Forever and ever - Samantha Young - E-Book

Forever and ever E-Book

Samantha Young

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Beschreibung

Doppelt heißer Lesegenuss – zwei SPIEGEL-Bestsellerautorinnen bringen die Seiten zum Glühen Der ersehnte Job ist für Parker zum Greifen nah. Das Einzige, was sie von ihrem Traum trennt, ist ihr Single-Dasein. Denn Parkers Chef hat die verstaubte Vorstellung, nur ein fest liierter Mitarbeiter mit Eigenheim sei ein guter Angestellter. Also engagiert sie für ein Firmenessen jemanden, der ihren Freund spielt. Doch dieser taucht zu dem ersten Fake-Date nicht auf, sondern sein Bruder Rhys. Und aus dessen sexy Mund kann sie sich so einiges anhören. Dann nimmt der Abend eine seltsame Wendung: Ihr Boss ist begeistert von dem Ex-Boxchampion, und Rhys ist plötzlich der Mann an ihrer Seite. Je besser Parker ihn kennenlernt, desto stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Doch von Leidenschaft stand nichts in den Geschäftsbedingungen … Der erste gemeinsame Roman der Erfolgsautorin von »Dublin Street« und der Bestsellerautorin der »Idol«-Serie »Forever and ever hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Der Roman ist die perfekte Mischung aus frechen Wortgefechten, sexy und berührenden emotionalen Szenen. Kristen Callihan und Samantha Young zählen zu meinen Lieblingsautorinnenduos und ich hoffe, dass sie bald wieder zusammenschreiben.« New-York-Times-Bestsellerautorin Emma Chase »Selten habe ich einen Roman gelesen, der mich so unterhalten hat. […] Eine absolute Leseempfehlung!« New-York-Times-Bestselllerautorin Mia Sheridan »[Youngs] Romane haben einfach alles – umwerfend geschrieben, sexy Charaktere, Herzschmerz – ich bin süchtig danach.« SPIEGEL-Bestsellerautorin Vi Keeland über »Boston Nights – Wahres Verlangen«

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Seitenzahl: 502

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Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem TitelOutmatched

© 2019 by Kristen Callihan and Samantha Young Deutsche Erstausgabe © 2021 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Covergestaltung von Alexander Kopainski Coverabbildung von Abbie, Vandathai SWEviL / Shutterstock E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783745752571

www.harpercollins.de

1. Kapitel

Rhys

Mein Dad sagte einmal zu mir, dass die meisten Leute gar nicht die Absicht hätten, sich das Leben zu versauen; sie träfen nur eine Reihe von dummen Entscheidungen. Damals hatte er in seinem zerschlissenen Ledersessel gesessen, die breiten Schultern über seinen Chefschreibtisch aus Rosenholz gebeugt, der der Stolz seines Büros gewesen war. Es war derselbe Sessel, in den ich mich nun hatte hineinfallen lassen, hinter eben jenem riesigen Schreibtisch.

Müßig strich ich mit dem Finger über die Kante. Das ehemals schimmernde Holz war nun stumpf und mit Kerben übersät. Als Kind war es mir merkwürdig vorgekommen, dass Dad einen solch kunstvoll verzierten Tisch hatte haben wollen, der eher in eine Rechtsanwaltskanzlei gepasst hätte, jedoch für ihn das Herzstück eines simplen Fitness-Studios gewesen war, in dem Boxstunden und Kampfsport angeboten wurden. Als ich ihn darauf angesprochen hatte, hatte er auf seine typisch verhaltene Weise nur gelächelt.

»Lights Out ist mein ganzer Stolz und meine Freude, Junge.« Er hatte seine großen vernarbten Hände auf die schimmernde Tischplatte gelegt. »Und dies ist der Ort, an dem ich es repräsentiere. Ob es dir gefällt oder nicht, das äußere Erscheinungsbild ist immer entscheidend.«

In seiner Welt zählten Taten genauso viel wie Worte. Geh entschlossen vor, vertritt ehrlich deine Meinung und triff immer die richtigen Entscheidungen.

Was er wohl von meinen Entscheidungen gehalten hätte?

»Nicht viel«, murmelte ich und presste die Fingerkuppen auf meine schmerzenden Augen. Im Moment war ich allerdings auch nicht allzu froh über die Aktionen meines Dads.

Er war seit vier Jahren tot. Der Schmerz hatte ein wenig nachgelassen, aber das hohle Gefühl blieb. Es war die ständig vorhandene glühende Wut auf ihn, die mich in den Wahnsinn trieb. Dad war nicht perfekt gewesen. Das hatte ich schon früh mitbekommen. Nach Moms Tod war er in ein dunkles Loch gefallen, das er sich selbst geschaufelt hatte. Doch dieser Schlamassel, den er mir hinterlassen hatte, war eine ganz andere Geschichte, das machte es mir nicht gerade leicht, zu vergeben und zu vergessen.

Shit, ich konnte auch gar nicht vergessen. Dafür würde die Bank schon sorgen.

Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass meine Finanzen und das Studio so tief in der Tinte steckten, bis zu jenem Tag, als ich meinen Dad über seinen Schreibtisch gebeugt vorgefunden hatte. Der Tag, an dem er mir hatte gestehen müssen, dass er alles heruntergewirtschaftet hatte – eine fatale Kette von Fehlinvestitionen und Glücksspiel – und dass sein Fitness-Studio nun mit einer Hypothek belastet war, weil er versucht hatte, damit die Kosten zu decken.

Einen Monat später war Dad tot gewesen. Herzinfarkt. Der Stress und die Scham über seine Machenschaften hatten ihn auf die schlimmstmögliche Weise eingeholt. Und so wurde ich der neue Besitzer von Lights Out und einem Haufen Schulden.

Ich biss die Zähne zusammen, da mich der Zorn wieder übermannte. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte alles hier stehen und liegen gelassen, ohne mich noch einmal umzusehen. Aus der Halle draußen drang das Gelächter von Jugendlichen zu mir herein. Die Teenager trainierten Capoeira, ein neues Angebot unseres Studios. Die Kurse waren alle ausgebucht, doch nur die Hälfte der Jungen konnte es sich leisten, dafür zu bezahlen. Natürlich hätte ich sie wegschicken können, was ich aber nie über mich gebracht hätte. Dieses Studio war ihr Rettungsanker in einer Welt, die ihnen jede Freude nehmen und sie von innen völlig aushöhlen konnte.

»Du machst aber ein ganz schön verkniffenes Gesicht.« Carlos stand an der Tür, die ich versehentlich offen gelassen hatte. Er grinste. »Hast du gerade irgendwo einen fiesen Ausschlag oder so was entdeckt?«

»Ja, direkt unter meinen Eiern«, konterte ich ruhig. »Willst du mal sehen?«

»Das überlasse ich lieber deinen Freundinnen.«

Carlos wusste, dass ich schon eine ganze Weile keine Freundinnen, wie er es nannte, mehr gehabt hatte. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – Gelegenheiten waren da, ich hatte nur keine davon ergriffen. Mir war einfach nicht nach … na ja, in letzter Zeit eigentlich nach gar nichts. Zuerst Dads verdammte Schulden, dann die Sache mit Jake – ich wollte nicht an Jake denken.

Carlos stieß sich von der Tür ab und ließ sich auf den Stuhl fallen, der vor meinem Schreibtisch stand. »Also«, drängelte er, »warum ziehst du so ein Gesicht?«

Ich rieb mir den schmerzenden Nacken. »Das Übliche. Geld.«

Carlos beugte sich vor und stützte die Arme auf die Knie. Sein entspanntes Lächeln war wie weggeblasen. Die meisten Menschen sahen Carlos nie ohne sein Lächeln. Ihn betrachtete man als den Glücklichen von uns beiden, zumal seine großen braunen Welpenaugen die Frauen anzogen wie der Honig die Bienen. Er spielte seine Rolle gut, verbarg von jeher die Dunkelheit in seinem Innern, sodass beinahe niemand darum wusste. Dass er mir genug Vertrauen entgegenbrachte, um mir hin und wieder einen Blick auf sein wahres Ich zu gewähren, wusste ich zu schätzen.

»Keine Verbesserung?«, fragte er.

»Nicht genug. Ich bin ein paar Monate mit den Hypothekenzahlungen im Rückstand. Die Bank sitzt mir im Nacken.«

»Was ist mit diesem Kyle Garret?«

Vor sechs Monaten hatte mich ein Typ namens Kyle Garret kontaktiert, weil er das Studio kaufen wollte. Nach ein paar Nachforschungen hatten Carlos und ich herausgefunden, dass er ein riesiger Immobilienhai war, der in ganz Boston und an der Ostküste Land und Häuser aufkaufte und sie in protzige Eigentumswohnungen oder Apartmentsiedlungen umwandelte.

»So verzweifelt bin ich nun auch wieder nicht.« Okay, war ich doch. Aber in meiner Jugend war dieses Studio einfach alles für mich gewesen. Es war voll mit den Geistern meiner Vergangenheit, und obwohl manche davon eine ziemliche Heimsuchung waren, sorgten die anderen dafür, dass ich weitermachte. Ich musste nur einmal durch das Studio gehen, und schon kamen die Erinnerungen hoch: an die Saftbar in der Lobby, wo Mom Jake, Carlos und mich nach der Schule mit Bananenshakes und breit lächelnd begrüßt hatte. Studio B, wo Jake und ich unsere ersten Schläge parierten und danach von Grund auf lernten, warum Boxen als Sweet Science bezeichnet wurde.

