Be with Me - Samantha Young - E-Book

Be with Me E-Book

Samantha Young

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Beschreibung

Arran Adair ist nach langer Zeit in seine Heimat Ardnoch zurückgekehrt. In den schottischen Highlands will er sich ein neues Leben aufbauen und die Schatten seiner Vergangenheit hinter sich lassen. Doch Arran hat nicht mit Eredine Willows gerechnet. Die Pilates-Lehrerin von Ardnoch Estate ist ein Rätsel, das er unbedingt lösen will. Als sie ihm eine Nacht ohne Verpflichtungen anbietet, ist Arran überrascht und lässt sich darauf ein. Schnell ist er sich sicher, dass es zwischen ihnen ernst ist. Aber auch Eredine hat ein Geheimnis. Ihr fällt es schwer, sich ihm ganz anzuvertrauen und ihre Dämonen zu bekämpfen, um die aufkeimenden Gefühle zuzulassen.

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Seitenzahl: 463

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Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem TitelBe with Me.

© 2021 by Samantha Young

Deutsche Erstausgabe

© 2024 für die deutschsprachige Ausgabe

HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Covergestaltung von zero Werbeagentur, München unter Verwendung von Shutterstock

E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783749907182

www.harpercollins.de

Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt.

PROLOG

Eredine

Vor acht Jahren

Los Angeles, Kalifornien

Vereinigte Staaten

Ich starrte auf die Karte von Schottland auf dem Laptop und versuchte, mir auszumalen, wie es wäre, in diesem Ort an der Nordostküste, der sich »Ardnoch« nannte, zu leben. Ich war noch nie dort gewesen. Keine leichte Aufgabe.

»Ardnoch«, murmelte ich, um den Klang des Namens auszuprobieren.

So fremdartig.

Und doch würde sich das Leben, das Lachlan Adair mir dort anbot, von meinem jetzigen nicht allzu sehr unterscheiden. Nur sicherer wäre es. Viel, viel sicherer.

Du vertraust ihm?, fragte die Stimme, eine Erinnerung, in meinem Kopf.

Ja. Trotz allem, was ich durchgemacht hatte, vertraute ich Lachlan Adair. Ich vertraute meinem Bauchgefühl. Wenn es etwas gab, auf das ich immer vertrauen konnte, dann war es mein Bauchgefühl. Granny hatte es meinen sechsten Sinn genannt. Sie meinte, ich hätte ihre Gabe geerbt, das Gute oder Schlechte in einem Menschen wahrzunehmen. Meine Freunde sagten, ich würde die »Schwingungen«, den »Vibe« einer Person wahrnehmen, weil meine Instinkte bezüglich der meisten Menschen in der Regel bestätigt wurden. Ich hatte damit in meinem ganzen Leben nur ein- oder zweimal falschgelegen.

In den Fällen, in denen ich falschlag, hatten diejenigen auch eine Gabe gehabt: Sie gaukelten einem so glaubwürdig ihre Herzensgüte vor, dass man ihre wahre Bosheit niemals hätte kommen sehen.

Es verunsicherte mich, zu wissen, dass mein sechster Sinn nicht immer funktionierte, aber tief in meiner Seele wusste ich, dass ich Lachlan Adair richtig einschätzte.

Das Leben war so seltsam. Gerade noch hatte ich alle Hoffnung aufgegeben, fühlte mich zornig und machtlos, und im nächsten Moment bot mir ausgerechnet ein Hollywood-Actionstar die Chance auf einen Neuanfang.

Nicht, dass er und sein Bodyguard, der ihn immer begleitete, meine Retter oder so etwas waren. Nein, das nicht. Sie boten mir nur eine Möglichkeit. Und ich würde mich dafür revanchieren.

Ich würde mir den Arsch abarbeiten, um mein Leben wieder selbst bestimmen zu können.

Granny sagte immer, es sei keine Schande, Hilfe anzunehmen, wenn man sie brauche, sofern man alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte. Nun, ich hatte sie alle ausgeschöpft.

Ich hatte keine andere Wahl, und ich hasste diese Tatsache. Ich hasste es, dass ich mich auf einen reichen Mann verlassen musste, um aus Dodge herauszukommen, zumal es auch ein reiches männliches Wesen (denn er war kein Mann) gewesen war, das …

Tränen der Wut schnürten mir die Kehle zu, und ich verdrängte den Gedanken an ihn aus meinem Kopf.

Er hatte mir schon zu viel genommen.

Ich würde nicht zulassen, dass er mich in eine wütende, verbitterte Frau verwandelte.

Ich konzentrierte mich auf die Karte, scrollte ein wenig über Schottland und sah mir die unbekannten Ortsnamen an, von denen einige hübsch waren, andere unaussprechlich … und all diese Orte lagen Tausende Meilen entfernt.

Es klopfte an der Tür. »Ich bin’s, Lachlan«, rief er in seinem singenden schottischen Akzent.

»Komm rein.«

Mein Puls beschleunigte sich, als die Tür des Hotelzimmers piepte und Lachlan mit Mac, seinem Bodyguard, hereinkam. Obwohl, er war nicht mehr sein Bodyguard. Mackennon Galbraith war jetzt der Sicherheitschef von Ardnoch Castle.

Lachlan hatte mir erzählt, dass er das Schloss und das gesamte Anwesen seiner Familie in den Highlands renoviert und in einen exklusiven Club für Profis der Film- und Fernsehbranche umgewandelt hatte. Der Club war erst vor ein paar Wochen eröffnet worden, und Lachlan war nach L. A. gekommen, um ihn bei seinen Branchenkollegen bekannt zu machen. Wir waren uns rein zufällig begegnet, dem Himmel sei Dank, denn ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn er und Mac nicht zu genau dem Zeitpunkt in mein Leben getreten wären.

Keine Ahnung, warum Lachlan so entschlossen war, mir zu helfen, aber er bot mir eine Stelle auf seinem Anwesen an. Er brauchte eine Pilates-, Yoga- und Achtsamkeitstrainerin, und genau das war ich.

Beide Männer lächelten, als sie mir im Wohnzimmer der Hotelsuite gegenübersaßen. Lachlan hatte mich hier versteckt, nachdem ich ihm, ganz untypisch für mich, meine ganze Geschichte offenbart hatte. Nach allem, was ich erlebt hatte, kam es mir unwirklich vor, dass jemand so nett sein konnte. Doch das stimmte nicht. Granny war so gewesen. Sie hätte einer Fremden auf der Straße geholfen.

Was hätte ich sonst tun können? So viele waren mir genommen worden.

Lachlan seufzte und lehnte sich vor. »Wie fühlst du dich?«

Ein bisschen genervt von der immer gleichen Frage. »Ganz gut. Und was jetzt?«

»Wir sind bereit.«

»Nur noch eine Sache«, sagte Mac. Er sah besorgt aus, runzelte die Stirn und forschte in meinem Gesicht. »Du brauchst einen neuen Namen, bevor wir dich hier rausholen können.«

»Fällt dir einer ein?«, fragte Lachlan. »Einer, der sich deutlich von deinem richtigen Namen und dem deiner Familie unterscheidet. Etwas, worauf er niemals kommen wird.«

Meinen Namen ändern.

Ich spürte ein unangenehmes Ziehen im Bauch, während ich auf den Laptop-Bildschirm starrte. Das war es also. Ich würde wirklich eine Neufassung meines Lebens schreiben. Alles hinter mir lassen. So viel Schmerz und Trauer …

Aber es bedeutete auch, dass ich die Person zurückließ, die ich gewesen war, bevor der Horror alles überrollte. Ich hatte dieses Mädchen gemocht, das ich gewesen war. Es hatte ein gutes Leben gehabt.

Tränen brannten mir in den Augen und in der Nase, als ein hübsch aussehender Ortsname auf der Karte meine Aufmerksamkeit erregte. Ich drehte den Laptop und zeigte auf ihn. »Wie spricht man das aus?«

Lachlan beugte sich vor. »Eredine? Man spricht es Ery-Deen aus.«

Meine Lippen zuckten. Er sprach es anders aus, als es aussah, aber ich mochte es so. Seltsamerweise passte es irgendwie. »Das würde gehen.«

»Hübsch«, sagte Mac und lächelte mich mitfühlend an.

»Nachname?«

»Willows«, sagte ich, ohne nachzudenken. Der Wind in den Weiden – im Original The Wind in the Willows – war eines von Grannys Lieblingskinderbüchern gewesen. »Eredine Willows.«

»Perfekt.« Lachlan stand auf. »Wir holen dich hier raus … Eredine.«

Eredine.

So seltsam.

So fremdartig.

