Anka - Die Stimme des Unausgesprochenen - Katharina Kleiner - E-Book

Anka - Die Stimme des Unausgesprochenen E-Book

Katharina Kleiner

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Beschreibung

Dieses Buch erzählt die Lebensgeschichte von Anka, einer Frau, die durch viele Krisen und Schmerzen hindurch nie aufgegeben hat, sondern - im Gegenteil - an all diesen Brüchen in ihrem Leben gewachsen ist. Die Geschichte von Anka ist eine wahre Geschichte und sie zeigt, dass der Satz "Aus Wunden können Wunder werden" nicht nur eine schöne psychologische Weisheit ist, sondern dass jeder Mensch es tatsächlich schaffen kann, zu einem befreiten und "Wunder-vollen" Leben zu finden. Auch wenn das Leben einem immer wieder große und schwere Steine in den Weg legt. Katharina Kleiner zeigt auf, wie man gerade in solchen herausfordernden Lebensphasen sein wahres Potenzial entdecken und leben kann. Ankas Erfahrungen zeigen, dass Wunden keine schmerzhaften Narben hinterlassen müssen, sondern als stabilisierende Schatzquelle für das Jetzt und die Zukunft dienen können. Wenn der innere Anker - in Ankas Sprache: die goldene Kugel - in der göttlichen Anbindung wirkt, dann können uns die Stürme des Lebens nicht mehr umhauen. Dieses Buch soll Sie ermutigen, Krisen und Scheitern als Turbo-Transformation wertzuschätzen und dadurch in eine neue wunderbare und befreite Welt geboren zu werden.

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Seitenzahl: 198

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Katharina Kleiner

Anka – Die Stimme des Unausgesprochenen

Katharina Kleiner

Anka

Die Stimme des Unausgesprochenen

Krisen als Sprungbrett in ein wundervolles und befreites Leben

© 2022 Katharina Kleiner

Katharina Kleiner Mentaltraining

ISBN Softcover: 978-3-347-68922-0

ISBN E-Book: 978-3-347-68924-4

Satz und Gestaltung: Wort & Design Medienbüro Martina Jung,

Hamburg

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Dieses Buch widme ich meinen Ahnen, besonders meinen Eltern und Schwestern: Danke, dass ich durch Euch leben und wachsen durfte und darf!

Inhalt

Kapitel 1

An der Grenze, da beginnt das Leben

Anka ist eine zu viel

Grenzerfahrung Gewalt

Lichtblick im Chaos

Ankas Weg in eine andere Welt

Ankas erlebt eine Befreiung und viele Wunder

Ankas Vision von einer Welt der Herzens-Verbindungen

Anka in der Beobachterposition

Ankas Fragen und ihr Weg zur „goldenen Kugel“

Ankas wundersame Erlebnisse mit Ariane

Kapitel 2

Von der Angst zum Mut zur Veränderung

Angstgesteuerte Wege

Entwicklung aus der Komfortzone

Der Weg gestaltet sich erst beim Gehen

Ankas Überwindungsweg der Angst in die Freiheit

Kapitel 3

Loslassen und die Unsicherheit umarmen

Die goldenen sieben Schritte zum Loslassen

Befreiung durch Loslassen

Kapitel 4

Der Tod gehört zum Leben

Schmerz, Leid, Tod – die große Frage nach dem Warum?

Anka und der Tod

Von der Angst hin zu Liebe, Vertrauen und Geborgenheit

Kapitel 5

Was bleibt?

Wer sind wir und was verlieren wir?