Mein Bruder Dean und ich pflegten uns unter Dads Schreibtisch zu verstecken, um »Spione« zu spielen. Was so viel hieß, dass Dean auf Geheimmission war und ich ihm zuliebe mitmachte. Das ging bis zu dem Tag, als meine Eltern sich heimlich auf einen Quickie ins Büro zurückzogen und nicht ahnten, dass wir unter dem Tisch hockten. Einige Erinnerungen sind nicht besonders schön, aber sie gehörten mir, und sie waren alles, was mir geblieben war. Das wollte ich nicht auch noch verlieren.

Carlos seufzte. »Du weißt, wenn du wieder ins Spiel einsteigen würdest, könnte ich ein Match arrangieren …«

»Nein.« Das war kein Aufschrei gewesen, obwohl es sich in meinem Kopf so anfühlte. Kalter Schweiß lief mir den Rücken hinunter, während ich Carlos wütend anfunkelte. Er wusste verdammt genau, dass ich mit der Boxerei abgeschlossen hatte. Ein für alle Mal.

Er machte ein mitfühlendes Gesicht. »Hör zu, Mann, ist mir klar. Aber ich glaube nicht, dass Jake das gewollt hätte …«

»Ich sagte Nein.«

Allein schon der Gedanke an Jake ließ mich das tiefe Loch in meiner Brust fühlen. Mein bester Freund seit Sandkastenzeiten, dem ich damals näher gestanden hatte als meinem eigenen Schwachkopf von Bruder. Immer hielten wir uns gegenseitig den Rücken frei. Wir beide boxten. Waren beide auf dem Weg zum Erfolg. Zum Teufel, wir hatten es fast erreicht. Bis ein unglücklicher Schlag gegen die Schläfe sein Leben beendet hatte.

Ich spürte vor Entsetzen und Scham plötzlich einen zähen Kloß im Hals. Ihn zu verlieren, war schon schlimm genug gewesen; herauszufinden, dass Dad scheißviel Geld verloren hatte, weil er auf Jake gesetzt hatte, befleckte nicht nur das Andenken beider Männer, sondern auch den Boxsport selbst für mich.

Jake hatte seine Frau Marcy und ihr kleines Mädchen Rose hinterlassen. Zum Teufel, ich war mit Marcy zusammen aufgewachsen und hatte sie und Rose jetzt schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Jedes Mal wenn ich sie besuchte, war ich hinterher tagelang wie gelähmt vor Schuld und Trauer.

»Ich bin fertig damit«, erklärte ich Carlos, was völlig unnötig war. Denn er wusste es.

Plötzlich überkam mich der Drang, mich abzuschrubben. Ich hatte erst zwei Stunden vorher geduscht, doch ich fühlte mich schmutzig. Alles klebte vor Reue und Wut. Dads Scham war irgendwie auf mich übergegangen; ich wurde sie einfach nicht mehr los.

Erschöpft lächelte Carlos. »Ja, ich weiß. Aber auch für mich ist das Studio wichtig. Wenn es futsch ist, verlieren wir alle unser Zuhause.«

Ich konnte nicht mehr einfach so dasitzen. Also sprang ich auf und tigerte in dem kleinen Raum auf und ab. »Wir müssen das Geschäft weiter ankurbeln. Nein, was wir eigentlich brauchen, ist ein Sponsor.« Und ein verdammtes Wunder.

Carlos rieb sich das Kinn und beobachtete, wie ich auf und ab ging. »Das wäre eine Idee, aber warum sollte einer Interesse daran haben?«

»Zum Teufel, wenn ich das nur wüsste.« Ich seufzte und ließ die Schultern hängen. »Steuerliche Abschreibung? Die Freude, unseren Jugendlichen helfen zu können?«

In Carlos’ Augen blitzte Galgenhumor auf. »Deine fehlende Begeisterung ist nicht gerade überzeugend.«

»Weil ich eben nicht gut darin bin, Bullshit zu erzählen. Ich bin ein mieser Verkäufer.«

»Stimmt, Bro«, sagte jemand von der Tür her.

Dean, mein kleiner Bruder und Experte in Sachen Scheißebauen, stand lässig vor dem Büroeingang. Ich hatte echt keine Ahnung, wie um alles in der Welt ich mit so einem verwandt sein konnte. Vor allem trug er nicht Jeans und T-Shirt wie jeder andere hier, sondern einen dreiteiligen Anzug, der mit Sicherheit mehr kostete als seine Miete – die Miete, die im Übrigen ich bezahlte. Der kleine Pisser.

Außerdem war er einfach viel zu hübsch. Schon in der Grundschule waren die Mädchen ganz verrückt nach seinen blauen Augen und dem aschblonden Haar gewesen. Prince Fucking Charming. Ich verdrängte den Gedanken, dass er aussah wie meine Ma. Die vermisste ich jeden Tag.

Das war die eigentliche Hölle. Ich vermisste zu viele Menschen.

»Was ist los mit dir?«, fragte Dean und schlenderte in mein Büro. Er blieb stehen und schenkte mir ein breites, idiotisches Fake-Lächeln. »Heute, meine ich.«

Ich warf Carlos einen kurzen warnenden Halt-bloß-deine-verdammte-Klappe-Blick zu. Er blinzelte, hatte also verstanden. Ich hielt Dean aus geschäftlichen Problemen raus. Er hatte durchaus Potenzial zu was Großem – wenn er nur irgendwann mal den Arsch hochbekommen und sich einen Job suchen würde.

Carlos stand auf und ließ den Kopf auf den Schultern kreisen. »Rhys hat einen schlappen Schwanz.«

Ich stieß Carlos mit dem Ellbogen so heftig in die Rippen, dass er zur Seite taumelte. »Verzieh dich verdammt noch mal. Willst du mir so einen Scheiß anhexen, oder was?«

Carlos schnaubte und warf Dean einen Blick zu. »Willst du das übernehmen, Collegeboy? Kleiner Rat gefällig, wie man’s macht?«

»Nachdenken und beten?«

»Ihr seid beide echt saukomisch.« Aber unsere Masche hatte gewirkt. Dean war abgelenkt.

Nachdem Carlos sich verabschiedet hatte, lehnte ich mich gegen die Kante meines Schreibtischs und musterte Dean. »Was soll der Aufzug? Hast du ein Vorstellungsgespräch?«

Bitte, lass es so was sein. Der Junge hatte einen Abschluss in Informatik von der Boston University, hatte die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium mit Bravour geschafft und diverse Angebote von Graduierten-Studiengängen im ganzen Land, doch er wurstelte sich durch, arbeitete als Kellner und machte in seiner Freizeit mit Frauen herum.

Er grinste wie ein kleiner Junge am Weihnachtsmorgen. »Etwas in der Art.«

Blödmann. »Ist es jetzt ein Vorstellungsgespräch oder nicht?«

»Oh, ich hab den Job.« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Heute Abend gibt’s den Probelauf.«

Boxkämpfer müssen sich auf ihren Instinkt verlassen, und bei mir klingelten sofort die Alarmglocken. »Probelauf? Wovon zum Teufel sprichst du, Deanie?«

Sein Lächeln verblasste etwas. Er hasste es, wenn ich ihn Deanie nannte.

»Was für ein zwielichtiger beschissener Job, in dem man Anzüge tragen muss, hat Probeläufe?«, forschte ich nach, als er störrisch schwieg. »Oder fängt erst um … sechs Uhr abends an?«

»Sieh mal, eigentlich habe ich mich total darauf gefreut, es dir zu erzählen, denn es ist fucking fantastisch. Aber wenn du mir jetzt die Hölle heiß machst …«

»Erzähl. Auf der Stelle.«

»Na gut.« Dean holte sein Handy hervor und kam zu mir herüber. »Ich hab diese megacoole App gefunden, in die du dein Foto und deine Fähigkeiten reinstellst. Die sucht für dich Leute, die Jobs vergeben.«

»Das ist … gut.« Und doch standen mir immer noch die Nackenhaare zu Berge. Irgendetwas an seiner Art fand ich verdächtig.

»Also dachte ich mir, was zum Teufel, keiner stellt Leute wegen irgendwelcher Abschlüsse ein. Aber in manchen Dingen bin ich eben gut.«

»Was für Dinge?« Dieser verdammte Kerl. Nur neun Jahre jünger als ich, aber mit jedem Jahr, in dem ich mich mit ihm rumschlagen musste, war ich um weitere zehn gealtert.

Er zuckte mit den Schultern. »Wie Frauen charmant zu unterhalten. Ihnen ein gutes Gefühl zu geben.«

Langsam richtete ich mich zu voller Größe auf. »Frauen ein gutes Gefühl zu geben.«

»Ja«, antwortete er, als sei ich begriffsstutzig. »Ich kann super mit Frauen.«

»Was ist das für ein Job, Dean?«

Gelassen tippte er auf sein Handy. »Also, durch diese App hab ich diese süße Parker kennengelernt, die … und jetzt hör zu … bezahlt mich, damit ich sie begleite.« Seine Augen leuchteten auf. »Volltreffer, oder? Ich kann’s kaum glauben. Sie zahlt mir eine Wahnsinnskohle. Leicht verdientes Geld, und das alles für das, was ich sowieso gern mache. Und das Beste daran? Die Geschichte ist unbefristet.«

Das Blut schien mir aus dem Kopf zu sacken, bevor es in einer Woge zorniger Hitze wieder nach oben flutete. »Du prostituierst dich? Meinst du etwa das?«

Was hatte ich nur falsch gemacht?

»Was?« Entrüstet runzelte er die blonden Augenbrauen. »Nein! Ich leiste ihr nur Gesellschaft. Ich gehe mit Parker auf Dates, begleite sie zu irgendwelchen Veranstaltungen und Partys. So ein Kram halt. Ich meine, ich sag bestimmt nicht Nein, wenn sie mich fragt, ob …«

»Nein, verdammt noch mal. Unter gar keinen Umständen«, stieß ich knurrend hervor und ballte die Hände zu Fäusten. »Ich hab nicht achtzigtausend Dollar für deine Ausbildung ausgegeben, damit du dich für so eine snobistische reiche Tussi als Escort-Boy verdingst …«

»Oh, na klar, jetzt kommt die Leier, dass du meine Ausbildung bezahlt hast. Mal wieder.« Wütend und verletzt funkelte er mich an.

