Amazing Grace und John Newton - Jonathan Aitken - E-Book

Amazing Grace und John Newton E-Book

Jonathan Aitken

4,9

Beschreibung

Amazing Grace – das weltweit meist gesungene Kirchenlied. Dahinter: ein Leben wie ein Abenteuerroman. John Newton (1725–1807), zuerst zwangsrekrutiert zur Marine, wird später Sklavenhändler in Westafrika. Als er bei einer Stammesprinzessin in Ungnade fällt, wird er versklavt. 1747 gerät er auf der Überfahrt nach England in einen heftigen Sturm und wendet sich in seiner Verzweiflung an Gott. Die Crew überlebt und Newton beschließt, sein Leben zu ändern. Er wird Kapitän auf einem Sklavenschiff und heiratet seine Jugendliebe Mary Catlet. Später wird er anglikanischer Priester und kämpft gemeinsam mit William Wilberforce für die Abschaffung der Sklaverei. Neben "Amazing Grace" - der Hymne der Sklavenbefreiung - schrieb er viele weitere Lieder, die auch heute noch gesungen werden. Inklusive 8-seitigem Bildteil.

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ISBN 978-3-7751-7226-4 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5541-0 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:Satz & Medien Wieser, Stolberg

© der deutschen Ausgabe 2014SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: [email protected]

Originally published in English under the title: John Newton. From Disgrace to Amazing Grace© der Originalausgabe 2007 Jonathan Aitken

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung 2006,© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Übersetzung: Christian RendelUmschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im SchönbuchTitelbild: John Newton, Porträt 1788, © Church Mission Society Archives, OxfordSatz: Satz & Medien Wieser

Inhalt

Stimmen zum Buch

Vorwort

Einführung John Newton

1. Kapitel Geistliche Kinderstube

2. Kapitel Erste Schritte in der Liebe und der Seefahrt

3. Kapitel Zwangsrekrutiert

4. Kapitel Ausgepeitscht und degradiert

5. Kapitel Ausgetauscht

6. Kapitel Versklavt in Afrika

7. Kapitel Befreit durch die Greyhound

8. Kapitel Unruhestifter und Lästerer

9. Kapitel Im Schatten des Todes

10. Kapitel Falsche Morgendämmerungen, weitere Stürme und ein sicherer Hafen

11. Kapitel Londonderry, die Liebe und ein Liverpooler Reeder

12. Kapitel Abenteuer auf der Brownlow

13. Kapitel Kämpfe mit Büchern, Leib und Seele

14. Kapitel Heirat mit Polly

15. Kapitel Kapitän der Duke of Argyle

16. Kapitel Erste Reise der African

17. Kapitel Das Ende einer Seefahrerlaufbahn

18. Kapitel Arbeitslosigkeit, Inspiration und Gebet

19. Kapitel Methodismus und Materialismus

20. Kapitel Leben in Liverpool

21. Kapitel Der Ruf zur Ordination

22. Kapitel Die erste Ablehnung

23. Kapitel In der Schwebe

24. Kapitel Eine wahre Erzählung

25. Kapitel Endlich ordiniert

26. Kapitel Erste Eindrücke von Olney

27. Kapitel Gemeindedienst

28. Kapitel Anstösse zum Ortswechsel – Beten mit Polly

29. Kapitel Gebet und Kirchengeschichte

30. Kapitel Freundschaft mit Cowper

31. Kapitel Kreativität und Krise

32. Kapitel »Amazing Grace«

33. Kapitel Was mit »Amazing Grace« geschah

34. Kapitel Freunde gewinnen, Menschen beeinflussen

35. Kapitel Einmischung in die Politik?

36. Kapitel Familienleben und gesundheitliche Sorgen

37. Kapitel Abschied von Olney

38. Kapitel Ankunft in London

39. Kapitel Familie, Freunde und Apologia

40. Kapitel Die Eclectic Society und der Messias

41. Kapitel Mentor für William Wilberforce

42. Kapitel Korrespondenz mit Wilberforce

43. Kapitel Kämpfer gegen den Sklavenhandel

44. Kapitel Pollys Tod

45. Kapitel Letzte Jahre, bleibender Einfluss

46. Kapitel Ein grosser Sünder und ein grosser Erlöser

Epilog: John Newtons Vermächtnis

Anhang

Auswahlbibliografie

Sammlungen

Abkürzungen für häufig verwendete Quellen

Quellen und biografische Anmerkungen

Bildnachweis

Danksagung

Bildteil

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Stimmen zum Buch

»Nichts bewegt das Herz, stärkt den Glauben und weitet den Blick für das Reich Gottes so sehr wie die gut geschriebene, gründlich recherchierte Lebensgeschichte eines großen Heiligen. Dieses faszinierende, packende Buch lässt das Leben John Newtons für heutige Leser lebendig werden. Newtons Verkommenheit wird ebenso wenig verschwiegen wie seine leidenschaftliche Hingabe an seinen geliebten Erlöser. Ich kann dieses hervorragende Werk nur wärmstens empfehlen – es wird nicht nur Ihr Denken, sondern auch Ihr Herz verändern!«

Joni Eareckson Tada, Autorin

»Als versierter Biograf und mitreißender Erzähler hat mein Freund Jonathan Aitken einen der einflussreichsten Christen Englands aus dem achtzehnten Jahrhundert zum Leben erweckt. Dies ist die packende Geschichte von John Newton, dessen Leben durch Christus auf den Kopf gestellt wurde. Es ist die Geschichte erstaunlicher Gnade, sowohl im Leben Newtons als auch in dem Lied, das zur Nationalhymne der Christen geworden ist. Eine eindrucksvolle Lektüre über eine der eindrucksvollsten historischen Gestalten der Christenheit.«

Chuck Colson, ehemaliger Berater von US-Präsident Nixon,Gründer der Prison Fellowship

»Männern und Frauen, die von Gott dazu gebraucht wurden, den Lauf der Geschichte zu verändern, blieb nur selten das Etikett erspart, unkonventionell, exzentrisch oder in der falschen Zeit geboren zu sein. So auch bei John Newton, berüchtigt für seine vollständige Wandlung vom Sklavenhändler zum Sklavenbefreier. Doch noch erstaunlicher als Newtons Lebensgeschichte mit all ihrer Dramatik und Buntheit ist Gottes Plan, die Welt auf seine Weise und durch unvollkommene, gebrochene Menschen zu verändern. Newton ist einer von vielen …, der durch Gottes erstaunliche Gnade verändert wurde.«

James MacDonald, Hauptpastor der Harvest Bible Chapel,Rolling Meadows, Illinois

»Eine neue Biografie John Newtons ist eine passende Würdigung des zweihundertsten Jahrestages sowohl seines Todes als auch der Abschaffung des Sklavenhandels, jenes Triumphes von William Wilberforce, an dem Newton entscheidenden Anteil hatte. Meisterbiograf Jonathan Aitken präsentiert sich in Hochform: einfühlsam, scharfsinnig, kenntnisreich und lebendig, und sowohl sein Buch als auch sein Thema sind in aller Bescheidenheit als spektakulär einzustufen.«

J. I. Packer, Professor für Theologie, Regent College;Autor von Knowing God

»Ein turbulentes Abenteuer, eine leidenschaftliche Romanze und ein erstaunlicher Glaubensweg in einem. Doch als ob das noch nicht genug wäre, steckt Aitkens großartige neue Biografie auch noch bis zum Rand voller außergewöhnlicher Einsichten über Freundschaft, Gebet, Networking, geistliches Wachstum, Vorsehung und vor allem ›erstaunliche Gnade‹ und ein Leben der Dankbarkeit. Die Geschichte war mir bereits wohlvertraut, aber diese Darstellung hat mich tief beeindruckt.«

