Schamlos - Laura Sachslehner - E-Book

Schamlos E-Book

Laura Sachslehner

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Beschreibung

Seit Jahren und Jahrzehnten bedient sich die Politik der immer gleichen Erzählungen, die aber oftmals falsch sind. Politiker und Parteien nutzen stupide und erfundene Narrative, um ihre eigenen politischen Wahrheiten in Stein zu meißeln. Dabei werden diese in der Öffentlichkeit immer weniger hinterfragt und schaffen somit ein völlig verzerrtes Bild der Realität und der öffentlichen Meinung. Die Politikerin Laura Sachslehner, die in ihrer Arbeit selbst immer wieder mit diesen irreführenden Narrativen konfrontiert ist, verrät die zehn größten Lügen der Politik, wonach Wohlstand beispielsweise unsozial sei oder wir alle Menschen, die in unser Land kommen, integrieren könnten, wenn wir uns nur genug anstrengten. Besonders gefährlich erscheint ihr das deshalb, weil auf Basis dieser Lügen letzten Endes auch politische Maßnahmen diskutiert und getroffen werden. Das Volk werde dabei oft schamlos angelogen. Laura Sachslehner plädiert in ihrem neuen Buch für mehr Wahrheit und Verantwortungsbewusstsein in der politischen Auseinandersetzung – egal, ob es Fragen der Gerechtigkeit, die Ausgestaltung des Sozialsystems oder die Debatte rund um unkontrollierte Migration und die Integration von Zugewanderten betrifft.

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SCHAMLOS

DIE 10 GRÖSSTEN LÜGEN DER POLITIK

LAURA SACHSLEHNER

SEIFERT VERLAG

unveränderte eBook-Ausgabe

© 2024 Seifert Verlag

1. Auflage (Hardcover): 2024

ISBN: 978-3-904123-90-7

ISBN Print: 978-3-904123-85-3

Umschlagfoto: Garima Smesnik

Sie haben Fragen, Anregungen oder Korrekturen? Wir freuen uns, von Ihnen zu hören! Schreiben Sie uns einfach unter [email protected]

www.seifertverlag.at

facebook.com/seifert.verlag

INHALT

Einleitung

1. Linke machen ­Politik für arme Menschen

Arbeit besiegt Armut

Der große Mythos von der Umverteilung

Auf die Plätze, fertig, heizen

Die Zwei-Klassen-Gesellschaft

2. Wohlstand ist asozial

Der rote Traum vom Antikapitalismus

Anti-Wachstums-Ideologie als Lifestyle

Schulden sichern keinen Wohlstand

Das Ziel ist die schwarze Null

3. Der Rückschritt bringt uns bessere Zeiten

Die falsche Transformation

Das unehrliche Spiel der Grünen

Ein Versprechen für den Fortschritt

4. Europa weiß es besser

Die unendliche Geschichte europäischer Moral

Falsche Verantwortung in der Migration

Der Drang zur Überregulierung

Europas moralische Lieferkette

Wohnraum als Spielball linker Ideologie

Eingriff in Familienpläne

Europa muss vom hohen Ross herunter

5. Europa ist der Mittelpunkt der Demokratie

Gebrochene Versprechen

Der undemokratische EuGH

Der Kampf muss sich lohnen

6. Wir werden alle integrieren können, wenn wir nur wollen

Kein Schmelztiegel mit Islamisten

Das Asyl-Märchen

Die Folgen unseres Versagens

7. Illegale Migration ­rettet unseren Arbeitsmarkt

Das Schicksal der Demografie

Familiengründung als Gretchenfrage

Frauenpolitik ist Arbeitsmarktpolitik

Zu wenig, um zu bestehen

8. Unser Rechtssystem sorgt immer für Gerechtigkeit

Kavaliersdelikt Menschenhandel

Drogendelikte als Volkssport

Präventivhaft für straffällige Asylbewerber

Fußfesseln für Frauenschläger

Recht und Ordnung sind kein Selbstzweck

9. Gleichheit schafft Zusammenhalt

Einheitsbrei statt Talente

Die einzig wahre Kultur

Wir müssen streiten

10. Demokratie muss man für einzelne Interessen opfern

Eine Minderheit, die steuert

Das Modell Schweiz

Der laute Wille

Fazit: Wir sind die Mehrheit

Endnoten

EINLEITUNG

„Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.“

Salvador Dalí

Jeder von uns kennt sicher dieses Gefühl. Wenn man eigentlich schon lange weiß, dass etwas nicht der Wahrheit entspricht, man sich das aber nicht eingestehen möchte. Wenn man zwar insgeheim weiß, dass etwas eine Lüge ist, aber man den Gedanken daran lieber noch etwas länger wegschiebt. Vielleicht, weil die Illusion, in der man sich gerade befindet, doch schöner ist. Vielleicht, weil die Wahrheit zu viel verändern würde. Vielleicht, weil es einem auch zu anstrengend erscheint, sich mit der Realität auseinanderzusetzen und es anders bequemer ist. Ich bin mir sicher, jeder von uns kennt das aus seinem Alltag.

