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Der Ratgeber der führenden Experten Deutschlands Wenn ein Familienmitglied an Alzheimer oder einer anderen Demenzform erkrankt, ist der Schock bei den Angehörigen groß. Denn kaum eine andere Erkrankung wirft so viele Fragen über das weitere Leben auf wie der allmähliche Verlust des Gedächtnisses und der Persönlichkeit. Dieses Buch gibt Menschen in der schwierigen ersten Zeit Rat, Hilfe und Orientierung. Dafür stehen Deutschlands Top-Experten aus dem renommierten Kompetenznetz Degenerative Demenzen. Sie finden in diesem Buch: - Diagnose und Behandlung: Wie eine sichere Diagnose gestellt wird, welche Möglichkeiten die moderne Medizin bietet, wie die Krankheit verläuft. Und wie Sie als Angehörige den Patienten unterstützen können. - Alltag: Wie kann das Zusammenleben mit einem Demenz-Patienten gelingen? Lernen Sie die verschlossene Welt des Patienten besser kennen und geben Sie ihm mit vielen kleinen Hilfen Halt. - Betreuung: Erfahren Sie alles über die vielfältigen Betreuungs- und Hilfsangebote, die Sie zur optimalen Pflege des Patienten, aber auch zu Ihrer Entlastung nutzen können.
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Seitenzahl: 202
Prof. Dr. Wolfgang Maier, Prof. Dr. Frank Jessen, Prof. Dr. Kathrin Reetz, Prof. Dr. Jörg B. Schulz, Prof. Dr. Sascha Weggen
3., überarbeitete Auflage 2020
30 Abbildungen
wurde bei Ihrer Mutter, Ihrem Vater, Ihrem Lebenspartner oder einem anderen Angehörigen eine Demenz festgestellt? Dann brauchen Sie vermutlich Zeit, Unterstützung und Gespräche, um diese Diagnose einigermaßen zu verdauen. Was Sie ebenfalls benötigen werden, sind ausführliche Informationen und kompetente Beratung. Dieses Buch bietet Ihnen einen guten Überblick über die Erkrankung und spricht alle Aspekte an, die es in nächster Zeit zu bedenken und zu klären gilt.
Wir stellen die unterschiedlichen Demenzformen vor, wobei die Alzheimer-Krankheit als häufigste Form am ausführlichsten dargestellt wird. Es geht um typische Krankheitszeichen und die Unterschiede zu einer normalen Altersvergesslichkeit. Sie lernen die Diagnoseschritte kennen und die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten.
Möglicherweise haben Sie das Buch auch zur Hand genommen, weil Sie befürchten, selbst dement zu werden, oder sich einfach informieren möchten. Dann könnten vor allem die Beschreibungen der Risikofaktoren und der eigenen Vorbeugemöglichkeiten interessant für Sie sein. Hilfreich für einen selbst ist auch zu wissen, was eine leichte kognitive Störung ist und wie eine Demenz von einer Depression abgegrenzt werden kann. Denn es ist gar nicht so selten, dass der Arzt bei einem Menschen, der meint, eine Demenz zu haben, eine Depression diagnostiziert. Das ist insofern eine Erleichterung, da sich eine Depression meist sehr gut behandeln lässt und sich dann auch die Vergesslichkeit wieder bessert.
Das Hauptanliegen des Buches ist jedoch, Ihnen Verfahren und Umgangsformen vorzustellen, die Ihnen ermöglichen, harmonisch und möglichst lange mit Ihrem demenzkranken Angehörigen zusammenzuleben. Wie kann man auf die erkrankungsbedingten Veränderungen im Verhalten und auch in der Persönlichkeit reagieren? Wie bleibt man in Kontakt, wenn der Betroffene seiner Ausdrucksmöglichkeiten immer mehr beraubt wird? Welche Anforderungen bringt die Pflege eines Demenzkranken mit sich? Wer könnte einen dabei unterstützen? Welche finanziellen Hilfen stehen einem zu? Man muss sehr viel regeln und organisieren. Und auch die psychischen Belastungen sind enorm hoch. Darum ist es aus unserer Sicht unabdingbar, sich von Anfang an ein starkes Unterstützerteam aufzubauen. Alle, die helfen können und wollen, sollten einbezogen werden. Als pflegender Angehöriger braucht man immer wieder Auszeiten, das eigene Leben und die eigene Gesundheit dürfen nicht völlig vernachlässigt werden. Wir wollen Sie daher ermutigen, trotz aller Sorgen um den Demenzkranken, gut auf sich selbst Acht zu geben. Und wir hoffen, dass dieses Buch Sie dabei unterstützt.