Ich versuchte, mir den Namen wie einen Pullover anzuziehen, ihn an mich anzupassen. Ich seufzte gegen die Enge in meiner Brust an und stand ebenfalls auf. »Ich zahle es dir zurück.«

»Das will ich nicht.«

»Aber ich.« Eigensinnig hob ich mein Kinn. »Ich habe das Haus meiner Granny. Wenn du mir dabei hilfst, kann ich es verkaufen. Von dem Geld kann ich es dir zurückzahlen. Und das ist keine Bitte, weil ich es einfach tun muss.«

Die meisten dachten, sie hätten leichtes Spiel mit mir, weil ich leise und zurückhaltend war. Aber sie wurden schnell eines Besseren belehrt.

Lachlans Augen funkelten verständnisvoll. »Okay.«

»Gut, also dann.« Meine Finger zitterten, als ich die Hand hob, um den Laptop zuzuklappen. »Wann fahren wir?«

1. KAPITEL

Eredine

Gegenwart

Sutherland

Schottische Highlands

Ich wollte gerade die Schlafzimmertür schließen, als Lewis verschlafen rief: »Licht!«

»Schon klar, mein Schatz«, antwortete ich leise und zog die Tür nur annähernd zu, sodass ein kleiner Lichtschein aus dem Flur in Lewis’ Zimmer fiel. Da ich seine kleine Schwester Eilidh, bereits schlafend, schon zuvor ins Bett gebracht hatte, machte ich mich leise auf den Weg nach unten in Thanes offenen Küchen- und Wohnbereich.

Es war ein schöner Abend mit den Kindern gewesen. Es war Silvester, deswegen durften sie etwas länger aufbleiben, aber um 10 Uhr merkte ich, dass sie gegen den Schlaf ankämpften. Wir sahen gerade unseren zweiten Disney-Film, als Eilidh auf der Couch einschlief und Lewis müde zustimmte, dass es Zeit zum Schlafengehen war.

Die Wanduhr über dem Esstisch zeigte kurz nach elf an. Ich holte mir etwas zu trinken aus dem Kühlschrank und machte es mir auf Thanes riesiger Couch bequem, um die Silvestershows anzusehen, die aus Edinburgh und Glasgow im Fernsehen übertragen wurden.

Erinnerungen an Silvesterpartys in L. A. drängten sich auf, aber ich unterdrückte sie und damit auch das damit verbundene Grauen und versuchte, mich auf das zu konzentrieren, was die Schotten »Hogmanay« nannten. Der Fernseher leuchtete im schummrigen Zimmer, die Bilder zuckten auf und gingen ineinander über. Die Lautstärke war niedrig gestellt, damit die Kinder nicht geweckt wurden, und ich horchte auf, als ich ein Geräusch aus der Waschküche hörte.

Es klang, als sei die Außentür zur Waschküche geöffnet und wieder geschlossen worden.

Mein Puls raste. Ich nahm den massiven Briefbeschwerer vom Couchtisch und schlich in Richtung Waschküche. Aber ich hörte nichts außer meinem Blut, das mir in den Ohren rauschte.

Ob es vielleicht Regan war?

Aber warum? Sie kam nicht mehr durch die Waschküche herein, seit sie mit Thane zusammen war.

Ich wollte sprechen, wollte »Hallo« rufen, aber die Angst schnürte mir die Kehle zu.

Entschlossen trat ich in die Waschküche und schlug mit der freien Hand auf den Lichtschalter.

Der lange, schmale Raum wurde in Licht getaucht, aber niemand war zu sehen. Die Tür nach draußen war zu, unberührt.

Mein Puls verlangsamte sich.

Tja, momentan war ich ein wenig schreckhaft. Das war nichts Neues.

Ich schüttelte den Kopf über mich selbst, ging wieder und stellte den Briefbeschwerer zurück auf den Couchtisch. Dann holte ich mir noch einen Drink aus der Küche.

Als ich es hörte, war es zu spät.

Auf dem Weg zur Couch knarrten die Dielen hinter mir. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich fuhr herum.

Das war der Zeitpunkt, an dem alles dunkel werden sollte.

So würde es geschehen.

Stattdessen stand ich ihm gegenüber.

Der Schreck ließ mich erstarren.

Ich konnte nicht schreien. Konnte nicht weglaufen.

»Endlich habe ich dich gefunden«, sagte er liebevoll. »All die Jahre, aber nun habe ich dich endlich gefunden.«

Nein.

Nein!

Dann grinste er, und ich öffnete den Mund zu einem stummen Schrei beim Anblick seiner Eckzähne, die zu bösartigen Spitzen geschärft waren. Mein Puls raste. Ich war überzeugt davon, dass ich gleich sterben würde.

Nein!

Bitte!

Er stürzte los und schlug die Zähne in meine Kehle …

Jaymes Youngs Lied über die Liebe zu jemandem, die bis in die Unendlichkeit andauert, dröhnte mir in die Ohren. Ich riss die Augen auf und stieß einen erstickten Schrei aus.

Tageslicht strömte in mein Schlafzimmer, und das Rauschen in den Ohren ließ nach, während ich vollends aus dem Albtraum erwachte.

Nur ein Albtraum.

Mein Herz raste, ich war schweißgebadet.

»Shit«, flüsterte ich.

Als der Song – einer meiner Lieblingssongs – immer weiter durch den Raum schallte, wurde mir klar, dass es mein Klingelton war. Jemand rief mich an. Ich tastete nach meinem Handy auf dem Nachttisch und sah, dass es Arran war, mein bester Freund. Schnell nahm ich den Anruf an. »Hey.«

»Ery, zum Teufel!«, ertönte Arrans Stimme mit dem schottischen Akzent. »Ich war kurz davor, die Tür einzutreten.«

»Was?« Ich setzte mich auf. »Wo bist du?«

»Wo ich meistens um 6 Uhr morgens bin. Auf deiner Veranda. Ich warte auf dich.«

»Was?« Auf meiner Veranda? »Wie spät ist es?«

»Du hast verschlafen«, antwortete er heiter.

»Oh Gott.« Ich sprang aus dem Bett und eilte aus dem kleinen Schlafzimmer, durch den winzigen Flur und hinaus in den offenen Wohnbereich meiner Lodge.

Und wirklich, Arran Adair stand vor dem großen Fenster und winkte mir zu.

Ich gab den Code auf der Alarmtafel neben der Tür ein, um den Nachtmodus zu deaktivieren, und ließ Arran herein.

Er grinste mich an und nahm das Telefon vom Ohr. Ich tat dasselbe, legte auf und trat zurück, um ihn reinzulassen. »Tut mir leid. Mein Wecker hat nicht geklingelt.« Ich hasste es, zu verschlafen.

»Kein Problem. Ich mache einen Proteinshake, während du …« Er hielt inne, ließ den Blick an meinem Körper hinaufwandern und hielt ihn dann auf meinen Kopf gerichtet.

»Was?« Ich betastete hektisch meinen Kopf, fand aber nur das Seidentuch, mit dem ich meine Locken im Schlaf schützte.

»So siehst du also morgens aus!« Sein Grinsen hätte nicht breiter sein können. »Einfach umwerfend.«

Ich errötete, aber nicht wegen seiner Neckereien. Dummerweise bescherte mir Arrans Lächeln, sosehr ich es auch ignorieren wollte, Schmetterlinge im Bauch. Einen kaleidoskopischen Monsun aus Schmetterlingen. Dabei sollte der beste Freund einer Frau keine Schmetterlinge im Bauch bescheren. Und er sollte definitiv nicht für das Kribbeln in meiner Yogahose verantwortlich sein – ihr wisst schon, was ich meine.

Ich ignorierte seine Bemerkung. »Du machst die Shakes, und ich mache mich schnell fertig.« Wir liefen jeden Tag zusammen am Ardnoch Beach entlang. Jahrelang hatte ich das allein gemacht. Arran lief auch frühmorgens, und als wir uns das erste Mal dabei begegnet waren, hatte er mir keine andere Wahl gelassen, als seine Laufpartnerin zu werden.

»Hübscher Schlafanzug.«

Es brachte mich leicht aus dem Tritt, als ich mir meiner winzigen Schlafshorts, des Tanktops und des fehlenden BHs bewusst wurde, und ich spürte fast, wie sein Blick sich in meinen Hintern brannte. Erregung flackerte in mir auf, gemischt mit Ärger, was ein vertrautes Gefühl in Arrans Nähe war. Ohne ihn anzusehen, zeigte ich ihm den Stinkefinger und machte mich zum Klang seines schallenden Lachens durch die Diele davon.