So kann es einem in vielen Situationen im Leben gehen. Im Job, in Freundschaften, in Beziehungen, in der Familie. Überall da, wo Menschen miteinander agieren, gibt es auch das Spiel zwischen Wahrheit und Lüge. Das gehört wohl zum Leben dazu. Nicht jede Lüge ist schlecht. Nicht jede Lüge passiert in böser Absicht. Manchmal ist der Gedanke dahinter vielleicht sogar ein lobenswerter. Um etwas schöner darzustellen, als es ist. Um einen geliebten Menschen nicht zu verletzen. Oder vielleicht, um sich selbst bei irgendetwas mehr Ruhe zu verschaffen. Das ist alles in vielerlei Hinsicht legitim.

Und genauso wie uns diese kleineren und größeren Lügen an vielen Stellen im Alltag begegnen, treffen wir sie auch in der Politik an. Dabei spreche ich nicht von dem plumpen Vorwurf, den Parteien einander manchmal machen, man würde jeweils absichtlich den Wähler anlügen. Es ist in meinen Augen viel komplizierter als dieser simple Schlagabtausch, der mittlerweile fester Bestandteil des politischen Tagesgeschäfts – vor allem in Wahlkämpfen – ist.

Um das besser differenzieren zu können, muss man sich zuerst die Frage stellen, worum es denn ganz grundsätzlich in der politischen Arbeit geht. Meiner Meinung nach geht es darum, das Beste für unsere Gesellschaft rauszuholen. Die beste Idee mit dem besten Endergebnis umzusetzen. Dass das auch getragen ist von unterschiedlichen Weltanschauungen, ist klar. Das gehört ebenfalls zur politischen Auseinandersetzung.

Doch unabhängig von Ideologie und Gesinnung gibt es einige Narrative, an denen sich die Politik seit Jahrzehnten festklammert. Erzählungen und festgefahrene Wahrheiten, an denen sich dann die Berichterstattung, die öffentliche Meinung und der politische Diskurs orientieren. Dazu zählen zum Beispiel Vorstellungen, wer oder was gut oder böse ist. Welche politische Einstellung sozial ist. Und welche es nicht ist. Dazu gehören zum Beispiel Erzählungen darüber, wer in unserer Welt als menschlich zu gelten hat. Welche Art der Politik als warmherzig und großzügig gilt. Und auch was wiederum die herzlosen und berechnenden Akteure in der Politik ausmacht. Wer die Helden sind und wer die Schurken. Auf dem Fundament dieser falschen Narrative wird dann Tagespolitik betrieben. Einzelne Parteien und Politiker profilieren sich auf Basis dieser Narrative.

All diese Erzählungen sind unterfüttert mit einer Art von allgemeingültigen Wahrheiten, die einfach stillschweigend hingenommen und weitergetragen werden. Und das, obwohl sie bei genauerer und ehrlicher Betrachtung nicht der Realität entsprechen. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Wahrheit nicht unbedingt eine politische Kategorie ist. Zwar erhebt natürlich jeder, der Politik macht, für sich den Anspruch, die Wahrheit zu vermitteln, und zu Recht ist der Wahrheitsanspruch auch etwas, was die Gesellschaft als Gradmesser für jeden, der politisch tätig ist, erachtet. Doch so wirklich hinterfragt wird das dann nicht. Sonst müssten wir doch schon lange wissen, dass viele Zuschreibungen, mit denen einzelne Parteien spielen, nicht der Wahrheit entsprechen. Wir müssten uns eingestehen, dass manche Institutionen und auch manche Regelwerke, die für uns sakrosankt sind, längst eines kritischeren Blickes und Umgangs bedürfen. Und wir müssten einsehen, dass nicht alles, was in unserem Land und in unserem politischen System nach außen glänzt, dies auch wirklich nach innen tut.

Dabei muss man natürlich zwischen solchen unterscheiden, die sich dieser Narrative bedienen, und jenen, die sie entscheidend prägen. Nicht jeder, der beispielsweise das Märchen, ein restriktiver Zugang beim Thema Migration sei unmenschlich, nachplappert, tut dies mit einem Hintergedanken. Nicht jeder, der davon spricht, die Autos aus dem täglichen Leben zu verbannen, möchte damit eine marxistische Revolution anführen. Und nicht jeder, der behauptet, die Marktwirtschaft sei eines der größten politischen Probleme unserer Zeit, verfolgt dabei eine eigene politische Agenda. Manche sehr wohl, aber viele nicht.

Viele wollen einfach an diese Dinge glauben. Ich vermute mal, weil es ihnen Lösungen und Perspektiven auf sehr komplexe Fragen der Zeit liefert. Einfache Antworten auf Fragen, auf die es oft nicht die eine Antwort gibt. Es ist gerade seitens der Politik leichter, so zu argumentieren – vor allem, wenn man dafür auch noch medialen Applaus bekommt. Für schöne, angepasste und einfach klingende Botschaften gibt es immer mehr Applaus. Die unschönen Wahrheiten auszusprechen, die Dinge zu hinterfragen, die für viele als unantastbar gelten, ist eine viel größere Herausforderung. Diese kann gerade in der politischen Auseinandersetzung zu einem Verhängnis werden. Das weiß jeder, der sich politisch engagiert. So ist es nicht verwunderlich, dass viele einen anderen Ausweg aus diesem Dilemma wählen.

Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass nicht nur die Politik selbst weiß, dass vieles davon schlicht längst überholte oder einfach nur stumpfsinnige Geschichten sind. Das wissen auch die Medien und viele Meinungsmacher. Wieso es trotzdem dann seit vielen Jahren so funktioniert? Weil es in diesen Fragen oft um Moral geht. Und um den Wunsch, klarmachen zu können, dass die einen – die Guten – den anderen überlegen sind. Sich selbst, seine Sicht auf die Welt und den eigenen Anspruch als das moralisch Gute und das moralisch Erhabene zu verfestigen, kann für viele eine starke Motivation sein. Auch wenn das vielleicht ein nachvollziehbarer Wunsch ist, so ist es doch auch ziemlich schamlos. Es ist schamlos, für die eigene Agenda Erzählungen etablieren zu wollen, die keiner Realität entsprechen. Und es ist schamlos, dass dann anhand dieser Erzählungen tatsächlich politische Maßnahmen diskutiert werden.

Genau das passiert aber jeden Tag aufs Neue. Nicht nur in Österreich, diese Dynamiken gibt es natürlich auch in anderen Ländern Europas und der Welt. Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte, dann sehen wir, dass solche falschen „Wahrheiten“ bereits in der Vergangenheit in totalitären Staaten wie dem Dritten Reich oder auch der Sowjetunion gleichsam zur „Staatsdoktrin“ verfestigt wurden, z. B. die „rassentheoretisch“ begründete Aussage der NS-Ideologen: „Juden sind böse Untermenschen und wirken zersetzend auf unseren Volkskörper“. Diese „falsche Wahrheit“ wurde damals zum Instrument der Unterdrückung, Verfolgung und Ausbeutung.

Auch im Kolonialismus spielten falsche Wahrheiten eine unheilvolle Rolle. Mit dem Argument, das seien ja nur „Heiden“, ließ sich das Abschlachten indigener Bevölkerungen, deren Land und Bodenschätze man wollte, von den Kolonial­mächten bequem rechtfertigen. Man hatte ja die Wahrheit für sich gepachtet.

Umso gefährlicher sind auch heutige Narrative, die von politischen Gruppierungen als die einzig richtige Wahrheit dargestellt werden. Auch heute sind diese moralisch erhabenen Erzählungen, mit denen man versucht, ganze Generationen zu prägen, kein Phänomen, das sich auf unsere Landesgrenzen beschränkt. Linke Narrative, die versuchen, jedem, der nicht links ist, ein schlechtes Gewissen einzureden, erleben wir genauso in Deutschland, in Italien, in Großbritannien und in vielen anderen Ländern der Welt. Erzählungen vom Guten und vom Bösen, vom Klassenkampf und von den bösen Mächtigen – sie funktionieren immer wieder und überall. Sie funktionieren, weil sie Geschichten erzählen, die gut klingen und einen Feind zeichnen, gegen den man sich wenden kann. Auf den man wütend sein kann, wenn etwas falsch läuft, und auf den man hinhauen kann, wenn einem sonst nichts mehr einfällt. Dieser Narrative bedient sich natürlich nicht nur der linke Rand, sondern auch der rechtsextreme. In diesem perfiden Spiel falscher Narrative treffen sich genau die Ränder, die sich eigentlich bekämpfen wollen, und versuchen oft, die öffentliche Meinung für sich zu instrumentalisieren.

In beiden Fällen ist die Wahrheit oft weit entfernt von diesen Erzählungen. Doch das Problem der Wahrheit ist, dass sie häufig wesentlich komplizierter und unbefriedigender ist als so manche dieser Erzählungen. Also halten sich Politiker, Meinungsmacher und viele andere lieber an falschen Erzählungen fest – denn es macht ihnen das politische Leben und die eigene Kommunikation einfacher. Und das ist in einer Welt, wie wir sie heute erleben, natürlich besonders verlockend. Die Konsequenzen daraus treffen uns alle und sind gefährlich.

Mich frustriert das. Es frustriert mich nicht nur in meiner eigenen politischen Arbeit, sondern vor allem auch als Mensch, der den Anspruch an das Leben erhebt, sich mit tatsächlichen Realitäten zu beschäftigen und nicht in einer künstlich geschaffenen Blase herumzuschweben. Immer wieder hören wir doch, wie gefährlich es ist, dass sich Menschen durch soziale Medien und Algorithmen nur noch in ihren eigenen Echokammern bewegen. Und dann reproduzieren wir diese Blasen selbst immer wieder. Das kann nicht das Ziel sein. Und das kann nicht der Anspruch eines jeden in der eigenen politischen Arbeit sein. Also versuche ich mich in diesem Buch der Wahrheit zu nähern. Was die Wahrheit in diesem Fall ist? Wie Thomas von Aquin formulierte, liegt die Wahrheit im Grunde in der Übereinstimmung von Verstand und Sache.⁠1 Umso entscheidender, dass wir uns nicht von lautstarken Meinungen leiten lassen, sondern uns die Fakten dahinter anschauen. Hier geht es nicht um eine konstruierte Wahrheit, die meiner Weltanschauung entspricht. Sondern um eine Wahrheit, die auf Daten, Ereignissen und tatsächlich erlebten Gegebenheiten basiert. Und ich weiß, wie so oft, wird das nicht jedem gefallen.

