3,99 €
Aufklärung in Bärenklau! Mia Maibaums Klasse bekommt Zuwachs - ein Zwillingspärchen aus der Hauptstadt. Nils und Amelie haben zwei Mütter, leben also in einer Regenbogenfamilie, und davon haben die Bewohner in Bärenklau noch nie gehört, erst recht nicht die Klasse 3b. Und so beschließt der neue Klassenlehrer, Herr Knabe, das Thema "Homosexualität" und die unterschiedlichen Familienformen im Unterricht zu besprechen. Ganz zum Ärger von Thomas' Vater, der einen Riesenwirbel veranstaltet, um Herrn Knabe auszubremsen. Mia freundet sich mit den Zwillingen an und stellt schnell fest, dass zwei Mütter fast ganz normal sind - Regenbogen eben! Dies ist die überarbeitete neue Auflage 2020 vom zweiten Band der beliebten Mia-Buchreihe - Aufklärung mit Herz! "Dieses Werk ist rundum gelungen und für Kinder von 6 bis 9 Jahre sehr zu empfehlen. Lilly Fröhlich hat mit diesem Buch ein Zeichen für Toleranz gesetzt." (Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 145
Erster Schultag
Der neue Lehrer
Amelie und Nils
Thomas ist wie sein Vater
Jakob
Der Vortrag
Überraschung
Fridolin.
Besuch.
Das Wiedersehen.
Pyjama-Party.
Das Meisterschaftsspiel
Hochzeit
Name:
Mia Maibaum
Alter:
9 Jahre
Adresse:
Bärenklau
Was ich mag:
Pinguine, Malen
Was ich nicht mag:
Streit
Was ich werden will:
Tierpflegerin
Name:
Lucy Schmidt
Alter:
9 Jahre
Adresse:
Bärenklau
Was ich mag:
Basteln
Was ich nicht mag:
Schule
Was ich werden will:
Basteltante
Name:
Tom Maibaum
Alter:
36 Jahre
Adresse:
Bärenklau
Was ich mag:
Karten, Sport
Was ich nicht mag:
Schlechte Laune
Was ich werden will:
Ingenieur
Name:
Sophie Biber
Alter:
34 Jahre
Adresse:
Bärenklau
Was ich mag:
Lesen, Malen
Was ich nicht mag:
Streit, Rosenkohl
Was ich werden will:
Lehrerin
Name:
Amelie Sanders
Alter:
9 Jahre
Adresse:
Bärenklau
Was ich mag:
Malen, Schnitzen
Was ich nicht mag:
Aufräumen
Was ich werden will:
Künstlerin
Name:
Fridolin
Alter:
4 Jahre
Adresse:
Zoo
Was ich mag:
Mia, Sardellen
Was ich nicht mag:
Alleinsein
Was ich werden will:
Pinguinpapa
»Na, sieh mal einer an! So was haben wir hier in Bärstadt ja noch nie gehabt!« Tom Maibaum mustert das Pärchen.
Zwei Häuser weiter steht ein Umzugswagen vor dem Haus und wird von zwei Frauen ausgeladen, die sich soeben einen innigen Kuss gegeben haben.
»Was meinst du, Papa?«, fragt Mia Maibaum und schaut ebenfalls zu dem Umzugswagen hinüber. »Kriegen wir neue Nachbarn?« »Sieht ganz so aus, Mia. Und was für welche!« Sophie Biber, die Freundin von Mias Papa, stößt ihrem Freund einen Ellenbogen in die Rippen. »Tom, nun sei nicht so spießig! Unsere neuen Nachbarn bringen bestimmt frischen Wind in unser verstaubtes Dorf.« Mias Papa lacht. »Das glaube ich auch.« Mia lächelt versonnen.
Neue Nachbarn sind toll.
Sie ist schon ganz gespannt, wann sie sie kennenlernen wird.
***
»Lucy! Hallo, hier bin ich!« Mia Maibaum winkt ihrer besten Freundin Lucy Schmidt zu, die vor dem Schultor bereits auf sie wartet.