Kapitel 6

Sinn finden in einer schwierigen Zeit

Im Chaos den Sinn finden

Wege aus dem Chaos

Wegweiser für ein wundervolles Leben

Kapitel 7

Das Herz übernimmt die Regie

Der Weg zum Herzen

Das Herz und die Ewigkeit

Neue Wege in die Freiheit

Nachwort

Danksagung

Vorwort

Was ist hinter dem Abgrund? Was liegt hinter der größten Angst? Können sich da, wo man es am wenigsten vermutet, Welten auftun, von denen wir vorher gar nicht zu träumen wagten? Gibt es etwas zwischen Himmel und Erde, das wir erahnen, das jedoch unser Verstand und unsere Angst nicht zulassen wollen? – Ja, es gibt sie, die sogenannten Wunder, diese Ereignisse, die unser Verstand nicht erfassen kann. Ich habe selbst solche „Wunder“ erlebt, und auch in der Begleitung von besonderen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Kranken, Älteren – von Menschen, die von der Gesellschaft als „psychisch und geistig behindert“ bezeichnet werden –, habe ich immer wieder von solchen Wundern erfahren – und auch Wunder erlebt.

In diesem Buch geht es nicht um großartige, spektakuläre Wunder, sondern um die vielen kleinen (und manchmal auch großen), die in schwierigen Momenten geschehen, wenn wir unseren Kompass im Vertrauen auf unseren innersten göttlichen Wesenskern ausrichten. Wenn neues Licht in den tristen oder unfassbaren Alltag tritt, werden plötzlich innere Potenziale freigelegt, die in ein neues Leben münden.

Bei meinen Seminaren und Vorträgen, in die meine Erfahrungen und Erlebnisse einfließen, wurde ich immer wieder gefragt, ob ich darüber nicht ein Buch schreiben könnte. Ein Buch mit vielen Seiten hat mich schon als Kind abgeschreckt. So viel zu lesen! Und jetzt soll ich selbst eins schreiben?!? Doch nun, nach vielen „Kannich-das-überhaupt“-Drehungen, folge ich endlich diesem Wunsch meiner Zuhörer, der auch in mir verborgen liegt.

Das, was uns immer wieder beschäftigt und uns gleichzeitig auch Angst macht, wartet auf unser mutiges „Hindurchgehen“ und dafür müssen wir unsere oft willkommenen Ablenkungen aufgeben. So, wie ich es oft gelehrt habe, lerne ich auch selbst, die Hürden, die sich mir in den Weg stellen, anzunehmen. Denn durch das Überwinden dieser Hürden wachsen wir über uns hinaus.

In diesem Buch werde ich Ihnen Anka vorstellen. Anka (Name geändert) hat es geschafft, schon als kleines Kind mitten in der Dunkelheit Licht zu finden, schwere Krisen zu meistern und daran zu wachsen. Sie hat das alles aus eigener Kraft bewältigt, jedoch nicht allein – sie hatte so etwas wie einen Engel an ihrer Seite, von dem sie viel lernte: ihre jüngere Schwester Ariane, die als geistig behindert galt. Für Anka war Ariane einfach nur anders, aber in keiner Weise „behindert“, im Gegenteil: Anka entdeckte, wie viel Frieden und Liebe ihre Schwester ausstrahlte, gerade weil sie den dunklen Alltag ganz anders erlebte als die „normalen“ Menschen um sie herum. Diese Haltung wollte Anka auch in sich selbst finden – und das hat ihr vermutlich das seelische Überleben gerettet. Ich kenne Anka und Ariane seit ihrer Kindheit und möchte ihre Geschichte hier erzählen, um Ihnen Mut zu machen: Es gibt immer und überall einen Weg ins Licht.

Anka kann sich auf eine besondere Weise in Situationen einfühlen und wird uns mit auf die Reise nehmen, eine Reise, auf der gerade in ausweglos scheinenden Situationen scheinbar Unmögliches möglich wird. Diese Reise in die innere Sicherheit und Klarheit führt letztendlich in ein befreites Leben voller Wunder.

Kapitel 1

An der Grenze, da beginnt das Leben

Grenze

„Corona“ hat uns eine Grenze aufgezeigt, weltweit! Was passiert hier? Wie durch einen Reset-Knopf steht so viel still, was im Alltagsbewusstsein wie selbstverständlich ablief. Längst ahnten wir, dass unser „höher, schneller, weiter“ an Grenzen stößt. Und da ist sie: die Grenze!