»Weil es nun mal so ist!« Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und zerrte daran. Ich war kurz davor, es mir auszureißen. »Ich habe jeden Cent, den ich übrig hatte, in dieses Studio und in dich gesteckt. Hab ich gern getan. Sehr gern sogar.« Das war das Mindeste, was ich hatte machen können; Dean brauchte eine Richtung, eine Ausbildung, einen Ausweg. »Verdammt will ich sein, wenn meine Bemühungen das Klo runtergespült werden wegen der Launen eines hirnlosen, bescheuerten …«

»Hey, Parker ist echt smart. Schau dir das an.« Er schob mir das Handy vors Gesicht. »Sie hat sogar das MIT besucht …«

Ich schnaubte. »Hätt ich mir denken können.«

»Und ihre Familie ist in Dutzenden von Wohltätigkeitsorganisationen.«

»Vögelt sich also durch die Lande, würd ich sagen.« Ich nahm das Smartphone – ich hatte keine andere Wahl, so dicht, wie er es mir vor die Nase hielt – und überflog den Artikel, den er geöffnet hatte. Eine süße, hübsche Frau, etwa von der Größe meines Daumens, mit großen braunen Augen unter sehr geraden Augenbrauen lächelte mich an. Es war ein gezwungenes Lächeln und ähnelte in nichts dem strahlenden, glücklichen Grinsen des älteren Paares neben ihr. Bei den beiden handelte es sich offensichtlich um ihre Eltern, und sie alle standen auf einer hügeligen Wiese, von der aus man den Ozean überblickte. Im Hintergrund konnte ich eine Villa im Cape-Cod-Stil erkennen.

»Mein Gott«, murmelte ich. »Die kommen aus New York, Dean.«

»Ja und?« Er lachte. »Was hast du gegen New Yorker?«

»Die Reichen … sind Arschlöcher.«

In dem Artikel ging es darum, dass Mr. und Mrs. Brown »den Sommer am Cape verbrachten« und für eine Kampagne zur Bildung bedürftiger Kinder Geld sammelten. Was nett war, allerdings noch lange nicht hieß, dass sie nette Menschen waren.

»Hätte dich nie für einen Snob gehalten, Bruder.«

Ich umklammerte das Handy. »Weißt du eigentlich, wie viele von diesen Typen ich getroffen habe, als ich noch im Ring stand? Sie reden nur davon, dass sie den kleinen Leuten etwas zurückgeben wollen, dass sie dein Freund sind. Doch in Wirklichkeit betrachten sie Leute wie uns lediglich als Frischfleisch. Bestenfalls als amüsant. Und wenn sie uns nicht mehr unterhaltsam finden, lassen sie uns fallen.«

Wo waren denn all meine so genannten Freunde? Nachdem Jake gestorben war und ich mich aus dem Geschäft zurückgezogen hatte, waren sie alle mir nichts, dir nichts von der Bildfläche verschwunden.

»So ist Parker nicht. Sie ist nett. Eigentlich sogar schüchtern.« Dean reckte das Kinn. »Und wenn sie mich als ihren persönlichen hübschen Begleitwelpen nutzen will und mir im Gegenzug einen Batzen Geld dafür bezahlt, dann lass ich sie.«

»Dean …«

»Ich hab dir das nur erzählt, weil ich dachte … ach, Scheiß drauf. Worauf’s ankommt, ist, dass das hier mein Leben ist und meine Angelegenheit. Ich zahl dir alles auf meine Weise zurück.«

Endlich bekam mein Bruder etwas Biss. Jahrelang hatte ich den Vater für ihn gespielt – mehr als Dad. Wegen dieser Verantwortung hatte ich ihm häufig sagen müssen, was er zu tun oder zu lassen hatte. Ich wollte, dass er zurückschlug, dass er die Verantwortung für sein Leben übernahm. Nur nicht auf diese Weise. Dafür war er einfach zu klug. Ich war derjenige, der sich im Schlamm wälzte. Dean musste unbedingt sauber bleiben.

Den Gesichtsausdruck, den er jetzt aufsetzte, kannte ich. Er meinte es ernst. Nichts würde ihn vom Gegenteil überzeugen. Trotz all unserer Unterschiede waren wir in diesem Punkt gleich – wir waren beide störrische Esel.

Er wandte sich zum Gehen, aber ich hielt die Hand hoch. »Warte.«

Dean erstarrte und verharrte.

Ich steckte sein Handy in die Tasche, so beiläufig, dass er es nicht merkte. »Wenn du darauf bestehst …«

»Ich werde es tun.«

Ich knirschte mit den Zähnen. Entspann dich. Bleib locker. »Dann solltest du dir vor eurem ersten Treffen wohl besser noch mal die Beißerchen putzen.«

Dean blickte so entsetzt drein, dass ich gelacht hätte, wäre ich nicht so angepisst gewesen. »Hab ich was zwischen den Zähnen?« Er fuhr sich mit der Zunge darüber.

Seine Zähne waren sauber, doch Dean aß eigentlich ständig irgendwas. Es hätte also durchaus sein können.

»Jep. Du hast’s noch nicht erwischt.« Ich deutete mit dem Kopf auf mein privates Büro-Badezimmer. »Mach dich eben mal sauber.«

Das musste man ihm nicht zwei Mal sagen. Schon eilte er auf den kleinen Raum zu.

Ich folgte ihm auf den Fersen und nahm im Vorbeigehen einen der hölzernen Besucherstühle von der Seite mit. Er war viel zu abgelenkt, um es mitzubekommen. »Und wo triffst du diese Frau?«

»Im Yvonne’s.«

»Protzig.« Ich war einmal dran vorbeigelaufen. Der Schuppen sah aus wie ein Club für die Ultrareichen.

Dean gluckste. »Ich muss ja nicht bezahlen.«

Ich verdrehte die Augen.

»In einer halben Stunde gibt’s Aperitifs, ich muss mich beeilen.« Im Spiegel zog er eine Grimasse, untersuchte sein Gebiss, das einer Zahnpastawerbung würdig gewesen wäre. »Ich sehe gar nichts …«

Den Rest hörte ich nicht mehr. Schnell knallte ich die Tür zu, drehte die Klinke nach unten und klemmte den Stuhl darunter. Gerade noch rechtzeitig. Von innen rappelte es heftig an der Tür.

»Rhys! Was zur Hölle? Mach die verdammte Tür auf!«

Ganz sicher nicht. Die würde verschlossen bleiben, bis jemand anders ihn rausließ. Ich würde Carlos informieren … in einer Stunde.

»Rhys!« Deans gedämpfte Schreie verfolgten mich zum Büro hinaus. »Das ist nicht witzig. Willst du mich verarschen?« Ein heftiger Schlag gegen die Tür. »Du verdammter Mistkerl!«

Recht hatte er. Aber ich bereute es nicht im Mindesten. Für so etwas war Dean einfach zu gut. Sollte er mich doch hassen, wie er lustig war. Doch ich würde dieser Parker Brown nun erst mal stecken, dass sie sich nicht mal mehr in die Nähe meines Bruders zu wagen hatte.

Als ich auf meine Maschine stieg, brodelte ordentliche Wut durch meine Adern. Parker Brown. Ich würde ihr die Hölle heiß machen, dass ihr Hören und Sehen verging.

2. Kapitel

Parker

Ich kam nicht zum ersten Mal zum Dinner hierher ins Yvonne’s. Doch es war das erste Mal, dass ich mit einem Typen aß, den ich dafür bezahlte, mein Date zu spielen. Mir drehte sich der Magen um, als ich mich auf einen luxuriösen Barhocker in nächster Nähe des Eingangs setzte. Gegenüber der Bar verlief eine lange niedrige Trennwand mit Marmorplatte, die den Bar- vom Restaurantbereich trennte. Das Schwatzen und Lachen der Gäste drang an meine Ohren.

Ich war so klein, dass meine Füße vom Barhocker herabbaumelten, und ungeduldig trat ich gegen eine Stange, die wahrscheinlich mehr kostete, als ich im Jahr verdiente.

Apropos … nervös sah ich auf die Uhr. Dean hätte längst hier sein müssen. Wir hatten verabredet, dass er zehn Minuten früher als mein Boss und dessen Vorgesetzter kommen sollte, sodass wir alles noch mal durchgehen konnten.

Ich kippte den Cocktail hinunter, den der gehetzte Barkeeper vor mich hingestellt hatte, und versuchte, das aggressive Geflatter der Schmetterlinge in meinem Bauch zu unterdrücken. Eigentlich fühlte es sich an, als wären sie meinem Magen entkommen, in die Lungenflügel ausgeschwärmt und nun wild entschlossen, mich zu ersticken. Ich wischte mir mit einer feuchten Hand die Stirn ab. »Reiß dich zusammen, Parker«, murmelte ich und wirkte wahrscheinlich, als hätte ich gerade vor, ein Schwerverbrechen zu begehen.

War es ein Schwerverbrechen, seinen Boss zu belügen?

Nein, definitiv nicht.

Unmoralisch?

Ja, definitiv ja.

Aber eigentlich bewies es doch nur, wie sehr ich meinen Job liebte und wie weit ich zu gehen bereit war, um einen Festanstellungsvertrag bei Horus Renewable Energy zu ergattern. Ich war in diese aufstrebende drei Jahre alte Firma eingetreten, nachdem ich meine Abschlussarbeit zum Thema »Dynamische Modellierung von Investitionen in die großtechnische Nutzung des Winds als erneuerbare Energiequelle« beendet hatte. Wiederholen Sie das schnell fünf Mal hintereinander.