Lucy läuft zu Mia und fällt ihr lachend in die Arme. »Hallo Mia! Endlich sind die Ferien vorbei. Ich habe dich so sehr vermisst.« Mia löst die Umarmung und sieht ihre Freundin streng an.
»Warum bist du auch ganze sechs Wochen in den Urlaub gefahren?«
Lucy zuckt mit den Schultern. »Zuerst war ich drei Wochen mit meinen Eltern in Italien. Das war so toll. Ich muss dir ganz viel erzählen…«
Mia lacht und hält abwehrend die Hände hoch. »Stopp, Lucy! Eins nach dem anderen.« Sie sieht ihre Freundin vorwurfsvoll an und fährt fort: »Von den ersten drei Wochen wusste ich, aber wieso bist du die letzten drei Wochen nicht, wie vereinbart, zu Hause gewesen? Ich habe jeden Tag bei dir geklingelt.«
Lucy grinst entschuldigend. »Tim und ich sind mit Oma und Opa noch an die Nordsee gefahren. Ich habe dir auch etwas mitgebracht.«
Lucy holt eine große Muschel aus ihrer Tasche und hält sie Mia unter die Nase. »Sie rauscht, wenn du sie ans Ohr hältst«, fügt sie hinzu.
Mit leuchtenden Augen nimmt Mia die glänzende Muschel entgegen. »Danke, Lucy! Sie ist wirklich schön!« Mia hält sie ans Ohr.
Tatsächlich!
Wenn man die Augen schließt und genau hinhört, dann vernimmt man das Rauschen des Meeres.
»Wir haben so viele Muscheln gesammelt, dass Mama gesagt hat, ich soll dich unbedingt am Wochenende zum Basteln einladen«, schwatzt Lucy weiter.
Mia nickt erfreut. »Das ist eine prima Idee. Ich komme gerne.« Langsam gehen sie aufs Schulgebäude zu.
»Wie war es mit deinen Großeltern im Harz? Warst du auf dem Hexentanzplatz?«, fragt Lucy.
Mia zwinkert ihr vergnügt zu. »Klar. Opa hat einen Besen gekauft und dann sind wir auf dem Blocksberg tanzen gegangen.«
»Deine Oma auch?«
»Ja. Und dann haben wir in einem Laden kleine Hexenpuppen als Andenken gekauft«, erzählt Mia weiter.
Mia öffnet die schwere Eingangstür.
»Meinst du, die neue Lehrerin ist nett?«, fragt Lucy plötzlich und bleibt stehen.
Mia zuckt mit den Schultern. Sie hat ein ganz schlechtes Gewissen, weil Sophie Biber, ihre ehemalige Klassenlehrerin, nicht mehr bei ihnen unterrichten kann. Und das nur, weil sich Frau Biber in ihren Papa verliebt hat und zu Mia und ihrem Papa gezogen ist. Vor den Sommerferien hat Mia dann eine kleine Schwester bekommen. Sie heißt Stella und ist richtig süß. Und weil Sophie nun auf das Baby aufpassen muss, kann sie erst einmal nicht arbeiten.
»Was hast du denn sonst noch in den Ferien gemacht?«, fragt Lucy neugierig.
Mia hält ihrer Freundin die Eingangstür auf und schlüpft hinter ihr ins Gebäude. »Ich habe Sophie geholfen, Stella zu wickeln und anzuziehen. So ein Baby braucht viel Aufmerksamkeit. Wenn Stella nicht geschlafen oder gegessen hat, hat sie geweint und man musste sie herumtragen und wiegen.« »Das stimmt. Und wenn sie krabbeln können, muss man auf seine Spielsachen aufpassen, damit sie sie nicht kaputtmachen oder runterschlucken«, sagt Lucy seufzend.
Sie muss es ja wissen, denn ihre kleine Schwester Marie wird jetzt bald ein Jahr alt.