Obwohl ich erst nach unserem Lauf duschen musste, spülte ich mich kurz ab, weil ich von meinem Albtraum verschwitzt war. Da ich nicht an den bösen Traum denken wollte, in dem sich die Vergangenheit und meine Angst vermischt hatten, trocknete ich mich ab und zog mein Laufzeug an – ein Sporttank und eine Yogahose. Das war so ziemlich meine Alltagsuniform, weil ich auf Ardnoch Castle arbeitete, einem riesigen privaten Anwesen, das Lachlan und Arran (und den drei weiteren Adair-Geschwistern) gehörte. Lachlan, ein ehemaliger Hollywood-Actionstar, hatte es in einen äußerst exklusiven und äußerst lukrativen Privatclub für Mitglieder aus der Film- und Fernsehbranche verwandelt. Das hohe Maß an Zurückgezogenheit und Sicherheit in Ardnoch machte es für mich zum perfekten Arbeitsplatz.

Ich hatte mich gerade an meinen Schminktisch gesetzt, um mir die Haare zu richten, als es klopfte. »Bist du salonfähig?«

»Kommt darauf an, wen man fragt«, scherzte ich.

Arran lachte. »War das ein Ja?«

Ich blickte mich ein wenig nervös im Zimmer um. »Ja.«

Die Tür ging auf, und er kam herein, mit hohen Gläsern, gefüllt mit grünem Saft aus einem ziemlich ungenießbaren Eiweißpulver, das mit Wasser vermischt war. Er richtete seine Augen auf mich und stellte mein Glas auf den Schminktisch.

»Danke. Tut mir leid, dass wir uns meinetwegen verspäten.«

»Das muss es nicht.« Arran streifte durch das Zimmer, und ich versuchte, mich nicht zu verkrampfen, als er mit den Fingern über mein Schmuckkästchen fuhr und in meinen Kleiderschrank spähte. Außer mir war noch nie jemand in diesem Raum gewesen. Dass er so neugierig war, löste spätestens in dem Moment, als er nach dem Türknauf des Einbauschranks griff, in mir den Drang aus, aufzuspringen.

»Hey, du Schnüffler, da ist nichts für dich Interessantes drin.« Ich bemühte mich um einen lockeren Tonfall, aber an Arrans hochgezogenen Augenbrauen konnte ich erkennen, dass er die leichte Panik in meiner Stimme durchaus wahrgenommen hatte.

Was auch immer er in meinem Gesicht sah, milderte seinen Ausdruck jedoch. »Entschuldige, ich bin einfach neugierig. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich noch nie hier drin war.« Er zuckte mit den Schultern und setzte sich auf das Ende meines Bettes, trank einen Schluck seines Getränks und verzog das Gesicht.

Ich entspannte mich ein wenig, und sein Blick schweifte wieder durch den Raum. Obwohl ich in Chicago geboren war, hatte ich die meiste Zeit meines Lebens in Kalifornien gelebt, darum hatte ich ein wenig modernes Kalifornien in mein Strandoptik-Schlafzimmer gebracht. Alles in Weiß-, sanften Blau- und Holztönen.

Unsere Blicke trafen sich, als er mich wieder ansah.

Er starrte mich auf seine intensive Art an.

Arran Adair sah seinen Brüdern sehr ähnlich. Er war der Jüngste von ihnen, ihre Schwester Arrochar aber war das Nesthäkchen der Adair-Geschwister. Arran sah Lachlan wahrscheinlich am ähnlichsten, was seltsam war, denn ich hatte mich nie zu Lachlan hingezogen gefühlt. Er war wie ein großer Bruder für mich. Durch seine etwas glatteren Gesichtszüge wirkte Arran nicht so erwachsen wie sein ältester Bruder. Aber sie hatten beide die gleichen markanten azurblauen Augen und dunkelblonden Haare. Während Lachlan momentan einen kurzen Bart trug, schwankte Arran zwischen glatt rasiert und Dreitagebart. Er war etwa eins neunzig groß, breitschultrig, hatte schmale Hüften und einen athletischen Körperbau, der das bereits erwähnte Kribbeln bei mir hervorrief. Ich mochte es, dass er größer war als ich mit meinen eins achtundsiebzig.

Nicht dass er aus irgendeinem Grund größer sein sollte als ich.

Schon gar nicht aus einem romantischen.

Ich hatte nicht die Absicht, eine Liebesbeziehung mit irgendjemandem zu beginnen.

Arran kniff die Augen leicht zusammen und fixierte mich. »Woran denkst du?«

Errötend wandte ich mich ab und trug schnell meine Feuchtigkeitscreme auf. »Ich frage mich nur, ob du vorhast, hier sitzen zu bleiben und mich wie ein Insekt zu beobachten.«

»Aye, das habe ich vor«, sagte er trocken.

Ich schürzte die Lippen, befreite meine Haare aus dem Seidentuch, das ich nachts trug, um meine Locken davor zu schützen, struppig zu werden.

Ein Schwall verdrehter Strähnen ergoss sich über meinen Rücken, und ich fing Arrans Blick im Spiegel ein. »Im Ernst – willst du wirklich nicht lieber ohne mich laufen gehen?«

»Nope.« Er trank einen weiteren Schluck von seinem Shake. »Ich bin fasziniert von deiner Morgenroutine.«

»Weil du ein komischer Vogel bist«, neckte ich ihn. Da wir laufen wollten, verschwendete ich keine Zeit damit, meine Haare zu entwirren, sondern band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen.

Dann trug ich ein wenig Make-up auf, nicht zu dick, denn der Schweiß hätte es ohnehin weggeschmolzen. Nur gerade so viel, dass man mir nicht ansah, dass Arran mich aus einem Albtraum geweckt hatte. Arran beobachtete, wie ich Haare und Make-up zurechtmachte, als faszinierte es ihn wirklich.

»So, fertig«, verkündete ich und trank einen großen Schluck von meinem Shake, wodurch ich prompt wieder in Arrans auffällige Augen blickte.

Manchmal starrte er mich an, als ob er sich vorstellte, mich nackt zu sehen. Wenn ich einen anderen Kerl dabei erwischen würde, würde ich das als Bedrohung wahrnehmen, aber von dem Gedanken, dass Arran sich zu mir hingezogen fühlte, wurde mir warm, und meine Haut fing an zu kribbeln.

Ich hob eine Augenbraue, weil er mich weiterhin ansah.

Er zuckte mit den Schultern, aber die Intensität seines Blicks ließ nicht nach. »Ich glaube, ich genieße diesen Blick auf deine Morgenroutine ein bisschen zu sehr. Mir ist plötzlich ganz heiß.«

Davon, dass er mir beim Frisieren und Schminken zusah?

Ich verdrehte die Augen, stand auf und ging an ihm vorbei. »Hör mit dem Flirten auf.«

Das war unsere Routine. Arran Adair flirtete noch heftiger als sein etwas älterer Bruder Brodan. Ich verdrängte den Gedanken an Brodan, fast schuldbewusst – weil ich mich zu zwei Brüdern hingezogen fühlte –, und eilte in die Küche, um meine Tasche und meine Schlüssel zu holen.

Auf jeden Fall war Arran so wie sein Bruder. Sie flirteten beide andauernd mit Frauen.

Arrans Flirt mit mir bedeutete nichts, so wie Brodans Flirt mit mir nichts bedeutet hatte.

Wir waren alle Freunde.

Brodan und ich waren nur Freunde.

Arran und ich waren nur Freunde.

Arran. Und. Ich. Waren. Nur. Freunde.

Das waren wir.

Ehrlich.

Angesichts der Anziehungskraft, die er auf mich ausübte, wollte ich eigentlich nicht mit ihm befreundet sein, aber Arran Adair war nun mal die menschliche Entsprechung eines Bulldozers. Im Gegensatz zu allen anderen Adairs, die mich weder bedrängen noch in meinen persönlichen Raum eindringen wollten, ging es Arran genau darum.

Und seltsamerweise störte es mich nicht.

In den letzten sechs Monaten hatte ich Vertrauen zu ihm gefasst.

Was eine große Sache war.

Glaubt mir. Einst hatte ich mich auf diesen sechsten Sinn verlassen, von dem Granny sagte, ich könne ihm bis zu meinem letzten Atemzug vertrauen. Aber dann kam Lucy Wainwright. Noch nie hatte mich jemand so getäuscht wie Lucy. Es war zutiefst erschütternd. Und plötzlich schienen selbst die Menschen eine Bedrohung zu sein, von denen ich wusste, dass sie mich mochten.

Bis Arran kam.

Arran … Ich musste darauf vertrauen, dass mein Instinkt bezüglich Arran funktionierte.

