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Anna Karenina ist ein Roman von Leo Tolstoi, der in den Jahren 1873 bis 1878 in der Epoche des russischen Realismus entstand und als eines von Tolstois besten Werken gilt. Das Buch wurde 1877/78 veröffentlicht und handelt von Ehe und Moral in der adligen russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.
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Seitenzahl: 1750
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„Die Rache ist mein, ich will vergelten.“
1.
Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie ist auf ihre Weise unglücklich. —
Im Hause der Oblonskiy herrschte allgemeine Verwirrung. Die Dame des Hauses hatte in Erfahrung gebracht, daß ihr Gatte mit der im Hause gewesenen französischen Gouvernante ein Verhältnis unterhalten, und ihm erklärt, sie könne fürderhin nicht mehr mit ihm unter einem Dache bleiben. Diese Situation währte bereits seit drei Tagen und sie wurde nicht allein von den beiden Ehegatten selbst, nein auch von allen Familienmitgliedern und dem Personal aufs Peinlichste empfunden. Sie alle fühlten, daß in ihrem Zusammenleben kein höherer Gedanke mehr liege, daß die Leute, welche auf jeder Poststation sich zufällig träfen, noch enger zu einander gehörten, als sie, die Glieder der Familie selbst, und das im Hause geborene und aufgewachsene Gesinde der Oblonskiy.
Die Herrin des Hauses verließ ihre Gemächer nicht, der Gebieter war schon seit drei Tagen abwesend. Die Kinder liefen wie verwaist im ganzen Hause umher, die Engländerin schalt auf die Wirtschafterin und schrieb an eine Freundin, diese möchte ihr eine neue Stellung verschaffen, der Koch hatte bereits seit gestern um die Mittagszeit das Haus verlassen und die Köchin, sowie der Kutscher hatten ihre Rechnungen eingereicht.
Am dritten Tage nach der Scene erwachte der Fürst Stefan Arkadjewitsch Oblonskiy — Stiwa hieß er in der Welt — um die gewöhnliche Stunde, das heißt um acht Uhr morgens, aber nicht im Schlafzimmer seiner Gattin, sondern in seinem Kabinett auf dem Saffiandiwan. Er wandte seinen vollen verweichlichten Leib auf den Sprungfedern des Diwans, als wünsche er noch weiter zu schlafen, während er von der andern Seite innig ein Kissen umfaßte und an die Wange drückte. Plötzlich aber sprang er empor, setzte sich aufrecht und öffnete die Augen.
„Ja, ja, wie war doch das?“ sann er, über seinem Traum grübelnd. „Wie war doch das? Richtig; Alabin gab ein Diner in Darmstadt; nein, nicht in Darmstadt, es war so etwas Amerikanisches dabei. Dieses Darmstadt war aber in Amerika, ja, und Alabin gab das Essen auf gläsernen Tischen, ja, und die Tische sangen: ‚Il mio tesoro‘ — oder nicht so, es war etwas Besseres, und gewisse kleine Karaffen, wie Frauenzimmer aussehend,“ —; fiel ihm ein.
Die Augen Stefan Arkadjewitschs blitzten heiter, er sann und lächelte. „Ja, es war hübsch, sehr hübsch. Es gab viel Ausgezeichnetes dabei, was man mit Worten nicht schildern könnte und in Gedanken nicht ausdrücken.“ Er bemerkte einen Lichtstreif, der sich von der Seite durch die baumwollenen Stores gestohlen hatte und schnellte lustig mit den Füßen vom Sofa, um mit ihnen die von seiner Gattin ihm im vorigen Jahr zum Geburtstag verehrten gold- und saffiangestickten Pantoffeln zu suchen; während er, einer alten neunjährigen Gewohnheit folgend, ohne aufzustehen mit der Hand nach der Stelle fuhr, wo in dem Schlafzimmer sonst sein Morgenrock zu hängen pflegte.