»Und in der dritten Woche ist Benjamin ausgezogen«, berichtet Mia weiter. »Er wohnt jetzt bei seinem Vater in Berlin.«
Mia erinnert sich an das blöde Gefühl im Bauch, als Sophies Sohn Benjamin verkündet hat, er werde zu seinem Vater nach Berlin ziehen, weil er keinen Bock auf die Patchworkfamilie hat. Sophie war darüber furchtbar traurig gewesen und ist es jetzt noch manchmal.
Aber weil Benjamin immer unausstehlicher wurde, hat Sophie schließlich eingewilligt und nun herrscht wieder Ruhe im Hause Maibaum.
Benjamin kommt sie nur selten besuchen, denn er spielt in Berlin Fußball und hat fast jedes Wochenende ein Punktspiel.
Mia lächelt. »Eigentlich ist es jetzt sehr schön ohne Benjamin. Er war immer so schlecht gelaunt. Am Ende der Ferien war er einmal kurz zu Besuch da und das war in Ordnung, denn dann hat er auch mal was mit uns zusammen gemacht, ohne zu maulen.«
»Hallo, ihr zwei«, ruft Alicia Klein und winkt den Mädchen im Vorbeilaufen zu.
Mia und Lucy winken zurück. Dann erzählt Mia weiter:
»Ich war in der letzten Ferienwoche mit Oma und Opa im Erzgebirge.«
»Wo ist das denn?«, fragt Lucy verdutzt und schiebt ihre Brille zurück auf die Nase.
»Das ist in Sachsen, du Schnarchnase«, kommt Thomas Wietmüller Mia mit einer Antwort zuvor.
»Dich hat keiner gefragt, du Affe«, ruft Lucy erbost.
Thomas zuckt gleichgültig mit den Schultern.
»Ich dachte, du willst die Schule wechseln?«, fragt Lucy verärgert.
Thomas schnauft. »Muss ich nicht mehr. Wir kriegen ja einen neuen Klassenlehrer.«
Erstaunt sehen sich Mia und Lucy an. »Wir bekommen einen Lehrer? Woher weißt du das denn?«, fragen beide gleichzeitig.
Thomas steht mit stolzgeschwellter Brust vor ihnen und sagt: »Tja, da könnt ihr mal sehen, was ich so alles weiß!
Ist schon gut, wenn man einen Vater hat, der seine Beziehungen spielen lassen kann.«
»Was soll das denn nun schon wieder heißen?«, blubbert Lucy ihn an.
Thomas grinst. »Mein Vater weiß alles. Der buddelt auch nicht in der Erde herum wie dein Vater.«
Lucy schluckt.
Sie ist den Tränen nah.
Mia umarmt ihre beste Freundin und funkelt Thomas wütend an. »Du bist so ein Blödmann, Thomas Wietmüller!
Gärtner ist ein Beruf wie jeder andere auch. Und ohne Lucys Papa hätten wir im Stadtpark nicht diesen wunderschönen Rosengarten.«
»Pah«, entgegnet Thomas abfällig, »Rosen sind Kitsch.
Was für alte Weiber!« Damit dreht er sich um und lässt die beiden Mädchen stehen.
Mia ist echt verärgert. Sie will Lucy gerade mit sich ziehen, als Frau Gieselbund, die Klassenlehrerin der Klasse 2a, und Frau Heinz, die Klassenlehrerin der vierten Klasse, laut schnatternd an ihnen vorbeilaufen. »Endlich haben wir mal einen starken Mann an unserer Schule«, hören sie Frau Gieselbund sagen.
»Ja, liebste Johanna«, antwortet Frau Heinz, »hoffen wir, dass er nicht vom anderen Ufer ist.«
Kreischend und gackernd entfernen sich die beiden Lehrerinnen wieder.
Mia hängt ihre Jacke an den Garderobenhaken. »Was sind denn Männer vom anderen Ufer?«, fragt sie Lucy leise flüsternd.
Lucy zuckt ahnungslos mit den Schultern.
Mia schüttelt den Gedanken ab und widmet sich ihren neuen Hausschuhen. »Sieh mal, Lucy! Die Schuhe hat mir Oma im Urlaub gekauft.« Sie zieht ein paar dunkelblaue Stoffschuhe aus ihrem Turnbeutel. An der Seite ist eine weiße Gebirgsblume aufgestickt.