»Ich kann nicht aufhören, mit dir zu flirten.« Arran schlenderte ins Wohnzimmer und stellte unsere beiden Gläser in die Spüle. »Du bist so wunderbar, und manchmal blendest du mich.« Er kam mit einem verführerischen Lächeln auf mich zu. »Dich anzuschauen, ist, wie die Sonne zu sehen.«

Ich ignorierte das warme Gefühl, das er auslöste, und meinen plötzlich beschleunigten Puls und schnitt eine Grimasse. »Hör auf, so hervorragendes Material an mich zu verschwenden, Arran. Wir sind nur Freunde.«

Er keuchte in dramatischer Empörung und schlug sich mit der Hand an die Brust. »Beste Freunde.«

Ich kämpfte gegen das Lachen an und verlor. »Sind wir jetzt im Kindergarten?«

»Es heißt Vorschule«, gab er zurück und küsste mich schnell auf die Nasenspitze, wobei mich sein Duft für eine Sekunde umgab. »Und Freunde dürfen auch flirten.«

»Ich nehme an, das ist eine gute Übung«, sagte ich zu seinem Rücken und schloss hinter uns ab.

»Klar.« Er zuckte mit den Schultern, warf seine Schlüssel hoch und fing sie auf, während er mit der Energie eines Teenagers die Treppe hinunterhüpfte. Öfter, als mir lieb war, hatte ich mich schon gefragt, wie diese Energie sich wohl im Bett entfalten würde.

Mir fehlte Sex.

So. Sehr.

Mit einem verhaltenen Stöhnen eilte ich zu meinem Auto und war froh, dass mir die fünfzehnminütige Fahrt zum Ardnoch Beach eine Pause von Arran und seiner sexuellen Anziehungskraft verschaffte.

Mein Handy verband sich mit dem Auto, und ich wählte meine Lieblingsplaylist. Doch als ich Arran aus meiner Einfahrt und durch die Wälder rund um mein Haus folgte, klingelte das Telefon und unterbrach die Musik. Das Display des Autos zeigte den Anrufer an.

»Ja?«, sagte ich gedehnt.

»Ich rufe an, weil ich dich vermisse«, kam es von Arran.

Ich lachte. »Du hast mich in den zehn Sekunden, die wir getrennt waren, vermisst?«

»Aye. Außerdem hatte ich plötzlich den Drang, noch einmal zu fragen, warum zum Teufel du dieses Ding fährst.«

Ich schüttelte den Kopf, und wir bogen auf die Hauptstraße ein. »Hey, dieses Auto ist umweltfreundlich und bringt mich von A nach B.« Nachdem mein alter Defender den Geist aufgegeben hatte, hatte ich das einzig Vernünftige getan und mir einen Smart gekauft. Aber inzwischen hatte ich mich schon nach etwas Größerem gesehnt.

Arran versäumte es nicht, sich bei jeder Gelegenheit über mein Auto lustig zu machen.

Ich fakte einen spöttischen Blick auf seinen schicken Range Rover. Alle Adairs fuhren Range Rover. Lachlan hatte einen Deal mit der Firma, da er die Autos für den offiziellen Fuhrpark des Anwesens nutzte. Er hatte mir angeboten, einen für mich zu besorgen, aber ich fand, er hatte schon genug für mich getan.

»Wie passt du überhaupt da rein? Deine wundervollen Beine sind länger als das ganze Auto.«

Das stimmte nicht. Aber okay, es war nicht das beste Auto für eine große Person. Arran flirtete heute Morgen noch mehr als sonst – das war äußerst verwirrend.

»Ich lege jetzt auf.« Ich zielte schon auf die Taste zum Auflegen am Lenkrad.

»Nein, schon gut, ich höre auf.«

»Arran, wir sehen uns in zehn Minuten.«

»Aber ich mag deine Stimme.«

Er sagte es mit einer solchen Ernsthaftigkeit, dass ich mich eine Sekunde lang fragte, ob er es ernst meinte oder ob es nur sein übliches Flirten war.

Ach was.

Arran konnte einfach nicht anders.

»Bis gleich.« Ich legte auf, und meine Musik erfüllte wieder das Auto.

Ich wusste nicht, wie ich es dahin hatte kommen lassen, dass diese Freundschaft etwas geworden war, auf das ich angewiesen war, aber eines war mir klar. Wenn ich Arrans Flirten ernst nahm, führte das mit großer Sicherheit dazu, dass wir beide verletzt würden.

2. KAPITEL

Arran

Nach monatelangem Warten auf die Baugenehmigung waren nun endlich alle Durchbrüche fertig. An der Rückseite des Gloaming sollte ein Anbau entstehen.

Ich schritt durch die Baustelle im Gebäude des alten Hotels aus dem 19. Jahrhundert mit Restaurant und Bar. Ich trug den Schutzhelm, und es juckte mich in den Fingern, irgendetwas zu demontieren. Aber ich hatte Lachlan versprochen, das den Profis zu überlassen. Ich fungierte hier als Projektleiter.

Mein Telefon klingelte, und siehe da – wenn man vom Teufel sprach … Ich grinste, als ich das Gespräch annahm. »Willst du mich etwa kontrollieren?«

Lachlan lachte kurz auf. »Wollte nur mal hören, wie es so läuft.«

»Aha«, erwiderte ich trocken. »Du willst mich kontrollieren. Es sieht gut aus, Lachlan. Mit Sicherheit tritt heute noch irgendwann irgendwo ein Problem auf, aber bis jetzt kommen wir gut voran.«

»Und die Fenster?«

Wir mussten spezielle Fenster bestellen, um die alten zu ersetzen. In Schottland durfte man Schiebefenster in historischen Gebäuden wie dem Gloaming nur ersetzen, wenn sie nicht mehr zu reparieren waren. Leider galt das für jedes einzelne Fenster, was bedeutete, dass sie alle durch möglichst originalgetreue Exemplare ersetzt werden mussten. Das war eine teure Angelegenheit. Zudem mussten wir auch die Fenster im neuen Anbau an den Stil des Gebäudes anpassen, und es war mir sehr wichtig, dass wir dieses Projekt in die richtigen Hände gaben. »Ich habe die Auswahl jetzt auf zwei Firmen eingegrenzt.«

»Wir müssen sie schnellstens bestellen, also warte nicht zu lange mit der Entscheidung.«

»Du hast gesagt, dass du mir das zutraust«, erinnerte ich ihn in scherzhaftem Ton, aber ehrlich gesagt wollte ich sichergehen, dass mein großer Bruder daran glaubte, dass ich diese Renovierung stemmen würde.

Ich war so überrascht gewesen, als Lachlan vorschlug, dass wir das Gloaming gemeinsam kaufen könnten – damit hätte ich niemals gerechnet. Gordon Wallace war jahrelang der Besitzer des Hotels, der Bar und des Restaurants gewesen, davor sein Vater. Es war eine feste Größe in Ardnoch, ein Teil der Identität. Ich wusste, dass einige Leute im Dorf der Tatsache, dass meine Familie es übernehmen und renovieren würde, mit gemischten Gefühlen gegenüberstanden. Aber ich war fest entschlossen, zu beweisen, dass wir das Gloaming in Ehren halten würden.

Dass Lachlan mich überhaupt für ein gemeinsames Unternehmen in Betracht zog, erfüllte mich mit Dankbarkeit und Demut.

Er behandelte mich endlich wie den Mann, der ich geworden war, und nicht mehr wie den rücksichtslosen kleinen Mistkerl, der ich einst gewesen war.

Ich wollte beweisen, dass sein Vertrauen in mich gerechtfertigt war.

Aber ich brauchte auch die Bestätigung, dass er mir vertraute.

»Das tue ich.« Er seufzte. »Die Renovierung eines historischen Gebäudes zu koordinieren, ist ein Balanceakt – ich kann ein Lied davon singen, seit ich das mit dem Schloss erlebt habe. Die Zeit rennt uns davon …«

»Ich weiß, Lachlan. Aber ich schaffe das.«

»Gut. Also, ruf mich an, wenn du etwas brauchst. Kommst du am Sonntag zum Essen?«

Lachlan und Thane wechselten sich jedes zweite Wochenende mit der Ausrichtung eines gemeinsamen Dinners ab. »Das würde ich mir nie entgehen lassen.«

Es stimmte.

Ich konnte nicht glauben, dass es stimmte, aber nach Hause zu kommen war wirklich genau das, was ich die ganze Zeit gebraucht hatte.

Wir legten auf, und ich holte mein Tablet heraus, um mir noch einmal Gedanken über die Fensterfirmen zu machen, zumindest so lange, bis mein Bauunternehmer Bill zu mir kam, um mich etwas bezüglich der Sanitärarbeiten im Anbau zu fragen.