Hierbei erst kam er zur Besinnung; er entsann sich jäh wie es kam, daß er nicht im Schlafgemach seiner Gattin, sondern in dem Kabinett schlief; das Lächeln verschwand von seinen Zügen und er runzelte die Stirn.
„O, o, o, ach,“ brach er jammernd aus, indem ihm alles wieder einfiel, was vorgefallen war. Vor seinem Innern erstanden von neuem alle die Einzelheiten des Auftritts mit seiner Frau, erstand die ganze Mißlichkeit seiner Lage und — was ihm am peinlichsten war — seine eigene Schuld.
„Ja wohl, sie wird nicht verzeihen, sie kann nicht verzeihen, und am Schrecklichsten ist, daß die Schuld an allem nur ich selbst trage — ich bin schuld — aber nicht schuldig! Und hierin liegt das ganze Drama,“ dachte er, „o weh, o weh!“ Er sprach voller Verzweiflung, indem er sich alle die tiefen Eindrücke vergegenwärtigte, die er in jener Scene erhalten.
Am unerquicklichsten war ihm jene erste Minute gewesen, da er, heiter und zufrieden aus dem Theater heimkehrend, eine ungeheure Birne für seine Frau in der Hand, diese weder im Salon noch im Kabinett fand, und sie endlich im Schlafzimmer antraf, jenen unglückseligen Brief, der alles entdeckte, in den Händen. Sie, die er für die ewig sorgende, ewig sich mühende, allgegenwärtige Dolly gehalten, sie saß jetzt regungslos, den Brief in der Hand, mit dem Ausdruck des Entsetzens, der Verzweiflung und der Wut ihm entgegenblickend.
„Was ist das?“ frug sie ihn, auf das Schreiben weisend, und in der Erinnerung hieran quälte ihn, wie das oft zu geschehen pflegt, nicht sowohl der Vorfall selbst, als die Art, wie er ihr auf diese Worte geantwortet hatte.
Es ging ihm in diesem Augenblick, wie den meisten Menschen, wenn sie unerwartet eines zu schmählichen Vergehens überführt werden. Er verstand nicht, sein Gesicht der Situation anzupassen, in welche er nach der Entdeckung seiner Schuld geraten war, und anstatt den Gekränkten zu spielen, sich zu verteidigen, sich zu rechtfertigen und um Verzeihung zu bitten oder wenigstens gleichmütig zu bleiben — alles dies wäre noch besser gewesen als das, was er wirklich that — verzogen sich seine Mienen („Gehirnreflexe“ dachte Stefan Arkadjewitsch, als Liebhaber von Physiologie) unwillkürlich und plötzlich zu seinem gewohnten, gutmütigen und daher ziemlich einfältigen Lächeln.
Dieses dumme Lächeln konnte er sich selbst nicht vergeben. Als Dolly es gewahrt hatte, erbebte sie, wie von einem physischen Schmerz, und erging sich dann mit der ihr eigenen Leidenschaftlichkeit in einem Strom bitterer Worte, worauf sie das Gemach verließ. Von dieser Zeit an wollte sie ihren Gatten nicht mehr sehen.
„An allem ist das dumme Lächeln schuld,“ dachte Stefan Arkadjewitsch. „Aber was soll ich thun, was soll ich thun?“ frug er voll Verzweiflung sich selbst, ohne eine Antwort zu finden.
