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Die Rhapsodie ist eine Anthologie. Inhaltlich handelt es sich um literarische Herrschaftskritik mit ernstem Unterton. Die Absicht ist, weg vom linearen hin zum dialektischen Denken einzuladen. Ferner soll das Lernen an Paradoxien gezeigt werden, statt sie mit irritiertem Lachen vom Tisch zu wischen und zur Tagesordnung des "Eins nach dem Anderen" überzugehen. Wenn auch der erste Zugang durch die Ironie gewählt wurde, ist es letztendlich keine leichte Kost.
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Seitenzahl: 95
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Aphorismen
Wortbauchige Aphorismen
Hommagen
Erkenntnis
Ökonomie
Gesellschaft
„Undefinierbares“
Gedichte
Essays
Eine andere griechische Tragödie (mit Off!)
Mein Selbstgespräch mit Stirner
Herrschaftskritik und die Blasen der Vernunft
Analyse und Agitation
Alle Welt ohne Geld
In jungen Jahren hatte ich einen ganz normalen Sinn für Humor. Im Humor steckt an Anteil von Widersinn. Die Konfrontation mit den Bildern der Surrealisten, M.C. Escher, Arcimboldo etc. vertieften meine Lust am Absurden, Grotesken, Paradoxem und Bizarrem. Die Texte und Grafiken der Dadaisten verschafften mit weitere Inspiration.
Durch regen Kontakt nach Heidelberg ergab sich die Auseinandersetzung mit Wilhelm Reich, Max Stirner und den Situationisten. Von der Kritik der 5-Stunden-Woche habe ich leider erst in neuerer Zeit erfahren.
Die Rhapsodie entzieht sich einer eindeutigen Kategorisierung. Als Unterkategorie ist sie eine Anthologie, inhaltlich handelt es sich um literarische Herrschaftskritik mit ernstem Unterton. Die Beschäftigung mit Paradoxien ist nicht nur der Ironie und dem Alltag geschuldet, sondern geht in alle Bereiche: Liebe, offene Beziehungen, Individualität, Grenzen der Vernunft und Ökonomie / Utopie.
Die Absicht ist, weg vom linearen hin zum dialektischen Denken einzuladen. Es soll ein unwissenschaftlicher Quereinstieg in die Dialektik sein, ohne dem Druck zu übereilten Synthesen nachzugeben. Ferner soll das Lernen an Paradoxen gezeigt werden, statt sie mit irritiertem Lachen vom Tisch zu wischen und zur Tagesordnung des „Eins nach dem Anderen“ überzugehen.
In den Aphorismen wird in lockerer Form das angedeutet, was in den Essays um einiges komprimierter behandelt wird. Gedichte bzw. literarischer Ausdruck dienen teils der Affirmation. Denn es ist ein Motiv meiner Kritik, dass das Leben schön ist – freilich zu wenig. Damit soll nebst Kritik der Rest Leichtigkeit und Mühelosigkeit den geneigten Lesenden nahe gebracht werden. Das „Off“, das ab und zu reingrätscht, spielt keine einheitliche Rolle, sondern schießt in alle Richtungen. So wie es meinem Schreibvergnügen gedient hat, möge es beim Lesen Vergnügen bereiten.
Entstanden sind die Aphorismen und Gedichte in den letzten zwölf bis sechzehn Jahren, die Essays 2013 / 2014.
Ich bin Jahrgang 1960, aufgewachsen in der südwestdeutschen Provinz, habe in Heidelberg und Berlin gewohnt. In Berlin war ich regelmäßiger Besucher und zeitweise Mitarbeiter der „Bibliothek der Freien“ (Bibliothek mit dem Schwerpunkt Anarchismus). Seit ich mit 17 Jahren vorzeitig von der Schule abging, habe ich als Drucker gearbeitet, nach Weiterbildung in der Branche im Vertrieb in einem Druckereikollektiv in einer mittleren Stadt, danach wiederum als Drucker. Allemal gehöre ich nicht mehr zu den Leuten, die eine „stete“ Erwerbsbiografie ohne Arbeitslosigkeit vorzuweisen haben (Off: was soll das denn für eine Andeutung sein?).