***

Eredine lehnte an der Seite dieses lächerlichen kleinen Wagens und schaute gedankenverloren zum Gloaming hinauf. Ich hatte heute Morgen nicht gescherzt, als ich ihr sagte, dass mich manchmal allein ihr Anblick blendete. Sie war der umwerfendste Mensch, den ich je getroffen hatte – nicht nur äußerlich. Es gab vieles, was ich nicht über Eredine wusste, und das weckte meine Neugierde. Gleichzeitig verunsicherte sie mich ein wenig.

Doch da ich auf meinen Reisen so viele Menschen kennengelernt hatte, konnte ich mit Sicherheit sagen, dass Eredine Willows trotz ihrer vielen Geheimnisse und Rätsel eine Güte, eine Freundlichkeit und Sanftheit ausstrahlte, mit denen sie mir meinen Glauben an die Menschheit zurückgab. Sie erinnerte mich an das Sanfte und Helle in dieser Welt. Selbst wenn sie nicht atemberaubend schön gewesen wäre (was sie war), wäre Ery die schönste Frau, die ich je getroffen hatte, allein wegen des Lichts in ihrem Inneren. Eines Lichts, das auch der ruhelose Blick in ihren Augen nie mindern konnte.

Ich wusste, dass zwischen ihr und meinem Bruder Brodan etwas gewesen war. Ich wusste nicht, ob da etwas Körperliches vorgegangen war oder ob Gefühle im Spiel waren, aber ich hatte auf Lachlans Hochzeit bemerkt, dass es zwischen ihnen funkte. Monatelang hatte ich versucht, genug Vertrauen zwischen mir und Ery aufzubauen, um sie danach fragen zu können.

Denn sosehr ich Brodan auch liebte und sosehr ich in seiner Schuld stand – wenn sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten, würde mich das nicht aufhalten. Was auch immer das mit ihnen war, er war dumm genug gewesen, sie zu verlassen. Meiner Auffassung nach war das alles, was ich wissen musste. Ich kannte meinen Bruder, manchmal sogar besser, als er sich selbst kannte. Und wenn Brodan sie wirklich gewollt hätte, wäre er hier gewesen.

Aber er war es nicht.

Ich war hier.

Und wenn es weitere sechs Monate dauerte, um Erys Widerstand zu überwinden und sie dazu zu bringen, mich an sie heranzulassen, mir zu sagen, wovor sie davonlief, und sie zu einem Date mit mir zu überreden, würde ich hier sein.

Denn ich hatte mich noch nie so sehr zu einer Frau hingezogen gefühlt.

Eredine war jede Spannung zwischen mir und Brodan wert, falls ich erfolgreich wäre … und wir würden sie überstehen. Mein Bruder und ich hatten schon Schlimmeres überstanden.

Etwas in mir setzte sich, als ich mich Ery näherte. Ihre herrlichen haselgrünen Augen begegneten meinem Blick. Sie schenkte mir ein kleines Lächeln, und in meinem Bauch kribbelte es ein wenig vor Aufregung. Nicht, dass ich das jemals irgendjemandem gegenüber zugegeben hätte, schon gar nicht bei meinen Geschwistern. Ich würde es ewig zu hören bekommen.

Heute Morgen, als ich mich unter einem Vorwand selbst in ihr Schlafzimmer eingeladen hatte, war ich ein bisschen zu neugierig gewesen … Aber ich wollte nun mal alles über Eredine Willows wissen. Und ihr dabei zuzusehen, wie sie sich für den Tag fertig machte, war auf eine verrückte, ziemlich besitzergreifende Art äußerst befriedigend. Soweit ich wusste, hatten nur sehr wenige Menschen das Privileg, Eredine in ihrem Schlafzimmer beim Frisieren und Schminken zuzusehen. Jetzt hatte ich es gehabt. Und während ich ihr dabei zusah, konnte ich nicht anders, als mir vorzustellen, dieses Vergnügen jeden Morgen zu haben, nachdem ich sie zum Höhepunkt gebracht hatte.

»Das ist ein ziemlich intensiver Gesichtsausdruck«, stichelte Ery, stieß sich von ihrem Auto ab und schlenderte auf mich zu. Der weibliche Schwung ihrer Hüften machte mich jeden Tag mehr fertig. »Woran hast du gedacht?«

»Das willst du gar nicht wissen.« Ich zwinkerte ihr zu, und sie verdrehte die Augen und wandte sich bereits ab, um die Main Street hinunterzugehen.

Wir hatten gerade den öffentlichen Parkplatz vor dem Gloaming verlassen, als ein Range Rover neben uns abbremste. Ich legte eine Hand an Eredines Ellenbogen und hielt sie an, da ich nicht wusste, wohin das Fahrzeug steuerte. Es hielt neben uns an, das Beifahrerfenster wurde geöffnet, und ein Gesicht, das mir vage bekannt vorkam, kam dahinter zum Vorschein. Wahrscheinlich war sie Mitglied in Lachlans Club. Die Fahrerin neben ihr erkannte ich nicht.

Die Beifahrerin warf einen Blick auf Eredine, bevor sie sich mir zuwandte und kokett lächelte. »Sie sind ein Adair, richtig?«, fragte sie mit amerikanischem Akzent. »Ich bin mir sicher, dass ich Sie letztes Jahr auf Lachlans Sommerparty gesehen habe.«

Etwas an ihrem Tonfall störte mich, aber sie war ein Gast, also nickte ich ihr freundlich zu.

»Ja, ich bin Arran. Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise helfen?«

Ihr Blick wanderte an mir vorbei zum Gloaming. »Wir haben gehört, dass man hier gut essen kann, aber es sieht geschlossen aus.«

»Es wird derzeit renoviert.«

»Aha.« Sie blickte ihre Begleiterin an. »Inverness?«

»Da wäre noch das An Sealladh, Miss Benning«, steuerte Eredine bei. »Ein Restaurant etwa fünfzehn Minuten außerhalb von Ardnoch, direkt am Wasser.«

Miss Benning?

Ich kannte den Namen und auch das Gesicht der jungen Frau, aber ich konnte mich nicht an ihren Vornamen erinnern. Was ich wusste, war, dass es mir nicht gefiel, wie sie Ery mit hochmütiger Miene musterte. »Sind Sie nicht diese kleine Pilatestrainerin?«

Was zum Teufel …? Ihr herablassender Ton, mit dem sie kleine sagte, bewirkte, dass ich mit den Zähnen knirschte.

Eredines Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Höflich antwortete sie: »Ja, ich bin die Pilates-, Yoga- und Achtsamkeitstrainerin des Clubs.«

Bennings Blick wanderte zu mir und dann wieder zu Eredine. »Hm.« Sie seufzte schwer und rümpfte die Nase, als ärgere sie sich. »Un Shalag, sagten Sie?«

»Nein.« Ich schüttelte den Kopf, weil sie das Gälische so verhunzte. »An Sealladh.« Ich buchstabierte den Namen. »So finden Sie es in Ihrem Navi.«

Sie strahlte mich an. »Danke. Irgendetwas muss hier im Wasser sein, dass ihr Adair-Jungs alle so spektakulär seid. Und dann natürlich noch Mac. Was würde ich nicht geben für ein Adair-Mac-Sandwich.« Sie lachte kokett, während ich versuchte, bei dem Gedanken nicht zu frösteln.

»Tja, also …« Ich legte eine Hand an Erys Rücken. »Schönen Tag noch, Miss Benning.«

»Hey, wenn Sie Mac sehen, sagen Sie ihm bitte, dass ich nach ihm gefragt habe!«, rief sie, während der Range Rover langsam an uns vorbeizog.

»Nur, wenn du riskieren willst, dass Arro dich ausweidet«, murmelte Ery leise.

Mackennon Galbraith, der Sicherheitschef von Ardnoch Castle, war der Verlobte meiner Schwester Arro. Ich hatte die beiden nach meiner Rückkehr nach Schottland beobachtet – es hatte mich also nicht überrascht, dass sie ein Paar geworden waren. Mac war dreizehn Jahre älter als Arro, was sich eine Zeit lang als Hindernis erwiesen hatte, aber da sie wie füreinander geschaffen waren, spielte der Altersunterschied letztlich keine Rolle.

Ich lachte über Erys Antwort, weil es stimmte, und nickte der Frau im Auto nur aus Respekt vor Lachlan kurz zu. Der SUV fuhr die Main Street hinunter, wobei er das Tempolimit von zwanzig Meilen pro Stunde weit überschritt.

»Ich sage das selten, aber diese Frau kann ich nicht ausstehen«, gestand Eredine, als wir zum Mittagessen in Floras Café weitergingen.