Die erste Auflage dieses Buches war schon nach einem Jahr vergriffen. Wir freuen uns über diese hohe Akzeptanz: Wir haben deshalb versucht, die zweite Auflage weitgehend so zu belassen, wie sie war. Diese neue dritte Auflage enthält jedoch Verbesserungen und notwendige Ergänzungen, die sich aus aktuellen Entwicklungen ergeben haben.
Bonn, Aachen, Düsseldorf und Köln, im August 2019
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Maier
Univ.-Prof. Dr. Jörg B. Schulz
Univ.-Prof. Dr. Sascha Weggen
Univ.-Prof. Dr. Frank Jessen
Univ.-Prof. Dr. Kathrin Reetz
Titelei
Liebe Leserin, lieber Leser,
Teil I Symptome: Wie zeigt sich die Erkrankung?
1 Woran erkennt man eine Demenz?
1.1 Welche typischen Warnzeichen gibt es?
1.1.1 Erinnerungsvermögen und Kurzzeitgedächtnis verschlechtern sich
1.1.2 Orientierungsstörungen
1.1.3 Sprachstörungen
1.1.4 Konzentration und Denkprozesse sind beeinträchtigt
1.1.5 Verhaltensauffälligkeiten und psychische Veränderungen
1.2 Was tun, wenn die Krankheitseinsicht fehlt?
1.2.1 Manchmal helfen kleine Tricks
1.3 Wenn der Arzt die Beschwerden nicht ernst nimmt
1.4 Wie unterscheidet sich altersbedingte Vergesslichkeit von Demenz
1.5 Wie häufig sind Demenzerkrankungen?
1.5.1 Sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen?
1.6 Welche Demenzformen gibt es?
1.7 Am häufigsten ist die Alzheimer-Demenz
1.7.1 Typische Veränderungen
1.7.2 Alzheimer-Patienten werden oft pflegebedürftig
1.8 Lewy-Körper-Demenz
1.9 Frontotemporale Demenzen
1.10 Vaskuläre Demenz
1.10.1 Risikofaktoren bekämpfen und behandeln
1.10.2 Multi-Infarkt-Demenz
1.11 Sekundäre Demenzen
2 Erkrankungsstadien und -verlauf
2.1 Der Nervenzellverlust bleibt lange unbemerkt
2.1.1 Das Gefühlsleben bleibt erhalten
2.2 Gedächtnisstörungen im Frühstadium
2.2.1 Die Tagesform kann stark schwanken
2.2.2 Berufstätigkeit
2.3 Wie werden Gedächtnisprobleme emotional verarbeitet?
2.4 Mittleres Stadium – die Selbstständigkeit schwindet
2.4.1 Unruhe, Aggression und »herausforderndes Verhalten«
2.4.2 Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus
2.5 Zunehmende Pflegebedürftigkeit im fortgeschrittenen Stadium
2.5.1 Argwohn und Misstrauen
2.5.2 Bettlägerigkeit
2.6 Krankheitsverlauf und Lebenserwartung
Teil II Diagnose: die Krankheit erkennen
3 Wie untersucht der Arzt?
3.1 Das ärztliche Gespräch
3.2 Welche Untersuchungen sind nötig?
3.3 Demenzanzeichen – worauf achtet der Arzt?
3.4 Was sind neuropsychologische Tests?
3.4.1 Gedächtnisstörungen sind oft Frühzeichen einer Alzheimer-Demenz
3.4.2 Visuell-räumliche Beeinträchtigung
3.4.3 Wortfindungsstörungen
3.4.4 Sind bestimmte Handlungsabfolgen noch möglich?
3.5 Wie soll der Arzt die Diagnose »Demenz« eröffnen?
4 Weitere Diagnoseverfahren
4.1 Wozu wird eine Computertomografie gemacht?
4.2 Wie funktioniert die Magnetresonanztomografie?
4.3 Was ist funktionelle bildgebende Diagnostik?
4.3.1 Positronen-Emissions-Tomografie
4.3.2 Funktionelle Magnetresonanztomografie
4.3.3 Single-Photon-Emissions-Tomografie
4.4 Wann untersucht man das Nervenwasser?
4.4.1 Nachweis von schädlichen Amyloidfragmenten
4.4.2 Nachweis von Tau-Protein
4.4.3 Die diagnostische Aussagekraft der Biomarker im Nervenwasser
Teil III Ursachen: Entstehung und Vorbeugung
5 Wie entsteht eine Alzheimer-Demenz?
5.1 Es bilden sich Eiweißablagerungen
5.2 In den Nervenzellen entstehen Neurofibrillen
5.3 Einweißablagerungen verursachen eine Entzündung
5.4 Synapsen und Nervenzellen sterben ab
5.4.1 Dem Gehirn fehlt der Botenstoff Acetylcholin
5.5 Genveränderungen
5.5.1 Genveränderungen sind nur sehr selten ursächlich verantwortlich
5.5.2 Variante des Apolipoproteins
6 Kann man einer Demenz vorbeugen?
6.1 Risikofaktoren als Ansatz zur Vorbeugung
6.2 Auf gesunde Ernährung achten
6.3 Die grauen Zellen auf Trab halten
6.4 Trainieren Sie Ihren Körper
6.5 Wann ist man übergewichtig?
6.5.1 Idealer BMI in Abhängigkeit vom Alter
6.5.2 So kommen Körper und Geist in Schwung
Teil IV Therapie: Wie kann man behandeln?