Os Guinness, Autor von Von Gott berufen

»Eine frische, aufschlussreiche und inspirierende Schilderung dieser großen und doch vernachlässigten Gestalt. Mit dem seltenen Geschick eines überragenden Biografen lässt Aitken Newton für eine neue Generation von Bewunderern lebendig werden.«

Alister McGrath, Professor für Theologiegeschichte, Universität Oxford

»Jonathan Aitkens Schilderung der Lebensgeschichte Newtons ist so dramatisch und inspirierend, dass sie sich wie ein Roman liest. Newton hat einen bedeutenden Beitrag sowohl zur politischen als auch zur geistlichen Geschichte geleistet. Am deutlichsten wird das vielleicht an dem tief greifenden Einfluss, den er auf William Wilberforce und die Abschaffung des Sklavenhandels in Großbritannien hatte.«

Nicky Gumbel, Pfarrer der Holy Trinity Brompton;Pionier der Alpha-Kurse

»Eine großartig geschriebene neue Biografie über eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des achtzehnten Jahrhunderts. John Newton, hartgesottener Atheist, Sklavenhändler und selbst für einige Zeit Sklave in Afrika, bekehrte sich zu einem lebendigen christlichen Glauben und wurde nicht nur zum Verfasser des Lieblingschorals der Amerikaner, ›Amazing Grace‹, sondern auch zum Mentor von William Wilberforce. Ohne Newton hätte Wilberforce nie die Abschaffung der Sklaverei erreicht. Jonathan Aitken hat ein Buch geschrieben, das mit neuen Forschungsergebnissen aufgrund unveröffentlichter Dokumente seinen Ruf als einer der führenden Biografen der heutigen Zeit festigen wird. Säkulare und religiöse Leser werden gleichermaßen enorm von diesem Buch profitieren.«

Dr. Michael Green, Pastor und Autor vonEs komme mir keiner mit Tatsachen

»Jonathan Aitkens temporeiches, gut recherchiertes und detailliertes Buch zeigt, warum Newton als Reformer, politischer Ratgeber, Pastor und – vor allem – Ermutiger zum christlichen Leben eine solch wichtige Gestalt war. Dies ist ein Buch zum Lesen, Bedenken und Wiederlesen.«

Mark Noll, Professor für Geschichte, Universität von Notre Dame

»Der preisgekrönte Biograf Jonathan Aitken hat es wieder einmal geschafft mit dieser zum rechten Zeitpunkt erschienenen Schilderung des Lebens von John Newton, dem Verfasser des berühmten Chorals ›Amazing Grace‹. Seine sorgfältige Recherche liefert wichtige neue Informationen, und seine Darstellung von Newtons Einfluss auf die Choraldichtung wie auch auf die Abschaffung der Sklaverei ist eine packende Lektüre.«

Dr. Luder G. Whitlock jun., Direktor des Trinity Forum

»John Newtons Geschichte ist eine klassische, eindrucksvolle Geschichte von Verderbtheit und Erlösung. Jonathan Aitken beschreibt dieses Leben aus dem achtzehnten Jahrhundert wie immer mit Eleganz, Klarheit und Einfühlungsvermögen.«

Rev. Dr. Graham Tomlin, Direktor des St. Paul’s Theological Centre,Holy Trinity Brompton, London

»Jonathan Aitken ist ein begnadeter Schriftsteller, und seine Biografie über John Newton ist eine herausragende und packende historische Schilderung des Lebens dieses berüchtigten Sünders des achtzehnten Jahrhunderts, der auf so dramatische Weise durch die Gnade Gottes gerettet und dann zum Freund des großen William Wilberforce wurde. Dieses Buch sollte für jeden, der sich gern mit Geschichte beschäftigt, das Lied liebt und ernsthaft Christus nachfolgen will, Pflichtlektüre sein. Ich empfehle es Ihnen von Herzen.«

Jack Kemp, ehem. Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung;ehem. Vizepräsidentschaftskandidat; ehem. US-Kongressabgeordneter

»John Newton ist durch seinen hymnischen Choral ›Amazing Grace‹ weithin bekannt. Dennoch weitet Aitkens gut recherchiertes Buch unser Verständnis dieser ungewöhnlich talentierten und komplexen Persönlichkeit. Seinen vielleicht größten Moment hatte Newton, als er einen gläubigen jungen Parlamentarier namens Wilberforce drängte, in der Politik zu bleiben, statt auf die Kanzel zu gehen, und seinen Verstand und sein Herz lieber dort von Gott gebrauchen zu lassen. Hut ab vor Aitken, der uns durch die Lebensgeschichte John Newtons gerade jetzt so lehrreiche Offenbarungen zuteilwerden lässt.«

Botschafter a. D. J. Douglas Holladay,Partner der Kanzlei Park Avenue Equity Partners, L. P.

»Jonathan Aitken ist einer unserer herausragenden Kommentatoren, und er hat eine herausfordernde und bewegende Schilderung eines Mannes geschrieben, der einen erheblichen Beitrag zu den Kampagnen gegen die Sklaverei geleistet hat. Aitken ist bestens qualifiziert, um eine Darstellung Newtons für heutige Leser zu liefern. Er ist ein namhafter Schriftsteller und Biograf, ein ehemaliger Geschäftsmann und Politiker und, ebenso wie Newton, ein Mann, dessen Herz durch erstaunliche Gnade verändert wurde.«

Ken Costa, stellv. Vorsitzender der UBS Investment Bank;Vorsitzender von Alpha International

FürMarylynn Rouse

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort

Sir Isaac Newton ist allen ein Begriff, die in der Schule über Mathe- und Physiklehrbüchern saßen. John Newton sagt den wenigsten etwas. Selbst wenn sie das Lied »Amazing Grace« im Musikunterricht vor Augen oder im Gottesdienst auf der Zunge hatten.

Muss man den Texter dieser Gospelhymne denn kennen?

Muss man nicht, lohnt sich aber. Gegen das dramatische Leben des brutalen Sklavenkapitäns, glühenden Liebhabers und späteren Pfarrers John Newton wirken die Abenteuer eines Käpt’n William Bligh (Die Meuterei auf der Bounty) oder Alexander Selkirk (Robinson Crusoe) wie ein Kindergeburtstag. Dieses Buch wird Sie etliche Stunden Schlaf kosten. Versprochen.

Dass Gottes Gnade und Barmherzigkeit »erstaunlich« sind, singt und lobpreist sich leicht. Dass sie jedoch für unser heutiges Rechtsempfinden auch schwer erträglich sein können, zeigt Jonathan Aitkens Recherche: Der versoffene Vergewaltiger Newton war ja nicht zunächst Sklavenhändler und dann ein reumütiger frommer Liederdichter; vielmehr wurde er trotz und nach seiner Bekehrung im Orkan Sklavenkapitän! Wie reifte sein christliches Gewissen aus dem Zeitgeist des 18. Jahrhunderts heraus zu Mitleidenschaft und Nächstenliebe? Wodurch wandelte er sich zum weisen Seelsorger jenes Politikers William Wilberforce, der mit den Tagebüchern John Newtons in der Hand 1807 den Sklavenhandel abschaffte?

Ich habe die Songtexte und Spielszenen des Musicals »Amazing Grace« geschrieben, mich von der ersten Zeile bis zur Premierenprobe an Jonathan Aitken gehalten und gemerkt: Das Spannendste an diesem Buch – und das zeitlos Erstaunlichste! – ist die Gnade Gottes.

Auch versprochen.