»Wer ist sie?«

Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Das weißt du nicht? Ich dachte, du wüsstest Bescheid.«

»Sie kommt mir bekannt vor, aber ich kann sie nicht einordnen.«

»Iris Benning. Hollywoods neuester Liebling. Sie ist nach ihrer zweiten Oscar-Nominierung in Folge Mitglied geworden, und dies ist ihr dritter Besuch im Club in diesem Jahr. Erst heute Morgen war sie in meinem Kurs. Sie hat über Mac gesprochen, als wäre er ein Stück Fleisch.« Ery runzelte die Stirn. »Eine andere Teilnehmerin hat ihr erzählt, dass Mac verlobt ist, und sie sagte, das sei ihr egal.«

»Mac kann auf sich selbst aufpassen«, versicherte ich Ery.

»Darum geht es nicht. Mac hat ihr bereits gesagt, dass er nicht interessiert ist, und sie tut immer noch so, als hätte sie ein Recht auf ihn, nur weil sie ihn will. Das ist Belästigung.«

Bei Eredines leidenschaftlicher Reaktion auf Iris Benning beschlich mich eine Ahnung. »Du hast ja recht«, entgegnete ich, »aber wie ich schon sagte, wird Mac sich das nicht gefallen lassen, und Lachlan auch nicht.« Was ich an Lachlan am meisten bewunderte, war, dass er sich einen Dreck darum scherte, wer jemand war oder wie viel Geld er oder sie hatte. Wenn jemand bei einer Person, die ihm etwas bedeutete, eine Grenze überschritt, nahm er das nicht hin. Robyn hatte mir erzählt, dass er den Schauspieler Sebastian Stone hinausgeworfen und seine Mitgliedschaft aufgekündigt hatte, weil er sie auf dem Anwesen belästigt hatte. Vor etwa acht Monaten geriet Stone dann weltweit in die Schlagzeilen, als mehrere Frauen ihn der sexuellen Nötigung beschuldigten. Der dreimalige Oscar-Preisträger verlor daraufhin die Hauptrolle in einer neuen Fernsehserie, während er auf seinen Prozess wartete.

Ich hatte mich gefragt, ob Lachlan etwas damit zu tun hatte, dass diese Frauen aufgetaucht waren, aber er war nicht gewillt, irgendetwas zuzugeben. Da er, wie ich erfahren hatte, dafür gesorgt hatte, dass Arros Ex-Freund in der Gastronomiebranche auf die schwarze Liste gesetzt worden war, weil er gegen Arro übergriffig geworden war, traute ich Lachlan alles zu, wenn es darum ging, seine Familie zu beschützen.

»Ich weiß«, holte Ery mich aus meinen Grübeleien. »Mac wird das nicht dulden. Er liebt deine Schwester so sehr. Er würde nie zulassen, dass jemand das zwischen ihnen gefährdet.«

Ich hörte so etwas wie Sehnsucht in ihrem Tonfall und studierte ihr Profil, während wir nebeneinanderher gingen. »Wünschst du dir das auch?«

Sie sah mich verwirrt an, als wir vor Floras Café anhielten. »Was meinst du?«

»Das, was Mac und Arro haben?«

Eredine lächelte dieses süße, verdammt perfekte Lächeln. »Niemand wird jemals haben, was sie haben. Das ist etwas ganz Besonderes.«

Ich runzelte die Stirn. »Glaubst du nicht, dass meine Brüder das mit Robyn und Regan auch haben?«

»Das mit ihnen ist natürlich auch etwas Besonderes … aber Arro und Mac …« Sie legte nachdenklich den Kopf schief. »Es ist buchstäblich so, als wären sie zwei Hälften eines Ganzen. Wenn sie sich bewegt, bewegt er sich. Und umgekehrt. Das war schon immer so. Ich hatte solche Angst, dass sie nie zueinanderfinden würden. Ich wusste, dass sie so lange nicht vollständig sind.«

Ich schämte mich ein wenig, denn auch ich hatte es bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen ich nach Hause gekommen war, gesehen. Tief im Inneren hatte ich gewusst, dass Arro ohne Mac unglücklich war. Aber ich hatte mich ferngehalten. Ich hatte nicht mit ihr darüber gesprochen. Ich hatte sie verlassen.

Gott sei Dank hatte sich in meiner Abwesenheit alles zum Guten gewendet.

»Hey, alles okay?«, fragte Ery.

»Klar«, log ich. »Lass uns einen Happen essen, bevor unsere Mittagspause vorbei ist.«

Ich hielt Ery die Tür auf und ließ sie als Erste hineingehen. Sie bedankte sich mit einem kleinen, geheimnisvollen Lächeln, das ich ihr am liebsten von den Lippen geküsst hätte. Sie roch nach dem Parfüm, das so gut zu ihr passte, leicht und blumig. Wie oft hatte ich schon davon geträumt, mit diesem Parfüm in der Nase aufzuwachen? Zu oft, um es zählen zu können.

Ich ließ die Tür los, trat an ihre Seite und blieb abrupt stehen, als ich die Rothaarige sah, die auf den Ausgang zusteuerte, den wir gerade blockierten.

Auch sie zögerte und sah mich vor Überraschung mit großen Augen an. »Arran?«

Ich schüttelte den Kopf, weil ich mir sicher war, dass ich eine Erscheinung hatte.

Aber nein.

Sie war es.

Monroe Sinclair.

»Roe?« Ich starrte sie an.

Monroe schluckte nervös und starrte zu mir hoch. Sie war immer noch klein, kurvenreich und verdammt bezaubernd. Tatsächlich sah sie kaum älter aus als das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, und das war … ach du Scheiße … achtzehn Jahre her. »Wie … geht es dir?«, fragte sie.

Ich lachte überrascht auf und ging auf sie zu, um sie in eine Umarmung zu heben. Monroe keuchte erschrocken auf, aber glücklicherweise lachte sie dann und umarmte mich ihrerseits. Ich stellte sie auf die Füße und drehte mich zu Ery um, die uns kritisch beobachtete. »Ery, das ist Monroe. Monroe war Brodans beste Freundin, und ich habe sie …«, ich drehte mich wieder zu Roe um, »… achtzehn Jahre nicht gesehen.«

Roe runzelte die Stirn und löste sich aus meiner Umarmung. »Ist schon lange her, oder?« Ihr Blick wanderte zu Eredine. »Schön, dich kennenzulernen.«

»Eredine.« Ery nickte Roe zu, für sie ganz untypisch mit einem nicht gerade freundlichen Lächeln.

Verwirrt von Eredines kühler Begrüßung sah ich meine alte Freundin wieder an. Ein kurzer Blick auf ihre Ringfinger verriet mir, dass sie nicht verheiratet war – erstaunlich, wenn man bedachte, dass Monroe nie etwas anderes gewollt hatte, als wir Kinder waren, als Lehrerin, Mutter und Ehefrau zu sein. Sie hatte das als simple Wünsche bezeichnet. Doch wie ich nur zu gut wusste, war nichts in diesem Leben einfach. »Was führt dich hierher zurück?«

Sie steckte sich eine Strähne ihrer wunderschönen roten Haare hinters Ohr. »Na ja … Ich habe einen Job in der Grundschule bekommen. Mrs. Welsh ist in den Ruhestand gegangen, und ihre Stelle wurde frei.«

»Ist man die alte Schreckschraube endlich los?«, stieß ich laut hervor, ohne mich darum zu kümmern, ob jemand mich hörte. Mrs. Welsh war bereits in meiner Kindheit Lehrerin an der Grundschule in Ardnoch gewesen, und sie war eine alte Hexe.

Wie sich zeigte, hatte auch mein Neffe Lewis sie nicht gerade gern als Lehrerin gehabt.

»Arran«, mahnte Monroe, als wären wir wieder Kinder und als existierten die achtzehn Jahre zwischen damals und heute gar nicht.

»Ich spreche nur die Wahrheit aus.«

Ihre Lippen zuckten. »Na ja, jedenfalls ist sie weg, und ich bin hier. Meiner Mutter geht es nicht so gut, also war der Zeitpunkt genau richtig.«

»Das mit deiner Mutter tut mir leid. Aber ich freue mich, dass du wieder zu Hause bist.« Ich fragte mich, ob noch jemand wusste, dass Roe zurück war. Ob jemand es Brodan gesagt hatte. Schuldgefühle erfüllten mich, und ich trat unbewusst einen Schritt zurück.

Ihr Blick huschte zu meinen Füßen und dann wieder zu meinem Gesicht. Ihr Lächeln wirkte nun angestrengt.

»Okay, also, ich muss los. Es war schön, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Und nett, dich kennenzulernen, Eredine.« Monroe ging um uns herum.