7 Welche Medikamente können helfen?
7.1 Behandlung der Alzheimer-Demenz
7.2 Leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz
7.2.1 Im Gehirn ist zu wenig Acetylcholin
7.3 Moderate bis schwere Alzheimer-Krankheit
7.4 Bleibt der Zustand gleich, ist das ein Therapieerfolg!
7.5 Ginkgo-biloba-Extrakt
7.5.1 Gibt es noch andere Antidementiva?
7.6 Wie wird die Lewy-Körper-Demenz therapiert?
7.7 Behandlung anderer Demenzformen
7.7.1 Bei vaskulärer Demenz müssen die Grunderkrankungen therapiert werden
7.7.2 Begleitende Depression
7.7.3 Die frontotemporale Demenz ist ohne gezielte Behandlungsoption
7.8 Pharmakotherapie von psychologischen Begleitsymptomen
7.8.1 Wie sollte eine Depression behandelt werden?
7.8.2 Behandlung von Halluzinationen und Wahnvorstellungen
7.9 Welche möglichen Medikamente werden zurzeit untersucht?
7.9.1 Schützen Statine vor Demenz?
7.9.2 Was ist von einer Behandlung mit ungesättigten Fettsäuren zu erwarten?
7.9.3 Können Sekretaseinhibitoren die Plaquebildung verhindern?
7.9.4 Kann man die Bildung der Neurofibrillen vermindern?
7.10 Wird es einmal eine Impfung geben?
7.10.1 Man kann aktiv oder passiv immunisieren
7.10.2 Die erste Impfstudie musste abgebrochen werden
7.10.3 Derzeitiger Stand und Zukunft der Impfung
8 Nicht medikamentöse Therapien
8.1 Psychotherapie für Demenzkranke?
8.1.1 Gesprächspsychotherapie durch Psychiater und Psychotherapeuten?
8.2 Nutzen kognitive Therapieverfahren?
8.3 Angehörige als »Therapeuten«?
8.3.1 Eine scheinbar einfache Methode: Abläufe ritualisieren
8.3.2 Was tun bei Schlafstörungen?
8.3.3 Wie kann man auf Verhaltensprobleme reagieren?
8.4 Validation – den Demenzkranken wertschätzen
8.4.1 Die Grundbedürfnisse befriedigen
8.4.2 Gibt es anwendbare Techniken der Validation?
8.5 Hilfe zu Krankheitsbeginn: Realitäts-Orientierungs-Training
8.6 Lebensqualität durch Selbstachtung: Selbsterhaltungstherapie
8.6.1 Vertraute Umgebung und Bezugsperson
8.6.2 Den Tagesablauf strukturieren
8.6.3 Über den Sinn des Lebens und die Krankheit sprechen
8.7 Mit Erinnerungsarbeit stützen
8.7.1 Gemeinsam Tagebuch schreiben
8.7.2 Die Lebensgeschichte in einem Album festhalten
8.7.3 Über Vergangenes sprechen
8.8 Kunst-, Musik- und Tanztherapie
8.9 Was versteht man unter Milieutherapie?
8.10 Weitere Verfahren
8.10.1 Ergotherapie – sich sinnvoll beschäftigen
8.10.2 Gedächtnistraining: Gehirnjogging ist nicht sinnvoll
8.10.3 Basale Stimulation – Körperkontakt nutzen
8.10.4 Snoezelen
Teil V Hilfe und Selbsthilfe
9 Lassen Sie sich helfen
9.1 Pflegeversicherung und Pflegegrade
9.1.1 Welche Unterstützung bietet die Pflegeversicherung?
9.1.2 Pflegestärkungsgesetze
9.1.3 Welche Pflegegrade gibt?
9.1.4 Bereiten Sie sich vor
9.1.5 Alle Leistungen der Pflegeversicherung
9.1.6 Wie kann man einen Pflegegrad beantragen?
9.1.7 Wenn die Pflege zu Hause nicht mehr möglich ist
9.2 Selbsthilfe
9.2.1 Wer hilft?
9.2.2 Wie kann man mit Wut, Ohnmacht und Aggression umgehen?
9.3 Vorsorge und rechtliche Aspekte
9.3.1 Schwerbehindertenausweis
9.3.2 Das Betreuungsrecht