Ich war begeistert, dass ich als Datenanalystin bei einem Unternehmen arbeiten konnte, das ein Vertriebsmodell entwickelt hatte, das zukünftige Energiepreise und die Auswirkungen erneuerbarer Energien auf die Marktentwicklung voraussagte.

Genau so eine Tätigkeit hatte ich mir gewünscht, und ich fühlte mich fantastisch, bis Pete aus der Gehaltsabteilung mir selbstgerecht grinsend steckte, dass ich nur eingestellt worden war, um die Frauenquote zu erfüllen, und dass ich wahrscheinlich entlassen werden würde, sobald mein auf sechs Monate befristeter Vertrag auslief.

Und warum?

Weil der Big Boss mit dem ganzen Geld, also der Hauptinvestor Mr. Franklin Fairchild, nur Mitarbeiter fest anstellte, die ihr Engagement auch im Privatleben bewiesen hatten. Irgend so ein Retro-Scheiß aus den fünfziger Jahren. Wenn ein Mitarbeiter nicht in einer festen Beziehung/verheiratet war, wenn er keine Kinder hatte und/oder in einer Mietwohnung statt einem Eigenheim lebte, betrachtete Fairchild ihn als Fehlinvestition. Wo war das persönliche Engagement? Wer im persönlichen Bereich schon nicht zu festen Bindungen bereit war, gab seiner Ansicht nach mit Sicherheit sofort Fersengeld, sobald ein besserer Deal am Horizont erschien.

Ich hatte mich dann bei verlässlicheren Quellen vergewissert, dass Pete mit seiner Einschätzung recht hatte.

Da ich die einzige alleinstehende kinderlose weibliche Analystin war, die sich zudem noch eine Mietwohnung mit einer Mitbewohnerin teilte, bekam ich Panik. Besagte Mitbewohnerin, Zoe, zeigte mir die Lösung in Form einer App. Mit ihrer Hilfe stieß ich auf Dean, den perfekten Fake-Freund. Er war gebildet, stammte aus Chelsea, war bodenständig, charmant, gutaussehend, und er hatte sich einverstanden erklärt, auf unbestimmte Zeit meinen Partner zu spielen. Auf unbestimmte Zeit.

Also, warum machte ich mir Sorgen?

Niemand würde es je herausfinden.

»Sie«, sagte eine tiefe Stimme neben mir. In anklagendem Tonfall.

Ich wandte den Kopf und musste beim Anblick meines Gegenübers mehrfach blinzeln. Ein sehr großer Mann schaute wutentbrannt auf mich herab. Seine Nasenflügel bebten wie bei einem angriffsbereiten Bullen. Mein Blick glitt an seinem Körper hinab und wieder hinauf. Ein Exemplar wie ihn hatte ich noch nie aus dieser Nähe gesehen. Der Typ war beinahe eins neunzig groß. Er trug Jeans, die schon bessere Tage gesehen hatten, und ein langes Thermohemd, unter dem sich sehr definierte Muskeln abzeichneten. Erstaunlich definierte Muskeln. Er hatte die Ärmel hochgerollt, sodass seine von dicken Adern durchzogenen Unterarme zu erkennen waren. Gab es im Yvonne’s denn keinen Dresscode?

Ich schaute ihm in die grünen Augen, die wunderschön gewesen wären, wenn er mich damit nicht so wütend angefunkelt hätte. Mich?

Was zum Teufel? Ich hatte keine Zeit für irgendwelchen Ärger. »Kann ich Ihnen weiterhelfen?«

»Parker Brown?«

Oh verdammt.

»Ja?«

Er kniff die Augen zusammen. »Ich bin Rhys Morgan. Deans großer Bruder. Er wird nicht hier erscheinen.«

Einen Moment lang konnte ich ihn nur anstarren. Wie konnte dieser Mensch Deans großer Bruder sein? Dean hatte helles Haar und blaue Augen. Er war ein ordentlich rasierter hübscher Mann. Dieser Typ hatte kurz geschorenes dunkles Haar, die bereits erwähnten grünen Augen, seine letzte Rasur musste schon ein paar Tage her sein, und mit diesen wilden, kantigen Zügen und der gebrochenen Nase gehörte er definitiv nicht in die Kategorie Modeltyp.

Wahrscheinlich hätten manche Frauen ihn durchaus attraktiv gefunden, aber für meinen Geschmack war er zu groß und zu ungehobelt.

Ich hatte eher ein Faible für süße Nerds.

Wie auch immer, zurück zur Sache … Ich riss meine Aufmerksamkeit von seinen beeindruckend definierten Bizeps fort. »Sie sehen ihm überhaupt nicht ähnlich.«

Wieder bebten seine Nasenflügel. »Ja, wir sind uns auch nicht ähnlich. Ich würde mich jedenfalls nicht für eine Oberschichtstussi aus Massachusetts prostituieren.«

Meine Wangen brannten, und entsetzt schaute ich mich um. Laut! Wow, er war wirklich laut! Ich hüpfte von dem Hocker herunter und legte ihm die Hände auf die Brust, um ihn zum Ausgang zu schieben, hielt jedoch plötzlich inne. Diese Brustmuskeln. »Oh, die sind aber hart.« Ich ließ ihn los, als hätte ich mich verbrannt.

Deans mutmaßlicher Bruder biss offensichtlich verärgert die Zähne zusammen.

»Lassen Sie uns ein Stück von der Bar weggehen und reden.« Ich drängte ihn um die Ecke in einen Durchgang zwischen Eingang und Restaurant und warf einem vorbeikommenden Gast ein »Alles in Ordnung«-Lächeln zu. Dann drehte ich mich zu Rhys um und wäre beinahe gegen seine Brust geprallt.

Er umfasste meine Oberarme und schob mich vorsichtig von sich. Nun da ich nicht mehr auf einem Barhocker saß, musste ich den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen. So riesig wie er sich vor mir auftürmte, fragte ich mich plötzlich, ob es nicht vielleicht ein Fehler war, mich überhaupt auf eine Unterhaltung mit diesem wütenden Kerl einzulassen, der mich zwischen seinen beiden riesigen Pranken wie eine Wanze zerquetschen könnte. Doch so leicht ließ ich mich nicht einschüchtern. Okay, zugegeben, der Typ hatte durchaus etwas Bedrohliches an sich, aber ich bewegte mich seit Jahren in einer von Männern dominierten Welt und kannte mich mit diesen Typen aus. In meiner Firma war ich momentan sogar die einzige Frau. Ich hatte schnell gelernt, mir bei keinem Typen, egal wie klug oder körperlich eindrucksvoll er war, anmerken zu lassen, dass er mich einschüchterte.

Oder verwirrte.

Auch wenn es noch so sehr zutraf.

»Zunächst einmal: Ich stamme nicht aus Massachusetts.« Keine Ahnung, warum das wichtig war, aber es war mir zuwider, dass er mich für eine dieser reichen, eingebildeten Snobs hier aus der Gegend hielt.

Rhys grinste höhnisch. »Sie sind eine New Yorkerin, die den Sommer am Cape verbringt.« Er sprach das Wort Sommer wie »Sommah« aus, in diesem breiten Bostoner Akzent, den ich normalerweise hinreißend fand. Doch an diesem Kerl hier war ganz und gar nichts hinreißend. »Kommt also verdammt noch mal aufs fucking Gleiche raus, Tinker Bell.«

Hilfe. Da kamen ja eine Menge Aggressionen zum Vorschein. »Jetzt mäßigen Sie sich gefälligst mal.« Meine Mutter hatte keine Mühe gescheut, Flüche aus meinem Vokabular zu verbannen, und das sogar noch, bevor ich Gelegenheit gehabt hatte, herauszufinden, wie man sie richtig benutzte. Demzufolge reagierte ich auf ungerechtfertigte Kraftausdrücke automatisch mit Unbehagen. »Und sich über meine Körpergröße lustig zu machen, ist extrem unhöflich.«

»Soll ich Ihnen mal sagen, was extrem unhöflich ist?« Er kam mir viel zu nahe, zwang mich, nach oben zu blicken, um den Augenkontakt aufrechterhalten zu können. »Einen verzweifelten Jungen anzuheuern, damit er Ihre Bedürfnisse befriedigt.«

Mein ganzer Körper wurde mit Sicherheit so rot wie das sprichwörtliche rote Tuch. Einen Moment lang brachte ich nur ein Stottern heraus. »Das … das habe ich überhaupt nicht gemacht«, zischte ich. »Zum einen: Er ist kein Junge mehr. Er ist fünfundzwanzig Jahre alt. Außerdem bezahle ich ihn nicht, damit er ›meine Bedürfnisse befriedigt‹. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich nicht durch die Annahme beleidigen würden, dass ich dafür bezahlen muss.«

Sein Blick wanderte gemächlich über meinen Körper hinweg, und er schnaubte.

»Ich werde ignorieren, was dieses Geräusch wohl zu bedeuten hat, da ich mich seit dem Tertiär durchaus weiterentwickelt habe. Zurück zum Punkt: Dean ist erwachsen, und ich habe ihn engagiert, damit er mich zu Terminen und Veranstaltungen begleitet, die mit meinen Kollegen und meinem Vorgesetzten stattfinden. Ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen: Meine Vorgesetzten sollen glauben, dass ich in einer festen Beziehung lebe, damit sie in Betracht ziehen, mir einen Festanstellungsvertrag zu geben. Mr. Fairchild ist in dieser Hinsicht etwas altmodisch.« Da. Das war sehr diplomatisch. In Gedanken klopfte ich mir selbst auf die Schulter. Es war das erste Mal, dass ich die Situation beschrieb, ohne Mr. Fairchild als sexistische Pest zu bezeichnen.