Aber ich konnte sie nicht einfach so gehen lassen. »Weiß Arro, dass du wieder hier bist?«

Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Du bist der erste Adair, den ich seitdem getroffen habe.«

»Arro würde dich bestimmt gern sehen, Roe.«

»Da bin ich mir nicht so sicher.« Ihr Lächeln wurde schwächer, dann drehte sie sich zügig um und marschierte aus dem Café.

»Soll ich euch einen Tisch zeigen?«, fragte Flora, und ich drehte den Kopf.

Ich schob die unerwartete Reise in die Vergangenheit beiseite und schenkte Flora ein breites Lächeln. »Liebste Flora, wir hätten gern den besten Platz im Haus.«

Sie kicherte, und ihre Wangen erröteten. »Ach, du! Kommt hier lang.«

Ich zog für Ery einen Stuhl an dem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters heraus und setzte mich dann auf den Platz ihr gegenüber.

Unsere Füße berührten sich unter dem Tisch, und ihre Augen verengten sich. »Da steckt definitiv eine Geschichte dahinter.«

»Wohinter?« Ich tat so, als würde ich die Speisekarte studieren.

»Hinter der schönen Rothaarigen, die gerade vor dir weggelaufen ist, als wären ihr alle Höllenhunde auf den Fersen.«

Ich schaute mich im Café um und sah zwar mehr Touristen als Einheimische, aber dennoch … Ich blickte zurück zu Ery und antwortete leise: »Nicht hier.«

Sie nickte verständnisvoll und schaute auf die kleine Speisekarte. Ich wollte die Distanz zwischen uns überwinden und das Stirnrunzeln zwischen ihren Brauen wegglätten. Was glaubte sie, wer Monroe für mich war? Hatte Roe sie eifersüchtig gemacht? Ich wollte nicht, dass Ery eifersüchtig war. Dafür gab es keinen Grund. Aber ich spürte eine irritierende Befriedigung bei dem Gedanken, dass sie womöglich Besitzansprüche mir gegenüber entwickelte.

Denn mir wurde klar, dass es mir ganz sicher nicht gefallen hätte, wenn sie einen Mann so umarmt hätte, wie ich Roe umarmt hatte.

Fuck.

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass zwischen Brodan und Ery etwas sein könnte, war jetzt auch noch Monroe Sinclair wieder in Ardnoch, die Frau, die Brodan – da war ich mir ziemlich sicher – einmal geliebt hatte. Das Mädchen, mit dem ich geschlafen hatte, weil ich ein egoistischer Kerl war, der nicht begriffen hatte, wie viel sie Bro bedeutete.

Was für ein Schlamassel.

3. KAPITEL

Eredine

Es ärgerte mich, dass es mich so sehr ärgerte, dass Arran mir immer noch nichts von Monroe erzählt hatte – der beeindruckenden Rothaarigen, die er vor zwei Tagen in Floras Café so warmherzig begrüßt hatte. Wir waren gestern früh vor der Arbeit zusammen gejoggt, und immer noch war nichts von ihm gekommen. Nichts, nada, niente. Obwohl er mir versprochen hatte, es mir »später« zu erzählen.

Arran war ein Meister im Flirten, das war mir klar. Und mir war durchaus der Unterschied zwischen einer seiner Charmeoffensiven und echter Zuneigung bei ihm bewusst, was mich sehr irritierte. Er hatte sich aufrichtig gefreut, Monroe zu sehen. Klar freute er sich – sie war hinreißend. Aber wer war sie genau für Arran? Er hatte gesagt, sie sei Brodans beste Freundin, aber es fühlte sich an, als wäre da mehr zwischen ihr und Arran.

Vielleicht etwas mehr als Freundschaft.

Ich hasste es, dass mich die Ankunft von Monroe ein wenig in Panik versetzte. Ich verstand es nicht, und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht.

Dennoch brannte ich darauf, zu wissen, wer sie war. Ich musste es wissen.

Aber dem Grund dafür konnte ich mich nicht stellen.

Arran lief nie vor mir, obwohl seine Beine länger und kräftiger als meine waren. Er hielt mit mir Schritt, und unsere Atmung war annähernd synchron, während uns der Sand auf unserem Lauf entlang dem Ardnoch Beach Widerstand leistete. Möwen schrien über uns, und die frühe Morgensonne brach durch den dunstigen Nebel, sodass Strahlen blassgoldenen Lichts über der Nordsee schimmerten. Eine kühle Brise strich angenehm über meine heiße Haut.

Ich warf Arran einen Blick zu. Er lief mit konzentrierter Miene, und ich spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch beim Anblick seines hübschen, vertrauten Profils.

Verflixt.

Ich wurde langsamer, hielt an und stützte die Hände in die Hüften, während ich tief einatmete.

Arran schaute über die Schulter und blieb stehen. Er kam zu mir zurück und atmete etwas schneller und heftiger. Er hatte diese Art, mein Gesicht zu mustern, dass ich nicht sagen konnte, ob er es sich einprägen wollte oder nach etwas Verborgenem suchte. »Was ist los?«

Ich blickte über das Wasser und schüttelte den Kopf. »Können wir einfach ein bisschen spazieren gehen?«

»Klar.«

Als ich ihm wieder in die Augen blickte, sah ich die Fragen darin. Er wusste, dass mich etwas bedrückte.

Verflucht.

Ich ging mit gesenktem Blick, und Arran ging neben mir her, so nah, dass sein Arm meinen berührte. Ich bekam eine Gänsehaut davon und versuchte verstohlen, den Abstand zwischen uns zu vergrößern.

»Also …« Ich versuchte, so lässig wie möglich zu klingen. »Du hast mir nie etwas von Monroe erzählt.«

Als ich seinen Blick spürte, zwang ich mich, ihn anzuschauen. Er wirkte … unsicher.

»Was ist los?«

Arran seufzte und strich sich mit der Hand durchs Haar, wobei sich sein Bizeps mit der Bewegung anspannte und ein unangebrachtes Kribbeln zwischen meinen Schenkeln auslöste.

Ich wandte den Blick ab.

»Ich, äh …« Arran hielt die Augen auf meine Wange gerichtet, bis sein Blick sich dort einzubrennen schien. »Ich weiß nicht, was ich dir anvertrauen kann, weil ich nicht weiß, was zwischen dir und Brodan war. Falls da etwas war.«

Vor Schreck strauchelte ich beim abrupten Anhalten und starrte ihn an. Obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass jeder der Adairs den Flirt zwischen Brodan und mir bemerkt hatte, so hatte doch nie jemand ein Wort darüber verloren. Am wenigsten Brodan.

Arran hob eine Augenbraue, aber er hatte ein hartes Funkeln in den Augen, das mir nicht gefiel. »Und?«

»Zwischen mir und Brodan war nichts«, antwortete ich ehrlich und war überrascht, wie wenig mich das störte. Vor einem Jahr noch hätte ich ein kompliziertes Gefühlschaos empfunden: einerseits aus Erleichterung darüber, dass Brodan sich auf heftiges Flirten beschränkt hatte, und andererseits aus Bitterkeit darüber, dass er sich nicht ein wenig mehr um mich bemüht hatte. Es war Brodan gegenüber nicht fair, dass ich ihm das übel nahm, vor allem, da ich nicht die Absicht gehabt hatte, eine romantische Beziehung mit ihm einzugehen. »Wir haben geflirtet, aber das war auch schon alles.«

»Du hast keine Gefühle für ihn?«, fragte Arran mit rauer Stimme.

Irgendetwas an der Frage und der Art, wie er mich ansah, ließ mir den Atem stocken. Meine Brust fühlte sich eng an, und ich fühlte den Drang, die Hände auszustrecken und ihn zu berühren, dabei verstand ich weder mich selbst noch diese Anziehungskraft.

Wie konnte ich mich jahrelang zu Brodan hingezogen fühlen und jetzt auf einmal sogar noch stärker zu seinem Bruder? Ich fühlte mich schuldig, als hätte ich Brodan verführt, obwohl nichts zwischen uns gewesen war – und obwohl auch zwischen Arran und mir nie etwas sein würde.

»Ery?«, drängte Arran weiter.

Ich wollte nicht lügen.

Nicht Arran gegenüber.

»Ich fühlte mich zu ihm hingezogen.«

Arran runzelte die Stirn. »Fühlte?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ja, damals. Und es ist nie was passiert.«

Er schien das auf sich wirken zu lassen, und dass er die Schultern vor Erleichterung sinken ließ, war keine Einbildung von mir. Ich bekam ein Flattern im Bauch bei dem Gedanken, was das bedeutete, und ich wollte allein sein, damit ich mich nicht mit dieser komplizierten Situation auseinandersetzen musste.

»Wenn ich dir also etwas über sein früheres Liebesleben erzähle, stört dich das nicht?«, fragte Arran.