9.3.3 Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung und Testament
9.3.4 Autofahren und Demenz
10 Kommunikation – in Kontakt bleiben
10.1 Fehler ignorieren
10.2 Verständigungsprobleme umschiffen
10.3 Aufmerksamkeit fördern
10.4 Zu lange Sätze vermeiden
10.5 Namen und Aussagen wiederholen
10.6 Auf Ironie verzichten
10.7 Wie kann man den Austausch verbessern?
10.7.1 Überhören Sie vermeintliche Kritik
10.7.2 Lassen Sie sich nicht auf einen Streit ein
10.8 Die Welt des Demenzkranken anerkennen
10.9 Wie sollte man auf Gedächtnisstörungen reagieren?
10.10 Mit aggressivem Verhalten umgehen
10.10.1 Lässt sich die Auslösesituation vermeiden?
10.10.2 Wie sollte man auf Aggressionen reagieren?
11 Den Alltag meistern
11.1 Eine befriedigende Beschäftigung finden
11.1.1 An der Hausarbeit beteiligen
11.1.2 Die tägliche Bewegung darf nicht fehlen!
11.2 Die Orientierung erleichtern
11.2.1 Für Sicherheit sorgen
11.3 Bekleidung und Körperpflege
11.3.1 Anziehen
11.3.2 Körperpflege
11.4 Essen und Trinken
11.4.1 Achten Sie darauf, dass der Demenzkranke genug trinkt
11.4.2 Tischmanieren und der Umgang mit Besteck
11.5 Autostimulation
11.6 Einen bettlägerigen Patienten pflegen
12 Service
12.1 Adressen und Internetseiten
12.2 Österreich
12.3 Schweiz
12.4 Zum Weiterlesen
Autorenvorstellung
Sachverzeichnis
Impressum
1 Woran erkennt man eine Demenz?
2 Erkrankungsstadien und -verlauf
Welche Warnzeichen können auf eine Demenz hinweisen? Wie kann man Demenzanzeichen und normale Altersvergesslichkeit unterscheiden? Welche Demenzformen gibt es?
Demenzen gehen mit der fortschreitenden Abnahme geistiger Leistungsfähigkeiten einher. Betroffen sind dabei viele lebenswichtige Funktionsbereiche.
Beeinträchtigt werden Gedächtnis, Denken, Auffassung, Lernfähigkeit und Urteilsvermögen, später dann auch Orientierung, Wahrnehmung und Sprache. Meistens jedoch gehören diese Leistungsabnahmen zum natürlichen Alterungsprozess. Denn auch im »gesunden Altern« ist das Nachlassen geistiger Leistungsfähigkeit unvermeidbar. Die Geschwindigkeit, mit der man Neues aufnehmen kann, nimmt mit dem Alter ab, und für die Bewältigung von Aufgaben benötigt man mehr Zeit. Ein gewisses alterungsbedingtes Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit (z. B. schlechter werdendes Namensgedächtnis) ist naturgegeben. Auch die Tatsache, dass einem manchmal ein Name oder ein bestimmtes Wort nicht einfällt oder man eine Telefonnummer vergisst, ist normal und passiert auch jüngeren Menschen ab und zu. Ein mit dem Alter einhergehender Leistungsabbau begründet also für sich alleine noch keine Demenz. Entscheidend für das Vorhandensein einer Demenz sind vielmehr Beeinträchtigungen des Alltagslebens aufgrund des Leistungsabbaus und eine deutlich herabgesetzte geistige Leistungsfähigkeit im Vergleich zur überwiegenden Mehrheit von Menschen gleichen Alters.
Der Übergang von »normaler Vergesslichkeit« zu einer Demenzerkrankung geschieht meist schleichend. Doch ab einem gewissen Beeinträchtigungsgrad fallen typische Veränderungen auf.