Wir alle kennen Grenzübergänge vom Baby bis hin zum Erwachsenen sowie körperliche, psychische, emotionale Grenzen, die es zu überwinden gilt. Oft werden Grenzerfahrungen als tragisch und schicksalhaft erlebt. Eine solche Grenzerfahrung kann erst im Rückblick als Wachstumsschritt gewürdigt werden. Doch zunächst: Wie gehen wir mit einer Grenzerfahrung um, deren Ausgang absolut unsicher, nicht vorhersehbar ist? Können wir diese Grenze, diesen Einschnitt willkommen heißen, ohne alles schönzureden oder in Panik zu verfallen?

Gerade in Situationen, in denen wir scheinbar mit dem Rücken zur Wand oder vor einem Abgrund stehen, genau an diesem Wendepunkt, wenn wir das Gefühl haben, dass gar nichts mehr geht, kann alles Alte, bisher Geglaubte abfallen und ein neues Leben kann beginnen. Wenn wir es denn wollen! Denn die Vorstellung, alles Bisherige zu verlieren, fühlt sich bedrohlich an und löst bei vielen eine enorme Angst aus, Angst vor dem Unbekannten – nach dem unbewussten Motto „Lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück“. Festhalten im Widerstand gegen die neue Situation verschlimmert und verzögert diesen Prozess.

Doch wenn wir uns bewusst machen, dass die Schicksalsgrenze nicht der Abgrund, sondern das Sprungbrett zu unserer Glückseligkeit, zu unserem eigentlichen Sein ist, und wir auch schon vor dieser vermeintlichen Grenze dies erleben können, lohnt es sich doch, diese Grenzerfahrungen genauer zu beleuchten. Statt mit ängstlicher Abwehr zu reagieren könnten wir sie dann sogar willkommen heißen. Aber wie machen wir das, denn das hieße ja, die Krise, den Feind, den Tod, willkommen zu heißen?! Geht das überhaupt? Und wenn ja, wie? Soweit zur Theorie: Hier kommt nun Anka ins Spiel.

Anka ist eine zu viel

In diesem Kapitel mache ich die Bühne frei für Anka. Anka wächst anders als andere auf, in einer dunklen Welt. Ankas Kindheit und Jugend ist durchgängig geprägt von Erfahrungen, die in der Psychotherapie heutzutage als „traumatisch“ anerkannt werden. Anka wusste nichts von Trauma oder Psychologie. Für sie fühlte sich das Leben wie ein Märchen an, in dem immer wieder Hindernisse auftauchen, die es zu bewältigen gilt, in dem aber auch Wunder geschehen, die dafür sorgen, dass es am Ende gut geht, denn: Die eigene Grenze zu überschreiten führt in ein neues Leben.

Ankas Geschichte beginnt mit der Geburt ihrer jüngeren Schwester Ariane. Anka ist damals gerade ein Jahr alt, ihre ältere Schwester Alice ist zwei. Zu Geburt fährt die Mutter zusammen mit Alice zu ihrer Mutter. Bei ihrer Rückkehr dreht sich Anka von ihr weg. Hat Anka sie nicht wiedererkannt oder ist sie enttäuscht? Jedenfalls ist es für Anka die erste Erfahrung des Verlassenwerdens. Von nun an sind die Kinder zu dritt – und eine davon ist zu viel.

Die Eltern sind spätestens mit Arianes Geburt an ihrer Belastungsgrenze. Als Anka eineinhalb Jahre alt ist, wird der Familie angeboten, Anka an die Patentante abzugeben. Die Mutter reagiert entrüstet, ebenso bei dem Vorschlag, Ariane in ein Heim abzugeben. Als Anka in das Alter kommt, in dem Kinder Fragen stellen, versucht sie es immer wieder bei ihrer Mutter: Wie kommt die Marmelade ins Glas? Wie kommen die Kinder auf die Welt? Wo sitzt die Seele? Die Mutter ignoriert alle Fragen und schweigt und irgendwann stellt Anka keine Fragen mehr. Anka fühlt, dass die Mutter meist abwesend ist. Der Vater ist auch nicht ansprechbar, obwohl er zu Hause ist, es fehlt das Geld.