Meine hochfliegende Seele ist abgeschmiert, nun baumelt sie schräg zwischen zwei Palmen.
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Manchmal bin ich beim Essen so hungrig, dass ich erst mal etwas hätte zu mir nehmen müssen, damit mir der Happen nicht so zittrig von der Gabel rutscht und mein ganzer Ärger über meine Lebensweise mir über den Schoß fällt und die Hälfte noch auf den Boden.
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Provinzielle Positivismusposse: ’s isch, wie’s isch. Un wenn’s annersch isch, isch’s annerschda. Ha noi – ha doch! (Es ist, wie es ist.Und wenn es anders ist, ist es anders).
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’s muss doch weidä geä – ’sage se immä, wenn’s näde waida ged (Es muss doch weitergehen, das sagen sie immer, wenn es nicht weitergeht z.B. beim Todesfall).
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Schusters Selbstbewusstsein: Wer sein Licht unter den Scheffel stellt, stolpert über den Leisten, bei dem er bleiben soll.
Dialektik im Dialekt: Ummesunschd isch de Dood un där koscht’s Läwa (Umsonst ist der Tod und der kostet das Leben).
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Es ist oft so, dass diejenigen, die die gleiche Sprache sprechen, sich doch nicht verstehen, während die mit Händen und Füßen sich verständigen, wenigstens mehr zu lachen haben.
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Kretin: Wenn dir der Mistral Sand in deinen Côtes du Rhône weht, dann hast du eben einen erdigen Rioja.
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In Teutonien muss Du Kategorien haben. Da heißt es Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Im Sommer trägt man kurze Hosen, im Winter trägt man Pelz. Die Form bestimmt den Inhalt. Hier steht alles fest, auch das, was nicht fest steht. Selbst die, die locker dastehen, stehen stramm. Hier wird Spontanität geplant, damit das klar ist!
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Hommage an die Berliner: Lieba ehrlich schlecht jelaunt, als wie jekooft grinsen.
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Hommage an Cioran: Sag nichts gegen die Melancholie, denn ohne sie würden die Schwäne pupsen.
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Hommage an Picabia: Wenn der Kopf nicht rund ist, ist er eckig, damit die Gedanken scharfe Kurven kriegen.
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Hommage an Vaneigem: An der Börse der Meinungen gilt die abstrakte Währung mit zwei konkreten Seiten – Macht und Unterwerfung.
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Hommage an Paul Celan: Bringt nicht die Realität, dass alles stockt, alles wieder in den Fluss?
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Eventuelle Leerseiten am Ende des Buches sind den öden Plätzen dieser Welt gewidmet, z.B. Provinzbahnhöfen oder Provinzbahnhöfen und Provinzbahnhöfen…
Höre: …von der Realität eingeholt – ließ: Rette sich, wer kann!
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Es gibt Leute, die reden nur um Geräusche zu erzeugen, weil sie die Stille nicht ertragen.
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Sprachspiel oder Wirklichkeitswahrnehmung? Entweder „entweder – oder“ oder „sowohl – als auch“ oder sowohl „sowohl – als auch“ als auch „entweder – oder“.
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Ich kann den teutonischen Ernst nicht mit den Mitteln des teutonischen Ernstes bekämpfen – und das ist mein Ernst, aber nicht als Teutone, sondern als Lebender.
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Geschichtsbewusstsein – Selbstbewusstsein: Mir scheint, alle Überlegungen sind in Varianten schon mal da gewesen – nur ich nicht, schließlich bin ich keine Überlegung. Na gut, ich war mal die Idee meiner Eltern.