Bei Demenzen ist besonders häufig und frühzeitig das Gedächtnis betroffen. Es gibt eine Reihe von Warnzeichen, die auf eine mögliche Gedächtnisstörung hinweisen. Viele von ihnen erscheinen zunächst banal oder sind jedem aus seiner eigenen Erfahrung heraus vertraut. Wer hat nicht schon einmal seinen Schlüssel verlegt, stand im Supermarkt und wusste nicht mehr, was er eigentlich einkaufen wollte, oder konnte sich nicht mehr an den Namen eines Nachbarn erinnern?
Wenn sich diese Merkmale über einen Zeitrahmen von sechs Monaten häufen, wenn sie sich kombinieren und wenn es zu raschen Verschlechterungen kommt, dann ist es Zeit, einen Arzt aufzusuchen. Die erste Aufgabe ist es dann, die mögliche Ursache abklären zu lassen.
Man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern: So stellen Demenzkranke wiederholt dieselbe Frage, obwohl sie die Antwort bereits erhalten haben. Oder sie erzählen das Gleiche mehrmals.
Gegenstände, die man täglich braucht (z. B. Schlüssel, Geldbeutel), werden verlegt, also an irgendeiner Stelle abgelegt und nicht mehr wiedergefunden.
Man vergisst Termine, Absprachen oder Telefonnummern in einem bisher ungewohnten Umfang.
Das Erledigen von Routineaufgaben in Beruf oder Haushalt bereitet plötzlich Probleme, dies gilt v. a. für Aufgaben, die eine Abstimmung zwischen verschiedenen Zielen erfordert, z. B. bei der Vorbereitung oder beim Antritt einer Reise, wenn verschiedene Terminvorgaben (Flug, Taxi), Sicherheitsbedürfnisse (Wohnung, Reisegepäcksicherung) und Abläufe gleichzeitig unter zeitlichem Druck zu beachten sind.
Was ist Demenz?
»Demenz« ist der Überbegriff für eine Gruppe von altersbedingten Erkrankungen, die mit behindernden Einschränkungen von geistigen Fähigkeiten einhergehen. Der Krankheitsverlauf ist ganz überzeugend fortschreitend. Zwischenzeitliche Erholungsphasen, leichte Besserungen und vorübergehender Stillstand des Krankheitsgeschehens sind möglich. Es gibt etwa 50 verschiedene Formen von Demenz. Demenz ist eine Krankheit, die zu bekämpfen ist. Demenz kennzeichnet nicht den natürlichen Prozess der Alterung.
Dinge werden an ungewöhnliche Orte gelegt: der Geldbeutel in den Kühlschrank oder die Schuhe ins Bett.
Die gewählte Kleidung ist unpassend. Es kann z. B. sein, dass im Hochsommer ein Wintermantel getragen wird.
Die rechtzeitige Medikamenteneinnahme gelingt nur noch gelegentlich oder gar nicht, auch vorbereitete Medikamente werden verwechselt.
Das Datum oder der jeweilige Aufenthaltsort können nicht mehr fehlerfrei abgerufen werden.
Betroffene verlaufen sich in vertrauter Umgebung. Sie finden den Weg zur Wohnung oder zum Kiosk an der Ecke nicht mehr.
Der Schlaf-wach-Rhythmus ist gestört. Während des Tages fühlen sich Betroffene müde, nachts können sie nicht schlafen.
Das spontane Reden und Sprechen verarmt, die aktive Teilnahme an Gesprächen nimmt ebenso ab wie der Wunsch, sich mitzuteilen.
Es fällt zunehmend schwerer, Gesprächen, Fernseh- oder Radiosendungen zu folgen. Es treten also Verstehensprobleme auf. Man kann die Bedeutung des Gesagten nicht mehr entschlüsseln. Einerseits erkennt der Betroffene einige Wörter nicht mehr, andererseits überfordert ihn die Geschwindigkeit, mit der die Wörter beim normalen Sprechen genannt werden. Er kann sie nicht mehr so schnell erkennen, dass er dem normalen Redefluss folgen könnte.
Wortfindungsstörungen: Der Betroffene hat Schwierigkeiten, Dinge zu benennen und passende Worte zu finden: Der »Park« wird zum »Ort, an dem es so grün ist, der mit den ganzen Blumen und Bäumen«; statt »Geldbeutel« sagen sie: »Das Ding, in dem mein Geld ist«. In dem Moment, in dem man es brauchte, fällt einem das passende Wort nicht ein.
Aufgabenlisten oder Anweisungen (z. B. für Einkäufe, Telefonate oder einfache Hausarbeiten) werden nicht mehr verstanden und daher auch nicht umgesetzt.