„Die Wahrheit ist hässlich“, sagte einst schon Friedrich Nietzsche. Das mag wohl besonders für den öffentlichen Diskurs und die politische Auseinandersetzung stimmen. Das Eingeständnis, dass viele der Erzählungen, die wir uns in den letzten Jahrzehnten ungefiltert um die Ohren gehauen haben, nicht der Realität entsprechen, ist sicherlich für manche schmerzhaft. Für manche würde es auch mit dem Verlust von Einfluss, Macht und Meinungshoheit einhergehen. Wir wissen nur zu gut, was dann folgt. Die Empörung. Der Aufschrei Einzelner, die aber in der Öffentlichkeit ganz laut sein können. Einzelne linke Meinungseliten, die ihre Angst vor dem Verlust ihrer Meinungshoheit mit brachialer Gewalt in der öffentlichen Diskussion dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie jeden, der ihre konstruierten Wahrheiten auch nur im Entferntesten angreifen möchte, sofort als „reaktionär“ und konservativ abstempeln. Da wird es dann schnell sehr laut, untergriffig und rabiat. Oft ist dann beinahe jedes Mittel recht, um jeden etwaigen Widerstand gegen diese Blase, so schnell es geht, niederzuschmettern.

Doch wir merken, dass das immer weniger funktioniert. Menschen verzehren sich nach Wahrheiten. Und das vor allem in einer Zeit wie jetzt, wo wir alle langsam merken, dass viele dieser Märchen noch absurder scheinen, als es in der Vergangenheit ohnehin schon der Fall war. Gerade die Ereignisse der letzten Monate zeigen uns, dass viele Erzählungen linker Parteien auf anschauliche Art und Weise nun von selbst wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen – aber dazu später mehr. Dass manche dennoch nach wie vor so stur daran festhalten, ist in meinen Augen auch einer der Gründe, warum sich viele Menschen in ihre eigene Welt zurückziehen und wir sie nicht mehr erreichen. Nicht umsonst sinkt das Vertrauen in das Establishment, in Parteien und auch in Medien.

Ich weiß genau, was sich nun einige, die das hier lesen werden, denken. Dass doch ich als Politikerin auch meine spezifische Wahrheit zu vermitteln versuche. Die Wahrheit, die meinen Wertvorstellungen und meinen Ansichten entspricht. Und natürlich, als Politikerin habe ich selbstverständlich Themen und Anliegen, die mir wichtig sind. Auch ich habe ein Weltbild, das sich in meiner politischen Meinung spiegelt. Aber das ist hier nicht der Punkt.

Am Ende stellt sich nämlich nur eine Frage: Wollen wir in einer Welt leben, die durch die Wahrheiten einiger weniger bestimmt wird, oder wollen wir eine Welt, in der Fakten und der Sinn für Realität, für die alltägliche Lebenswirklichkeit der Menschen im Vordergrund stehen?

Meine Entscheidung steht da schon lange fest. Ich halte es für absurd, dass wir in einer Zeit leben, in der es offenbar immer wieder notwendig ist, lautstark darauf aufmerksam zu machen. Ich halte es für absolut verheerend, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht die Fakten im Vordergrund stehen, sondern nur diejenigen, die am lautesten schreien.

Um dem endlich etwas entgegenzusetzen, versuche auch ich möglichst laut zu sein. Möglichst laut in diesem Buch und möglichst laut in meiner politischen Arbeit. Um der lauten und schreienden Minderheit, die sich lediglich vor ihrem eigenen Machtverlust fürchtet, etwas entgegenzusetzen. Denn während eine leise, oft schweigende Mehrheit, die diese Lügen Stück für Stück durchschaut, sich immer weiter zurückzieht, zeichnet sich die laute Minderheit vor allem durch eines aus: Schamlosigkeit. Schamlosigkeit, die oftmals einhergeht mit der arroganten Pose eines selbstgefälligen Besserwissertums, die einen nicht selten sprachlos zurücklässt. Oft scheint es so, dass nur diejenigen, die möglichst schamlos und dreist agieren, mit ihren Wahrheiten am Ende übrig bleiben. Das will und kann ich nicht hinnehmen.