Die Eltern von Anka sind Kettenraucher. Ankas Mutter erzählt später, dass sie bei ihrem ersten Kind Alice auf das Rauchen verzichtet habe. Bei Anka habe ihr der Arzt geraten, weiter zu rauchen, das sei genauso ungesund wie die Nebenwirkungen des Entzugs. Die drei Schwestern wachsen in einem Chaoshaushalt auf. Weder passen die einzelnen Möbel zusammen, noch ist irgendeine Ordnung zu erkennen. Ein Kinderzimmer ist nicht vorhanden. Als Kleinkind spielt Anka oft unter dem Ess-Tisch, der im Wohn-/Arbeitszimmer steht. Fluchen mit lautem Gebrüll gehören zum täglichen Alltag. Als Anka schon etwas älter ist, wäscht sie nach dem Mittagessen, wenn die Mutter ihren Mittagsschlaf hält, oft von sich aus das Geschirr ab und räumt auf. Ankas Mutter freut sich nicht darüber. Anka fragt sich, ob sie die „Ordnung“ der Mutter gestört hat. Gespräche innerhalb der Familie finden nicht statt.

Als Dreijährige wird Anka immer wieder vor die Wahl gestellt, ob sie zum Einkaufen mitkommen will. Kommt sie mit, bekomme sie nichts. Bleibt sie zu Hause, werde ihr etwas Schönes mitgebracht. Anka wundert sich, dass ihr immer wieder diese Frage gestellt wird, denn die Mutter müsste doch wissen, wie sie antwortet: „Mitkommen!“ Anka fühlt jedes Mal, dass es der Mutter eigentlich gar nicht recht ist, freut sich jedoch, dass sie (Anka) entscheiden darf, auch wenn sie bei dem gemeinsamen Gang nur im Laufschritt mitkommt. Noch schneller laufen muss Anka, wenn der Vater sie in den Kindergarten bringt – in der Zeit, als Alice schon zur Schule geht. Das ist Ankas erstes Lauftraining. Anfassen darf Anka ihren Vater nicht. Nur wenn ein Hund kommt, darf sie ihre Hand in seine schieben. Dass ein Hund gefährlich ist, hat sie von ihrer Mutter übernommen. Am Kindergarten angekommen, wird sie von ihrem Vater reingeschoben und schnell wird die Tür geschlossen. Anka schreit.

Als Anka noch mit ihrer Schwester Alice in den Kindergarten geht, darf sie nicht mit ihr spielen. Die größeren Kinder werden von den jüngeren durch eine große Glasscheibe zwischen den beiden Räumen getrennt. Anka beobachtet traurig, wie die Schwester mit anderen Kindern mit dem Puppenladen spielt. Anka weiß, dass Alice nicht mit ihr spielen möchte. Das hört Anka oft genug, trotzdem träumt sie davon. Die Mutter erzählt amüsiert, wie ihr berichtet wird, wie ihre Kinder in den Kindergarten gehen. Die Ältere läuft vorweg, die Jüngere hinterher. Die Ältere tritt nach hinten aus, die jüngere nach vorn. Anka findet dies nicht lustig.

Mit drei Jahren zeigt Anka, wie mutig sie ist: Bei einem Streit der Eltern, die aufeinander losgehen, geht sie dazwischen, schiebt die Beine der Erwachsenen auseinander und ruft: „Ihr sollt euch nicht streiten, ihr sollt euch lieben!“ Die Eltern gehen wortlos und überrascht auseinander. Für eine ganze Weile bleibt es still. Die Worte „Liebe“ oder „liebhaben“ sind vorher nie gefallen.

