An den Pranger - Laura Sachslehner - E-Book

An den Pranger E-Book

Laura Sachslehner

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Beschreibung

Während sich Menschen zunehmend vom politischen Diskurs abwenden und in ihre eigenen Echokammern zurückziehen, verkommt Politik immer mehr zu etwas, das sich nur noch selbst bedient und in einer kleinen Blase abspielt. Die Jungpolitikerin Laura Sachslehner sieht darin nicht nur eine gefährliche Entwicklung, sondern auch den Grund, warum ganze Generationen mittlerweile kaum noch von politischen Parteien erreicht werden können. Die veröffentlichte Meinung entspricht schon lange nicht mehr dem, was Menschen in ihrem täglichen Leben tatsächlich bewegt. Anstatt alle, die diesen Umstand lautstark kritisieren, für ihre Meinung an den Pranger zu stellen, brauche es endlich wieder einen neuen Anspruch in der politischen Arbeit. In zehn Kapiteln geht Sachslehner auf aktuelle politische Fragen ein und spricht aus, was junge Menschen abseits des politischen Mainstreams bewegt – angefangen vom neu aufgeflammten Klimaaktivismus und einem falschen Toleranz-Begriff über Fragen der Identität und das Entsetzen über ein völlig gescheitertes Asylsystem.

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AN DEN PRANGER

WARUM MEINUNG IN DER POLITIK WIEDER ERLAUBT SEIN SOLLTE

LAURA SACHSLEHNER

unveränderte eBook-Ausgabe

© 2024 Seifert Verlag

1. Auflage (Hardcover): 2023

ISBN: 978-3-904123-92-1

ISBN Print: 978-3-904123-74-7

Sie haben Fragen, Anregungen oder Korrekturen? Wir freuen uns, von Ihnen zu hören! Schreiben Sie uns einfach unter [email protected]

www.seifertverlag.at

facebook.com/seifert.verlag

INHALT

Vorwort

1. Jung, weiblich & konservativ

Zum Abschuss freigegeben

2. Ein gutes Leben

Wir brauchen eine Generation Eigentum

Frauen: Wirtschaftsfaktor statt Opferkultur

Feminismus als Scheingefecht

Der Sinn des guten Lebens

3. Unser Herzstück

Kinderbetreuung durch die ­»Oma-Karenz« neu denken

Jeder Familie ihr eigenes Heim

Familien in all ihren Formen anerkennen

4. Falsche Toleranz

Integration als Bringschuld der Zugewanderten

Kulturelle Gewalt als ­importiertes Problem unserer Gesellschaft

Ja! zum Kopftuchverbot für Mädchen

5. Unsere Demokratie ist in Gefahr

Unsere Staatsbürgerschaft darf kein Willkommensgeschenk sein

Eine Elite diskutiert mit sich selbst

Der Kampf gegen Extremismus und unser Versagen im Netz

Mut zur Meinungsfreiheit, aber Stopp dem Extremismus

6. Kampf um unsere Identität

Europas Verantwortung hat ein Ende

Asylverfahren in europäische ­Überseeterritorien auslagern

Bilder, die unsere Identität prägen

Bekenntnis zur Asylobergrenze NULL

7. Nach uns keine Sintflut

Nichts legitimiert Gewalt

Verbotskultur schafft keine Nachhaltigkeit

Innovation statt Ökodiktatur

Schaffen, um unsere Schöpfung zu schützen

Straftaten gegen unsere Umwelt härter ahnden

8. Echt. Ungerecht

Das Märchen von der sozialen Gerechtigkeit

Vor dem Verteilen kommt das Erwirtschaften

Soziale Gerechtigkeit muss Grenzen kennen

Am Ende bezahlen immer die Gleichen

Die Ausbeutung von Frauen mitten in Europa

Hinschauen, wo es wirklich notwendig ist

9. Wo bleibt unser Anspruch?

Danksagung

Dieses Buch ist für alle, die ebenfalls glauben, dass Politik mehr kann, als sie oft zeigt.