»Dann kannst du die dämlichen Froschschuhe ja endlich wegwerfen«, lacht Lucy erfreut. »Ein Wunder, dass du so lange reingepasst hast. Meine Füße wachsen ständig. Papa hat schon gesagt, dass unser nächster Sommerurlaub ins Wasser fällt, wenn meine Füße weiter so wachsen.«
»Meint er das ernst?«, fragt Mia erstaunt.
Lucy schüttelt den Kopf. »Nein, nein, Papa hat nur Spaß gemacht.«
»Und meine Mutter hat mir immer zu große Schuhe gekauft. Damit ich länger reinpasse«, fügt Mia hinzu und verdreht die Augen.
»Hast du mal wieder was von deiner Mutter gehört?«, fragt Lucy vorsichtig.
Mia zuckt mit den Schultern.
»Sie schreibt ab und zu.«
Ab und zu ist maßlos übertrieben. Mias Mutter ist nun schon seit eineinhalb Jahren in Afrika und hat gerade mal zwei Postkarten geschrieben.
Schnell verdrängt Mia den Gedanken an ihre Mutter und betritt gemeinsam mit Lucy das Klassenzimmer.
Jetzt gehen sie schon in die dritte Klasse!
Unsicher bleibt Mia stehen.
Wo sollen sie sich hinsetzen? An den Tischen stehen gar keine Stühle.
»Tja, da staunt ihr, was?«, frotzelt Jonny Dreier, der dickste Junge der Klasse. »Mädchen müssen in Zukunft stehen.«
Lucy verzieht ärgerlich das Gesicht und sagt: »Ich glaube eher, das ist das neue Diätprogramm für dicke Jungs.«
Augenblicklich verstummt Jonny und sein dämliches Grinsen verschwindet.
Stattdessen hören sie lautes Lachen hinter sich.
Lucas Fluge hat soeben die Klasse betreten. »Eins zu null für dich, Lucy!« Er hebt seinen Daumen.
Lucy errötet.
Verwundert bemerkt Mia, dass Lucy nervös an ihrem T-Shirt herumzieht.
Lucy benimmt sich aber heute merkwürdig in Lucas Gegenwart, denkt sie und mustert ihre beiden Freunde.
Lucas ist größer geworden. Seine Haare sind heller. Und die vordere Zahnlücke ist verschwunden.
Lucy fängt an zu schwitzen. Schnell rubbelt sie sich ihre Hände an der Jeanshose ab.
Thomas beobachtet sie von seinem alten Tischplatz aus genau. »Lucy, du schwitzt ja! Was hat das denn zu bedeuten?«, ruft er ihr frech grinsend zu. »Bist du verliebt?«
Lucy verzieht verärgert das Gesicht und streckt ihm die Zunge heraus.
Lucas dreht sich zu Thomas um. Er ist jetzt einen halben Kopf größer als Thomas und baut sich breitschultrig vor ihm auf. »Lass Lucy in Ruhe!«
Thomas lacht gehässig und fängt an zu singen: »Liebespaar, küsst euch mal!«
Drohend geht Lucas auf Thomas zu und hebt die Faust.
»Noch ein Wort und ich hau dir eins drüber!«
»Pah, mein Vater ist Anwalt«, sagt Thomas. Er tut so, als sei er stark und mutig, doch Mia hat genau gesehen, dass er ängstlich mit den Wimpern gezuckt hat. »Der bringt dich ins Gefängnis, wenn du mich verletzt«, führt Thomas seinen Satz zu Ende.
Lucas rückt wieder ein Stück von ihm ab. »Ja, ja«, sagt er,
»versteck dich ruhig hinter deinem Vater, du Feigling!«
Thomas’ Augenbrauen wandern nach unten. Er holt aus und boxt Lucas mitten ins Gesicht.
Sofort ist eine wilde Rangelei im Gange.
Während die Mädchen ängstlich aufkreischen, stehen die Jungs daneben und feuern ihre Helden an.
»Hört sofort auf«, ruft eine laute Mädchenstimme.