1

LINKE MACHEN ­POLITIK FÜR ARME MENSCHEN

„Grüne Ideen gedeihen nicht in den Quartieren

der Arbeiter. Sie gedeihen in den Luxusvillen

der ­Schickeria.“

Franz-Josef Strauß

Während der Arbeit an diesem Buch bin ich in vielen Gesprächen immer wieder gefragt worden, warum denn linke Parteien nach wie vor so an ihren Erzählungen festhalten – obwohl wir gerade in jüngster Vergangenheit in vielen Bereichen sehen, dass diese Darstellungen keinem Realitätscheck standhalten. Meiner Meinung nach ist das ganz schnell auf den Punkt gebracht: Sie können nicht akzeptieren, dass viele Menschen nicht links denken und somit auch nicht links wählen. Sie wollen nicht akzeptieren, dass es in den letzten Jahren in Österreich keine Mehrheiten links der Mitte bei Wahlen gegeben hat. Und somit können sie auch nicht akzeptieren, dass ihr Weltbild lediglich das einer kleinen elitären Gruppe ist, sich aber nicht in der Breite der Bevölkerung wiederfindet. Und da sie das nicht akzeptieren können, greifen sie eben nun zu anderen Mitteln: Sie schaffen sich einfach ihre eigene Realität. Diese Realität aufrechtzuerhalten, funktioniert dann in der eigenen Echokammer und in der eigenen kleinen Blase – solange man sich gegenseitig nur recht gibt. Der Philosoph Richard David Precht formuliert es so: „Und unbestreitbare Wahrheit erfüllt das Bewusstsein, einfach dadurch, weil alle anderen bekanntlich lügen.“⁠1 Indem man sich gegenseitig in seiner Realität bestärkt, braucht sie niemand zu hinterfragen. Wenn diese Realität dann durch mediale Berichterstattung ungefiltert weitergetragen wird, schafft sie es, ganze Diskurse zu prägen. Und damit dann auch ganze Generationen von Menschen.

Dass die daraus resultierende Politik unsere Gesellschaft und unseren Staat jedoch letzten Endes immer weiter ins Abseits und an den Rand der Überforderung führt, wird dabei gerne unter den Teppich gekehrt. Doch genau dem werden wir nun in den folgenden Kapiteln etwas entgegensetzen. Und das nicht einfach mit Meinung. Sondern mit tatsächlichen Fakten, die uns zeigen, wie falsch viele Narrative sind, mit denen Politiker, Medien und Meinungsmacher jeden Tag arbeiten.

Eines der nachhaltigsten Narrative ist dabei die Erzählung, dass gerade linke Parteien Politik für sozial schwächere und bedürftige Menschen machen würden. Gerade linke Parteien würden angeblich die Bekämpfung von Armut in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen und eine Politik verfolgen, die für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft sorgt.

Wie eine Monstranz wird das Thema der Armutsbekämpfung von linken Parteien in ganz Europa vor sich hergetragen. So schreiben sich Parteien, wie beispielsweise die SPÖ, zu, sie würden eine Politik machen, die die Unterschiede zwischen „oben und unten“ verringert.⁠2 Linke Parteien, egal ob Sozialisten, Grüne oder Kommunisten, propagieren, sie würden sich „für den kleinen Mann“, „für die da unten“ und für den „sozialen Ausgleich“ einsetzen. Sie kämpfen angeblich gegen alle, die „den kleinen Mann“ ausbeuten möchten – gegen Unternehmen, Reiche, Konzerne und jegliche Politik, die nicht links der Mitte ist. Sie kämpfen gegen jede Form des Kapitalismus und gegen jede ausbeuterische Form der Marktwirtschaft. Für die Grünen Österreichs zum Beispiel hält der „freie Markt nicht das, was er verspricht.“⁠3

Dabei geht es ihnen nicht nur um die Kritik an einem wirtschaftspolitischen Leitbild, sondern um die Botschaft, man würde sich dadurch automatisch für sozial schwächere Bevölkerungsgruppen einsetzen. Linke Thinktanks beschwören, sie würden Politik „für die vielen“ machen – so auch das von der Arbeiterkammer finanzierte Momentum Institut in Österreich.⁠4 Und auch international setzen viele linke Parteien seit Jeremy Corbyn auf den Kampfspruch „For the Many not the Few“.

Dabei sind Armutsbekämpfung genauso wie das Streben nach Gerechtigkeit unbestritten tatsächlich wichtige Themen. Natürlich, denn wie könnte es auch anders sein. Jeder, der für sich beansprucht, ernsthafte Politik zu machen, setzt sich automatisch als Ziel, die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern – und dazu gehört natürlich auch jede Form der finanziellen Absicherung und gerechten Verteilung von Wohlstand. Absurderweise sind es genau linke Parteien, die mit ihrer Ideologie eine Politik verfolgen, die auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung agiert – also jener Gruppe, die sie eigentlich verteidigen wollen. Genauso wie sie eine Politik verfolgen, die den Menschen zuerst viel wegnimmt, um ihnen später gönnerhaft einzelne Almosen zuzustecken. Das nennen sie dann großzügig „soziale Gerechtigkeit“. Alle anderen politischen Mitbewerber würden im Gegensatz dazu eine Politik für Reiche machen. Diese Politik für angebliche Superreiche und Konzerne sei der Grund allen Übels und müsse mit allen Mitteln bekämpft werden. Und um das zu erreichen, brauche es endlich eine neue „Verteilung von Reichtum und Macht“⁠5 – so wie es die Sozial­demokratie in Österreich zum Beispiel definiert.