Stefan Arkadjewitsch war ein in Bezug auf sich selbst sehr ehrenhafter Mensch. Er vermochte nicht, sich selbst zu täuschen, sich zu versichern, daß ihn seine Handlungsweise gereue. Er empfand jetzt nicht einmal Gewissensbisse daraus, daß er, ein Mann von vierunddreißig Jahren, hübsch und galant, in sein Weib, die Mutter von fünf lebenden und zwei toten Kindern, die nur ein Jahr jünger war als er, gar nicht verliebt war. Er machte sich nur Vorwürfe darüber, daß er sich nicht besser vor seinem Weibe zu hüten gewußt hatte. Recht wohl aber empfand er die ganze Schwere seiner Lage und er beklagte Weib, Kinder und sich selbst. Vielleicht auch hätte er es verstanden gehabt, seine Fehltritte besser vor jenem geheimzuhalten, wenn er erwartet hätte, daß dieselben in solcher Weise wirkten. Offenbar hatte er aber nie darüber nachgedacht, und voll Unruhe stellte er sich jetzt vor, daß sein Weib längst geargwöhnt hatte, er sei ihr nicht treu und daß es ihm nur durch die Finger schaue. Es schien ihm sogar, daß sie, abgemagert, gealtert und gar nicht mehr hübsch, in keiner Beziehung interessant, nur einfach, aber eine gute Mutter der Kinder, dem Gerechtigkeitsgefühl nach selbst nachsichtig zu sein verpflichtet wäre — aber da zeigte sich ganz und gar das Gegenteil! —
„O, furchtbar, o, o, furchtbar!“ bezeugte sich Stefan Arkadjewitsch selbst, ohne einen weiteren Gedanken zu finden. „Und wie gut war alles bisher gegangen, welch schönes Leben habe ich geführt! Sie war zufrieden, glücklich in ihren Kindern, ich störte sie in nichts und überließ es ihr, sich mit den Kindern zu befassen und mit dem Hauswesen ganz wie sie wollte. Allerdings, es war ja nicht gut, daß sie eigentlich die Gouvernante abgab im Hause.“ Er erinnerte sich der schwarzen, schelmischen Augen von Mademoiselle Roland und ihres Lächelns. „Aber so lange sie bei uns im Hause war, habe ich mir doch nicht das Geringste gegen sie erlaubt. Das Dümmste war, daß sie schon — aber es mußte so kommen, wie vorherbestimmt! O weh, o weh, was nun thun?“
Es gab keine Antwort darauf, außer jener allgemeinen, die das Leben selbst auch auf die verwickeltsten und unlösbarsten Fragen erteilt. Diese Antwort war die: Man muß leben, im Zwange des täglichen Lebens, mit anderen Worten, sich vergessen. Im Schlaf sich vergessen, war nicht mehr möglich, höchstens erst wieder am Abend, und zu jener Musik, welche er gehört, zurückzukehren, ging auch nicht an, es blieb also nur übrig, sich zu vergessen im Traume des Lebens.
„Nun, wir werden ja sehen,“ sagte Stefan Arkadjewitsch zu sich, warf aufstehend einen grauen Hausrock über sein blauseidenes Unterhemd, kreuzte die Hände auf dem Rücken, zog behaglich den breiten Brustkasten voll Luft, und begab sich mit dem gewohnten festen Schritt seiner auswärts gerichteten Füße, die den feisten Körper so mühelos trugen, nach dem Fenster und klingelte stark. Auf das Schellen trat sofort sein alter Freund, der Kammerdiener Matwey, einen Anzug, Stiefel und ein Telegramm tragend, herein, gefolgt von dem Barbier mit dem Apparat zum Barbieren.
„Sind Akten da?“ frug Stefan Arkadjewitsch, das Telegramm entgegennehmend und sich vor dem Spiegel niederlassend.
„Sie liegen auf dem Tische,“ versetzte Matwey, fragend und voll Teilnahme auf seinen Herrn blickend, und fuhr nach kurzem Warten mit schlauem Lächeln fort: „Von dem Mietsfuhrmann ist jemand gekommen!“
Stefan Arkadjewitsch antwortete nichts, sondern blickte nur durch den Spiegel auf Matwey; sie schienen sich beide sichtlich gut zu verstehen. Der Blick Stefan Arkadjewitschs frug gleichsam: weshalb sagst du das; weißt du denn nicht?
Matwey hatte die Hände in die Taschen seines Jaquets gesteckt, setzte den einen Fuß ein wenig vor und schwieg, kaum merklich und gutmütig lächelnd auf seinen Gebieter schauend.
„Ich habe angeordnet, daß man erst an diesem Sonntag komme, und Euch und mich bis dahin nicht unnütz belästige,“ sagte er dann in offenbar einstudiertem Satze.