Andreas Malessa im Juli 2014

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

EinführungJohn Newton

Wer war John Newton? Vor zweihundert Jahren hätte sich diese Frage erübrigt. Denn zu seinen Lebzeiten war Newtons Geschichte in all ihren berühmt-berüchtigten Einzelheiten in jedermanns Munde als eine der sensationellsten, sündigsten, geistlichsten, romantischsten, einflussreichsten und historisch wichtigsten Lebensgeschichten des achtzehnten Jahrhunderts.

Newton hinterließ zwei bemerkenswerte Abdrücke im Sand der Zeit. Politisch rührte er das Gewissen der Welt auf, indem er William Wilberforce darin unterstützte, den Sklavenhandel abzuschaffen. Die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Kämpfern, die ich hier durch viele bislang unveröffentlichte Briefe beleuchte, war eine entscheidende Kraft in der Anti-Sklaverei-Bewegung.

So wichtig er auch für diese politische Auseinandersetzung war, spielte John Newton doch eine noch entscheidendere Rolle in der eng damit verknüpften Welt einer Spiritualität, die Menschenleben verändert. Die Geschichte seiner eigenen Bekehrung vom Sklavenhändler zum Verkündiger des Evangeliums ist so merkwürdig, dass sie sich niemand hätte ausdenken können. Für viele Christen wurde er dadurch zu einer Lichtgestalt. Als viel gelesener Autor, Prediger und Choraldichter wurde er als einer der Gründerväter in der großen religiösen Erweckung des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts verehrt. Jene Erweckung und Newtons nachhaltiger Beitrag dazu befeuern bis heute das weltweite Wachstum von Gemeinden in unserer Gesellschaft.

Doch trotz allem, was er zu unserer politischen und geistlichen Geschichte beigetragen hat, wissen die meisten Leute heute bedauerlich wenig über John Newton. Wenn er überhaupt ins kollektive Bewusstsein des einundzwanzigsten Jahrhunderts eingedrungen ist, dann nur aus einem Grund: Er ist der Verfasser des in Amerika am häufigsten aufgeführten und aufgenommenen geistlichen Liedes – »Amazing Grace«. Abgesehen davon hat der Durchschnittsmensch auf der Straße – oder auch in der Buchhandlung – heute kaum jemals von John Newton gehört. Wie sehr er in Vergessenheit geraten ist, ging mir auf, als ich einem sonst gut informierten Freund davon erzählte, dass ich an dieser Biografie schrieb. Er reagierte verblüfft. »Aber bist du auch sicher, dass du seine Physik und Mathematik in den Griff kriegst?«, fragte er. Er verwechselte John mit seinem Namensvetter Sir Isaac Newton.

Zu seinen Lebzeiten wurde John Newton viel mehr gefeiert als Isaac, der Entdecker der Schwerkraft. Das mag daran liegen, dass nur die Bildungselite mit dem Verfasser der Principia Mathematica etwas anfangen konnte, während Millionen sich mit dem Bericht »eines großen Sünders«, wie John Newton sich selbst bezeichnete, identifizieren konnten. Seine Liebes-, Sklavenschiffkapitäns-, Bekehrungs-, Choraldichter- und fünfzigjährige Geschichte des Dienstes für Christus flossen zusammen zu einem persönlichen Epos, das seine Zeitgenossen faszinierte und inspirierte.

Aus vielen Gründen erscheint es angebracht, dieses Epos gut zweihundert Jahre nach der Abschaffung des Sklavenhandels neu zu würdigen und ihm den Titel Amazing Grace und John Newton – Sklavenhändler, Pastor, Liederdichter zu geben. Eine verdichtete Schilderung des Lebens und der Zeit Newtons beleuchtet die Gipfel und Täler seiner stürmischen Reise durch diese gegensätzlichen Stationen seiner Biografie.

Als junger Mensch war Newton alles andere als ein Vorbild. Er war ein wilder, zorniger junger Mann, der keine Gelegenheit zur Rebellion ausließ, angefangen mit dem Verhältnis zu seinem Vater. Nachdem er mit achtzehn Jahren für die Königliche Marine zwangsrekrutiert worden war, verstieß er dort so rücksichtslos gegen alle Regeln, dass er sich eine öffentliche Prügelstrafe wegen Desertion einhandelte. Voll »bitterer Wut und schwarzer Verzweiflung« schwankte er zwischen Selbsttötung und dem Mord an seinem Kapitän. Nur seine unerwiderte Liebe zu einem dreizehnjährigen Mädchen namens Polly Catlett, das er in Chatham kennengelernt hatte, hielt seine zerstörerischen Instinkte im Zaum.

Nachdem er in Madeira von seinem Kriegsschiff auf ein Sklavenschiff versetzt worden war, verhielt Newton sich noch wilder. »Ich gebärdete mich auf übelste Weise«, sagte er. »Ich sündigte nicht nur selbst ganz unverfroren, sondern befleißigte mich auch bei jeder Gelegenheit, andere in Versuchung zu bringen und zu verführen.« Seine spätere Begabung als Choraldichter kam erstmals zum Vorschein, als er ein Spottlied über seinen neuen Kapitän dichtete, das er der ganzen Mannschaft beibrachte. Nachdem er solchermaßen Unruhe gestiftet hatte, musste er das Schiff eilends verlassen.

Als Nächstes arbeitete Newton an Land für einen Sklavenhändler in Sierra Leone. Dort verfiel er jedem nur möglichen Laster, einschließlich der Zauberei. Als er (zu Unrecht) des Diebstahls bezichtigt wurde, verdarb er es sich mit der schwarzen Geliebten seines Arbeitgebers, einer Stammesprinzessin, die ihn in Ketten legen und hungern ließ und ihn brutal misshandelte. Ein Schiffskapitän aus Liverpool befreite ihn schließlich aus einem entlegenen Winkel der westafrikanischen Küste. Da sich Newtons Lebensumstände inzwischen gebessert hatten, lehnte er das Angebot, ihn mit nach Hause zu nehmen, zunächst ab, doch die Aussicht, Polly wiederzusehen, stimmte ihn schließlich um.

Auf der langen Heimreise tat sich Newton erneut als Unruhestifter hervor. Obwohl er von seiner frommen Mutter, die starb, als er sechs Jahre alt war, im christlichen Glauben erzogen worden war, hatte sich Newton zu einem solch militanten Atheisten und Lästerer entwickelt, dass selbst seine Schiffskameraden über seine Flucherei schockiert waren. Auf halbem Weg über den Atlantik nahm er aus Langeweile das einzige an Bord vorhandene Buch zur Hand – Nachfolge Christi von Thomas von Kempen. Beim Lesen beschlich ihn die Sorge, es könnte wahr sein, was darin stand. Also klappte er das Buch zu und ging schlafen, bis er mitten in einem fürchterlichen Sturm von dem Ruf »Das Schiff sinkt!« geweckt wurde.

Das Schiff war schwer leckgeschlagen und voller Wasser. Als es unterzugehen drohte, begann Newton zu seinem eigenen maßlosen Erstaunen zu beten: »Herr, erbarme dich über uns!« Nach vielen Stunden größter Gefahr ließ der Sturm schließlich nach, und Newton empfand Frieden. »Um diese Zeit«, sagte er, »wurde mir klar, dass es einen Gott gibt, der Gebete erhört.« Binnen kürzester Zeit hörte Newton mit dem Fluchen auf, änderte seine zügellose Lebensweise und fing an, zu beten und in der Bibel zu lesen. Von diesem Tag, dem 21. März 17481, bis zu seinem Tod 1807 ließ er kein Jahr verstreichen, ohne diesen »Tag der großen Wende«, seine Bekehrung, mit Dankgebeten zu feiern.