Ach was, es ist doch nicht so, dass es nichts mehr zu sagen gibt – nein, ein großes, lustvolles Palaver will entstehen und stolpert über seine beinbeißigen Banalitäten.
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„Es ist nicht neu“, „es ist nicht originell“, „es ist nicht genuin eigen“ – alles Facetten des Leistungsgedankens. Der Leistungsgedanke ist als Verblendung von Herrschaft allzu schnell und hemdsärmelig zur Vordertür hinaus geworfen und kehrt gut maskiert durch die Hintertür in die Baracke der Kritik zurück. Die Kritik der Leistung wird zur Leistung der Kritik – die Kritik des Eigentums wird zum Eigentum der Kritiker; schon in der Voraussetzung ist die Verkehrung in’s Gegenteil angelegt.
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Erweiterung von Hegel: In seiner Herr-Knecht-Dialektik sagt Hegel, dass der Knecht sich erst durch die Überwindung seiner Todesangst wird befreien können. Aber ist das Spiegelbild auf Seiten der Herren nicht die Überwindung ihrer Lebensangst? Und ist diese lebensbejahende Befreiung nicht noch viel näher, wenn, um im Bild zu bleiben, die Knechte und Mägde schon länger an der Herrschaft teilhaben durften bzw. sich dieses Recht erkämpft haben?
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Bajuwarische Ekstase: Manchmal ist das Maß voll mit dem Maßhalten. Aber gerade dann überschütten uns die Maßvollen mit ihren maßlosen Maßhalteappellen.
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Ob diejenigen, die immer Kompromisse machen wollen, sich dazu hinreißen lassen, auch mal einen Kompromiss bezüglich des Kompromiss-machens zu machen, aber dann nicht mit dem Ergebnis die Hälfte wieder zu halbieren, sondern keinen Kompromiss zu machen? Off: Jetzt hör’ doch auf, die Kleinbürger zu irritieren, die machen einmal ’ne Ausnahme, das bestätigt dann die Regel und dann kommen sie sich wahnsinnig großzügig und schlau vor!
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Erkenntnisschnörkelei: Manchmal geht es irgendwie weiter, ohne dass man das Gefühl hat, es geht vorwärts, manchmal geht es nicht weiter, ohne dass es voran geht.
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Paradox: Ich will die Kritik durchhalten, dass eine Welt, in der man das Leben nur durchhalten muss, als Welt und als Kritik nicht durchgehalten werden muss.
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Paradoxe lassen sich ins Nichts aufheben, das freut den Alltagsverstand, immer schön eins nach dem anderen. Paradoxe lassen sich aber auch dahingehend wahr nehmen, dass zwei Dinge, die sich ausschließen, einen Teufel tun, sich ins Nichts aufzuheben, sondern gleichzeitig da sind. Das freut die Erkenntnis.
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Den kürzesten Crashkurs in Erkenntniskritik hat mir der Musiker und Kabarettist Georg Kreisler geradezu untergejubelt: „Es gibt Fragen, die sind nicht dazu da, beantwortet zu werden, sondern dazu, gestellt zu werden.“
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Bei Ludwig Wittgenstein reicht es bei mir nur zu einer dadaistischen Interpretation: Fü…fü…für Wi… Wi… Wittgenstein! Worüber man nicht re…re…reden kann, darüber muss man sto…sto…stottern.
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Es gibt Dinge, die sind einfach und es gibt Dinge, die sind kompliziert. Die einfachen Dinge muss man gewiss nicht kompliziert machen. Der Volksmund spottet: Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Aber die Dinge, die kompliziert sind, kann man nicht vereinfachen, ohne das ihre Substanz verloren geht. In Einzelfällen geht es scheinbar doch. Das, was in ein paar Sätzen begrifflich zusammengefasst wurde, wird dann in eine Fülle von einzelnen Sätzen zerlegt. Wenn du ein gutes Gedächtnis hast, stellst du fest, dass der Satz am Anfang dem am Ende widerspricht. Wenn es aber gerade die Absicht war, einen Widerspruch begrifflich auf den Punkt zu bringen, wirst du nicht zufrieden sein, wenn es deine Absicht ist, den Widerspruch aus der Welt zu schaffen.