VORWORT

Im Laufe meines politischen Engagements habe ich immer wieder erlebt, dass unglaublich vieles ungesagt bleibt. Dabei besteht Politik großteils nur aus Kommunikation. Pressemitteilungen, Interviews, Social-Media-Postings, Tweets – jeder Tag ist angefüllt mit Aussagen und Botschaften, die auf unterschiedlichen Kanälen verteilt und gesendet werden. Doch in der Fülle dieser Aussagen, in dieser beinahe absurden Schlammschlacht, die sich politische Vertreter unterschiedlicher Parteien jeden Tag liefern, bleibt dennoch vieles ungesagt. Selten schafft man es, wirklich auf die Dinge im Detail einzugehen. Und selten wird man überhaupt dabei gehört. Denn Politik muss heutzutage kurz und knapp sein. Alles muss möglichst rasch am Punkt formuliert sein. Niemals zu lange herumreden. Niemals die Leute mit zu vielen Details quälen. So ist zumindest der Tenor in der aktuellen politischen Kommunikation. Auch ich strebe in meiner politischen Arbeit danach, die Dinge möglichst einfach und prägnant zu formulieren. Politik ist ein Kampf um Aufmerksamkeit.

Und um diese Aufmerksamkeit zu bekommen, ist es nun mal besser, die Dinge nur kurz zu umschreiben. Was dabei jedoch verloren geht, ist die tatsächliche Auseinandersetzung mit den Botschaften, die wir jeden Tag bringen. Alles treibt an der Oberfläche, und fast scheint es so, als ob sich Politik immer mehr nur noch mit sich selbst beschäftigt. Unterschiedliche Echokammern aus unterschiedlichen politischen Richtungen, die sich gegenseitig bespielen – völlig vorbei an dem, was die Menschen tatsächlich bewegt. Wenn man sich mit Menschen meines Alters darüber unterhält, bekommt man oft zu hören: »Ihr interessiert euch ja gar nicht für mich. Ihr diskutiert nur ständig über Sachen, die euch betreffen, aber das interessiert einfach keinen. Ich bin da schon lange ausgestiegen.« Für viele ist das auch der Grund, warum sie nicht mehr wählen gehen. Sie haben den Eindruck, am Ende des Tages seien »eh alle gleich« und nur an sich selbst interessiert. Und deshalb macht es für sie auch keinen Sinn, wählen zu gehen und einem dieser Kandidaten die Stimme zu geben. Kein besonders schmeichelhafter Befund für die aktuelle österreichische Innenpolitik.

Ich bin überzeugt davon, dass der Grund, warum sich Menschen – und vor allem junge Menschen – immer stärker aus dem politischen Diskurs zurückziehen, genau diese Entwicklung ist. Wir hören nicht zu. Und wir sagen nicht klar, was wir wirklich wollen. Menschen möchten über Themen und Inhalte sprechen. Entgegen der häufigen Ansicht, dass man Menschen in dieser reizüberfluteten Welt nur noch mit knalligen Videos, aufregenden Bildern oder schockierenden Sagern abholen kann, glaube ich, dass gerade in einer Zeit wie dieser das Gegenteil gefordert ist. Wir brauchen wieder die echte Auseinandersetzung mit Anliegen und Problemen, die Menschen in ihrem persönlichen Leben jeden Tag bewegen. Wenn sie in die Straßenbahn einsteigen und darüber nachdenken, wie sie ihren Tag gestalten wollen, um alles unter einen Hut zu bringen. Wenn sie am Wochenende mit ihren Großeltern telefonieren und sich dann darüber Gedanken machen, wie es wohl einmal möglich sein wird, diese zu pflegen und gleichzeitig den Familienalltag zu gestalten. Wenn sie die Zeitung aufschlagen und sich die Frage stellen, ob diese viel diskutierten Krisen wirklich so eintreten könnten, wie manche es prophezeien. Ständig die Sorge vor der nächsten unangenehmen Nachricht. Und viele dieser Fragen kann nur die Politik beantworten. Dafür braucht es die Politik. Dafür braucht es Politiker, die tatsächlich versuchen, sich dieser Lebensrealitäten anzunehmen und auf diese Sorgen einzugehen.

Doch im politischen Diskurs kommen wir meist gar nicht dazu, solche Fragen zu diskutieren, geschweige denn sie zu beantworten. Die eigene Botschaft unterzubringen und gleichzeitig auf die Botschaft des Gegenübers zu reagieren – das alleine deckt schon jede mediale Aufmerksamkeit ab. Ich hatte die letzten Monate immer mehr das Gefühl, dass aber genau das fehlt. Dass es mir fehlt. Es fehlt mir, Menschen tatsächlich dabei zuzuhören, worum es ihnen geht, welche Vision sie haben, was sie in ihrer politischen Arbeit antreibt. Dafür reicht nämlich kein Tweet. Dafür reicht keine Pressemitteilung. Und es reicht auch kein 15 Minuten langes Interview. In den letzten Jahren meiner politischen Arbeit beschlich mich immer wieder das Gefühl, dass es mir oft nicht gelang klarzumachen, worum es mir wirklich geht. Was mich wirklich antreibt. Und auch was mich zum Teil wirklich aufregt. Deshalb gibt es dieses Buch.