Newtons Bekehrung war ein Kampf. Er war auf der Suche, geriet jedoch immer wieder in Sackgassen. Um Pollys Hand zu gewinnen, musste er zeigen, dass er den Lebensunterhalt für eine Familie verdienen könnte. Also ging er zurück zur See und in den Sklavenhandel. Zwischen 1748 und 1754 unternahm er vier Reisen nach Afrika, davon drei als Kapitän eines Sklavenschiffs.

Newtons Tagebücher, Briefe und Logbücher hinterlassen uns einen der authentischsten Augenzeugenberichte über den Sklavenhandel der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in all seinen grauenhaften Einzelheiten. Zu dieser Zeit hatte er noch nicht völlig begriffen, an was für einem entsetzlichen und unmoralischen Geschäft er sich da beteiligte. Erst viel später fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Dennoch entwickelte er, schon als er noch Sklavenschiffe befehligte, eine Abneigung gegen den Handel, weil er mit so viel Brutalität verbunden war. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kapitänen, die Sklaven transportierten, erwies sich Newton als ein außergewöhnlich humaner Kapitän. Bei seiner letzten Reise von Afrika in die Karibik 1754 kam nicht ein einziger Sklave oder Seemann an Bord seines Schiffes ums Leben. Das war eine seltene, wahrscheinlich sogar einzigartige humanitäre Leistung in einer Zeit, in der es als normal galt, dass mehrere Seeleute und ein Viertel bis ein Drittel der unter Deck gefangenen Sklaven im Laufe der »Mittelpassage« umkamen. Von den drei Etappen des Sklavenhandelsdreiecks war diese mittlere die grausamste. Die Menschen, die man für die eingeführten europäischen Güter erworben hatte, wurden unter entsetzlichen Bedingungen von Afrika zu den Westindischen Inseln verschifft. Diejenigen Sklaven, welche die lange Fahrt über den Atlantik überlebten, wurden dort verkauft, und die Sklavenschiffe traten, beladen mit Zucker, Tabak und Baumwolle, die letzte Etappe nach England an.

1754, im Alter von neunundzwanzig Jahren, kehrte Newton dem Sklavenhandel aus gesundheitlichen Gründen den Rücken. Inzwischen hatte er Polly geheiratet, die bis zu ihrem Tod vierzig Jahre später die Liebe seines Lebens blieb. Beide taten sich zunächst nicht durch beispielhafte Frömmigkeit hervor, doch Newton blieb auf der Suche nach der richtigen Beziehung zu Gott. Wie er schließlich zu dieser Beziehung fand, ist ein ganz wesentlicher Teil seiner Lebensgeschichte. Mehrere bemerkenswerte Pastoren, Mentoren und Prediger waren daran beteiligt, darunter auch die methodistischen Gründerväter George Whitefield und John Wesley. Sie kamen bei verschiedenen Gelegenheiten zum Predigen nach Liverpool, als Newton der Stadt als Surveyor of the Tides diente – ein Amt bei der Zollbehörde, das ihm reichlich freie Zeit für sein wachsendes geistliches Leben ließ.

Kurz vor seinem dreiunddreißigsten Geburtstag empfing Newton den Ruf, Gott als ordinierter Geistlicher zu dienen. Um seine Berufung zu prüfen, erlegte er sich eine sorgfältige Selbstprüfung mit Lesungen, Übungen und strengen Verhaltensmaßstäben auf. Eine Aufzeichnung darüber führte er in einem bislang unveröffentlichten Tagebuch, das er Miscellaneous Thoughts and Enquiries Upon An Important Subject (1758, deutsch: »Verschiedene Gedanken und Nachforschungen über ein wichtiges Thema«) nannte. Man kann sich schwerlich der Bewunderung für Newtons Gründlichkeit, Reife und Demut entziehen, die er dort an den Tag legte. In Kapitel 21 wird ausführlich aus diesen Aufzeichnungen zitiert. Jeder, der heute Pastor werden will, würde mit großem Nutzen lesen, wie Newton vor zweieinhalb Jahrhunderten seine Berufung auf den Prüfstand stellte; denn seine Miscellaneous Thoughts sind bis heute ein äußerst beeindruckender theologischer und geistlicher Lackmustest für künftige Geistliche. Am Schluss des Dokuments formuliert er die Ziele, die er sich für die Zeit nach der Ordination setzte:

Nichts zu kennen als Jesus Christus, und ihn als den Gekreuzigten, auf dass ich den Sündern seine unerforschlichen Reichtümer verkündigen möge … sehr auf den großen, wesentlichen Punkten der Herrlichkeit seiner Person und seiner Ämter zu bestehen, auf seiner wunderbaren Liebe und Herablassung, seiner Macht, Treue und Bereitschaft zu retten, der Pracht seiner Werke, der Vollkommenheit seines Beispiels, auf seinem Leben, seinem Leiden und Tod und seiner Auferstehung.

Nachdem Newton sich seiner auf Christus ausgerichteten Berufung zur Ordination sicher geworden war, kamen die Schwierigkeiten. Während der nächsten sechs Jahre musste er eine Ablehnung nach der anderen durch verschiedene Bischöfe und Erzbischöfe der anglikanischen Kirche einstecken.

Sein Problem war, dass man ihn des abscheulichen Verbrechens verdächtigte, ein »Enthusiast« zu sein. Dies war innerhalb der etablierten Kirche ein Codewort für jemanden, der zu viele Sympathien für den Methodismus hegte.

Obwohl Newton tatsächlich mit Methodisten, Nonkonformisten und Baptisten sympathisierte, in deren Kapellen er viele Jahre lang den Verkündigern des Evangeliums zugehört hatte, fühlte er sich in die anglikanische Kirche berufen, auch wenn diese sich ihrerseits nicht berufen fühlte, ihn als Kandidaten für den geistlichen Dienst zu akzeptieren. Erst durch das Eingreifen des Earl of Dartmouth wurde Newton aus seinem klerikalen Exil befreit. Die evangelikalen Neigungen2 dieses gläubigen Adligen hatten ihm den Spitznamen »der Psalmensänger« eingetragen. Er bewunderte Newton, bot ihm die zu Dartmouth gehörige Pfarrstelle von Olney an, die an einen Landsitz von Dartmouth grenzte, und überzeugte den örtlichen Bischof davon, den Dartmouth-Kandidaten zu ordinieren.

Der Historiker George Macaulay Trevelyan fasste die Geschehnisse so zusammen:

Lord Dartmouth setzte sich in hohen bischöflichen Kreisen für die Ordination John Newtons ein, der es mit der Religion zu ernst meinte, als dass man ihm ohne Weiteres zugetraut hätte, sie zu lehren – es sei denn aus Gefälligkeit gegenüber einem einflussreichen Mann.

Bald nach seiner Ankunft in Olney entpuppte sich Newton als ein herausragender und innovativer Pfarrer. Die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher verdreifachte sich auf sechshundert; Newton führte Bibelstunden für Kinder und Erwachsene ein, war ständig zu seelsorgerlichen Besuchen unterwegs und hielt Predigten, die Zuhörer aus den benachbarten Städten und Dörfern anlockten. Manche Leute reisten sogar von London an, um Newton predigen zu hören – darunter auch Mitglieder der Familie Wilberforce mit dem Schulkind William Wilberforce.

Noch bekannter wurde Newton durch seinen schriftstellerischen Erfolg. Seine Autobiografie An Authentic Narrative (1764, deutscher Titel: Wahre Erzählung) wurde zu einem nationalen und internationalen Bestseller und gilt als Klassiker der Bekehrungsliteratur. Nach Wahre Erzählung schrieb er noch weitere erfolgreiche Bücher, doch zu seinen größten schriftstellerischen Leistungen wurde er durch seine Freundschaft mit William Cowper stimuliert, der später zu den größten Dichtern Englands gezählt wurde.