Rhys runzelte die Stirn. »Hören Sie auf zu lächeln, Tinker Bell. Es interessiert mich einen Scheißdreck, warum Sie Dean engagiert haben. Es war verdammt noch mal falsch, das ist Ihnen doch klar.«

Wütend funkelte ich meinen Ankläger an. Doch gleichzeitig erwachten so langsam Zweifel in mir. Außerdem war ich verletzt. War es wirklich falsch gewesen, Dean zu engagieren? Ich hatte angenommen, dass beide Seiten davon profitieren würden. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl gehabt, ihn zu übervorteilen oder zu benutzen, doch sein Bruder ließ es so aussehen. Als sei ich eine privilegierte Prinzessin, die glaubte, tun und lassen zu können, was sie wollte, nur weil sie Geld besaß.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weigere mich, hier weiter herumzustehen und mir weismachen zu lassen, dass ich etwas Falsches getan habe. Wenn Sie sich über die Entscheidungen Ihres Bruders ärgern, ist das Ihr Problem, denn er hatte durchaus die Wahl und wird sehr gut dafür entlohnt. Zweitausend Dollar die Woche, nur um auf ein paar Dates im Monat zu gehen, ist mehr als fair.« Es war lächerlich. Ich hatte dafür meinen Treuhandfonds anbrechen müssen. Allerdings gab es nun mal niemanden, der bereit gewesen wäre, für einen unbegrenzten Zeitraum meinen Freund zu spielen, ohne sich dafür nicht fürstlich entlohnen zu lassen.

Nicht dass ich bedauernswert hässlich oder eine unausstehliche Person gewesen wäre. Es war nur so, dass die meisten Anwärter eine zeitliche Begrenzung des Jobs verlangten, da sie noch andere Verpflichtungen hatten. Und ich hatte einfach keine Ahnung, wie lange ich diese Show noch abziehen musste.

Als Rhys hörte, um wie viel Geld es ging, wippte er einmal auf den Fersen zurück und schien einen Moment lang sprachlos zu sein.

Gut, denn so langsam wurde es höchste Zeit, dass er verschwand! »Sehen Sie, Mr. Morgan, meine Chefs können jede Minute hier sein. Ich wäre Ihnen also wirklich dankbar, wenn Sie gingen. Jetzt. Jetzt wäre wirklich gut.« Ich deutete auf die Tür hinter mir. »Bye-bye.« Er bewegte sich keinen Zentimeter. »Adios?« Er starrte mich weiter an. »Vámonos. Ciao. Au revoir.« Ich seufzte tief. »Husch, husch, weg mit Ihnen.«

Er sah mich grimmig an. »Meinten Sie das gerade ernst?«

»Wenn es wirkt, ja.«

»Darlin’, Sie haben echt einen Sprung in der Schüssel. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?«

»Hören Sie …«

»Parker, da sind Sie ja!«

Ich schloss ganz fest die Augen, wünschte mir, dass eine Tür zu einer anderen Dimension sich öffnen möge, damit ich Rhys Morgan in ihre dunklen Tiefen stoßen konnte, in der Hoffnung, dass er in einer Welt voller riesiger Sandnattern landen würde.

Mein Boss war da.

Ich öffnete die Lider, wandte mich um und setzte ein strahlendes Lächeln auf, während Jackson Sánchez, mein Chef, auf mich zukam, an der einen Seite flankiert von Mr. Fairchild und an der anderen von seiner Verlobten Camille.

Mir drehte sich der Magen um.

Als Jackson mir verkündet hatte, dass Mr. Fairchild das neueste Mitglied des Teams kennenlernen wollte (also mich), hatte ich ihm versprochen, meinen Freund mitzubringen, denn schließlich wusste ich, dass ich Fairchild beeindrucken musste. Ich hatte nicht nur ein schlechtes Gewissen, weil ich Jackson belogen hatte, den ich wirklich mochte und bewunderte, jetzt stand ich auch noch ohne besagten Freund da. Und zwar wegen dieses Höhlenmenschen neben mir. Eines Höhlenmenschen, der womöglich gleich damit herausplatzen würde, was ich getan hatte, und mir damit jegliche Chance rauben würde, meinen Vertrag mit Horus zu verlängern. Tatsächlich würde ich wahrscheinlich sogar gefeuert werden.

Wo war die Sandnattern-Dimension, wenn man sie mal brauchte?

Die drei scharten sich um uns, und mit wütenden Flügelschlägen kehrten die Schmetterlinge zurück, wild entschlossen, mir die Luft abzuschnüren.

Nun war ich geliefert.

»Mr. Fairchild, dies ist unser neuester und vielversprechendster Neuzugang, Parker Brown.« Jackson grinste mich an.

Ich streckte Mr. Fairchild die Hand entgegen.

Franklin Fairchild stammte aus dem alten Bostoner Geldadel. Er hatte als junger Mann geerbt und sein Vermögen durch geschickte Investitionen vervierfacht. Seinen eigenen Angaben zufolge war er von einem hervorragenden Beraterteam umgeben. Genau diese Berater hatten ihm gesagt, dass es klug wäre, in erneuerbare Energien zu investieren.

Er war auf diesem Gebiet allerdings keineswegs vollkommen unerfahren, was mich ein wenig nervös machte, denn er mischte sich erheblich mehr ins Firmengeschäft ein, als ich für möglich gehalten hätte. Ich war nicht davon ausgegangen, dass ein Mann wie er überhaupt Zeit dafür aufbrachte.

Fairchild schüttelte mir die Hand und presste sie mit einem aggressiven Kraftaufwand zusammen. »Winzige Frau, Riesen-Gehirn, was?« Er lachte.

Oh ja, als hätte ich das nicht schon öfter gehört. Ich lächelte gezwungen. Während Jackson sich nun an Rhys wandte, war mein Lächeln umso gequälter. Ich war wie gelähmt.

»Und dies ist sicher Ihr Freund.« Jackson konnte sich eine überraschte Miene nicht verkneifen. Natürlich war er überrascht! Rhys war absolut nicht das, was jemand von mir erwartet hätte, und ich wusste ganz sicher, dass ich auch nicht Rhys Morgans Typ war. Ein Kerl wie er stand vermutlich auf Frauen mit riesigen Brüsten und einem straffen Hintern, der durch tägliche Burpees jeder Schwerkraft trotzte.

Ich öffnete den Mund, wollte gerade energisch Nein rufen, als …

»Ja.« Rhys schüttelte Jackson die Hand. »Ich bin Parkers Freund. Rhys. Wie geht es Ihnen?«

Womöglich hatte mein Hirn in diesem Augenblick ein Problem mit der Signalübertragung, denn ich bildete mir ein, dass er gerade behauptet hatte, mein Freund zu sein.

Rhys grinste mich an, und der Teufel tanzte in seinem entwaffnenden Blick.

Er hatte es getan!

Er hatte es tatsächlich getan!

Was zur Hölle hatte er vor?

Mir wurde übel. Gleich würde ich mich über Mr. Fairchilds Prada-Slipper erbrechen.

»Rhys?« Mr. Fairchild boxte sich förmlich an Jackson vorbei, um zu meinem Peiniger zu gelangen.

»Rhys Morgan, da hol mich doch der Teufel.«

Moment mal, wie bitte?

Ich beobachtete, wie Fairchild auch die Hand meines »Freundes« fest zusammendrückte und ihn angrinste, als sei Rhys der Messias persönlich, der wieder vom Himmel herabgestiegen war. Dann hatte ich das Gefühl, der Boden würde unter mir nachgeben, denn er wandte sich Jackson zu und sagte: »Sie haben mir gar nicht erzählt, dass Parker mit Rhys Morgan zusammen ist.«

Während wir ihn verständnislos ansahen, lachte Fairchild nur schallend. »Er ist der beste gottverdammte Boxer in der Schwergewichtsklasse, den dieses Land in einer ganzen Generation gesehen hat.« Er schlug Rhys auf die Schulter. »Sie sitzen neben mir, mein Sohn.«

Wie bitte?

Mr. Fairchild ging mit Deans Bruder ins Restaurant voran. Rhys drehte sich zu mir um und zwinkerte mir zu.

Tatsächlich! Er zwinkerte!

Igitt! Er war der Teufel.

Hatte ich mit meinen Fantasien über Sandnattern-Welten unabsichtlich ein Tor zu einer anderen Dimension geöffnet, in der ein wütender Boxer gerade meinen Chefs das Lügenmärchen aufgetischt hatte, mit mir zusammen zu sein?

Jackson und Camille grinsten. »Rate mal, wer gerade zur Lieblingsschülerin aufgestiegen ist?«, neckte Jackson mich. Als ich die Stirn runzelte, lachte er. »War nur ein Witz. Doch es ist immer von Vorteil, bei derlei Arbeitsessen Fairchild bei Laune zu halten. Das ist super, Parker.«

Nein.

Das war eine Katastrophe.

3. Kapitel

Rhys

Was war verdammt noch mal nur los mit mir? Nach außen hin ging ich zwar ausgesprochen entspannt neben Fairchild her, hatte aber das Gefühl, mit Karacho auf einem außer Kontrolle geratenen Karren einen Hügel hinabzurasen. Ich wollte nicht hier sein. Ganz sicher wollte ich nicht die Partybegleitung für so eine typische – wenn auch süße – reiche Tussi sein. Und doch war ich hier und durchquerte das Restaurant, das übrigens eher wie die Bibliothek eines exklusiven Herrenclubs aussah.

Die Gäste drehten sich nach uns um, und mehr als einer musterte ausgiebig meine zerrissene Jeans und die abgewetzten Stiefel. Hier trug man Anzug und Abendrobe, keine abgewrackte Arbeitskluft.