Alle Augen wandern zur Tür.
Dort steht Linda Kamm.
Linda ist in den Sommerferien mindestens zwei Köpfe gewachsen und sieht aus wie eine Fünftklässlerin.
»Linda«, ruft Lucy erschrocken, »du bist ja riesig geworden.«
Grinsend kommt Linda näher und sagt: »Irgendjemand muss ja die Streithähne auseinander bringen.« Sie wirft ihren blonden Pferdeschwanz über die Schulter und stellt ihren Ranzen neben Lucas ab.
Lucas starrt sie unverhohlen an. Dann rappelt er sich vom Boden auf und klopft sich den Staub von der Hose.
Auch Thomas stiert Linda an. »Du hast ja Brüste bekommen«, sagt er und pfeift durch die Zähne, als wollte er seinen Hund rufen.
»Neidisch?«, fragt Linda und versieht ihn mit einem abfälligen Blick. Sie konnte Thomas noch nie leiden.
Ohne ein weiteres Wort geht sie zu ihrem alten Platz und setzt sich auf den Tisch.
Plötzlich kommt Alicia um die Ecke gefegt. »Herr Knabe braucht starke Träger«, ruft sie vollkommen außer Atem.
»Herr Knabe? Wer ist das denn?«, fragt Lucas neugierig.
Thomas wirft ihm einen giftigen Blick zu. Nach dem Gerangel mit Lucas hat er Schmerzen im Arm. »Das ist der neue Klassenlehrer, du Idiot«, ruft er verärgert.
Lucas rümpft die Nase. »Wir bekommen einen Lehrer?«
»Nee«, quiekt Thomas wie eine Frau, »Herr Knabe ist eine Schwuchtel!«
Im gleichen Augenblick betritt ein groß gewachsener Mann das Klassenzimmer.
Thomas wird knallrot im Gesicht und versteckt sich schnell unter seinem Tisch.
Ehrfürchtig starren alle Schüler der Klasse 3b auf den jungen Mann, der aussieht, als würde er jeden Tag zehn Runden durch den großen Stadtpark laufen und Gewichte stemmen. Um den Hals trägt er eine silberne Trillerpfeife.
Sein Gesicht ist braungebrannt und seine Haare sind strohblond.
»Der war bestimmt in der Südsee«, murmelt Michael Müller ehrfürchtig.
Der Mann lacht, nachdem er Thomas einen strengen Blick zugeworfen hat.
Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt er die Klasse: »Guten Morgen, Kinder! Macht die Münder zu! Die Milchzähne werden sonst kalt.«
Mit Schwung schmeißt er seine dünne Tasche auf das Lehrerpult und setzt sich auf eine Tischecke.
»Ich bin Herr Knabe, euer neuer Klassenlehrer! Und wie ihr sehen könnt, fehlen eure Stühle.«
Herr Knabe macht eine bedeutungsvolle Pause, in der sämtliche Schüler die Zeit nutzen, um sich auf ihre Tische zu setzen.
»Das hat einen ganz besonderen Grund«, fährt Herr Knabe fort und mustert seine Schüler, »ihr habt lange Ferien gehabt und seid wahrscheinlich vollkommen eingerostet.
Daher habe ich eine andere Sitzmöglichkeit besorgt.«
Michael lässt demonstrativ seine Knochen knacken.
Einige Jungs lachen hämisch auf.
»Vielen Dank für die Vorführung«, sagt Herr Knabe und verbeugt sich leicht. »Wie heißt du?«
»Michael«, antwortet Michael und bekommt einen Kopf so rot wie eine Tomate.
»Michael ist unser Klassenclown«, klärt Thomas Herrn Knabe auf.
Die linke Augenbraue von Herrn Knabe wandert erstaunt in die Höhe. »So, so…ist er das? Und du bist dann wahrscheinlich der Anwalt dieser Klasse, der alles über die anderen weiß.«
Linda lacht leise auf und sagt: »Richtig, Herr Knabe.
Thomas ist immer darauf bedacht, andere in die Pfanne zu hauen. Genau wie sein Vater.«
Jetzt lachen die Mädchen.