Cowper zog nach Olney, um in Newtons Dienstbereich zu sein. Sie entwickelten eine enge und kreative Beziehung und arbeiteten als Pastor und Liederdichter zusammen. 1773 jedoch erlitt Cowper einen psychischen Zusammenbruch. Nur Newtons beherztes Eingreifen bewahrte ihn mit knapper Not vor einem Suizid. Wegen der Krankheit seines Freundes musste Newton das Buch, das sie gemeinsam begonnen hatten, allein beenden. Deshalb stammt die Mehrzahl der Choräle in Olney Hymns (1779) von Newton.

Darunter waren auch »Glorious Things of Thee Are Spoken«, »How Sweet the Name of Jesus Sounds« und die populärste all seiner Kompositionen, »Amazing Grace«. Wie Newton dazu kam, diese Choräle zu schreiben, und wie »Amazing Grace« sich zum populärsten geistlichen Lied in der amerikanischen Musikgeschichte entwickelte, ist ein packender Teil seiner Geschichte.

Während seiner sechzehn Jahre in Olney zeichnen Newtons Briefe, Tagebücher und Gebetsjournale die Entwicklung seiner Seele durch viele Krisen nach, darunter Cowpers Suizidversuche, Pollys mehrmaliges knappes Entrinnen vor dem Tod durch lebensbedrohliche Krankheiten und eine Revolte der Dorfbewohner gegen ihren Pfarrer. Zudem sind die Tagebücher voller interessanter Materialien, etwa über Newtons Unterstützung der aufständischen amerikanischen Kolonisten in ihrem Unabhängigkeitskrieg von 1776, von der er sich reinwaschen musste.

1780 zog John Newton dank des Einflusses seines Freundes und Gönners John Thornton ins Herz des Londoner Finanzbezirks um, wo er Pfarrer der Kirche St. Mary Woolnoth wurde.

Wie in Olney führte Newtons Ruf als Prediger bald zu einer vollen Kirche, die auch Gottesdienstbesucher aus anderen Gemeinden und Konfessionen anzog. Darüber hinaus baute er einen brieflichen Seelsorgedienst auf, durch den er einem weiten Kreis von Korrespondenten wie ein theologischer Briefkastenonkel Ratschläge erteilte. Diese Briefe kamen so gut an, dass Newton schließlich erfolgreiche Bücher aus ihnen machte. Seinen Ruf als weiser Mann in geistlichen Dingen verstärkte er, indem er die Eclectic Society gründete, eine Diskussionsgruppe für junge Geistliche und gläubige Laien. Einige von ihnen wurden zu bekannten Missionaren und Evangelisten. Newtons unveröffentlichte Notizen für seine Beiträge zu den Debatten der Eclectic Society zeigten, dass er immer mehr zur Vaterfigur für künftige Kirchengrößen wurde.

Newtons wohl größte Stunde schlug, als William Wilberforce bei einem heimlichen Zusammentreffen an einem kalten Dezemberabend im Jahr 1785 seinen Rat suchte. Der sechsundzwanzigjährige Unterhausabgeordnete aus Hull war emotional aufgewühlt und wollte seine vielversprechende politische Karriere abbrechen, um in den Dienst der Kirche zu treten. Newton riet seinem jungen Freund nachdrücklich, sich nicht aus der Politik zurückzuziehen, sondern im Unterhaus zu bleiben und Gott als christlicher Staatsmann zu dienen. Dass ein älterer Geistlicher einem talentierten Anwärter auf das Pfarramt ausgerechnet diesen Rat erteilte, hätte man nicht unbedingt erwartet. Was wäre wohl geschehen, wenn Newton Wilberforce in seiner Ansicht bestärkt hätte, er solle dem öffentlichen Leben den Rücken kehren und einer religiösen Berufung folgen? Der Verlust für die britische Politik, die parlamentarische Geschichte und vor allem für die Sache der Abschaffung des Sklavenhandels wäre verheerend gewesen.

In den Monaten und Jahren nach diesem entscheidenden Gespräch wurde Newton für Wilberforce zum geistlichen Begleiter. Ihre Freundschaft, die durch ihre gegenseitigen Briefe und ihre Tagebucheintragungen gut dokumentiert ist (siehe Kapitel 41–42), sollte von größter politischer sowie geistlicher Tragweite sein. Newtons gründliche Kenntnis des Sklavenhandels und sein Abscheu davor, den sein christliches Gewissen nach einiger Verzögerung bei ihm auslöste, hatten auf Wilberforce einen gewaltigen Einfluss. Den berühmten Satz »Der allmächtige Gott hat mir zwei große Ziele vor Augen gestellt: die Bekämpfung des Sklavenhandels und die Reformation der Sitten« schrieb Wilberforce am Ende eines langen Tages, nämlich am 28. Oktober 1787, den er größtenteils allein mit Newton verbracht hatte, in sein Tagebuch.

Newtons öffentliche Stellungnahmen zum Sklavenhandel vor dem Kronrat, vor einem Unterhausausschuss und in seinem aufsehenerregenden Traktat Thoughts Upon The African Slave Trade (1788) machten ihn zu einem starken Verbündeten in Wilberforce’ Kampf gegen den Sklavenhandel. Man stelle sich nur vor, wie es auf die öffentliche Meinung wirkte, als Newton die sadistische Hinrichtung von Sklaven durch einen anderen Sklavenschiffskapitän, den er gekannt hatte, mit folgenden Worten beschrieb:

Zwei seiner Bestrafungsmethoden für die armen Sklaven, die er zum Tode verurteilte, werde ich nicht so leicht vergessen. Manche von ihnen zerlegte er; das heißt, er schlug ihnen mit einer Axt zuerst die Füße und dann die Beine unterhalb des Knies ab. Dann ihre Oberschenkel und auf gleiche Weise ihre Hände, dann ihre Arme unterhalb der Ellbogen und dann an den Schultern, bis ihre Leiber zurückblieben wie ein Baumstamm, dem alle Äste abgeschlagen wurden; und schließlich dann ihre Köpfe. Und während er so vorging, warf er die stinkenden Gliedmaßen und Köpfe mitten unter die zitternden Sklaven, die auf dem Hauptdeck festgekettet waren. Anderen band er eine dünne, weiche, geflochtene Schnur, von den Seeleuten »Point« genannt, so lose um den oberen Teil des Kopfes, dass noch ein kurzer Hebel dazwischenpasste: Indem er den Hebel immer weiter drehte, zog sich der Point immer enger zusammen, bis ihnen schließlich die Augen aus den Köpfen traten; und wenn er sich an ihren Qualen genügend ergötzt hatte, schlug er ihnen die Köpfe ab.

Auch in weniger dramatischen Angelegenheiten als dem Kampf um die Abschaffung des Sklavenhandels arbeiteten Newton und Wilberforce zusammen. Oftmals taten sie sich in kirchlichen Belangen zusammen, etwa, um jungen Geistlichen, die von Newton empfohlen wurden, Stellungen in Kirche und Mission zu verschaffen. Beispielsweise bat Wilberforce auf Newtons Anregung hin den Premierminister William Pitt, der ersten Flotte von Häftlingen, die 1787 nach Australien ausgesandt wurde, um die Botany Bay zu besiedeln, einen offiziellen Kaplan mitzugeben. Infolge dieser erfolgreichen Lobbyarbeit wurde der von Newton nominierte Reverend Richard Johnson der erste christliche Prediger des Evangeliums auf den Antipoden. Vorausschauend schrieb Newton damals an Wilberforce:

Wer kann sagen, welche bedeutenden Folgen sich aus Mr Johnsons Reise nach New Holland [Australien] ergeben mögen? Heute erscheint es vielleicht nur wie eine Kleinigkeit. So ist auch der Grundstein, wenn er gelegt wird, klein im Vergleich zu dem Gebäude, das darauf errichtet werden soll, aber er ist der Anfang und das Angeld des Ganzen.