Gerade rund um die Wochen nach meinem Rücktritt als Generalsekretärin der Volkspartei, als eine hitzige Debatte darüber entbrannte, für welche Werte die Volkspartei steht, wurde das für mich sehr deutlich. So viele verkürzte Darstellungen, worum es uns als Volkspartei gehen soll. Worum es konservativen Parteien gehen soll. Tagelang las ich zahlreiche Analysen in nahezu jedem deutschsprachigen Medium, aber am Ende handelte es sich mehr oder weniger überall um eine sehr einseitige und verkürzte Darstellung darüber, was uns als Volksparteien am Ende des Tages ausmacht und was für Menschen wie mich der Kern konservativer Politik ist. Und egal, wie sehr man sich im persönlichen Gespräch darum bemüht, man schafft es kaum, gegen diese verkürzten Darstellungen anzukommen. Man schafft es kaum darzulegen, was der entscheidende Punkt ist, wieso ich und andere davon überzeugt sind, dass es eine bestimmte Politik für unser Land braucht, und warum manche Entscheidungen in meinen Augen falsch sind.

Ich behaupte nicht, alles zu wissen. Ich behaupte auch nicht, es mit meinen 28 Jahren Lebenserfahrung besser zu wissen als alle anderen. Wie könnte ich auch. Ich bin selbst mittendrin. Mittendrin in diesem Sturm namens Leben, der uns jeden Tag aufs Neue fordert. Doch ich behaupte, zum Teil verstehen zu können, was viele Menschen meines Alters bewegt, die sich gerade nicht von der Politik angesprochen fühlen. Die das Gefühl haben, dass Politik zurzeit eine Art Eisscholle ist, die einfach still und leise an ihnen vorbeischwimmt. Sie können sie nicht erreichen, und die Eisscholle wird sie auch niemals mitnehmen. Seit meinem 19. Lebensjahr engagiere ich mich politisch für die Volkspartei – in diesen Jahren habe ich unzählige Gespräche mit Menschen geführt. Manche von ihnen waren selbst schon lange Teil der Volkspartei, manche hatten noch nie Volkspartei gewählt und auch nicht vor, es jemals zu tun. Politik lebt von diesem Austausch. Politik lebt davon, dass wir zuhören. In diesen Jahren und in diesen vielen Gesprächen bin ich mal auf Zustimmung und mal auf großen Widerspruch gestoßen. In diesen Gesprächen konnte ich meine Meinung immer weiter schärfen und versuchen zu verstehen, wo Politik falsch abgebogen ist, und auch, wo wir etwas richtig gemacht haben. Da geht es mir aber nicht um eine einzelne Partei, sondern um die Politik als Gesamtes.

Und genau deshalb bin ich der Meinung, dass es auch mal wieder das kritische Hinterfragen unserer bisherigen Entscheidungen braucht. Und wirkliches Zuhören, ohne auf die veröffentlichte Meinung zu schielen. Es gibt so viele Fragen des Lebens, die niemals von den Medien aufgegriffen werden, weil einfach kein Platz dafür da ist. Weil Journalisten selbst in persönlichen Gesprächen zugeben: »Ich würde das eh gerne bringen, aber das klickt einfach nicht. Und wir brauchen die Klicks auf unserer Seite. Da nehmen wir doch lieber andere Geschichten.«

Ich verstehe das. So funktioniert nun mal das System, in dem wir leben, und in dem wir alle Politik machen. Allerdings muss uns bewusst sein, dass das bedeutet, dass vieles so nie diskutiert werden kann. Dass vieles so nie an die Oberfläche kommen wird. Würden wir das ändern, dann würden uns, davon bin ich überzeugt, Menschen wieder zuhören. Ich versuche mit diesem Buch einen kleinen Beitrag dafür zu leisten.