Diese klassenkämpferische Rhetorik hat in Parteien links der Mitte schon lange Tradition und ist in ihren Narrativen fest verankert. Schon Karl Marx schrieb in seinem „Manifest der Kommunistischen Partei“ abfällig über die Bourgeoisie (also das wohlhabende Bürgertum): „Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen“. Und das tue sie einzig und allein, um den Absatz für ihre Produkte zu steigern und ihrem kapitalistischen Weltbild zu frönen.⁠6 Laut Marx besteht der einzige Sinn bürgerlicher Politik darin, die Arbeiterklasse auszubeuten. Deswegen müsse sich diese auch um jeden Preis gegen die „große Industrie“ und die Bourgeoisie auflehnen.

Selbst wenn man dieser heute noch stattfindenden aggressiven Einordnung von gesellschaftlichen Gruppen Glauben schenken möchte, so hakt das Ganze dennoch an der tatsächlichen Politik, die diesen Anspruch verkörpert. Der gewünschte Klassenkampf und die versprochene Umverteilung, die linke Parteien, daraus abgeleitet, fordern, erzeugt in der Realität nur das Gegenteil, wie wir im Folgenden sehen werden: eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die auf unmoralische Art und Weise immer weiter diejenigen ausbeutet, die das System gleichzeitig am Laufen halten – bis am Ende alle gleich wenig zur Verfügung haben.

Bevor wir uns das im Detail ansehen, erlauben wir uns hier noch einen Blick auf die Rezeption dieser Erzählungen. Denn dass diese Lüge in der Bevölkerung tatsächlich kaum noch jemand glaubt, zeigt sich auch in den Wahlergebnissen der letzten Jahre. Die Wählergruppe, die linke Parteien nämlich genau damit für sich gewinnen möchte, also die Erwerbstätigen mit kleineren Einkommen und sozial schwache Zielgruppen, wählen in vielerlei Hinsicht schon lange mehrheitlich nicht mehr links. Die Grünen beispielsweise sind schon seit vielen Jahren eine Partei der Einkommenseliten und finden nur noch wenig Zustimmung in sozial schwächeren Wählersegmenten.⁠7 So sieht man, dass gerade die Wähler der Grünen in Deutschland überdurchschnittlich gut verdienen und die Grünen zum Teil nur aus Lifestyle-Gründen wählen. Vor allem unter Arbeitern ernten die Grünen in Deutschland wenig Unterstützung.⁠8

Ähnliches spiegelt sich auch in Wahlergebnissen in Österreich wider. Bei der Landtagswahl in Niederösterreich 2023 erzielten die Grünen nur 4 % bei jenen Wählern, die angaben, mit ihrem Einkommen schlecht auszukommen.⁠9 Und auch bei der Landtagswahl in Salzburg 2023 konnte bei Erwerbstätigen allen voran die Freiheitliche Partei (30 %) punkten und auf dem zweiten Platz die Volkspartei (26 %).⁠10 Diese Befunde sind nicht nur für die Grünen ein Problem, sondern vor allem auch für sozialdemokratische Parteien, die sich gerne als „Parteien der Arbeit“ inszenieren. Auch bei der Nationalratswahl 2019 wählten sowohl Arbeiter als auch Angestellte mehrheitlich Parteien rechts der Mitte. So wählten 21 % der Arbeiter die Volkspartei und 48 % die Freiheitliche Partei. Angestellte wählten mit 40 % ebenfalls zu großen Teilen die Volkspartei.⁠11

Arbeit besiegt Armut

Die falschen Versprechungen linker Parteien hinsichtlich ihres Verständnisses von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit stoßen also nicht nur mittlerweile bei Wählern auf Widerstand, sie halten darüber hinaus einem schlichten Faktencheck nicht stand. Bevor wir auf das dahinterliegende Ziel, die große Umverteilung, zu sprechen kommen, widmen wir uns im Folgenden einigen Fallbeispielen linker Tagespolitik und beginnen so, das Märchen linker Parteien in dieser Hinsicht Stück für Stück zu dekonstruieren.

Angefangen im Kleinen, zum Beispiel in der Stadt Wien, braucht es nur einen kurzen Blick auf einige Zahlen, um zu erkennen, dass sich gerade hier das Märchen der linken SPÖ schnell entlarvt. Angeblich werde soziale Gerechtigkeit in Wien ganz großgeschrieben. Als Beweis für diese These brüstet man sich mit internationalen Rankings, die unserer Stadt bescheinigen, sie sei die lebenswerteste Stadt der Welt. So sei ein zentrales Element der Wiener Identität das „Streben nach Gerechtigkeit“⁠12 – solche und ähnliche Phrasen finden sich auf den Webseiten der Stadt Wien.