Von seiner Kanzel in der Kirche St. Mary Woolnoth aus baute Newton seinen Einfluss weiter aus. Unermüdlich predigte und reiste er. Manchmal unternahm er große evangelistische Projekte, zum Beispiel als er im Jahr des hundertsten Geburtstages Händels fünfzig aufeinanderfolgende Predigten über die Texte der Rezitative, Arien und Chöre des Messias hielt. Regelmäßig bereiste er das Land, um Ortschaften und Städte zu besuchen, in denen die Leute nach der Predigt des Evangeliums hungerten. Gegen Ende seines Lebens stellte er fest, dass die Zahl der evangelikalen Pfründeinhaber in einem halben Jahrhundert von einem auf über vierhundert gewachsen war. Newton selbst spielte eine wichtige Rolle bei dieser Erweckung. Eines seiner vielen vorbildlichen Vermächtnisse (die im Epilog ausführlich analysiert werden) war, dass er die Verkündigung des Evangeliums vom äußersten Rand in den Mainstream der englischen Religiosität verschob. Dieser Trend setzt sich national und international bis heute fort.

Ein letzter Bestandteil dieser biografischen Neubewertung John Newtons ist das Bild, das sich aus dem historischen Studium seiner Tagebücher und Gebetsjournale ergibt. Sie zeigen ihn als wahren Diener von Jesus Christus, dessen Hingabe an den Herrn noch stärker wirkt, wenn man sie als Leser im einundzwanzigsten Jahrhundert von innen betrachtet, als aus der Außensicht der Bewunderer seines überall bekannten Wirkens im achtzehnten Jahrhundert. Denn während seines langen und einflussreichen öffentlichen Lebens zeichneten Glaube, Demut und Dankbarkeit Newtons Charakter besonders aus. Sein Glaube war, dass er sich der Treue Gottes gewiss sein konnte. Seine Demut entsprang aus dem aufrichtigen Bewusstsein, dass er als Sünder unwürdig war. Die Dankbarkeit für die »erstaunliche Gnade«, die in den Worten von Newtons unsterblichem Choral »einen Schuft wie mich gerettet hat«, sprudelte aus seinem Herzen zu Gott.

Die beinahe letzten Worte, die John Newton je sprach, vermitteln den Kern der Spiritualität, die ihn zu einem so wirkungsvollen Verkündiger machte. »Ich bin ein großer Sünder«, sagte der sterbende Newton, »aber Christus ist ein großer Erlöser.« Wie er die Kraft hinter diesen Worten nutzte, um nicht nur sich selbst, sondern auch die Religion, die Politik und die Gesellschaft der Zeit, in der er lebte, zu verändern, das sind die Themen dieser Biografie.

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1. Kapitel

Geistliche Kinderstube

Das alte Sprichwort »Das Kind ist der Vater des Mannes« trifft auf das Leben John Newtons zu. Er erlebte eine unsichere und unglückliche Kindheit. Seine Mutter starb, als er erst sechs Jahre alt war. Seine Beziehung zu seinem meist abwesenden Vater war zu distanziert und von Furcht geprägt, als dass sie sich hätten nahestehen können. Doch trotz all dieser Schwierigkeiten erbte der Junge von jedem Elternteil gewisse starke Charaktermerkmale, Wertvorstellungen und Überzeugungen. Auch wenn er in der Frühzeit seines Lebens von diesem Erbe auf andere Wege abwanderte, »durch viele Gefahren, Mühsal und Fallstricke«, wie er es in seinem berühmtesten Choral schilderte, gehörten die Eigenschaften, die er von seiner Mutter und seinem Vater mitbekam, zu den stärksten Einflüssen auf John Newton während der zweiundachtzig Jahre, die auf seine Geburt in London am 24. Juli 1725 folgten.

Zwei Tage nach seiner Geburt, am 26. Juli 1725, wurde Newton in einer Dissenterkapelle3, dem Old Gravel Lane Independent Meeting House in Wapping am Nordufer der Themse, getauft. Den Vornamen John bekam er nach seinem Vater, einem angesehenen Seekapitän, der verschiedene im Mittelmeer verkehrende Handelsschiffe befehligt hatte. Johns Frau Elizabeth war eine treue Besucherin der Versammlungen in der Old Gravel Lane Chapel. Deren Pastor Dr. David Jennings wohnte zwei Häuser weit entfernt in derselben Straße wie die Newtons – der Red Lyon Street in Wapping. Der Umstand, dass die Jennings und die Newtons so nah beieinander wohnten, erklärt vielleicht, warum die Kapelle eine so wichtige Rolle in Johns Kindheit spielen sollte.

Kapitän John Newton spielte bei der Früherziehung seines Sohnes wegen seiner häufigen Abwesenheit auf See keine sonderlich wichtige Rolle. Reisen ins Mittelmeer waren im achtzehnten Jahrhundert langwierige Seefahrten, sodass Kapitän Newton monatelang unterwegs war. Kam er dann nach Hause, so war er ein strenger Vater. Von seinem Sohn erwartete er, dass er schwieg, bis er angesprochen wurde, dass er seinen Vater »Sir« nannte und ihm jederzeit mit Ehrfurcht, Gehorsam und Respekt begegnete. Ein solches Verhaltensmuster war für Vater-Sohn-Beziehungen jener Zeit nicht ungewöhnlich. Wenn Kapitän Newtons Haltung gegenüber dem kleinen John übertrieben formell erschien, so hatte das vielleicht mehr mit den Manieren zu tun, die er sich während seiner Erziehung in Spanien angeeignet hatte, als mit seinen wahren Empfindungen. Denn wie sich später zeigen sollte, war der Kapitän ein beharrlich liebevoller und vergebungsbereiter Vater, wann immer John sich hitzköpfig verhielt oder Fehler beging.

Über den familiären Hintergrund und die Vorfahren des älteren John Newton ist nichts überliefert. Die wenigen Fakten, die über sein Leben bekannt sind, deuten jedoch darauf hin, dass er ein distanzierter, starrköpfiger und faszinierender Mensch war. »Er wahrte stets eine Haltung der Distanz und Strenge in seinem Betragen«, sagte sein Sohn, »was mich seelisch einschüchterte und entmutigte. Ich lebte stets in Furcht vor ihm.« Diese Unzugänglichkeit wurde der Erziehung zugeschrieben, die er von den spanischen Jesuiten erhalten hatte, dem berühmten Lehrorden der katholischen Reformation, dessen Gründer Ignatius von Loyola gesagt haben soll: »Gebt mir ein Kind, ehe es sieben ist, und ich gebe euch den Mann.« Ob die Bemerkung ihm zu Recht zugeschrieben wird oder nicht, die darin erkennbare Philosophie war viele Jahrhunderte lang der Eckstein der jesuitischen Lehre. Insofern verschafft es uns einen interessanten Einblick in den Charakter des älteren John Newton, dass er sich weigerte, Katholik zu werden, obwohl er von den führenden katholischen Erziehern seiner Zeit aufgezogen wurde und mehrere Jahre auf einem jesuitischen Kolleg in Sevilla verbrachte. Er war sein ganzes Leben lang in religiösen Fragen zurückhaltend, aber er lebte einen protestantischen Glauben mit hohen moralischen Prinzipien, in der Praxis an der Low Church4 orientiert.