Ich weiß allerdings, dass nicht jeder meine Meinung teilen wird. Ich war jedoch nie jemand, dem es besonders wichtig war, ausschließlich Zustimmung und Lob für seine politische Meinung zu bekommen. Schon sehr früh bin ich für meine politische Arbeit an den Pranger gestellt worden – für so ziemlich jede meiner Aussagen. Schon lange bevor ich eine tatsächlich politisch relevante Funktion übernommen habe. Ich wurde an den Pranger gestellt, weil ich eine junge Frau bin, die offen ihre Meinung vertritt, und das ohne Rücksicht auf Verluste.

Ja, ich bin der Meinung, dass gewisse Dinge in unserem Land und auch auf unserem Kontinent in die falsche Richtung laufen. Und ja, ich bin der Meinung, dass es möglich sein muss, dies auch laut zu äußern, egal ob es der Ansicht einzelner Meinungsmacher entspricht oder nicht. Und auch ohne darauf zu achten, ob ich das darf oder nicht. Für viele scheint das nämlich der entscheidende Punkt zu sein. Darf die das denn? Darf die so laut sein? Sollte die sich nicht mehr anpassen? Ist es ok, in diesem politischen System so unbequem zu sein? Und das als junge Frau?

»Bitte, Mädchen, ziehe dich doch mal etwas zurück. Konzentriere dich auf dein Privatleben, gründe vielleicht eine Familie und finde deine innere Mitte, aber reibe dich doch nicht immer so an der Politik auf«, sagte erst vor wenigen Wochen ein ranghoher politischer Vertreter zu mir, nachdem ich meine Meinung mal wieder geäußert hatte. Allerdings sagte er das erst, nachdem er mir versichert hatte, inhaltlich 100 Prozent meiner Ansicht zu sein. Aber leider könne er sie nicht laut äußern, das würde allzu viel Konflikte herauf­beschwören. Soviel dazu also.

Ich bin damit aber nicht allein. So geht es vielen politisch engagierten Menschen in unserem Land. Ich könnte jetzt vermutlich eine ganze Liste an namhaften Politiker­innen und Politikern aufzählen, die genau wie ich das Gefühl haben, dass es nicht mehr möglich ist, Dinge wirklich auszusprechen bzw. für seine Werte auch einzutreten. Am Ende war das auch der Grund, warum ich meine Funktion als Generalsekretärin der Volkspartei zurückgelegt habe. Ich hatte das Gefühl, ich kann nicht mehr für das eintreten, wofür ich brenne und wofür ich eigentlich Politik mache, ja, ich kann es nicht einmal mehr ansprechen. Das ist für jeden, der aus Idealismus anfängt, Politik zu machen, keine schöne Erkenntnis. Die Ursache liegt wohl darin, dass es eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen gibt, die beansprucht, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Und diese Gruppe entscheidet darüber, was man sagen darf und was nicht. Eigentlich ein ziemlicher Widerspruch zu unserem Verständnis von Demokratie, oder nicht?

Und während also ich und viele andere dafür an den Pranger gestellt werden, dass wir unsere Meinung vertreten, prangere ich an, wohin diese Gruppe an Menschen unser Land entwickeln will – nämlich nirgendwohin. Ich prangere an, dass viele von ihnen sich nur nach der veröffentlichten Meinung drehen. Sich nur danach richten, woher das größte Lob in sozialen Netzwerken kommt – ohne darauf zu achten, ob dies die Menschen in Österreich auch wollen und brauchen. Ich prangere an, dass es für viele offenbar noch immer schwer zu verkraften ist, dass junge Frauen meinungsstark sind. Ich prangere an, dass manche glauben, es sei ok, jeden, der Entwicklungen kritisch hinterfragt, mundtot zu machen, nur damit man selbst seine eigene politische Agenda leichter durchsetzen kann. Ich prangere an, dass es für viele anscheinend in Ordnung ist, Frauen aufs Untergriffigste zu beleidigen – solange es sich um Frauen handelt, die nicht aus dem linken Spektrum kommen. Und ich prangere an, dass es Einzelne gibt, die versuchen uns allen weiszumachen, dass links »gut« und alles andere böse ist und totgeschwiegen werden muss. Ich prangere an, dass wir es zulassen, dass wir der Mehrheit unserer Gesellschaft nicht mehr zuhören. Und ich prangere an, dass wir zulassen, dass sich ganze Generationen einfach zurückziehen – in eine Ecke, wo wir sie nicht mehr erreichen können. Und genau das ist das Gefährliche.