Doch hinter diesen schönen Überschriften, die uns Politiker der Wiener SPÖ regelmäßig vermitteln wollen, verbergen sich eine Reihe von anderen Statistiken, die von der Stadtregierung nur zu gerne totgeschwiegen werden. Und das, obwohl mit ihnen besorgniserregende Realitäten in unserer Stadt verbunden sind. Da wäre zum Beispiel die Arbeitslosenstatistik, die Wien erschreckenderweise jedes Mal aufs Neue mit großem Abstand anführt. Mit September 2023 verzeichnet Wien eine Arbeitslosenquote von 10,3 % und liegt damit weit vor allen anderen Bundesländern und weit über dem österreichischen Durchschnitt mit 5,9 %. Gleich nach Wien folgen die anderen beiden rot geführten Bundesländer in Österreich – Kärnten und das Burgenland.⁠13

Dabei ist gerade Arbeit der beste Weg aus der Armut, wie Zahlen ganz klar bescheinigen. Im Jahr 2022 galten in Öster­reich 41 % der Arbeitslosen als armutsgefährdet. Bei den Erwerbstätigen fielen lediglich 8,2 % darunter.⁠14 Menschen in Arbeit zu bringen, muss also das vorrangige Ziel jeglicher Armutsbekämpfung sein. Bemerkenswert also, dass gerade links regierte Bundesländer in Österreich es einfach hinnehmen, dass dies gerade in ihren Verantwortungsbereichen verhältnismäßig schlecht funktioniert.

Auch bei den Ausgaben für die Sozialhilfe führt Wien haushoch. 134.303 Personen befanden sich laut Statistik Austria im Jahr 2022 in Wien in der Mindestsicherung.⁠15 Wer das jetzt als Zeichen des sozialen Miteinanders in Wien werten möchte, der wird leider enttäuscht. Knapp 60 % der Bezieher sind ausländische Staatsbürger, und nachdem davon etwa 40 % Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte sind, befinden sich darunter nicht wenige, die zwar monatlich Geld bekommen, aber noch keinen einzigen Tag in unser System einbezahlt haben.⁠16 Das ist wahrlich nicht fair und sagt viel über das Gerechtigkeitsverständnis der Verantwortlichen im Wiener Rathaus aus.

Und so verwundert es niemanden, dass sich dieses Bild auch bei der Statistik der Sozialleistungsbetrüger vervollständigt. Mit 1.433 Fällen im Jahr 2022 führt auch dieses Ranking das Bundesland Wien haushoch an.⁠17 Schnell erkennt man, dass all diese Zahlen natürlich in einem Zusammenhang stehen und das Ergebnis einer sozialistischen Strategie sind: Machen wir die Bürger zuerst zu Bittstellern, dann können wir ihnen im Nachhinein mit Almosen das Gefühl von Gerechtigkeit vermitteln. Aus diesem Grund strebt auch niemand der Verantwortlichen danach, diese Zahlen zu ändern. Diese Form der Abhängigkeitspolitik herrscht natürlich nicht nur in Städten wie Wien, sondern auch in anderen europäischen Städten und Regionen. Dahinter steht immer das gleiche Narrativ, wonach der Staat als Schulmeister uns zuerst knebelt und dann gönnerhaft unterstützt.

Dabei zeigen uns nicht nur die Zahlen, wie wir später noch sehen werden, dass das nicht funktioniert. Auch im Sinne der Eigenverantwortung eines jeden Menschen in unserem Land gilt es, solch eine Politik kategorisch abzulehnen. Politik sollte die Ermächtigung des Bürgers als oberstes Ziel verfolgen. Das Ziel, dass der Staat einem zwar die besten Rahmenbedingungen gibt, um sich etwas aufzubauen, doch jeder Mensch durch sein eigenes Handeln und seine eigene Leistung einen Unterschied macht. Genau aus diesem Grund darf die Mindestsicherung zum Beispiel auch niemals die berufliche Endstation sein. Menschen so kurz wie möglich in Abhängigkeit von staatlichen Leistungen zu halten, das muss das Ziel sein.

Linke Parteien, wie eben beispielsweise die SPÖ in Wien, betreiben eine Politik, die genau das Gegenteil bewirkt. Denn neben der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Mindestsicherungsbezieher in Wien ausländische Staatsbürger sind, werden für alle Wiener Haushalte seit Jahren regelmäßig die Gebühren erhöht. Irgendwie muss man diese horrenden Ausgaben ja finanzieren können. Der Weg über noch mehr Steuern und Abgaben ist da oft der einfachste Weg. Zu Recht ist das etwas, was viele Menschen schon lange nicht mehr nachvollziehen können. Ist das denn diese Gerechtigkeit, mit der sich linke Parteien immer brüsten? Dass Leistungsträger jeden Tag hart arbeiten, um sich etwas aufzubauen, und dabei mit ihren Steuern den Lebensstandard jener Menschen finanzieren, die selbst bis dato noch nichts zu unserer Volkswirtschaft beigetragen haben? Ist das etwa das soziale Miteinander, auf das wir bauen wollen?

Keine Frage, jene Menschen, die sich nicht selbst helfen können, oder die unverschuldet in eine Notlage gekommen sind, müssen Unterstützung finden. Aber dieses Geld der Allgemeinheit muss eine Überbrückungshilfe sein. Etwas, das den Menschen eine Zeit lang eine Unterstützung bietet. Andernfalls entsteht genau das Ungleichgewicht, das wir gerade in Wien sehen: Die Mehrheit der Menschen in unserer Stadt arbeitet hart, um den ideologischen Anspruch der Wiener SPÖ erfüllen zu können, noch mehr Menschen in unsere Stadt zu locken, die dann oft in unserem Sozialsystem landen. Und wenn man einen Blick in die Brennpunktviertel Wiens wagt, dann sieht man deutlich, dass diese rote Einladungspolitik weder sozial noch gerecht ist. Durch immer weiteren Zuzug in genau diese Brennpunktviertel von Menschen, die oft auf Kosten des Staates leben, erhöht sich der Druck immer weiter, und Stadtteile entstehen, in denen Kriminalität, Ausschreitungen und eine generelle Perspektivenlosigkeit immer häufiger zum Alltag werden.