Als Anka älter wird, sagt ihre Mutter ihr immer wieder, dass nur für ein Kind Geld da ist. Als Begründung wird Anka wiederholt erklärt, dass die älteste Tochter Alice „ein Motor“ sei, man müsse ihr alles geben, ihr alles gewähren, sonst drehe sie durch. Daraufhin verankert sich in Anka der Wunsch, später nur ein Kind zu haben, und zwar eine Tochter, die so ist wie sie. Hierbei träumt sie sich in diese Welt, und erlebt so in ihrer Fantasiewelt, wie sie sich als Mutter mit ihrem Kind fühlt und was dabei alles geschieht.

Alice bekommt Klavierunterricht, wobei sie kaum Zeit zum Üben hat. Anka, die sich dies sehnlichst wünscht, wird versprochen, dass die Mutter ihr es beibringt: Es bleibt bei dem in 2 Minuten beigebrachten Lied „Kuckuck“. Als Alice einmal auf dem Klavier übt, beißt Anka sie vor lauter Wut in den Oberschenkel. Alice, die sonst bei jeder Kleinigkeit lospoltert, bleibt diesmal still. Sie schauen sich wortlos an und in ihren Blicken ist alles gesagt. Wenn Anka mit ihrer älteren Schwester streitet und eine von ihnen oder beide sich an die Mutter wenden, kommt immer wieder der abwehrende Satz: „Streitet euch ohne mich!“ und sie kehrt ihnen den Rücken zu. Da die Mutter keine Stellung bezieht, findet Anka in eskalierenden Streitsituationen mit ihrer Schwester eine Lösung: „Wir geben jetzt alles in den Himmel ab. Und später wissen wir, wie da entschieden worden ist.“ Dann ist Ruhe, Alice nickt, darauf kann sie nichts entgegnen.

Anka registriert, dass die Mutter völlig überfordert ist, ohnmächtig und hilflos spielt sie „Vogel Strauß“. Sobald die Kinder, wenn die Mutter mit ihnen unterwegs ist, ihre Aufmerksamkeit fordern, auch auf negative Weise, reagiert sie so, als seien es nicht ihre Kinder. Dazu steht sie auch, indem sie äußert: „Ihr seid so frech, da tue ich so, als wärt ihr nicht meine Kinder.“

Anka möchte reiten. Das darf sie eine kurze Zeitlang. Jeden Mittwoch freut sie sich schon in der Schule darauf, nimmt die Pferde und den Geruch wahr. Als Alice dann auch reiten will, kann ihr das nicht abgeschlagen werden. So wird Anka angeboten, dass sie, wenn sie das Reiten aufgibt, wie ihre Schwester Taschengeld bekommt. Anka möchte mit Freundinnen etwas unternehmen, nicht nachstehen und lässt sich darauf ein. Mit dieser Entscheidung bleibt das versprochene Taschengeld aber aus und die Freude des Reitens ist auch vorbei. Als Begründung kommt immer wieder der Satz: „Ich kann mir das Geld nicht aus den Rippen schneiden!“

Ein weiterer Deal: Für jede Stunde, die sie für ihren Vater arbeitet, soll sie 1 DM bekommen. Dieser Betrag würde dann in etwa dem wöchentlichen Taschengeldbetrag entsprechen, den Alice erhält. Als Anka nach mehr als 10 Stunden danach fragt, hört sie wieder den lauten vorwurfsvollen Satz: „Ich kann mir das Geld nicht aus den Rippen schneiden!“ Nachdem Anka 100 Stunden aufgeschrieben hat, zerreißt sie den Zettel und bleibt still.

Alice bekommt alles, was sie fordert: neue Kleidung, eine Reitausrüstung, ein wunderschönes Tanzkleid, das ihr ihre Mutter näht. Die Mutter beklagt sich bei Anka, dass sie kein Geld für sie zur Verfügung habe, sie müsse dies verstehen. Zu ihrem Tanzstundenball erhält Anka ein abgetragenes Kleid der Freundin ihrer Schwester mit großen schwarzen Punkten, das ihr überhaupt nicht gefällt. Sie schämt sich, sich damit zu zeigen.