Analyse und Interesse lassen sich temporär trennen, sie müssen sich aber auch wieder ineinander verschlingen können, wie ein paar Liebende oder ein liebendes Paar.
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Nichts beweisen, nicht an die Vernunft glauben und trotzdem vernünftige Vereinbarungen treffen.
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Ein Beispiel für ein Oxymoron ist ein „Hallenfreibad“. Verhält es sich mit „begrifflicher Exaktheit“ nicht genauso? Zugegeben, Hallenfreibäder gibt es.
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Es gibt persönliche Schuld, persönliche Verantwortung und persönlichen Willen. Drei verschiedene Begriffe, die allerdings fette Schnittmengen haben. Der persönliche Wille in der Summe der Individuen ist entscheidend für eine weit bessere Relation Freiheit-Notwendigkeit. Die Menschen nur aus den Verhältnissen zu erklären, macht sie zugleich unmündig. Die Verhältnisse zu ignorieren, aus denen heraus oder sie überschreitend diese Gedanken möglich sind, dechiffriert kein Verständnis von Mustern, Strukturen und Hintergrundprogrammen.
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Haben und Sein: Wer hat, der hat und wer nicht hat, der redet drüber. Aber wer nicht drüber redet, hat noch lange nicht.
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Drogen? Über sie hat man mal gesagt, dass sie das Bewusstsein erweitern. Schon möglich, aber dazu muss man erst mal eins haben.
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Wenn jede Generation erst die Erfahrung machen müsste, dass Krieg Scheiße ist, dann Gut’ Nacht, vermutlich würde es mich dann gar nicht geben. Diese Erfahrung wird gefälligst im Kopf, verkopft, vorweggenommen bzw. die Erfahrungen der Vorgänger werden interpretiert – im Kopf.
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Vorbilder, Beispiele, Beweise, Praxis, Nutzen für moralisch-ethisch richtiges Verhalten und Handeln sind zwar unterschiedliche Begriffe, aber sie haben eins gemeinsam: Es sind unhinterfragte gesellschaftliche Konventionen. Sie zu hinterfragen hat den Rang eines Sakrilegs. Brecht diese Tabus, werdet weltlich.
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Was für den Einen ein logisches Argument ist, Voraussetzung – Schlussfolgerung, ist für den Anderen ein Zirkelschluss. Diese Voraussetzung lässt doch nur diese Schlussfolgerung zu. Entgegnung: Die Voraussetzung muss doch mit der Schlussfolgerung zu tun haben usw. usw.
Offensichtlich ist diese Diskussion nicht offen, die Standpunkte sind vorher schon da.
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Wenn man alles vorher wüsste, wär’ man nachher nimmer schlauer.
Jugend und Reife?
Früher habe ich auch gefragt: „Was kostet die Welt?“ Heute fragt mich alle Welt: „Was kostest du?“ Wenn mich in Zukunft überhaupt jemand fragt, was ich koste, muss ich ja „froh“ sein mit dem, was ich kriege.
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Arbeit: Sie war schon immer so, dass sie noch nie so war.
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Arbeit: Feiern und feuern liegt nah beieinander.
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Es gibt Menschen, die ihr Leben leben, als müssten sie es hinter sich bringen – wie Arbeit.
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Erziehungsarbeit, Beziehungsarbeit, Trauerarbeit, Körperarbeit, – oh je, geht denn nichts mehr von selbst?
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Kostenlosigkeit: Alle Welt ohne Geld – warum nicht aus der Not eine Tugend machen, das hat doch die Menschen „groß“ gemacht?
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Anlehnend an Clausewitz: Die Ökonomie ist die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln an anderen Fronten.
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