Mac.«
Ein überraschtes Gemurmel zog durch die Gästeschar, und Mac schnaubte amüsiert. »Ich sehe, einige von euch wussten es nicht.«
Alle lachten, und ich musste mich zwingen zu lächeln.
»Ja, es überrascht viele.« Er schaute zu Robyn hinunter, die wissend grinste. »Ich fürchte, wenn Robyn noch einmal hört, wie jemand sagt, ich sei nicht alt genug, um eine Tochter in ihrem Alter zu haben, bringt sie mich um, damit das Thema ein für alle Mal vom Tisch ist.«
Die Gäste lachten wieder, und Robyn grinste. »Wie schmeichelhaft«, hörte ich sie sagen, als Lachlan einen Arm um ihre Schultern legte und sie an sich zog. Er grinste und murmelte ihr etwas ins Ohr, was sie zum Lachen brachte, bevor er ihr einen Kuss auf die Schläfe drückte.
Da war er wieder, dieser Stich in meiner Brust.
»Ich war sehr jung, als Robyn zur Welt kam.« Macs Tonfall war jetzt ernst, als er auf sie hinabblickte. »Zu jung. Ich war fast noch ein Kind. Und ich habe mehr Fehler gemacht, als man sich vorstellen kann.«
»Dad«, murmelte sie und drückte seinen Arm.
Mac schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Aber während meiner Abwesenheit haben Robyns Mutter Stacey …« Er legte Stacey eine Hand auf die Schulter, und sie erschrak; dann deutete er auf Seth. »… und ihr Stiefvater Seth eine außergewöhnliche Frau großgezogen, die ein Zeugnis ihrer Liebe und Fürsorge ist.«
Macs Worte trieben Stacey die Tränen in die Augen, und ich sah, wie ihre Abwehr dahinschmolz, während Seth dankbar nickte.
So ist Mac. Immer fair. Immer ein gutes Herz.
Nun … vielleicht nicht immer.
Er schaute Robyn an, und seine Stimme war rau vor lauter Rührung. »Du bist außergewöhnlich, Robyn. Und das sage ich nicht als voreingenommener Vater. Es ist die Wahrheit. Du bist in so vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, inspirierend, mutig, herzensgut, loyal, ehrenhaft. All das, was ich immer sein wollte, sehe ich jetzt in dir. Und das ist das größte Geschenk, das Eltern sich erhoffen können. Dass ihr Kind so viel mehr wird als sie selbst, dass es besser wird als man selbst.«
Robyns Lippen zitterten, und ich konnte sehen, wie sie Lachlans Hand drückte.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Regan sich die Tränen abwischte.
Meine eigenen brannten mir in der Kehle, aber ich weigerte mich, sie herauszulassen.
»Als dein Vater habe ich das Recht zu glauben, dass niemand deiner würdig ist«, fuhr Mac fort, »aber wenn es denn jemand sein muss, bin ich froh, dass es Lachlan ist.« Er richtete den Blick auf meinen Bruder. »Du bist der treueste Freund in meinem Leben, und ich vertraue dir den Menschen an, den ich auf dieser Welt am meisten liebe.«
Lachlan und Mac sahen sich an, ein stiller Austausch. Ihre Rührung war spürbar, und ich hatte Mühe, meine Tränen zurückzuhalten.
Mac griff nach seinem Sektglas. Sein Blick huschte plötzlich zu mir und dann wieder zu Robyn und meinem Bruder. »Wenn jeder von uns eine so starke Liebe wie die eure finden würde, wäre die Welt ein besserer Ort. Auf Robyn und Lachlan!«
»Auf Robyn und Lachlan!« Die gesamte Hochzeitsgesellschaft erhob die Gläser.
Ich schaute zu den Gästen. Einige tupften sich angesichts von Macs emotionsgeladener Rede mit Servietten die Augen. Er hatte diese Art an sich. Er brachte einen dazu, ihn zu lieben. Er zog einen in seinen Bann.