Grenzerfahrung Gewalt

Ankas Vater arbeitet als freischaffender Künstler täglich, meist bis in die Nacht hinein, selbst am Wochenende und Weihnachten. Eine Zeit lang sind sonntags Spaziergänge mit der Familie angesagt. Urlaub kennt er nicht. Anka hört oft die fluchenden Sätze ihres Vaters bezüglich seiner Arbeitsaufträge: „Die quälen mich!“ Sie weiß, dass dies nicht stimmt, und es an vielen kleinen Aufträgen liegt, wie “Preisschilder schreiben“, die ihm nicht gefallen. Diese Arbeit verrichtet Ankas Vater stets unter Termindruck. Anka spürt, dass ihn das stört im Weiterkommen mit den Arbeiten, zu denen er sich berufen fühlt.

Die Mutter beklagt sich bei Anka stets über ihren Mann. Die 7-jähige Anka nimmt wahr, dass der Vater das spürt, und das macht ihn noch wütender. Die Mutter hat ihre Vergangenheit nicht verarbeitet, insbesondere das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter belastet sie noch, und sie beklagt sich täglich bei Anka darüber. Als Anka einmal lautstark protestiert, dass sie es nicht mehr hören könne, ist Ruhe für diesen Tag. Anka atmet auf. Am nächsten Tag geht es jedoch weiter. Anka gibt auf. Anka fühlt, dass die Mutter krank ist, nicht anders kann. Anka fühlt sich in jeden ein. Niemand ist wirklich da. Bis auf Ariane hat keiner Zeit für sie. Wenn Anka nicht den Erwartungen der Eltern entspricht, und da reicht schon ein Blick von Anka, der beschimpft und bestraft werden muss, wird sie auf den Dachboden oder in einen fensterlosen Kellerraum gesperrt und immer wieder von ihrem Vater geschlagen. Aus Wut darüber, dass er dann mit seiner Hand nicht mehr weiterarbeiten kann, nimmt er den Stock und schlägt weiter auf sie ein, bis sie ohnmächtig wird.

Die Anlässe sind für Anka kaum ersichtlich, es genügt ein „i“ von Anka, wenn das Essen angebrannt ist, was der Vater oft als „Fraß“ bezeichnet, und das war es nicht selten. Von den Speisen, die Anka nicht mag, muss sie nach Schlägen die doppelte Portion essen. Sie erbricht viel. Anka sitzt links neben ihrem Vater am Mittagstisch vorn auf dem Sitz und kippelt mit dem Stuhl nach vorn. Mit einem wütenden Blick und dem Befehl, anders zu sitzen, tritt ihr Vater dabei gegen Ankas Stuhl, so dass sie damit umfällt und sich verletzt. Anka erinnert sich an viele Mittagsszenarien: Ein anderes Mal sitzt sie nicht direkt neben ihrem Vater. Sie weiß nicht mehr, was sie sagte oder machte, erinnert sich aber an die Reaktion des Vaters, der mit einem Glasschälchen nach Anka wirft. Die zerbrochenen Glassplitter verletzen dabei eine Ader und das Blut spritzt über den Esstisch.

Anka spürt in diesen Situationen, dass ihre Mutter nicht sagt, was sie denkt. Niemand aus der Familie wagt es, dem Vater etwas zu entgegnen. Mittagessen gibt es um 13.30 Uhr, Abendessen um 20.00 Uhr. Anka hat in der Zwischenzeit Hunger, darf aber nichts essen. Ab und zu stiehlt sie eine Brotkante aus dem Brotkasten und versteckt sich damit. Erwischt zu werden bedeutet Schläge.

Ankas Mutter hat vor, mit ihren Kindern in ihr Elternhaus zurückzuziehen und reagiert enttäuscht, dass dieser Wunsch abgelehnt wird. Die Mutter beklagt sich bei der 7-jährigen Anka darüber. Anka überlegt sich, dass sie, wenn sie ihre Mutter wäre, alle Hebel in Bewegung setzen und ein neues Zuhause mit den Kindern, egal wo, einrichten würde. Gleichzeitig spürt sie die Angst der Mutter, die in sich ohnmächtig gefangen bleibt.