Und vor allem prangere ich an, dass obwohl wir das alles still und heimlich wissen, es viele von euch leider einfach nicht schert. Kaum einer strebt an, es zu ändern – nicht einmal annähernd. Genau das ist das Problem. Anstatt also mich und viele andere für unsere Meinung an den Pranger zu stellen, sollten wir nicht euch, die ihr in diesem Spiel immer weiter mitmacht, an den Pranger stellen?

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JUNG, WEIBLICH & KONSERVATIV

Von außen betrachtet, müsste ich politisch links eingestellt sein. Theoretisch hätte ich alle Voraussetzungen, um mich für linke Politik zu engagieren und links zu wählen. Ich bin eine junge Frau, die Sozialwissenschaften studiert hat, ich bin in Wien geboren und aufgewachsen, und ich habe einen Migrationshintergrund und bin somit zweisprachig. Für viele wären das genug Gründe, mich als links einzuordnen. Ich bin es nicht. Und das obwohl ich während meiner Zeit in der Schule und an der Universität fast ausschließlich von Menschen umgeben war, die links wählten. Es wäre also der wesentlich leichtere Weg gewesen, sich dafür zu entscheiden. Es wäre mit Sicherheit der Weg des geringsten Widerstands gewesen, von mehr Zuspruch und kaum Widerspruch geprägt. Ich bin es dennoch nicht. Weil es meiner Meinung nach der falsche Weg ist und ich relativ früh erkannt habe, dass linke Werte keine sind, die in meinen Augen zum Fortschritt unseres Landes beitragen werden. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass uns eine ausschließlich links ausgerichtete Politik niemals den versprochenen Wohlstand erhalten wird. Radikal linke Politik wird uns niemals die Freiheit eines jeden Einzelnen in unserem Land garantieren, und es werden am Ende die Leistungsträger unserer Gesellschaft einen hohen Preis dafür zahlen müssen – dafür, dass eine kleine Runde von Meinungsmachern ihren selbst ernannten moralischen Standards entsprechen kann.

Was also ist der Weg, der in meinen Augen der richtige ist? In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder erlebt, wie Kommentatoren und Journalisten meine Politik als »konservativ« bezeichnet haben. Doch was bedeutet konservativ in diesem Zusammenhang überhaupt? Immer wieder versucht man konservative und bürgerliche Politik als rückwärtsgewandt darzustellen, ihr ginge es nur darum, veraltete Strukturen krampfhaft zu erhalten und Fortschritt abzuwehren. Das ist eine absolut falsche und perfide Auslegung einer Politik rechts der Mitte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Konservativ zu sein bedeutet in meinem Verständnis nichts anderes, als Werte zu bewahren. Diese Werte trotz Veränderungen und durch alle Krisen hindurch zu verteidigen und sich in der Bewältigung von Krisen an diesen Werten zu orientieren.

Bei meiner ersten Wahl habe ich selbst Grün gewählt. Bis zu meiner Studienzeit war ich jemand, der linke Politik vertreten hat und linken Idealen gefolgt ist. Weil es mir, wie oben beschrieben, zu diesem Zeitpunkt logisch erschienen ist und der Weg des geringsten Widerstands war. Schließlich gehört links zu sein für junge Menschen unter dreißig gemeinhin zum Mainstream. Im Laufe meines Studiums der Publizistik und der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien erkannte ich jedoch relativ schnell, dass die Werte, die mir immer schon wichtig waren, und mein Bild einer funktionierenden Gesellschaft völlig anders waren als das, was linke Parteien in Österreich vertreten. Also machte ich mich auf die Suche nach etwas anderem und fand Gleichgesinnte in der Jungen ÖVP. Damals lernte ich in der Jungen ÖVP viele Menschen kennen, die meine Überzeugungen teilten: dass jeder Mensch versucht sein Bestes zu geben und wir die Errungenschaften unseres Sozialstaates als etwas verstehen, was es zu verteidigen gilt, und nicht als »Cashcow« für einige wenige.