Die verantwortungsbewusste Stimme in mir rief: Raus hier, dreh dich um und mach verdammt noch mal, dass du so schnell wie möglich wegkommst! Denn hier bahnte sich eine Katastrophe an. Leider hatte ich mein Leben lang immer auf den Heißsporn in mir gehört, der die Dinge auf sich zukommen ließ und eher neugierig war. Außerdem freute mich Parker Browns entrüsteter Blick, der mir bei jedem Schritt, den ich weiterging, ein Loch in den Rücken zu brennen schien.

Mit dieser Mischung aus Unschuldsbeteuerungen und Wutanfällen war sie schon eine ganz besondere Marke. Und es war eine Leistung, dass sie nicht nur ihre süße Nase rümpfte, sondern auch noch auf mich herabblickte, obwohl sie mir kaum bis zur Schulter reichte. Dieses kleine freche Biest hatte mir doch tatsächlich Paroli geboten. Wenn sie nicht vorher versucht hätte, meinen Bruder zu kaufen, hätte ich das vielleicht sogar noch ganz niedlich gefunden.

Obwohl ich in Fairchilds Lachen mit einstimmte und so tat, als würde ich zuhören, während er über die Ergebnisse diverser Boxkämpfe vor sich hin brabbelte, ließ ich Parker nicht aus den Augen, ähnlich einem Gegner, mit dem ich bald in den Ring steigen würde. Ja, die Zuschauer rasten, wenn man sich vor einem Kampf als Held aufspielte, tatsächlich aber ging es darum, den Gegner psychisch fertigzumachen.

Bei Parker Brown schien es gewirkt zu haben. Sie war tatsächlich durch den Wind. Ich hätte schwören können, dass sie etwas von Sandnattern vor sich hin gemurmelt hatte, was immer das bedeuten sollte. Ich fand ihre Wut amüsant.

Nachdem ich ihr Foto gesehen hatte, war ich davon ausgegangen, dass sie sich so schnell verkrümeln würde wie trockenes Toastbrot, sobald ich sie zusammenpfiff. Ansonsten hatte ich sie ganz hübsch gefunden, wenn auch nicht sonderlich bemerkenswert. In beiden Fällen hatte ich mich geirrt. Ja, sie war fassungslos gewesen, und ihr Gesicht hatte ein attraktives Tiefrosa angenommen, aber sie war keineswegs zusammengeklappt. Und das Foto war ihr absolut nicht gerecht geworden.

Sie sah aus wie eine zartgliedrige Fee mit feinen Gesichtszügen. Ihre glatte Porzellanhaut hatte einen gesunden rosigen Schimmer, und ihre dunkelbraunen Augen schienen viel zu groß für ihr herzförmiges Gesicht. Eigentlich stand ich gar nicht auf Frauen wie sie. Mir gefiel ein guter schweißtreibender Fick zur Entspannung. Bei Parker hätte ich ja Angst, sie zu zerbrechen. Ihre Taille konnte ich womöglich mit beiden Händen umspannen.

Ich verdrängte die Vorstellung, wie ich diese schlanke Taille festhielt, während ich … Nein. Nein. Nein. Disziplin, Morgan. Denk an deine verfluchte Disziplin.

»Da will ich doch verdammt sein, Rhys Morgan«, rief Fairchild jetzt bestimmt zum zehnten Mal. Seine Begeisterung schien nicht nachzulassen. »Man hätte mich mit einer Feder umhauen können, als ich Sie da stehen sah.«

Ein einfacher Aufwärtshaken hätte es auch getan. Obwohl er ziemlich groß war und einigermaßen in Form zu sein schien, hatte er etwas von einem Weichei – Kerl mit tougher Schale, der den Mund ziemlich voll nahm, aber beim ersten Anzeichen körperlicher Bedrohung zusammenklappte. Trotzdem hielt er sich offensichtlich für den Größten.

Er stolzierte durchs Restaurant, als ob es ihm gehörte. Vielleicht war das ja sogar der Fall. Der Typ triefte nur so vor Geld, angefangen von seinem grauen maßgeschneiderten Savile-Row-Anzug bis hin zu seinen eleganten italienischen Slippers. Früher hatte ich auch mal genug Geld gehabt, um mir so was leisten zu können, und hatte ausgesehen wie ein megaaufgeblasener Pfau. Aber diese Tage waren zum Glück vorbei.

Leider drängte mich Fairchild jetzt, die Erinnerungen wieder aufzurufen. Er legte mir den Arm um die Schulter, schüttelte und drückte mich. »Wo waren Sie nur die ganze Zeit über, Sohn?«

Nur ein einziger Mann hatte das Recht, mich Sohn zu nennen, und der war tot. Ich biss die Zähne zusammen und zuckte leicht mit den Schultern, um seinen Arm abzuschütteln. »Hier und da.«

Die hübsche Kellnerin blieb vor einem Tisch in einer abgelegenen Nische stehen. Sie zog einen Stuhl heraus, und lässig setzte Fairchild sich hin, noch bevor Parker Gelegenheit dazu hatte. Der Typ hatte wirklich Klasse.

Ich wandte mich um und schenkte meinem »Date« ein strahlendes Lächeln, bevor ich einen weiteren Stuhl herauszog. »Sweetheart?«

Ihre glänzenden dunklen Augen schienen wild-zornige Funken zu sprühen, aber sie verzog das Gesicht zu einem Lächeln – das allerdings eher zur Grimasse geriet, wirklich – und nahm auf dem ihr angebotenen Stuhl mit der gelassenen Grazie eines Menschen Platz, der von Geburt her an Reichtum gewöhnt war.

»Danke.«

Ihre Lippen waren hart und kühl.

Plötzlich stellte ich mir vor, was sie damit sonst noch so anstellen könnte … Disziplin, verdammt noch mal! Unter gar keinen Umständen würde ich mich von Fifth-Avenue-Prinzessin Parker Brown auf dumme Gedanken bringen lassen.

Sie bot lediglich eine mögliche Lösung für meine momentanen Probleme. Denn so ungern ich Dean auch zustimmte, ein paar Tausend Dollar die Woche, nur weil man so tat, als sei man ihr Freund, war leicht verdientes Geld. Und das brauchte ich dringend! In einer seltenen, aber brillanten Einsicht war mir die Idee gekommen, dass ich hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Fairchild war ein Fan und verdammt noch mal stinkreich, was ihn zu einem potenziellen Sponsor für das Fitness-Studio machte. Ich musste ihn nur noch davon überzeugen.

Und ansonsten würde ich diesen Abend einfach als Gelegenheit verbuchen, ein bisschen mit den Ketten zu rasseln, um Parker den Versuch, meinen Bruder zu kaufen, heimzuzahlen. Danach wäre ich wieder weg und aus ihrem Leben verschwunden.

Ich räusperte mich und setzte mich auf den Stuhl neben sie. Doch Fairchild verzog das Gesicht – wie ein verwöhntes trotziges Kind. »Ich dachte, Sie würden neben mir sitzen, Rhys. Ms. Brown, tauschen Sie die Plätze.«

Parker erbleichte. Ihre pinkfarbenen Lippen öffneten und schlossen sich wie bei einem verwirrten Fisch. Eben hatte sie mir noch die Hölle heiß gemacht, ließ sich also nicht so schnell einschüchtern. Vermutlich war sie also jetzt hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihm zu sagen, er solle bleiben, wo der Pfeffer wächst, oder zu tun, was er verlangte, um ihren Job zu sichern.

Eigentlich hätte ich sie gern leiden lassen, aber so war ich von meiner Mom nun mal nicht erzogen worden. Außerdem war Fairchild ein Arschloch. Ich brauchte vielleicht sein Geld, aber wenn ich mich zu seinem Fußabstreifer machte, würde er mich null respektieren.

Ich beugte mich zu ihm vor, nagelte ihn mit meinem Blick fest, lächelte jedoch dabei. »Ich kann mich auch von hier aus bestens mit Ihnen unterhalten, Fairchild. Ich hätte meinen Liebling gern an meiner Seite.«

Ich legte den Arm um Parkers schmale Schultern und drückte sie liebevoll an mich. Sie gab ein ersticktes Gurgeln von sich, überspielte es aber, indem sie breit und sehnsüchtig lächelte und sich an mich lehnte, der Inbegriff einer liebenden Freundin. Aber unter dem Tisch presste sie ihren spitzen Absatz auf meine Stiefelspitze. Hart.

Als ich weder zusammenzuckte noch zurückschreckte, warf sie mir mit ihren braunen Augen einen Blick zu.

Ich grinste sie an. Stahlkappenschuhe, Schatz. So ist das nun mal, wenn man sich mit einem aus der Arbeiterklasse anlegt. Ihr zorniger Seitenblick verhieß spätere Vergeltung. Ich freute mich schon darauf. Viel zu sehr. Es machte Spaß, sie zu ärgern. Aber es war ein Fehler gewesen, sie zu berühren; ihre seidig-zarte Haut duftete wie eine Mischung aus Rosen und schwüler Sinnlichkeit. Ich war wohl nicht mehr ganz bei Trost, denn am liebsten hätte ich mich noch weiter zu ihr vorgebeugt, tief eingeatmet und meine Lungen mit diesem seltsamen Mix aus Unschuld und Sünde erfüllt.

Was zum Teufel ging mir denn da durch den Kopf? Unschuld und Sünde? Wie zum Henker kam ich denn auf so was? Verdammt, diese Tussi brachte mich noch ganz durcheinander. Ich ließ den Arm sinken und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Jackson nahm uns gegenüber Platz.