Bitterkeit stieg wieder in mir auf, die ich abzuschütteln versuchte, aber als ich mich wieder meinem Tisch zuwenden wollte, trafen sich unsere Blicke. Was auch immer er in meinem Gesicht sah, ließ ihn zurückzucken, und ich wandte den Blick ab, begegnete stattdessen Regans.
Ihre Augen wurden schmal, und sie blickte zwischen mir und Mac hin und her.
Verflixt.
Ich lächelte sie an, leicht angespannt, und beugte mich vor, um Lewis zu fragen, ob er genug zu essen habe, da nahm Thane das Mikrofon und stand auf. Das Stimmengemurmel verstummte erneut.
»Ich bin Thane Adair, einer von Lachlans Brüdern und sein Trauzeuge. Und ich wünschte, ich wäre nicht direkt nach Macs Rede mit meiner dran«, brummte er, selbstironisch wie immer.
Ich lachte zusammen mit den Gästen und entspannte mich, jetzt, da Macs Rede überstanden war.
»Tja, was kann ich über meinen großen Bruder sagen?« Er legte eine Hand auf Lachlans Schulter und wandte sich an Robyn. »Ich schätze, es ist zu spät, dir zu raten wegzulaufen, so schnell du kannst, Robyn.«
Noch mehr Kichern war zu hören, als Lachlan unseren Bruder gespielt bitterböse anblickte.
»Das war ein Scherz. Lachlan wird sicher ein wunderbarer Ehemann.« Thane nickte. »Jetzt. Aber es ist gut, dass Robyn ihn nicht in seinen Zwanzigern getroffen hat, weil … Na ja, da wäre sie minderjährig gewesen, also …« Er machte eine übertriebene Grimasse in Richtung der Gäste, und sie lachten.
»Willst du wirklich in diese Kerbe schlagen?«, fragte Lachlan und deutete auf Regan.
Die meisten Gäste konnten nicht hören, was er sagte, aber sie errieten es und lachten noch lauter.
Thane schmunzelte, nickte und hob die Hände. »Schon gut.«
Es war toll, ihn über ihren Altersunterschied scherzen zu hören. Es war ja noch gar nicht so lange her, dass er selbst ein Riesenproblem damit gehabt hatte.
»Was ich sagen will«, fuhr Thane fort, »ist, dass Lachlan in seinen Zwanzigern ein anderer Mensch war. Und ich weiß nicht, ob Robyn ihn so ertragen hätte. Aber wenn ich mich recht erinnere, konnte sie dich zunächst auch nicht wirklich gut leiden …«
»Uuuhhh«, ging es durch die Menge, als Robyn nickte, und Lachlan verdrehte die Augen.
»Das erweckt den Verdacht …«, sinnierte Thane, musterte Robyn mit einem Grinsen und flüsterte dann ins Mikrofon: »Wenn du unter Zwang hier bist, Robyn – du brauchst nur einmal blinzeln.« Thane zwinkerte übertrieben. »Dann retten wir dich.«
Noch mehr Gelächter erhob sich, während Lachlan Thane irgendwie gleichzeitig angrinste und düster anstarrte.
Das ganze Spektakel erfüllte mich mit Freude.
Das war der Thane meiner Kindheit. Lachlan und er waren immer die eher ernsten Brüder gewesen, aber sie hatten auch einen trockenen, oft schelmischen Humor gehabt. Irgendwann hatte Thane seinen verloren. Bis vor Kurzem. Bis Regan kam.
»Nein?«, fragte er Robyn erneut, um den Moment in die Länge zu ziehen.
Robyn lachte und schüttelte den Kopf.
»Oookay.« Thane tat so, als wäre er nicht überzeugt, und machte große Augen in die Gästeschar, was diese noch mehr kichern ließ. Mein Bruder, der heimliche Comedian. Dann grinste er und wandte sich wieder an das glückliche Paar. »Spaß beiseite. Ich freue mich über die Maßen für euch beide. Während Mac sich Gedanken darüber gemacht hat, wer jemals Robyns würdig sein könnte, habe ich befürchtet, dass keine Frau meinem großen Bruder das Wasser reichen kann, was seinen Geist, seine Loyalität, seinen Familiensinn und seine unbändige Lebenslust betrifft. Und dann trat Robyn Galbraith Penhaligon in unser Leben, und ich wusste, dass die beiden trotz ihres nicht ganz so geglückten Starts füreinander geschaffen sind. Du warst immer der beste Bruder, den man sich wünschen kann.«
Thane fasste Lachlan an die Schulter, und beide lächelten einander an, voller Rührung.