Das Verständnis eines Vollkaskostaates, wie es Parteien links der Mitte immer wieder propagieren, kann in meinen Augen nicht funktionieren. Schon mit 18 Jahren schreckte mich diese Vorstellung ab. Davon auszugehen, dass einem staatliche Institutionen alles richten und alles bereitstellen, ist für mich die Selbstaufgabe eines jeden mündigen Bürgers. Der Mensch steht im Mittelpunkt jedes Handelns, im Mittelpunkt jeder Entwicklung und im Mittelpunkt jedes Fortschritts. Vom Menschen geht jede Veränderung aus. Das bedeutet aber auch, den Menschen als mündiges und selbstverantwortliches Wesen zu verstehen, dem der Staat zwar die besten Rahmenbedingungen und das beste Werkzeug geben kann, aber seinen Beitrag für die Gesellschaft muss jeder Mensch selbst leisten. Und das ist auch schon der springende Punkt. Seinen Beitrag leisten. Genau darum geht es für mich in so vielen Bereichen des Lebens und auch in der Politik. Ich bin in diesem Glauben aufgewachsen und zutiefst überzeugt davon, dass jeder Menschen seinen Beitrag zu leisten hat, um Teil einer funktionierenden Gesellschaft zu sein. Natürlich im Rahmen seiner Möglichkeiten. Das ist für mich einer der wichtigsten und fundamentalsten Zugänge, die wir in der Politik haben: davon auszugehen, dass jeder Mensch in der Lage sein soll, sich selbst zu helfen, sich selbst etwas zu schaffen und etwas aufzubauen – und wenn er das nicht kann, dann unterstützen ihn staatliche Institutionen.

Nur wenn alle jene, die imstande sind, ihren Beitrag zu leisten, dies auch tun, können wir andere, die auf Hilfe angewiesen sind, auch angemessen unterstützen. Das ist nicht nur der Inbegriff des Sozialstaates, sondern auch der Inbegriff einer solidarischen Gesellschaft.

Dieses Verständnis von Leistung war für mich einer der Gründe, mich in der Jungen ÖVP zu engagieren, und ist bis heute einer der größten Treiber in meiner politischen Arbeit geblieben.

Und damit stehe ich mit Sicherheit in meiner Generation nicht alleine da. Wie bereits erwähnt, gehört es zwar zum Mainstream, dass Menschen unter dreißig links wählen. Allerdings erleben wir in den letzten Jahren immer wieder, dass gerade die Jungen verstärkt konservativ, bürgerlich bzw. mitte-rechts bis rechts wählen. Bei den Tiroler Landtagswahlen 2022 schnitt die FPÖ bei jungen Menschen mit 24 Prozent mit Abstand am besten ab.⁠1 Bei den Nationalratswahlen 2017 und 2019 erzielte jeweils die Volkspartei unter Sebastian Kurz besonders gute Ergebnisse unter Jungwählern.⁠2⁠3 Der große Vertrauensverlust in Politik und staatliche Institutionen in den letzten Monaten macht jedoch vor jungen Menschen in Österreich nicht Halt. Aktuelle Studien des Instituts für Jugendkulturforschung sprechen davon, dass das Misstrauen junger Menschen gegenüber der Politik noch nie so groß war. Nur 14 Prozent der 16- bis 29-Jährigen vertrauen noch politischen Parteien. Hier wird kaum zwischen regierenden Parteien und der Opposition entschieden.

Alle Parteien leiden unter diesem massiven Misstrauen der unter 30-Jährigen – alle bis auf eine Partei. Die FPÖ. Und warum? Weil sie als eine »Anti-Establishmentpartei«⁠4 verstanden wird, die gegen »die da oben« kämpft und somit die offenbar relativ weit verbreiteten Abstiegsängste der jungen Menschen anspricht. Diese Abstiegsängste betreffen aber nicht nur junge Menschen, sie scheinen in unserer Zeit der vielen Krisen eines der hervorstechendsten Wählermotive zu sein. »Menschen haben Angst, ihren Wohlstand zu verlieren. Und den sogenannten Luxus links zu wählen leistet sich auch bei jungen Menschen nur ein geringer Prozentsatz«, analysiert der österreichische Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier.

Wenn es also in Wirklichkeit seit Jahren die Mehrheit der Jugend Österreichs ist, die konservativ bis rechts wählt, wieso sorgt es dann für dermaßen viel Empörung und Aufregung, dass eine junge Frau eine Politik rechts der Mitte verfolgt? Eine der häufigsten Fragen, die ich in den vergangenen Jahren gestellt bekommen habe, lautete: »Wie hältst du das nur aus?« Und gemeint war, wie ich mit all dem Hass, der mir entgegenschlug, umgehen könne. Dieser Hass und eine beinahe absurd laute Kritik an meiner Person begleiten mich bereits seit meiner Zeit in der Jungen ÖVP.