Anka versucht immer wieder vorsichtig, Kontakt mit ihrem Vater herzustellen. Dies gelingt nicht. Fragen stellt sie schon lange nicht mehr, denn es gibt keine Antworten. Anka wird von ihren Eltern nur mit einem kindlichen Spitznamen angesprochen, ihren Namen hört sie von ihnen nicht ein einziges Mal. Sie nimmt von ihrem Vater fast nur Befehle und Beschimpfungen entgegen. Einmal will Anka im Advent ihrem Vater einen Schokoladen-Nikolaus schenken. Anka liebt Rollenspiele wie Nikolausspielen und sie liebt Überraschungen. So legt sie den Schokoladen-Nikolaus in das Bett ihres Vaters. Es gibt keine Reaktion, auch nicht von der Mutter. Wahrscheinlich hat er sich daraufgelegt, doch Anka traut sich nicht, dies anzusprechen. Es ist so, als ob sie dieses Geschenk nie gemacht hätte.

Anka wird oft von der Schule nach Hause geschickt, da sie grün und blau angelaufen ist. Anka steht zwischen Schule und Elternhaus, nirgends kann sie hin. Von Zuhause weiß sie: Schule ist Pflicht, da muss sie um jeden Preis hin, auch mit Fieber. Beim Elternsprechtag spricht die Lehrerin die Mutter darauf an, dass Anka grün und blau zur Schule kommt. Die Mutter reagiert „Meine Anka ist prima!“ und erzählt dies belustigt zu Hause. Anka fragt nach einem weiteren Elternsprechtag, was die Lehrerin gesagt habe. Die Mutter berichtet ausführlich, was die Lehrerin zu anderen Kindern zu sagen hatte. Kein Wort über Anka. Anka weiß, was und wie über sie gesprochen wird, und fragt nicht mehr.

Als Anka einmal eine Freundin zu Besuch hat, läuft diese aufgrund des cholerischen Verhaltens von Ankas Vater vor lauter Schreck auf Socken nach Hause. Danach traut Anka sich nicht noch einmal, eine Freundin mitzubringen. Nachdem ihr Vater über ein Nachbarkind immer wieder sagt: „Ist das die, die den Spargel quer fressen kann?!“, hüllt sich Anka immer mehr in Schweigen. Angst bestimmt ihr Leben: Sich unsichtbar machen, nicht auffallen wird zu ihrer Überlebensstrategie!

Lichtblick im Chaos

Und doch gibt es Lichtblicke, wenn auch selten, die Anka zu schätzen weiß: Anka (5-jährig) sitzt abends mit Alice vor dem Zubettgehen auf der Anrichte im Flur. Der Vater holt sie hier jeweils per Huckepack ab und bringt sie ins Bett. Es ist der einzige körperliche Kontakt. Danach bleibt er einige Male auf Ankas Bitten hin in der Schlafzimmertür stehen und erzählt vom Krieg. Anka bewundert, dass er hier nur schöne Erlebnisse aus Afrika erzählt. Anka spürt, dass er gelitten haben muss. Krieg ist doch schrecklich. Der Vater erzählt so lebendig, dass Anka glaubt, selbst dort gewesen zu sein, den Sand und den Staub fühlt und riecht sie. Im ersten Schuljahr fragt die Lehrerin: “Wer von euch weiß denn schon, wie es in Afrika ist?!“ Sie wollte natürlich die Verneinung „keiner“ hören. Anka meldet sich, möchte von „ihren Afrikaerlebnissen“ berichten und wird von der Lehrerin und der ganzen Klasse ausgelacht.