»Und ich bin so gottverdammt froh, dass du Robyn gefunden hast.« Jetzt grinste er verrucht. »Froh für dich und für mich, denn Robyn hat …« Er sah zu Regan hinunter. »Robyn hat unser aller Leben bereichert, und dafür werde ich ihr ewig dankbar sein.«
Es sah aus, als müsste Thane sich zwingen, seinen Blick von Regan zu lösen. Er räusperte sich und hob sein Sektglas. »Ihr habt das Schlimmste überstanden, was das Leben einem entgegensetzen kann, und seid gestärkt daraus hervorgegangen. Eine Inspiration für uns alle und eine Lektion darüber, was Liebe sein sollte! Auf Robyn und Lachlan!«
Als es schließlich so weit war, dass Lachlan aufstand, um seine Rede zu halten, war ich mir nicht mehr sicher, ob mein Herz das verkraften würde.
»Der Schauspieler überrascht euch jetzt alle, indem er es kurz und knackig macht«, sagte Lachlan ins Mikrofon. »Erst mal möchte ich mich bei Mac und Thane für ihre lieben Worte bedanken. Obwohl, Bruderherz, auf die Unterstellung, ich würde meine Frau zwingen, hier zu sein, hätten wir verzichten können.«
Alle lachten.
»Meine Frau«, murmelte Lachlan und himmelte Robyn an. »Wow, es fühlt sich fantastisch an, das zu sagen!«
Dafür erhielt er einige Ohrufe.
»Zunächst möchte ich euch allen danken, dass ihr heute bei uns seid. Das bedeutet mir sehr viel.« Er wies mit seinem Glas durch den Raum. »Zweitens: Robyn und ich haben beschlossen, bei der Zeremonie ein traditionelles Gelübde abzulegen, aber wenn ich darüber nachdenke, muss ich nur diese eine Sache sagen: Ich bin wirklich gesegnet.« Als Lachlan fortfuhr, hielt er Robyns Blick fest. »Ich bin um die Welt gereist, habe außergewöhnliche Momente erlebt und Dinge tun können, die nur ein kleiner Teil der Menschheit jemals tun kann. Ich habe gute Freunde und eine Familie, die ich mehr liebe als das Leben.«
Mein Herz zog sich zusammen.
»Und ich habe Verlust erlebt. Schlimmen Verlust. Das mag zwar nicht als Segen gelten, aber es hat mich etwas gelehrt, was man nur aus Verlust lernen kann … nämlich dass im Leben nur eines zählt, und das sind die Menschen, mit denen man sich umgibt. Die Menschen, die man liebt, geben allem einen Sinn. Als du in mein Leben getreten bist, Robyn, hast du mich förmlich umgehauen. Du bist alles. Du bist der mutigste Mensch, den ich je getroffen habe, und du verblüffst mich jeden verdammten Tag aufs Neue.«
Mir stiegen Tränen in die Augen, als ich sah, wie Robyn ihre zurückhielt.
»Ich bewundere deine Großartigkeit«, gab Lachlan heiser zu, »und ich verspreche dir eines, Braveheart – kein Tag unseres Lebens wird vergehen, an dem ich sie vergesse. Sei dir gewiss, dass ich dich auch in den schwierigen Wochen lieben werde, an den Tagen, die uns herausfordern, in jeder Minute, jeder Stunde, bis zu meiner letzten Sekunde in diesem Universum.«
Jetzt flossen meine Tränen ungehemmt.
»Auf Robyn, meine Frau. Meine beste Freundin.« Er hob sein Glas.