Dann trat die Kellnerin an den Tisch, um unsere Getränkebestellungen entgegenzunehmen – ich war der Einzige, der ein Bier wollte, woraufhin Parker die Lippen aufeinanderpresste. Aber unter gar keinen Umständen würde ich mich auf das harte Zeug einlassen, das Fairchild trank. Er hatte einen Macallan 25 – pur – bestellt. In puncto Whiskey mochte ich zwar ein Banause sein, wusste aber, dass ein Glas davon ihn heute Abend mindestens um zweihundert Dollar ärmer machen würde. Parker konnte eigentlich von Glück sagen, dass ich bei meinem Fassbier für fünf Dollar blieb.

Die Kellnerin war kaum verschwunden, als Franklin schon wieder anfing. »Kann immer noch nicht glauben, dass Sie aufgehört haben, Morgan. Oh, ich versteh schon. Es war nach dem Tod Ihres Vaters.« Er machte eine Handbewegung, als wolle er diese kleine Unannehmlichkeit einfach vom Tisch wischen. »Aber eine Trauerpause hätte es schließlich auch getan.«

Die offizielle Geschichte, die ich der Welt – und Dean – erzählt hatte, lautete, dass ich nach dem Tod meines Vaters den Kampfgeist verloren und daher beschlossen hatte, mich nur noch auf meine Familie zu konzentrieren. Größtenteils stimmte das sogar, und offiziell war das die beste Erklärung überhaupt, denn verdammt wollte ich sein, wenn ich Jake erwähnte. Niemand würde auf meine Kosten noch mehr von ihm erfahren.

Doch jetzt saß Fairchild vor mir und ließ einfach nicht locker mit seinen Fragen. Ich fletschte die Zähne, maskierte es als Grinsen, hätte mich aber am liebsten auf ihn gestürzt und zugebissen. »Ich bedaure meine Entscheidung nicht. Ich habe mir jetzt etwas Besseres aufgebaut.«

»Etwas Besseres?« Er schnaubte. »Nichts könnte besser sein, als in den Ring zu steigen und den Gegner zu vernichten.«

Ich war ziemlich sicher, dass es noch befriedigender gewesen wäre, diesem Kerl eins aufs Maul zu geben. Aber ich zuckte nur müßig mit den Schultern und gab keine Antwort.

Nachdem ich auf Fairchilds Ansinnen nicht eingegangen war, schien Jackson glücklicherweise entschlossen, die Stimmung etwas aufzulockern, und wechselte das Thema.

»Franklin«, sagte er. »Ich freue mich sehr, dass Sie Parker endlich kennenlernen. Ihre Vorschläge für unser Prognosemodell trugen maßgeblich zu seiner Verbesserung bei, sodass sogar ein wichtiger Kunde auf dem europäischen Markt sein Interesse angemeldet hat …«

Fairchild schnaubte abfällig und schnitt Jackson mit einer kurzen Handbewegung das Wort ab. »Zu meiner Zeit hat man sich nur auf sein Bauchgefühl verlassen, nicht auf neumodische Computersoftware.«

Parker zuckte bei diesem verbalen Tiefschlag zusammen. Und ich hatte den Impuls, ihm ihretwegen eine zu pfeffern. Aber wie jeder gute Kämpfer steckte sie den Schlag ein, schluckte die Niederlage hinunter, straffte die Schultern und richtete sich kerzengerade auf.

Ihr Lächeln war kühl und geschäftsmäßig. »Dem stimme ich zu, Mr. Fairchild. Es geht doch nichts über einen gut ausgeprägten Instinkt.« Ihr Tonfall strahlte Ruhe und Selbstsicherheit aus. »Meine vordringliche Aufgabe besteht darin, Ihnen die Informationen zu liefern, um diese Instinkte durch Fakten zu stützen. Dabei ziehe ich diverse Faktoren in Betracht – den stündlichen Energiebedarf, die generellen Strompreise, den Erzeugungsmix …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, wie um anzudeuten, dass es dabei um grundlegendes Zeugs ging. »… und berücksichtige Variablen wie den Stromanteil aus erneuerbaren Energien und den grenzübergreifenden Energiefluss für diverse europäische Märkte. Diese Informationen verdichte ich zu Berichten und Datenmengen.«

Nun starrten wir sie alle an, bezaubert von ihrer Eiskonfektstimme und ihrem sanften Selbstvertrauen. Und sie war sich dessen bewusst.

»Dadurch«, fuhr sie fort, »können sich unsere Kunden ein klareres Bild von den verschiedenen Möglichkeiten machen, die ihnen offenstehen.«

Zweifellos hätte sie endlos fortfahren können, aber nun hielt sie inne, legte die Hände auf den Tisch und sah Fairchild mit diesen braunen Rehaugen an.

Ich hätte am liebsten laut aufgelacht und vielleicht sogar applaudiert. Das war nicht die fassungslose Hyäne, mit der ich gestritten hatte, und auch nicht das nervöse Dummchen von der Bar, das aufgeregt mit den Füßen wippte, während es auf Dean wartete. Diese Parker hatte wirklich Ahnung von ihrem Mist und ließ sich so schnell nicht einschüchtern.

Leider blinzelte Fairchild nur, als lichte sich gerade der Nebel um seinen Kopf. Er warf ihr einen desinteressierten Blick zu, dann wandte er sich Jackson wieder zu. »Na ja, reden kann sie, das steht fest.«

Jackson machte ein Gesicht, als wolle er Fairchild treten. Parker hingegen sah aus, als sei sie gerade getreten worden.

Fairchilds wässrige Augen richteten sich wieder auf mich, und ein Lächeln erhellte sein wettergegerbtes Gesicht. »Was immer zum Ziel führt, hmm?«

Sollte ich jetzt etwa zustimmend lachen? Fuck, eigentlich bestand mein Ziel darin, diesen Volltrottel zu umgarnen. Also würde ich mich auf einem sehr schmalen Grat zwischen Zustimmung und Zurückweisung bewegen müssen.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich war mir immer im Klaren darüber, wie wichtig es ist, nur die Besten in meinem Team zu haben.«

Fairchild gluckste und zwinkerte mir grinsend zu. »Sie sind zu bescheiden. Rhys Witwenmacher Morgan braucht nichts weiter als einen guten Doppelpunch, um seine Gegner k. o. zu schlagen.«

Witwenmacher. Innerlich zuckte ich heftig zusammen, und mir wurde leicht übel. Als ich noch im Geschäft gewesen war, hatte ich diesen Titel, den die Presse mir gegeben hatte, mit Stolz getragen. Ein solcher Spitzname galt als Ehrenbezeugung. Dann war Jake gestorben. Jake, der Marcy und ihre kleine Tochter Rose hinterlassen hatte. Ich war für Jakes Tod zwar nicht verantwortlich gewesen, aber ganz sicher wollte ich heute nicht mehr als verfluchter Witwenmacher bezeichnet werden.

Meine Schultern waren zu angespannt. Ich ließ sie kreisen und trank einen Schluck Wasser. »Es geht nichts über einen guten K. o.-Schlag …« Darf ich das gerade mal demonstrieren? Bitte, bitte? »Aber diese Erfolge hätte ich nie ohne meine Trainer gehabt.« Ich beugte mich zu Parker hinüber, bis unsere Schultern sich berührten. Ein Funkenregen schoss mir durch den Arm. Verdammt. Konzentrier dich. »Und vor Kurzem wurde mir klar, dass die Liebe einer guten Frau alles noch besser macht.«

Beinahe hätte ich über meine eigenen Worte gekotzt. Und wenn das leise Geräusch, das Parker von sich gab, mich nicht täuschte, musste sie zumindest würgen. Aber ich warf ihr dennoch einen dümmlich verliebten Blick zu. »Parker ist einfach eine Granate.«

Fuck, ich klang regelrecht schwanzgesteuert. Am liebsten hätte ich mir selbst einen Tritt in den Hintern verpasst.

Doch Typen wie Fairchild kannte ich nun mal aus dem Effeff. Er feierte mich zwar wegen meiner Erfolge im Boxsport, hasste sich aber gleichzeitig für seine Bewunderung, denn er betrachtete sie als Schwäche. Ich musste ihm meinerseits ebenfalls eine kleine Schwäche offenbaren. Ein kleines Täuschungsmanöver, um ihn einzuwickeln, ihm das Gefühl zu geben, überlegen zu sein, gefolgt von einer gut gesetzten Geraden, um ihn auf Trab zu halten. Typen wie Fairchild liebten eine Herausforderung, aber zu heftig durfte sie auch wieder nicht sein.

Diese Art von Tanz hasste ich. Doch ich tat es für das Studio. Für Dean, obwohl der mir niemals dankbar dafür sein würde. Vor allem aber tat ich es, um die Hypothek auf das Gym zahlen zu können und es am Ende nicht doch noch an jemanden verkaufen zu müssen, der es abreißen würde, um auf dem Grundstück überteuerte Eigentumswohnungen zu errichten. Außerdem steckte Parker Brown – trotz ihres Superhirns – ziemlich in der Klemme. Dean konnte sie bei dieser Sache nicht brauchen. Er hätte es garantiert schon vermasselt und Fairchild zur Weißglut gebracht. Sie brauchte mich.

»Stimmt’s nicht, Sweetheart?«, fragte ich und legte ihr erneut den Arm um die Schultern, wobei ich dem Drang nachgab, meine Nase in ihrem Haar zu vergraben. Mein Gott, was duftete sie gut! Daran musste ich mich wohl gewöhnen. Und daran, dass mein Schwanz sofort reagierte, sobald ich ihr näher kam.

Ruhig Blut, Junge.

Ihr Lächeln war so angespannt und aufgesetzt, dass ich am liebsten laut losgelacht hätte. Sie legte mir die Hand auf den Schenkel – viel zu nah an dem besagten Körperteil. Blassrosa Nägel vergruben sich in meinem Hosenbein, hart genug, dass ich es sogar durch die Jeans hindurch spürte.

Das würde durchaus Spuren hinterlassen. Sie war wirklich so niedlich wie eine wütende kleine Fee.