Ein System zu schaffen, in dem Leistung nicht mehr eingefordert wird, in dem Arbeit nachzugehen nicht mehr erstrebenswert ist und in dem es für manche Menschen mehr Sinn macht, in der sozialen Hängematte zu verweilen, kann niemals gerecht sein und stellt genauso wenig eine erfolgreiche Form der Armutsbekämpfung dar.

Der große Mythos von der Umverteilung

Abseits des schwierigen Verhältnisses linker Parteien zur Frage von Arbeit und Leistung gibt es noch ein weiteres Phänomen in diesem Zusammenhang. Fragt man nach, welche Lösung es für linke Ideologen konkret gäbe, um für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen, gibt es meist eine einhellige Reaktion: Wir müssen umverteilen. Das bedeutet, den Reichen so viel wie möglich wegzunehmen, um es dafür ärmeren Menschen zuzustecken. Gerade vor dem Hintergrund der Krisen der letzten Jahre ist diese Forderung dauerhafter Bestandteil des politischen Repertoires linker Politiker. Die deutsche Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt formuliert es sehr deutlich. In einem Interview sagt sie: „Es ist wichtig, dass wir zu einer spürbaren Umverteilung der Härten kommen.“⁠18 Auch in Österreich heißt es im Grundsatzprogramm der Grünen, es brauche eine „Umverteilung des Reichtums der Gesellschaft“.

Auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nach einer romantischen Robin-Hood-Erzählung klingen mag, müssen wir uns zuerst anschauen, was das genau bedeuten würde. Betrachten wir die Situation in Österreich, dann sehen wir beispielsweise, dass wir hier einen gut ausgebauten Sozialstaat vorfinden, der in gewisser Hinsicht bereits einiges umverteilt. Und das auch nicht ohne Erfolg. Einer Wifo-Studie zufolge hat die Umverteilung des Staates durch Steuern und die Ausschüttung von Sozialleistungen zu einer deutlich gleichmäßigeren Verteilung von Ressourcen innerhalb der Bevölkerung geführt. Im Zeitraum zwischen 2005 und 2019 hat vor allem das untere Fünftel der Bevölkerung stark durch diese Leistungen profitiert.⁠19 Bis zu einem gewissen Grad ist das auch gut so. Denn aus diesem Grund bauen wir ja auf einen gut funktionierenden Sozialstaat – um genau jene zu unterstützen, die es wirklich brauchen und die eventuell auch gar keine andere Möglichkeit haben, als Leistungen des Staates zu beziehen. Das ist selbstverständlich elementarer Bestandteil einer solidarischen Gesellschaft.

Auf der anderen Seite muss man hier bedenken, wer diese Leistungen finanziert. Denn während jährlich etwa mehr als 130 Milliarden Euro in diesen sozialen Ausgleich fließen, finanziert nur ein Bruchteil der Gesellschaft diese immense Summe. Die obersten 20 % stellen in weiten Teilen ausschließlich Nettozahler dar, die in das System wesentlich mehr einbezahlen, als sie herausbekommen.⁠20 So bezahlen beispielsweise die obersten 10 % der Erwerbstätigen mehr als die Hälfte der gesamten Lohnsteuer in ganz Österreich.⁠21 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein relativ kleiner Prozentsatz an Menschen unser System am Laufen hält. Die logische Konsequenz daraus müsste sein, dass wir genau diese Gruppe von Menschen nicht noch weiter zur Kasse bitten dürfen, wenn wir unser System auf lange Sicht nicht ins Wanken bringen wollen.

Doch genau dieser Gruppe von Menschen wird seitens linker Parteien regelmäßig ausgerichtet, dass ihr Beitrag noch immer nicht genug sei. Dabei sind es gerade diese Menschen, die unseren Sozialstaat tragen und dafür sorgen, dass wir überhaupt Mittel haben, die wir verteilen können. Ein großer Teil der Menschen in Österreich bezieht weit mehr aus dem Sozialsystem, als sie einzahlen.⁠22 Aber müsste es nicht eigentlich genau umgekehrt sein? Bräuchten wir nicht eigentlich mehr finanziell starke Gruppen, die ein paar wenige schwache unterstützen? Sollte das nicht auch das Ziel einer armutsbekämpfenden Politik sein? Warum geben wir uns damit zufrieden, dass die Gruppe der Nettozahler mittlerweile in der Minderheit ist?

In diesem Zusammenhang erscheint es mehr als absurd, dass linke Parteien auch noch auf die Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern pochen. Denn gerade diese würden die Leistungsträger, die den Löwenanteil zu unserem System beitragen, noch einmal zur Kasse bitten. Familien, die sich beispielsweise ein Haus kaufen, leisten bereits eine große Menge Steuern, um sich das überhaupt erst schaffen zu können.⁠23