Aus diesem und anderen Einblicken in seine Persönlichkeit können wir mutmaßen, dass Kapitän John Newton ein viel gereister, gebildeter Mann von Welt war, der sich seiner Meinung gewiss war und mit einiger Starrköpfigkeit darauf beharren konnte. Das mag es nicht leicht gemacht haben, ihn als Vater zu lieben, zumal er seine innersten Gedanken und Gefühle hinter einem Panzer der Kälte abzuschirmen pflegte. Dennoch machten seine Charakterstärke und die Autorität, die er sich in seinen Jahren als Befehlshaber auf See erworben hatte, es seinem Sohn leicht, den Kapitän zu respektieren, auch wenn dieser Respekt mit Furcht versetzt war.

Als Junge stand John Newton seiner Mutter Elizabeth erheblich näher. Sie war eine gebildete junge Frau, die Tochter Simon Scatliffs, eines Ostlondoner Herstellers von mathematischen Instrumenten. Elizabeth widmete sich der christlichen Erziehung und Bildung ihres einzigen Sohnes. Jeden Tag verbrachte sie viele Stunden mit ihm über seinen Büchern. Möglicherweise rührte die Inbrunst, mit der sie dies tat, aus der Erkenntnis, dass ihr eigenes Leben wahrscheinlich nicht lange währen würde. Elizabeth erkannte an ihrem Husten und ihren Auswürfen, dass sie an Schwindsucht litt – so die alte Bezeichnung der Tuberkulose, einer tödlichen Krankheit, die zur damaligen Zeit noch viel gefürchteter war als der Krebs heute.

Elizabeth war eine gute Lehrerin, und sie formte den kleinen John zu einem fähigen Schüler. Er verfügte über eine wache Intelligenz und ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis. »Schon mit vier Jahren konnte ich ebenso gut lesen (mit Ausnahme schwieriger Namen) wie heute«, erinnerte sich Newton später und zollte seiner Mutter Tribut dafür, dass sie seinen Verstand »mit vielen wertvollen Stücken, Kapiteln und Abschnitten der Bibel, Katechismen, Chorälen und Gedichten« gefüttert habe. Zu seinen Gedächtnisleistungen gehörte, dass er viele der Antworten auf die Fragen im Westminster Shorter Catechism von 1647 auswendig kannte, ebenso wie die Antworten auf Dr. Isaac Watts’ A Short View of the Whole of Scripture History, das 1732 in katechetischer Form erschien und sich an »Personen jüngeren Alters und die gewöhnlichen Schichten der Menschheit« richtete.

All dieses mühselige, mechanische Lernen mag John zu einem Stubenhocker gemacht haben. Nach seiner eigenen Schilderung war er »von behäbiger Gestalt, nicht aktiv und verspielt«. Vielleicht hatte er vor lauter Lektionen keine Zeit, sich den anderen fünfjährigen Nachbarjungen der Newtons in Wapping bei ihren lärmenden Spielen mit Trommeln, Reifen und Stöcken am Ufer der Themse anzuschließen. Das Auswendiglernen langer Abschnitte aus Watts und dem Westminster-Katechismus wäre selbst für einen Erwachsenen eine mühselige Aufgabe gewesen, von einem Jungen von nicht einmal sechs Jahren ganz zu schweigen. Dass Newton damit in so jungen Jahren fertigwurde, deutet entweder auf eine frühe Gabe, alles wiederholen zu können, oder auf einen aufgeweckten Verstand und ein gutes Gedächtnis hin.

Es gab drei entscheidende Gestalten, die den jungen John Newton geistlich beeinflussten. Die erste war seine Mutter Elizabeth. So zart sie von Gestalt war, so gewaltig war sie in ihrer Frömmigkeit. Als treues Mitglied der Dissentergemeinschaft in der Old Gravel Lane kannte sie sich in der Bibel und in der reformierten Theologie bestens aus. Ihr Ehrgeiz war es, dass ihr Sohn einst über seine Herkunft als Seemannssohn hinauswachsen und Geistlicher werden sollte. »Mir wurde gesagt, dass sie mich von Geburt an in Gedanken schon für den geistlichen Dienst geweiht hatte«, erinnerte sich Newton. »Hätte sie lange genug gelebt, bis ich im richtigen Alter war, so wäre ich zur Ausbildung nach St. Andrew’s in Schottland geschickt worden.«

Es ist interessant, darüber zu spekulieren, wie John Newtons Leben wohl verlaufen wäre, wenn sich dieser mütterliche Wunsch erfüllt hätte. Wahrscheinlich wäre ein schottisch-calvinistischer Geistlicher aus ihm geworden, denn das war die Tradition, in der die Universität St. Andrew’s im achtzehnten Jahrhundert ihre Theologiestudenten schulte. Stattdessen brachte sich Newton die Theologie selbst bei und gelangte so zu einer toleranteren, überkonfessionellen Sichtweise. Dadurch war er in späteren Jahren in der Lage, als Prediger, Choraldichter und erfolgreicher Schriftsteller ein viel größeres Publikum anzusprechen, als er es aus den engeren geistlichen Grenzen eines strengen schottischen Calvinismus heraus je hätte erreichen können.

Mrs Elizabeth Newton und ihr Sohn wurden geistlich von ihrem Nachbarn betreut, Dr. David Jennings, dem Pastor der Old Gravel Lane Chapel. Wie die meisten Leiter nonkonformistischer Versammlungen predigte er jeden Sonntagmorgen mindestens eine Stunde lang eine detaillierte Auslegung »des Wortes« – eines ausgewählten Bibelabschnitts. Jennings’ Predigten berührten Newton sehr. Besonderen Eindruck machte vielleicht eine, die an einem Sonntagmorgen im Jahr 1730 gehalten wurde, denn in Anwesenheit des kleinen John Newton gründete Jennings seine Botschaft (die später in seinem Buch Sermons for Young People veröffentlicht wurde) auf den Brief des Paulus an Philemon, in dem der Apostel sich für einen entlaufenen Sklaven namens Onesimus einsetzt: »Wir finden in dieser Epistel ein denkwürdiges Beispiel für den Reichtum und die Freiheit der Gnade Gottes, die auch die gemeinsten und übelsten Sünder ermutigt, sich zu ihm zu flüchten und Barmherzigkeit zu suchen«, verkündete Jennings. Vielleicht klingt ein Widerhall dieser Worte in den Anfangszeilen von Newtons großem Choral an:

Amazing grace! – how sweet the sound –That saved a wretch like me!

Erstaunliche Gnade! – welch lieblicher Klang –die einen Schuft wie mich errettet hat!

Vielleicht legte diese Predigt über die Themen Gnade, Sünde und Sklaverei einen ersten Samen in das Herz des jungen Newton, auch wenn er noch viele Jahre brauchen würde, um aufzukeimen. Ob an diesem Gedanken etwas Wahres ist oder nicht, jedenfalls betrachtete Newton David Jennings, den Pastor seiner Kindheit, als seinen ersten geistlichen Begleiter. Nach seiner Bekehrung korrespondierte Newton ausgiebig mit Jennings und nannte ihn oft seinen »Patron«.

Eine dritte Person, die den jungen Newton geistlich beeinflusste, war Dr. Isaac Watts (1674–1748), der als Kollege und Mitgeistlicher David Jennings nahestand. Watts war als führender Choraldichter seiner Zeit und ebenso als herausragender Prediger bekannt. Manchmal kam er auch zum Predigen in die Old Gravel Lane Chapel, wo ihm mit den anderen Mitgliedern der Versammlung auch Elizabeth Newton und ihr kleiner Sohn zuhörten, wenn er seine Botschaft mit seinen Chorälen illustrierte. Bedenkt man die enge Zusammenarbeit und die gute Beziehung zwischen Watts und Jennings, so ist gewiss, dass Newtons frühe geistliche Prägung von Watts’ Choraldichtung beeinflusst war. Ja, als fast fünfzig Jahre später der Reverend John Newton seinen Bestseller Olney Hymns (1779) veröffentlichte, war unverkennbar, dass viele seiner Texte von Isaac Watts inspiriert waren.