»Du bist wirklich süß, Dicker«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Dicker? Ich schnaubte leise vor unterdrücktem Lachen.

»Sind Sie schon lange zusammen?«, erkundigte sich Fairchild, nachdem die Kellnerin uns die Drinks serviert hatte.

»Eine gefühlte Ewigkeit«, antwortete Parker leichthin.

»Ich muss zugeben, dass ich überrascht bin, Sie an Ms. Browns Seite zu sehen«, fuhr Fairchild fort und nippte an seinem Scotch. »Als aktiver Sportler hatten Sie schließlich dauernd eine neue Gespielin am Arm.« Er gluckste. »Ich kann mich sogar noch daran erinnern, wie Morgan bei einem Kampf gleich mit drei Frauen aufkreuzte«, sagte er zu Jackson. »Eine pro Arm, und die dritte ging zum Ring voran.«

Dieser verdammte Kerl.

Gern hätte ich Parker nun in die Augen gesehen und ihr einen bedauernden Blick zugeworfen. Allerdings ginge der wahrscheinlich ohnehin ins Leere; die Frau war total verspannt und vibrierte beinahe vor Zorn. »Äh, na ja … man weiß eben, wann es die Richtige ist.«

Ich prostete Parker mit meinem Bier zu und trank einen tiefen Zug. Von romantischer Liebe hatte ich keinen blassen Schimmer. Aber für die Gelegenheit, alles zu retten, was ich tatsächlich liebte, würde ich sie vortäuschen. Also lehnte ich mich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch – offensichtlich sehr zum Missfallen von Miss Oberlehrerin.

»Reden wir nicht mehr über Frauen«, sagte ich zu Fairchild. »Haben Sie je die Geschichte gehört, wie ich in einem Underground-Fight auf Donny Douglas getroffen bin?«

Wie erwartet leuchteten Fairchilds Augen auf. »Nein. Wann denn?«

Jetzt war er mir auf den Leim gegangen. Ich stürzte mich auf die Geschichte, wusste, dass sie Fairchild amüsieren würde und dass er meine Gesellschaft – und damit auch Parkers – mit jedem Wort mehr genießen würde. Ja, sie brauchte mich. Sie wusste es nur noch nicht. Aber das würde sie schon noch einsehen.

4. Kapitel

Parker

Ich erschauerte in der kühlen Frühlingsluft, und mein Herz pochte laut, während ich beobachtete, wie Rhys sich leise mit Mr. Fairchild unterhielt. Jackson und Camille waren bereits gegangen. Endlich stieg Fairchild in seine Limousine, und mit wütend zusammengekniffenen Augen beobachtete ich, wie Rhys wieder zu mir zurückschlenderte.

Er stolzierte so großspurig einher wie ein Mann, der gerade einen Boxkampf gewonnen hatte.

Dieser Mistkerl.

»Also, ich hab Ihnen gerade den Arsch gerettet.« Er besaß doch tatsächlich die Unverfrorenheit, zu grinsen.

Die Wut, die schon seit Beginn dieses Dinners in mir gebrodelt hatte, drohte jetzt überzukochen. Wenn ich noch eine Sekunde länger hierblieb, würde ich ihn allein kraft meiner Gedanken vernichten.

Da war ich mir ganz sicher!

Niemand konnte so viel Wut in sich haben, ohne dabei Energie freizusetzen. Abrupt wandte ich mich vom Yvonne’s ab, um Richtung Süden zu meiner Wohnung zu laufen, die ich mir mit meiner besten Freundin Zoe teilte. Dieser halbstündige Fußmarsch würde mir guttun und diese ungewohnte Wut vertreiben.

»Ich begleite Sie nach Hause, dann können wir die Konditionen festlegen.« Rhys hatte mich eingeholt und lief neben mir her.

Mein Zorn wich atemloser Verblüffung. »Wie bitte?«

Er zuckte mit den Achseln. »Sie brauchen doch immer noch jemanden, der Ihren Freund mimt, oder? Und ich kann mit einiger Sicherheit behaupten, dass Fairchild uns die Show abgekauft hat und mich für den größten Scheißer aller Zeiten hält.«

Ja, Fairchild hielt Rhys definitiv für den Größten. Natürlich. Immerhin waren sie beide Neandertaler. Ich knirschte mit den Zähnen, frustriert, dass ich mit meinen kürzeren Beinen dem großen Boxer neben mir so schnell nicht entkommen würde. Einem Boxer, um Himmels willen!

Nicht, dass ich etwas gegen den Boxsport einzuwenden hätte. Jede Wettkampfsportart zeugte von Disziplin, Entschlossenheit und besonderen Fähigkeiten. Das alles waren wertvolle Eigenschaften.

Nein, das Boxen störte mich nicht.

Es erklärte die Muskeln und das gebrochene Nasenbein.

Umso mehr störte ich mich jedoch an dem speichelleckerischen Männerbündnis, das zwischen Rhys und Fairchild erblühte. Er hatte zwar dem rückständigen, bis zur Schmerzgrenze frauenfeindlichen Macho-Gewäsch meines Chefs kein einziges Mal zugestimmt, aber Kontra hatte Rhys ihm auch nicht gerade gegeben.

Einen Großteil des Abends hatten Jackson, Camille und ich zuhören müssen, wie Fairchild von Rhys mit Erlebnissen aus seinen ruhmreichen Tagen als Boxer unterhalten wurde. Die Geschichten waren zwar durchaus interessant gewesen, aber gleichzeitig auch immer eine Gelegenheit für Fairchilds sexistische Kommentare, die er in seinem krankhaften Männlichkeitswahn absondern musste.

Der eigentliche Zweck dieses Abendessens hatte darin bestanden, Fairchild vor Augen zu führen, dass ich ein wertvoller Gewinn für sein Team war. Aber er hatte sich ausschließlich für Rhys interessiert.

»Sie haben mein Dinner in den Sand gesetzt«, zischte ich wutentbrannt.

»In den Sand gesetzt?«, sagte Rhys schnaubend. »Immer wenn Jackson die Sprache auf erneuerbare Energien lenkte, wurde Fairchilds Blick glasig. Sie sollten mir danken, weil ich dafür gesorgt habe, dass der Typ das Essen interessant genug fand, um bis zum Ende zu bleiben.«

»Ja, und ich habe es total genossen, dass er Sie ständig darüber ausgequetscht hat, wie viel Blut Sie vergossen und wie viele Frauen Sie flachgelegt haben. Über so was rede ich beim Dinner am liebsten.«

»Hey, ist nicht meine Schuld, dass Ihr Boss keine Manieren hat. Der Punkt ist doch, dass ich ihn bei der Stange gehalten habe. Der Kerl liebt mich.«

Würg, leider wahr.

»Ich glaube, wenn Sie wollen, dass der Typ Ihren Vertrag verlängert, dann sollten Sie mir die zweitausend Dollar die Woche zahlen, damit ich Ihren Freund mime. Er will mich wiedersehen, und dann wäre ich immerhin Ihre ständige Begleitung, stimmt’s?«

Ich blieb ruckartig stehen. In meine Wut mischte sich Frustration, denn sein Vorschlag klang tatsächlich logisch. Er hatte absolut recht. Wie ätzend! »Ich kenne Sie doch überhaupt nicht.«

Ein Muskel an seinem Kinn zuckte. »Aber meinen Bruder kennen Sie? Oder besteht der Unterschied darin, dass er einen Abschluss hat und ich der ungebildete Schwachkopf bin, der nur ein Gym leitet?«

Warum wollte er immer nur das Schlimmste in mir sehen? »Sie sind ziemlich voreingenommen.«

Rhys’ Miene verfinsterte sich. »Fuck, Tinker Bell, wie Sie schon sagten, Sie kennen mich verdammt noch mal gar nicht.«

»Lassen Sie das Fluchen.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust, weigerte mich, mich von ihm einschüchtern zu lassen, obwohl mir die Beine ein wenig zitterten bei der Vorstellung, seinem Vorschlag zuzustimmen.

»Ich werde doch wohl kaum einen Typen anheuern, der mich hasst, nur weil ich aus einem wohlhabenden Elternhaus stamme.«

Er stieß scharf den Atem aus, und seine Anspannung schien sich zu verflüchtigen. »Tinker Bell«, sagte er in sanfterem Tonfall. »Ich kenne Sie verdammt noch mal auch nicht. Wie könnte ich Sie hassen?«

Tinker Bell. So sah er mich? Winzig, verwöhnt und übellaunig? Autsch. Ich verzog das Gesicht und setzte meinen Marsch fort. »Nennen Sie mich nicht Tinker Bell.«

»Haben wir jetzt einen Deal?«, beharrte Rhys, der wieder neben mir ging.

Ich warf ihm einen Blick zu. »Warum wollen Sie das tun?«

Wieder dieser Muskel an seinem Kinn. Tick, tick, tick. »Ich brauche das Geld«, stieß er hervor.

Als müsse man sich dessen schämen?

Dean brauchte das Geld, weil er arbeitslos war. Doch warum ging es einem ehemaligen Profiboxer, dem ein Gym gehörte, ebenso? Ich wollte mich nicht in irgendwelche krummen Geschäfte reinziehen lassen. Das sagte ich ihm.

Er schnitt eine Grimasse. »Ist nichts Kriminelles, mein Gott. Das ganze Geld, das ich beim Boxen verdient habe, ist für meine Familie draufgegangen, für Deans Ausbildung und anderen Mist, den wir brauchten. Jetzt läuft es gerade nicht so gut mit dem Studio, und zusätzliches Geld könnte mir helfen, das Geschäft anzukurbeln.«

»Sie haben Ihrem Bruder das Studium finanziert?«

Er brummte vor sich hin, was ich als Bestätigung wertete.