Ich hatte Brodan im Laufe der Jahre mit verschiedenen Frauen gesehen, auf glamourösen Veranstaltungen und mit Prominenten am Arm, daher war mir klar, dass er alles andere als ein Mönch war. Früher hatte mich das ein wenig gewurmt.

Jetzt … beunruhigenderweise … fühlte ich weder Eifersucht noch so etwas wie Verlust. Nichts von dem, was ich gespürt hatte, als Arran Monroe hochhob und umarmte, als wäre sie das Beste, was ihm seit Jahren begegnet war.

Das tat mehr weh, als ich zugeben wollte.

»Nein«, antwortete ich aufrichtig.

Er machte sich nicht die Mühe, die Erleichterung in seiner Miene zu verbergen, und so erschien dieses jungenhafte Lächeln in seinem Gesicht, das die Schmetterlinge in meinem Bauch aufwirbelte. Er schlenderte weiter, wir verfielen in Gleichschritt, und er warf mir einen weiteren prüfenden Blick zu. »Monroe ist so alt wie Brodan, aber da Bro und ich nur ein Jahr auseinander sind, standen wir uns, wie du weißt, sehr nahe. Sogar so nahe, dass … ähm …« Er rieb sich den Nacken und sah ein wenig verlegen aus. »Wir beide waren als Jungs verrückt nach Mädchen. Wir haben schon in jungen Jahren angefangen, mit Mädchen herumzumachen, und weil wir älter aussahen, konnten wir auch ältere Mädchen aufreißen.«

Ich schmunzelte, denn es überraschte mich nicht im Geringsten, dass die beiden kleine Gigolos gewesen waren, die in Ardnoch alle Herzen gebrochen hatten.

»Wir haben sogar …« Arran seufzte schwer. »Wir waren egoistische kleine Arschlöcher und vergnügungssüchtig ohne Ende. Ery, wir haben uns Mädchen geteilt.«

Ich hob eine Augenbraue. »Wie meinst du das?«

»Wenn mir ein Mädchen gefallen hat und sie Lust hatte, habe ich sie an Brodan weitergegeben und umgekehrt.«

Das gefiel mir überhaupt nicht, aber ich blieb still.

»Arro hat uns immer davor gewarnt, dass wir eines Tages jemanden verletzen würden, ohne es zu wollen, aber wir waren so verdammt überzeugt von uns.«

Die Erkenntnis dämmerte mir, und ich blieb stehen. »Monroe?«

Arran zuckte mit den Schultern und starrte auf das Meer hinaus. Ein Muskel in seinem Kiefer spannte sich an. »Sie war seit der Grundschule seine beste Freundin. Er war ihr Beschützer. Es schimmerte durch, dass es ihr in ihrer Familie nicht so gut ging, und Brodan wollte ihr das Gefühl geben, dass wir auch eine Familie für sie waren. Dann, etwas später, war sie auch mit Arro gut befreundet, obwohl sie ein paar Jahre auseinander waren.« Jetzt sah er mich an. »Bro hat nie irgendwelche Annäherungsversuche bei ihr gemacht. Er war immer hinter anderen Mädchen her, darum hätte ich nie gedacht, dass da mehr zwischen ihnen war.«

Ach, herrje. Ich wusste, was jetzt kam.

»Brodan zog weg, als er mit der Uni anfing, aber Monroe konnte es sich nicht leisten, auswärts zu wohnen, also studierte sie in Inverness und pendelte dorthin. Sie trafen sich immer noch, auch wir alle, aber Bro wohnte halt nicht hier, und Lachlan war sauer auf mich, weil ich nicht aufs College ging, nur Ardnoch unsicher machte und andauernd Probleme bekam …« Bedauern schimmerte in seinen Augen auf. »Bro war zwanzig, und … ähm, er fing an, sich mit einem Mädchen von der Uni zu treffen, also wusste ich nicht …« Er senkte den Kopf und seufzte. »Ich hätte es wissen müssen.«

»Du hast mit Monroe geschlafen.«

Arran hob den Kopf und nickte. »Wir sahen uns öfter, weil wir beide in Ardnoch waren. Sie wurde eine meiner besten Freundinnen. Eines Abends hatten wir ein bisschen zu viel getrunken, und da ist es dann passiert.«

Die Eifersucht loderte heiß und scheußlich in mir auf.

Verdammt!

Warum er?

Er machte alles so kompliziert.

»Hat Brodan es herausgefunden?«, quetschte ich leise an dem erstickend besitzergreifenden Gefühl vorbei heraus.

»Aye.« Arran nickte, und Reue war in seinen hellen Augen zu sehen. »Das Timing hätte nicht schlechter sein können. Er kam überraschend zu Besuch nach Hause, als wir in meinem Zimmer im Schloss waren, und ertappte uns auf frischer Tat.«

»Oh nein!« Das musste furchtbar unangenehm gewesen sein.

»Und ich dachte ernsthaft, er bringt mich um.« Arrans Miene verfinsterte sich, als er in die Erinnerung eintauchte. »Ich habe Brodan noch nie so ausrasten sehen. Das hätte damals eher zu Thane gepasst, Brodan war immer der Ruhige von uns – im Gegensatz zu all den wilden Geschichten, die vor ein paar Jahren über ihn in den Zeitungen kursierten. Ja, er wollte sich nie festlegen und schlief sich durch viele Betten, aber er war nie unberechenbar oder wild. Aber als er mich mit Roe sah, ist er völlig durchgedreht.« Arran sah mich mit nachdenklicher, fast suchender Miene an. »Bis heute hat er nie zugegeben, dass er in sie verliebt war. Aber wenn ich zurückdenke, sehe ich Dinge, die ich damals nicht erkannte, weil ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war.«

Der Gedanke, dass Brodan eine andere lieben könnte, hätte vor Monaten noch wehgetan, aber jetzt empfand ich nichts als Traurigkeit für ihn. Mir wurde klar, dass mein Gefühl für Brodan nur eine Schwärmerei, eine Verliebtheit gewesen war. Ich hatte den Mann nie wirklich gekannt. Nicht so, wie ich Arran kannte. »Wenn er sie geliebt hat, warum hat er dann nichts unternommen?«

»Ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte mein Bruder noch nie die Hand gegen mich erhoben, aber in dieser Nacht prügelte er mich windelweich.«

»Hui.« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Brodan so etwas tat, aber ehrlich gesagt hatten wir uns vor ein paar Jahren, etwa zu der Zeit, als Robyn in unser Leben trat, alle Sorgen um ihn gemacht. Die Boulevardpresse veröffentlichte Fotos von Brodan, auf denen er einen Türsteher vor einem Club schlug, ein Verhalten, das so gar nicht zu ihm passte.

»Roe war am Boden zerstört. Sie fühlte sich schuldig«, erzählte Arran weiter. »Sie verließ Ardnoch ein paar Wochen später, und ich sah sie nie wieder – bis vorgestern.«

Ich nickte, aber die Neugierde übermannte mich, also fragte ich: »Hast du sie geliebt?«

Die Schamesröte stieg ihm in die Wangen. »Nein. Ich denke, es wäre vielleicht verzeihlich gewesen, wenn ich es getan hätte. Aber ich war einfach ein achtzehnjähriges Arschloch, das nur mit dem Schwanz denken konnte, und sie war wunderschön.«

Erleichterung erfüllte mich. »Oh.«

»Meinst du, ich sollte Brodan sagen, dass sie zurück ist?«

»Ja«, antwortete ich sofort. »Wenn er herkommt und ohne Vorwarnung auf sie trifft … Das solltest du ihm ersparen.« Etwas kam mir in den Sinn. »Vielleicht kommt er nach Hause, wenn er hört, dass sie hier ist.«

Seine Augen hellten sich auf. »Das würde dich nicht stören?«

Nein, das würde es wirklich nicht. »Ich weiß nicht, ob dir das je aufgefallen ist, Arran, aber insgeheim bin ich eine Romantikerin. Es wäre doch wunderbar, wenn dein Bruder mit seiner besten Freundin aus Kindertagen sein Glück fände, oder?«

Lachend legte Arran einen Arm um meine Schultern und zog mich in einer herzlichen Geste an seine Seite. Es fühlte sich überaus schön an, an seinen Körper geschmiegt zu sein. Ich wollte schon mein Gesicht an seinen Hals drücken, hielt mich aber zurück. »Ich liebe dein herzliches Wesen, Ery, aber ich glaube nicht, dass sich die Dinge so entwickeln. Es ist achtzehn Jahre her, seit sie sich das letzte Mal gesehen haben. Die Liebe, die Brodan für Roe empfunden hat, ist wahrscheinlich längst erloschen.«