»Auf Robyn!«
Als Lachlan neben ihr Platz nahm, küsste Robyn ihn so lange und so innig, dass sie erst auf die Zurufe aus der Menge hin (das heißt, von Brodan und Arran) voneinander abließen.
Ihr Glück überschwemmte mich, erstickte jeden Anflug von Bitterkeit, und ich fühlte mich wieder mehr wie ich selbst.
Arro
»Jetzt siehst du schon etwas glücklicher aus«, bemerkte Arran, als wir zu einem langsamen Song aus dem Musicalfilm Idlewild tanzten.
»Glücklicher?« Ich runzelte die Stirn und wiegte mich im langsamen Rhythmus. »Wirklich? Ich dachte nämlich eigentlich gerade, dass dieser Song ziemlich deprimierend ist.«
Die Folkband hatte ihr Programm aus energiegeladener, enthusiastischer Musik, die alle auf die Beine gebracht hatte, beendet, und nun spielte der DJ eine Auswahl von Robyns und Lachlans Lieblingssongs.
»Hör auf, um den heißen Brei herumzureden.«
»Welchen heißen Brei?«
»Komm schon, Arro! Deine Laune … Ich weiß, dass zwischen uns allen eine gewisse Spannung herrscht, seit ich nach Hause gekommen bin, aber bei dir ist noch etwas anderes im Busch.« Arran neigte den Kopf, um mich zu zwingen, ihm in die Augen zu sehen, die denselben Blauton hatten wie die von Lachlan. Alle meine Brüder hatten dunkelblondes Haar, blaue Augen und ein jungenhaft übermütiges Funkeln im Blick, das unbestreitbar anziehend wirkte. Aber während Lachlan und Thane eine attraktive Verwegenheit ausstrahlten, sah Brodan aus wie eine schottische Version von Captain America und wirkte auf natürliche Weise unbekümmert. Arran war praktisch eine jüngere Version von Lachlan.
Im Gegensatz zu Lachlan und Thane, die kein Verständnis dafür hatten, dass es Arran ständig so weit von uns wegtrieb, bemühte ich mich zumindest, ihn zu verstehen. Lachlan hatte schon sehr früh die Elternrolle für uns alle übernommen (und nie wieder abgelegt), und Thane war der typische überbehütende große Bruder gewesen. Brodan und Arran hingegen waren ebenso Freunde wie große Brüder gewesen. Besonders Arran. So weit ich zurückdenken kann, träumte er von Abenteuern. Er war anscheinend nicht dazu in der Lage, es lange an einem Ort auszuhalten.
Ehrlich gesagt hatte seine lange Abwesenheit wehgetan. Dabei ergab sie für mich wenig Sinn. Arran war ein unruhiger Geist, aber bis vor ein paar Jahren hatte die Familie für ihn dennoch ganz klar Priorität gehabt.
»Wo bist du gewesen?«, drehte ich den Spieß um.
Ich spürte seine Hand fester in meiner. »Es tut mir leid, dass ich so lange weg war.«
»Arran«, sagte ich und beugte mich vor, damit niemand sonst mich hörte, »jemand hat versucht, Lachlan zu töten. Ein Mann hat deine Nichte und deinen Neffen gefesselt und sie benutzt, um Regan zu terrorisieren. Verstehst du das?«
Er wandte schuldbewusst den Blick ab und flüsterte: »Es tut mir leid.«
»Sag mir einfach, warum«, flehte ich. »Warum bist du nicht zurückgekommen, als wir dich brauchten?«
Sein Gesichtsausdruck wurde hart. »Was geht da zwischen dir und Mac ab?«
Meine Muskeln spannten sich an. »Gar nichts.«
Arran grinste traurig. »Dann gibt es wohl keine gute Erklärung dafür, dass ich erst jetzt nach Hause gekommen bin. Ich bin eben ein Arschloch.«
»Das glaube ich nicht.«
»Dann täuscht dich dein Glaube.« Er wandte den Blick ab, und ich sah einen Muskel auf seiner Wange zucken. Wieder verstärkte sich der Druck seiner Hand in meiner, und seine Augen wurden ganz schmal. Ich folgte seinem Blick und stellte fest, dass er Eredine beobachtete, die mit Brodan tanzte.