Ankas größter Lichtblick aber ist Ariane. Die jüngere Schwester entwickelt sich anders. Anka nimmt wahr, dass Ariane als Baby nicht mit den Augen auf etwas reagiert, wenn ihr z.B. ein Spielzeug vor ihrem Gesicht von rechts nach links gezeigt wird. Ariane kann nicht allein essen, nicht zur Toilette gehen, wird nicht eingeschult. Für Anka ist sie nicht „behindert“, wie andere sie wahrnehmen. Ariane reagiert völlig anders, auf ihre ganz besondere Weise: Sie kann wundervoll Lieder nachsingen, auch wenn die Worte nicht passen. Statt zu sprechen singt sie melodisch lachend wenige Sätze, teils mit von ihr erfundenen Wörtern. Wenn Ariane ihre Lieblingslieder hören möchte, schlägt sie genau die jeweils richtige Seite des Liedes in einem 200-Seiten-Notenbuch auf, stellt es auf die Klavierablage, holt die Mutter aus der Küche, führt sie zum Klavier und singt dabei das aufgeschlagene Lied.

Als Ariane nicht mehr in ihr kleines Kinderbett passt, schläft sie mit Anka in einem Bett. Zum einen kann Ariane nicht allein schlafen, zum anderen ist kein Platz für ein weiteres Bett. Beide schlafen in dem großen Bett mit hohen braunen Seitenwänden unter dem kleinen Dachlukenfenster. Hinter dem Bett steht ein weiteres dieser Art, in dem die ältere Schwester schläft. Dieses Bett reicht fast bis zur Tür. Jede Nacht traut sich Anka mit Herzklopfen und zittriger Stimme zu fragen, ob Alice ihr ein Glas Wasser holt. Anka erwartet jedes Mal lautstarken Protest. Aber die Schwester holt ihr immer wieder schweigend ein Glas Wasser. Anka freut sich und schwört: „Das vergesse ich ihr nie!“

Ariane ist hyperaktiv. Mit ihrer leeren Karo-Dose („Dia“ von ihr genannt), ihrem Lieblingsspielzeug, rennt sie mit fünf Jahren im Flur von Tür zu Tür. Dabei geht oft eine Glasscheibe der jeweils drei dicken Fensterscheiben in der Tür zu Bruch, die der Vater wieder einbaut. Die Mutter verrichtet ihre Hausarbeit größtenteils mit einer Hand, an der anderen Hand hält sie Ariane. Sonst läuft Ariane gern von Zuhause weg, freut sich dann aber darüber, wenn sie eingeholt wird, und läuft dabei immer schneller. Als tägliche Bettnässerin bekommt sie Schläge mit der wütenden sich immer wiederholenden Frage: „Wer war das?“ Anka beobachtet, leidet mit ihrer Schwester.

Ankas Weg in eine andere Welt

Da Anka kein Gesprächsgegenüber hat, spielt sie selbst in Gedanken Rollenspiele. Am Mittagstisch stellt sie sich vor, welche Fragen sie als Mutter stellen würde, und was sie dann als Kind antwortete, z.B. was sie in der Schule erlebte, wer gelacht hatte, wie viele traurig waren, die Farben ihrer Kleidung …

Schon als 5-jährige setzt sich Anka zu ihrer Mutter in der Küche auf eine Fußbank, ein Stuhl passt nicht mehr in die kleine Küche. Anka bittet sie, ihr doch eine Geschichte zu erzählen. Nachdem immer wieder die gleiche Geschichte mit zwei Sätzen kommt: „Ein Mädchen ging spazieren. Weil sie zu viele Himbeerbonbons gegessen hatte, fiel sie um und blieb im Straßengraben liegen“, fragt Anka nicht mehr. Zuerst stellt sie ihrer Mutter noch Fragen dazu, was dann passierte … Funkstille. Anka nimmt wahr, dass ihre Mutter gedanklich wieder abwesend ist. So malt sich Anka selbst viele Szenarien mit einem positiven Ausgang aus. Viele Geschichten und Märchen erzählt sie sich selbst und stellt sich vor, wie sie diese ihrem eigenen Kind mal erzählt. Anka glaubt der Aussage ihres Vaters, man habe sie hinter der Hecke gefunden, und macht sich Gedanken, wer ihre wirklichen Eltern sind. Außerdem hat sie eine andere Haarfarbe als alle anderen in der Familie.