Zum Abschuss freigegeben

Ursache dafür ist sehr wahrscheinlich die Tatsache, dass sich mittlerweile eine unglaublich große Kluft zwischen der veröffentlichten Meinung, dem öffentlichen Diskurs und der tatsächlichen Meinung in der Bevölkerung aufgetan hat – und das unabhängig von Alters- und Einkommensgruppen. Was wir aktuell erleben, ist eine links ausgerichtete Meinungs­elite, die versucht einer ganzen Generation vorzuschreiben, wie sie zu denken hat. Alles wird in Schwarz und Weiß eingeteilt, in Gut und Böse. Alles, was als gut gilt, wird als progressive Politik verstanden. Alles andere erhält einen Stempel als rückschrittlich und beinahe reaktionär.

Allein das einfache Hinterfragen dieser fast schon autoritären Meinungsbildung wird nicht mehr geduldet, weder in der medialen Öffentlichkeit noch im persönlichen Gespräch.

Der rechtschaffene, moralisch erhabene Mensch ist links, so das Bild vieler linker Meinungsmacher.

Dabei zeigt uns die Geschichte im Grunde das genaue Gegenteil. Die Vergangenheit lehrt uns, dass nur das Ausbrechen aus diesen Denkmustern, das Hinterfragen dieses Mainstreams am Ende Weiterentwicklung und Fortschritt bringen.

Das erste Mal sah ich mich während meines Wahlkampfes zur Wienwahl im Jahr 2020 mit einem großen Aufschrei auf Social Media konfrontiert. Ich produzierte in diesem Wahlkampf eine Reihe von Videos, in denen ich mich mit den Problemen in Wien auseinandersetzte. Bewusst wählte ich in den Videos eine sehr klare Sprache – allerdings nicht, um absichtlich zu provozieren, sondern weil es zu politischen Videos nun einmal dazugehört, alles möglichst unmittelbar zu formulieren. Jeder weiß, dass man im Netz im Schnitt maximal eine Minute Aufmerksamkeit für seine Videos bekommt – wenn überhaupt. Unter solchen Bedingungen seine Botschaft zu platzieren, erfordert nun einmal eine deutliche Sprache.

Und so kam es, dass meine Videos ab diesem Zeitpunkt für ziemlich großes Aufsehen sorgten.

Natürlich ging es da nicht nur um die Sprache, die ich wählte. Twitter hasste mich für meine politischen Inhalte, die ganz klar rechts der Mitte angesiedelt waren. Zusätzlich gab es wohl viele Menschen, die nicht verstanden, wie eine junge Frau aus Wien eben nicht sofort dem politischen Mainstream verfallen konnte und sich nicht für linke Politik engagierte. Ich war Mitte zwanzig, kandidierte für ein Mandat im Wiener Gemeinderat und Landtag und sprach über Integrationsversäumnisse in Wien, kritisierte das SPÖ-Modell des Wiener Gemeindebaus und sprach mich für die Beibehaltung von Nikolausfesten in Kindergärten aus. Das passte nicht jedem.

Während also Twitter darüber spekulierte, wie es nur sein konnte, dass eine junge Frau bewusst zu solchen Inhalten steht, nahm meine Kampagne erst durch diese Kritik so richtig Fahrt auf. Niemals hätte ich schon so früh als Landtagsabgeordnete so viel Aufmerksamkeit bekommen, wenn mich nicht die ganze politmediale Blase auf Social Media regelmäßig durch den Dreck gezogen hätte. Bald wurde das sogar zu einem Spiel. Sobald ich mein Mandat angetreten hatte und regelmäßig anfing, zu politischen Inhalten öffentlich zu kommunizieren, gab es einen Shitstorm. Es verging nahezu keine Woche ohne einen Aufreger rund um meine Person. Viele der Debatten auf Social Media fanden dann auch ihren Weg in die Medien.

Mit jedem Shitstorm wurde die Aufmerksamkeit natürlich größer, die Debatten heftiger und die Kritik persönlicher. Geradezu hysterische Ausmaße erlangte diese Dynamik, als bekannt wurde, dass ich Generalsekretärin der Volkspartei werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt war ich de facto zum Abschuss freigegeben. Wochenlang rollte eine Welle des Hohns über mich. Die ersten Wochen nach Bekanntgabe waren besonders hart, und im Laufe der kommenden Monate sollten einige politische Äußerungen von mir für besonders viel Aufregung sorgen.