Brodan hatte Ery erschreckend nah an sich herangezogen und flüsterte ihr etwas zu, das ihr ein schüchternes Lächeln entlockte.
Ich vermutete schon seit einiger Zeit, dass Brodan etwas für Ery übrighatte, aber er hatte noch nichts in der Richtung unternommen, warum auch immer. Ery war aber auch so verschlossen, dass ich Zweifel hatte, ob eine Annäherung überhaupt erwünscht war. Manchmal jedoch ertappte ich sie dabei, wie sie ihn auf eine Weise betrachtete, die mich ahnen ließ, dass sie vielleicht auch von ihm fasziniert war.
Stirnrunzelnd blickte ich zu Arran auf. Er kannte Eredine kaum, da er noch nicht lange genug hier war, um sie kennenzulernen. Aber es überraschte mich nicht, dass sie ihm aufgefallen war. Erstens war sie umwerfend, eine attraktive Mischung aus sanftmütiger Freundlichkeit und trockenem Humor. Letzteres zeigte sie erst, wenn sie sich bei jemandem wohlfühlte. Zweitens hatten meine Brüder während ihres gesamten jugendlichen Liebeslebens (das heißt, seit Arran zehn Jahre alt gewesen war – er und Brodan waren in Sachen Mädchen früh dran gewesen) um dieselben Mädchen gewetteifert. Ihre Vorlieben waren beunruhigend ähnlich. Als Arran jedoch einmal mit Brodans bester Freundin, Monroe Sinclair, geschlafen hatte und sie sich darüber heftig zerstritten, hatten sie ihren Konkurrenzkampf um die Mädchen beendet.
Brodan gab zwar zu, dass er wütend war, weil Arran eine Grenze überschritten hatte, indem er mit einem Mädchen schlief, das sie übereinstimmend für tabu erklärt hatten, aber ich hatte den Verdacht, dass mehr dahintersteckte. Vielleicht hatte Monroe Brodan doch mehr bedeutet, als er zugeben wollte. Jedenfalls verließ Monroe danach meine Brüder, Ardnoch und ihre Familie, und Arran und Brodan versöhnten sich schließlich wieder. Sie bemühten sich nie wieder um dieselbe Frau.
»Sie ist schön, liebenswert, witzig, zurückhaltend, verschlossen. Ich bin ihre beste Freundin hier, und selbst ich kenne sie nicht richtig.«
Arran runzelte die Stirn, den Blick weiterhin auf Ery gerichtet. »Was?«
»Eredine.«
Jetzt sah er mich an. »Was ist mit ihr?«
»Sie ist tabu«, warnte ich, »für euch beide.«
Arran schürzte die Lippen. »Mein liebes Schwesterherz, ich habe keine Absichten gegenüber deiner Freundin. Kann ein Mann es nicht genießen, eine Frau ohne Hintergedanken anzuschauen?«
»Solange es dabei bleibt, gut.«
»Weißt du«, sagte er und wiegte mich jetzt übertrieben, »wenn ich von irgendjemandem hier erwartet hätte, dass er nett zu mir ist, wenn ich zurückkomme, dann von dir.«
»Ich bin nett zu dir. Wir tanzen doch, oder?«
»Ein Mitleidstanz«, stichelte er, und seine Augen funkelten jungenhaft. »Das merke ich doch.«
»Ach, halt die Klappe«, murmelte ich. »Ich musste mein ganzes Leben lang ertragen, dass Frauen über meine Brüder herfallen, und der heutige Abend ist da keine Ausnahme. Ich bin überrascht, dass noch niemand mir deine Hand entrissen hat, um an dich ranzukommen.«
»Aber wir können doch nichts für den Fluch unseres guten Aussehens und unserer animalischen Anziehungskraft.«
Ich würgte und tat so, als müsste ich mich übergeben, und er lachte.