Hinweise (z. B. Beipackzettel von Arzneimitteln oder Gebrauchsanleitungen) können nicht mehr angemessen befolgt werden.
Man kann sich wesentlich schlechter konzentrieren als früher.
Man fühlt sich leichter abgelenkt, z. B. wenn der Fernseher läuft und man selbst etwas lesen will.
Entscheidungen und Überlegungen fallen einem schwerer. Der Betroffene verliert immer mehr seine Entschlusskraft. Das Planen von Aufgaben oder Erledigungen funktioniert zunehmend schlechter. Was soll ich anziehen? Was soll ich kochen? Was muss ich dafür einkaufen? Einfache Fragen werden zum Problem.
Man kann Situationen, die schnelles, umsichtiges Handeln erfordern, nicht mehr so leicht überblicken und reagiert infolgedessen falsch oder zu langsam. Das fällt häufig beim Autofahren auf: Situationen im Straßenverkehr werden falsch eingeschätzt. Auch in anderen komplexen Handlungssituationen kommt es zu früher ungewohnten Fehlleistungen. Denn bei einer Demenz tritt eine geistige Verlangsamung auf. Die Geschwindigkeit, mit der man Informationen verarbeiten kann, nimmt ab.
In diesem Zusammenhang stehen auch die Lese-, Schreib- und Rechenstörungen, die im Verlauf der Erkrankung auftreten. Man versteht Gelesenes nicht mehr so gut und kann auch selbst schlechter Gedanken zu Papier bringen. Die Rechenfähigkeit nimmt ab.
Frühzeitig zum Arzt gehen
Für die Behandlung einer Demenz ist wichtig, dass sie so früh wie möglich begonnen wird. Dann nämlich, wenn noch möglichst viele Fähigkeiten erhalten sind, wenn also noch viel »zu retten« ist. Erste Anlaufstelle ist in den meisten Fällen der Hausarzt. Er kennt den Patienten und seine Krankengeschichte und ist auch mit den jeweiligen Lebensumständen vertraut.
Wenn Sie an einem Angehörigen oder auch an sich selbst nachlassende Gedächtnisleistungen feststellen, scheuen Sie sich nicht, den Hausarzt aufzusuchen und sich ihm anzuvertrauen. Gedächtnisprobleme können verschiedene Ursachen haben, von denen viele heilbar sind. Viele Betroffene schämen sich für ihre Erkrankung. Aber dafür gibt es keinen Grund. Schließlich schämt sich auch niemand für einen Herzinfarkt.
Betroffene neigen – ohne äußeren Anlass – zu Stimmungsschwankungen.
Der Betroffene fühlt sich durch bekannte Personen oder den laufenden Fernseher bedroht.
Er meint, bestohlen worden zu sein, und beschuldigt unbegründet andere des Diebstahls.
Betroffene können reizbarer, streitsüchtiger und aggressiver werden.
Starke Unruhe und Nervosität können ebenfalls auftreten, die sich durch ständiges Herumlaufen oder »Herumkramen« bemerkbar machen.
Es können Trugwahrnehmungen (auch Halluzinationen genannt) und Wahnvorstellungen (also unrichtige Vorstellungen über die unmittelbare Umwelt) auftreten. Dabei können Gerüche wahrgenommen oder Personen und Stimmen gehört werden, die nicht da sind.
Betroffene ziehen sich häufig in die eigenen vier Wände zurück; es tritt ein gesellschaftlicher Rückzug ein.
Je nach Persönlichkeit, Bildungsniveau, Lebensumständen und der allgemeinen körperlichen Verfassung unterscheiden sich die Krankheitssymptome von Mensch zu Mensch. So ist bekannt, dass Betroffene, die geistig immer sehr rege waren und ein hohes Bildungsniveau haben, viel länger in der Lage sind, die Ausfallerscheinungen zu kompensieren. Allerdings wird bei ihnen die Krankheit meist auch erst recht spät, in einem fortgeschrittenen Stadium, diagnostiziert. Bei diesen Menschen ermöglicht eine sogenannte hohe »kognitive Reservekapazität« einen Ausgleich (Kompensation) für die ausgefallenen Leistungsbereiche. So kann lange, trotz fortschreitender Krankheit, das »Gesicht gewahrt« werden. Sind aber bei diesen lebenslang geistig aktiven Personen erst einmal die ersten Einschränkungen geistiger Fähigkeiten zu verzeichnen, so schreitet der weitere Leistungsabfall oft besonders schnell voran.