Thomas verzieht ärgerlich den Mund. »Blöde Ziege«, murmelt er.
Herr Knabe hebt abwehrend die Hände. »Kinder, lasst uns keine Zeit mit überflüssigem Streit vergeuden! Ich brauche ein paar Helfer für die neuen Bücher und dann wollen wir anfangen.«
Als wenig später alle Schulbücher auf dem Lehrerpult liegen, hält Herr Knabe eines der Bücher hoch. »Das ist euer neues Deutschbuch. Schreibt euren Namen hinein und macht zuhause mit euren Eltern einen Umschlag drum, damit es so sauber und ordentlich bleibt.«
Lucy meldet sich eifrig.
Herr Knabe nickt ihr zu. »Ja, bitte?«
Lucy holt tief Luft und fragt: »Wo sollen wir denn sitzen, wenn wir gar keine Stühle haben? Müssen wir im Stehen schreiben?«
Herr Knabe steht auf und zeigt in den hinteren Teil des Klassenzimmers. »Richtig. Das hätte ich fast vergessen.
Seht ihr die Bälle dort hinten in der Ecke?«
Alle achtzehn Köpfe drehen sich um.
»Ich sehe nur einen Haufen Gummi«, posaunt Michael.
Herr Knabe steht auf und wandert durchs Klassenzimmer.
Er nimmt einen der nicht aufgepusteten Bälle und hält ihn hoch. »Ihr werdet jetzt alle einen Ball holen und ihn aufpusten«, sagt er lächelnd.
Murrend springen die Schüler von ihren Tischen und trotten zum großen Gummihaufen.
»Die Mädchen wählen bitte die türkisfarbenen Bälle, die Jungs die dunkelblauen«, ruft Herr Knabe.
Stirnrunzelnd beobachtet er, wie sich die Kinder drängeln und schubsen.
Kurzerhand nimmt er seine Trillerpfeife in den Mund und bläst hinein.
Erschrocken halten alle Kinder inne und starren ihren neuen Klassenlehrer an.
»Ruhe!«, sagt er mit strenger Miene.
»Stellt euch in einer Reihe auf und nehmt euch die Bälle nacheinander weg.«
Bewundernd schauen die Mädchen zu ihm auf. Er sieht super aus in seinem Sportshirt. Und durchsetzen kann er sich offensichtlich auch.
Lucy stößt Mia in die Rippen und flüstert ihr zu: »Sieht er nicht umwerfend aus?«
Mia nickt stumm. Dann reiht sie sich in die Warteschlange ein und holt sich einen türkisfarbenen Ball.
Eine halbe Stunde lang sind die Kinder mit Aufpusten beschäftigt, dann geben die ersten auf.
Herr Knabe lächelt. »Das habt ihr prima gemacht. Da könnt ihr mal sehen, wie schwer es ist, so große Bälle aufzublasen.«
»Und wodrauf sollen wir nun sitzen?«, fragt Thomas genervt. »Auf halb aufgepusteten Bällen?«
Im selben Augenblick kommt der Hausmeister mit seinem Praktikanten. Beide tragen jeweils einen Koffer. Die Männer holen ein Gerät heraus, schließen es an die Steckdose an und blasen die Bälle innerhalb von Sekunden auf.
Niemand gibt auch nur einen Mucks von sich.
Zufrieden beobachtet Herr Knabe seine Schüler.
Dann klatscht er in die Hände und ruft: »Wer fertig ist, schreibt bitte seinen Namen auf diese Zettel hier und stellt das Namensschild auf seinen Tisch.«
»Behalten wir die Sitzordnung vom letzten Schuljahr?«, fragt Linda und klimpert mit ihren Wimpern. Dabei streckt sie ihre Brust ganz weit nach vorne.
Herr Knabe antwortet schmunzelnd: »Wenn alle damit einverstanden sind, gerne. Ansonsten entscheidet das Los!«
Entsetzt stöhnen die Kinder auf.
Mia und Lucy sehen sich kopfschüttelnd an.