Einer der beliebtesten Choräle von Isaac Watts, der in Newtons Kindheit zur Weihnachtszeit wohl auch in der Old Gravel Lane Chapel in Wapping gesungen wurde, war dieser:

Joy to the world! The Lord is come:Let earth receive her King;Let every heart prepare him roomAnd heaven and nature sing.

Freue dich, Welt, dein König naht.Mach deine Tore weit.Er kommt nach seines Vaters Rat,der Herr der Herrlichkeit.

Die Melodie dieses auch im einundzwanzigsten Jahrhundert immer noch beliebten Weihnachtsliedes schrieb ein aufstrebender junger Komponist namens Georg Friedrich Händel, der 1727, zwei Jahre nach Newtons Geburt, britischer Staatsbürger geworden war.

Einen der größten Erfolge als Prediger in London feierte Newton, als er im Jubiläumsjahr 1785, als man den hundertsten Geburtstag des Komponisten beging, mit seiner Reihe von insgesamt fünfzig Predigten über die Rezitative, Arien und Chorpartien von Händels Messias riesige Menschenmengen anzog.

Wie stark John Newton als kleiner Junge durch seine frühen Begegnungen mit Händels Musik, Jennings’ Predigten und Watts’ Chorälen geprägt wurde, darüber kann man nur spekulieren.

Vielleicht waren es emotional überwältigende Erfahrungen, insbesondere, wenn Newton am Karfreitag den Choral hörte, der als Isaac Watts’ berühmteste Dichtung gilt, deren Anfangszeilen in der ursprünglichen Fassung so lauteten:

When I survey the wondrous crossWhere the young prince of glory died.

Wenn ich das wunderbare Kreuz betrachte,an dem der junge Fürst der Herrlichkeit starb.

Da seine Mutter ihr eigenes Kreuz, eine tödliche Krankheit, vor Augen hatte, berührten diese Worte den sechsjährigen John Newton möglicherweise ganz besonders.

Im Frühjahr 1732 zeigte Elizabeth Newton alle Symptome einer fortgeschrittenen Schwindsucht – sie hatte stark an Gewicht verloren, ihr Gesicht war bleich und sie wurde von Hustenkrämpfen mit blutigem Auswurf geschüttelt. In einem verzweifelten Versuch, sich von der Krankheit zu erholen, besuchte sie ihre Cousine Elizabeth Catlett, die in Chatham an der Küste von Kent lebte. Gute Seeluft galt damals als ein Heilmittel für Tuberkulosepatienten, doch Elizabeth Newton konnte es nicht helfen. Am 11. Juli 1732 starb sie mit siebenundzwanzig Jahren im Haus der Catletts. Ihr Sohn war nicht am Sterbebett seiner Mutter, denn man hielt ihn für zu jung, um ihren Todeskampf mitanzusehen und -hören. Deshalb blieb er in London bei einer Familie, die ebenfalls Dr. Jennings’ Gottesdienste besuchte. Gerade zwei Wochen vor seinem siebten Geburtstag überbrachte man John Newton die Nachricht, er habe seine Mutter verloren.

Das erzieherische und geistliche Vermächtnis, das Elizabeth Newton ihrem Sohn hinterließ, war größer, als beiden zu ihren Lebzeiten bewusst war. Sie hatte ihn dazu erzogen, an Gottes Allmacht zu glauben, sein Gericht zu fürchten und zu akzeptieren, dass sein Wort, die Bibel, die Quelle aller Wahrheit sei.

Als Jugendlicher und junger Erwachsener begehrte John Newton oft gegen diese Lehren auf. Doch vergessen waren die geistlichen Lektionen nie, die der Junge auf dem Schoß seiner Mutter gelernt hatte. Sie wurden zur Grundlage für Newtons spätere Bekehrung und seine Hingabe an den christlichen Glauben.

Neben der geistlichen Unterweisung ihres einzigen Sohnes vermittelte Elizabeth ihm auch gute Gewohnheiten wie Fleiß, Wissbegier und die Freude daran, sich mit einem umfangreichen Wortschatz auszudrücken. Offensichtlich war Newtons spätere große Produktivität als Schriftsteller und Prediger zumindest teilweise auf den frühen Einfluss seiner Mutter zurückzuführen. »Fast ihre ganze Beschäftigung war die Sorge für meine Erziehung«, schilderte Newton ihre mütterliche Hingabe.

John Newtons Vater war auf See, als seine Frau starb. Erst Anfang 1733 kehrte er von seinen Fahrten auf dem Mittelmeer zurück. Als er bei seiner Ankunft erfuhr, dass er Witwer geworden war, verlor Kapitän Newton nicht viel Zeit mit Trauern. Er verheiratete sich rasch wieder. Seine zweite Frau, Thomasina, war die Tochter »eines vermögenden Viehhändlers« aus Aveley in Essex. Der Unterschied zwischen dem Grundbesitz eines Bauern und dem eines Viehhändlers betrug zu jener Zeit mindestens zweihundert Hektar. Thomasina, die italienischer Abstammung war, gebar Kapitän Newton zwei Söhne und eine Tochter. Die Ankunft dieser Kinder drängte John in die vorhersehbare, aber unglückliche Rolle eines Stiefsohns, der aus dem Kreis der neuen Familie ausgeschlossen blieb. »Mein Vater ließ mich viel auf den Straßen herumlaufen«, schilderte Newton seine missliche Lage. »Er hielt mich sehr auf Abstand.«

Dieser Abstand vergrößerte sich noch, als Newton mit acht Jahren auf ein Internat in Stratford in Essex geschickt wurde. Sein erster Lehrer dort war ein rohrstockschwingender Sadist. »Seine unvernünftige Strenge hätten meinen Geist und meine Freude an Büchern beinahe zerstört. … Ich vergaß die Prinzipien und Regeln der Arithmetik, die meine Mutter mich gelehrt hatte«, erinnerte sich Newton. Sein zweiter Lehrer jedoch bemerkte, dass Newton über eine beträchtliche Begabung verfügte. In Latein, wo der Lehrplan jenes Jahres die Lektüre von Vergil und Cicero vorsah, wurde Newton Erster seiner Klasse. Doch ehe John Newton in Latein oder irgendeinem anderen Fach nennenswerte Fortschritte machen konnte, wurde er von der Schule genommen. Seine Schulbildung endete mit zehn Jahren, als Kapitän Newton befand, für seinen Sohn sei es nun an der Zeit, zur See zu gehen.

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2. Kapitel

Erste Schritte in der Liebe und der Seefahrt

Die See lag John Newton im Blut. Er war am Ufer der Themse in Wapping aufgewachsen, einem Seefahrerdorf in Sichtweite des Pool of London, dem Hafen Londons, der mit dem Ruderboot leicht zu erreichen war. Als Seefahrerkommune hatte der Ort seine Schattenseite mit Kneipen, Prostituierten und Piraten, deren sechs im Juni 1725, im Monat vor John Newtons Geburt, am örtlichen Galgen gehängt wurden. Die meisten Einwohner jedoch verdienten ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise rund um die Schiffe, die im Pool ankerten. Seeleute, Schiffsausrüster, Hafenarbeiter, Matrosen, Segelmacher und Seekapitäne – ihnen allen boten die schmalen Uferstraßen der Wohngegend einen passenden Ort zum Leben.

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