Die Erstdiagnose einer Demenz wird oft erst verzögert gestellt. Betroffene vermeiden es häufig, den Arzt wegen der selbst wahrgenommenen Gedächtnisprobleme zu konsultieren. Die Vergesslichkeit ist ihnen peinlich, sie wollen ihre Defizite nicht wahrhaben, sind sehr einfallsreich im Erfinden von Ausreden oder machen das Alter dafür verantwortlich. Es ist ja auch nachvollziehbar; niemand will auf seine Unzulänglichkeiten angesprochen werden. Zumal es auch ein Kennzeichen der Krankheit ist, dass die Einsicht in die Krankheit fehlt. Im Grunde bedeutet dies, dass der Betroffene schon zu Beginn der Demenzerkrankung nicht mehr vollständig in der Lage ist, die Situation richtig einzuschätzen.
Das bringt die Angehörigen oft in eine sehr schwierige Situation. Zum einen kann man den Betroffenen nicht zum Arztbesuch zwingen. Zum anderen führen die Hinweise auf den notwendigen Arztbesuch sehr oft zu Streitigkeiten und Aggressionen. Der Betroffene fühlt sich bevormundet, die Angehörigen sind hilflos. Hinzu kommt die Rollenumkehr: Plötzlich müssen die Kinder Verantwortung für die Eltern übernehmen.
In jedem Fall sollte die Scham, die Menschen mit Demenzen über die krankheitsbedingt aufkommenden, selbst wahrgenommenen Unzulänglichkeiten und Leistungseinbrüche meist entwickeln, ernst genommen werden. Der Gesprächspartner sollte den Betroffenen mit diesen Einschränkungen möglichst nicht konfrontieren und diese Unzulänglichkeiten auch nicht indirekt ansprechen. Eher sollte mit kleinen Tricks gearbeitet werden.
Anna S.
Der Arzt bestellte sie zum »Check-up«
Frau S. stellte fest, dass ihre 82-jährige Mutter, der es körperlich noch sehr gut ging, zunehmend Schwierigkeiten hatte, sich auf neue Situationen einzustellen. Sie war bis dato immer für Stadtbummel und Kaffeekränzchen zu gewinnen, über die politische Lage gut informiert und überhaupt ein sehr weltoffener Mensch gewesen. Nun zog sie sich zunehmend zurück, bekam Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen, und konnte vertraute Dinge nicht immer gleich benennen. Darauf angesprochen reagierte sie wiederholt ziemlich ungehalten und verweigerte äußerst energisch den Arztbesuch. Frau S. informierte dann den Hausarzt ihrer Mutter über die Situation. Dieser ließ seine Sprechstundenhilfe bei der Mutter anrufen, um sie an den »wieder einmal anstehenden Check-up« zu erinnern. Eine Aufforderung, der sie widerspruchslos nachkam. Im Rahmen dieser Untersuchung führte der Hausarzt dann auch einen Gedächtnistest durch.
Viele Angehörige berichten – in der Rückschau – übereinstimmend darüber, dass sie viel zu lange gewartet haben. Oft wird die Situation dann von allen beschönigt und sich der Hoffnung hingegeben, dass es »nicht schlimmer« wird. Das Ergebnis dieser Haltung ist, dass die meisten Demenzkranken erst dann einem Arzt vorgestellt werden, wenn die Krankheitssymptome schon sehr ausgeprägt sind.
Was also tun? Wenn alles Zureden nicht hilft, ist es gerechtfertigt, zu kleinen Tricks zu greifen. Die obige Schilderung soll nur als Beispiel dienen. Falls Sie befürchten, dass sich bei einem Angehörigen eine Demenzerkrankung entwickelt, er aber nicht zum Arzt gehen will, sollten Sie möglichst rasch eine Möglichkeit finden, ihn ohne Gesichtsverlust dennoch dazu zu bewegen.
Es könnte auch vorkommen, dass Ihr Hausarzt die Beschwerden nicht ernst nimmt oder mit allgemeinen Ratschlägen abtut, wie »Sie sind ja auch nicht mehr die Jüngste, das ist im Alter ganz normal«. Wenn man einen begründeten Demenzverdacht hat, sollte man sich darüber nicht trösten lassen. Im nächsten Abschnitt geht es daher um Unterscheidungsmerkmale zwischen Demenz und normaler Altersvergesslichkeit. Nach der Lektüre des gesamten Buches werden Sie die Situation noch besser einschätzen können, egal ob Sie befürchten, selbst zu erkranken, oder ob Sie Krankheitszeichen bei einem Angehörigen sehen.
Ob Sie nun einen anderen Hausarzt, einen Facharzt (z. B. einen Neurologen oder Psychiater), eine sogenannte Gedächtnissprechstunde oder ▶ Memory-Klinik aufsuchen, bleibt Ihnen selbst überlassen. Wichtig ist, dass man sich nicht abspeisen lässt. Gegebenenfalls sollte man eine sogenannte »zweite Meinung« einholen.
Diagnostische Sicherheit ist (von Ausnahmen abgesehen) möglich und sollte auch vom behandelnden Haus- und/oder Facharzt eingefordert werden. Denn im Fall einer Demenz müssen Betroffene und Angehörige die weitere Zukunft planen und Vorsorge treffen. Hierfür benötigen sie umfangreiche Informationen, Beratung, psychologische Unterstützung und Hilfeleistungen. Es wäre also falsch, die Warnzeichen für eine Demenz einfach zu übergehen und abzuwarten.
Der umgekehrte Fall ist genauso möglich: dass Sie in ständiger Angst leben, dement zu werden, und sich besorgt selbst beobachten, obwohl Ihre Gedächtnisleistungen tatsächlich dem normalen Altersdurchschnitt entsprechen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass ein gewisser Abbau und eine Verlangsamung der kognitiven Prozesse eine normale Alterserscheinung sind. Schon im mittleren Erwachsenenalter zeigt das Gehirn fortschreitende Abbauerscheinungen, die allerdings erst im späten Alter merkbar werden. Das Gedächtnis ist für solche normalen Alterungsprozesse besonders sensibel. So resultiert bei jedem eine altersbedingte Vergesslichkeit, die auch mit fortschreitenden Lebensjahren zunimmt (normale Altersvergesslichkeit), ohne Krankheitswert zu besitzen.
Wenn man unter besonderem Druck steht oder sich mit zu vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt, ist die Gefahr, etwas zu vergessen, ebenfalls sehr hoch. Wenn uns Dinge eigentlich nicht interessieren, merken wir sie uns auch nicht. Das ist sehr sinnvoll, denn man sollte nur das behalten, was für einen persönlich relevant ist. Diese Konzentration auf das Wesentliche verstärkt sich im Alter. Wenn man also die Zeitung liest, ohne auf ein Thema zu stoßen, das man interessant findet, wird man vom Inhalt nur wenig behalten. Typische Beispiele für Altersvergesslichkeit sind ein nachlassendes Namensgedächtnis oder die nachlassende Fähigkeit, sich Termine oder Einkaufslisten zu merken
In der folgenden Tabelle finden Sie einige Anhaltspunkte für die Unterscheidung von krankheitsbedingter und normaler Altersvergesslichkeit.
Tab. 1.1
Unterschiede zwischen Alzheimer-Demenz und Altersvergesslichkeit (ohne Krankheitswertigkeit)
Alzheimer-Demenz
Altersvergesslichkeit
Gedächtnisleistung merklich schlechter als Alters- und Ausbildungsnorm (> 94% der gleichen Alters- und Ausbildungsgruppe sind besser)
Gedächtnisleistung entspricht der Altersnorm (85 % der Gleichaltrigen mit gleicher Erziehung/Ausbildung)
Leistungseinschränkung kann durchgehend festgestellt werden (im Alltag aber anfangs teilweise kompensierbar)
Gedächtnisstörung tritt oft nur zeitweise auf
deutliche Steigerung des Leistungsabfalls im Verlauf von Monaten bis Jahren
über Monate bis Jahre allenfalls geringfügige Steigerung des Leistungsabfalls
häufiges Vergessen oder Verlegen wichtiger Gegenstände, wie Portemonnaie oder Ausweis
gelegentliches Vergessen unwichtiger Dinge oder Verlegen von Brille oder Schlüssel (zu Hause)
Der Betroffene hat Mühe, das Gesuchte wiederzufinden; oft befindet es sich an unüblichen Plätzen, z. B. das Portemonnaie im Kühlschrank.
Das Gesuchte wird rasch wiedergefunden und befindet sich meist an üblichen Plätzen, z. B. die Brille auf dem Tisch oder auf einem Regal.
Der Betroffene vergisst biografisch wichtige Ereignisse oder Gedächtnisinhalte, z. B. wie die Kinder heißen und wo sie wohnen.
Der Betroffene vergisst nur Teile und Einzelheiten von Erlebnissen und Gedächtnisinhalten, z. B. wie Namen entfernter Bekannter oder Bezeichnungen historischer Stätten, die er in einem Urlaub besucht hat.
Das Vergessene kehrt auch durch Konzentration und intensives Überlegen nicht zurück und taucht auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr auf.