Stefan Arkadjewitsch verstand, daß Matwey scherzen, und die Aufmerksamkeit auf sich lenken wolle. Er zerriß das Telegramm und las unter Versuchen, die wie immer mit durchrissenen Worte zusammenzubringen; sein Antlitz heiterte sich auf.
„Matwey, meine Schwester Anna Arkadjewna kommt morgen,“ begann er, für eine Minute die schaumglänzende, fleischige Hand des Barbiers hemmend, die im Begriff war, die rosige Rinne zwischen den langen krausen Kotelettes zu säubern.
„Gott sei gelobt,“ versetzte Matwey, mit dieser Antwort beweisend, daß er ebenso wie sein Gebieter, die Bedeutung dieses Besuches erkenne, das heißt einsehe, daß Anna Arkadjewna die Lieblingsschwester Stefans, zur Aussöhnung der Gatten zu wirken imstande sei.
„Kommt sie allein oder mit dem Gemahl?“ frug Matwey.
Stefan Arkadjewitsch konnte nichts erwidern, da sein Barbier gerade mit der Oberlippe beschäftigt war, und hob daher nur einen Finger. Matwey nickte mit dem Kopfe in den Spiegel.
„Also allein. Soll ich oben herrichten lassen?“
„Berichte der Darja Alexandrowna, und sie wird bestimmen, wo.“
„Darja Alexandrowna?“ wiederholte Matwey gleichsam voll Zweifels.
„Ja. Teile ihr es mit; und nimm hier das Telegramm, gieb es ihr, und melde, daß sie anordne.“
„Ihr wollt versuchen,“ verstand Matwey, aber er sprach nur „Ich gehorche.“
Stefan Arkadjewitsch war schon gewaschen und frisiert und wollte sich ankleiden, als Matwey, sich langsam in den knarrenden Stiefeln bewegend, mit der Depesche wieder im Zimmer erschien. Der Barbier war nicht mehr anwesend.
„Darja Alexandrowna hat befohlen, ich solle Euch mitteilen, daß sie fortfahren wird. Ihr möchtet thun, wie es Euch beliebte,“ berichtete er, nur mit den Augen lachend und die Hand in die Tasche seines Jaquets versenkend, während er den Kopf seitwärts legte und auf seinen Herrn blickte. Stefan Arkadjewitsch blieb stumm, dann erschien ein gutmütiges, etwas klägliches Lächeln auf seinem roten Gesicht.
„Nun, Matwey?“ frug er kopfschüttelnd.
„Es ist nicht von Bedeutung, Herr,“ versetzte dieser, „wird sich schon machen.“
„Es wird sich machen?“
„Ach, ja.“
„Meinst du? — Doch wer ist dort?“ frug Stefan Arkadjewitsch, an der Thür das Rauschen eines weiblichen Gewandes wahrnehmend.
„Ich bin es,“ ertönte eine feste, wohllautende Weiberstimme und in der Thür erschien das strenge, pockennarbige Antlitz der Matrjona Philimonowna, der Amme.
„Nun, was giebt es, liebe Matrjona?“ frug Stefan Arkadjewitsch, ihr bis an die Thür entgegengehend.
Obwohl Stefan Arkadjewitsch vollständig in der Schuld war gegenüber seiner Gattin, und er selbst auch dies empfand, standen doch fast alle im Hause, ja selbst die Amme, der beste Freund Darja Alexandrownas, auf seiner Seite.
„Nun, was giebt es?“ frug er niederschlagen.
„Ach, kommt doch, Herr, entschuldiget Euch! Gott wird schon helfen. Sie leidet so sehr, es ist traurig zu sehen, und alles im Hause geht zurück. Die Kinder, Herr, sind zu beklagen. Entschuldigt Euch doch, — was soll das werden! Da könnte man doch gleich“ —
„Aber sie nimmt ja nicht Vernunft an“ —
„O, thut nur das Eure. Gott ist hilfreich, betet zu Gott, Herr, betet zu Gott!“
„Nun gut, geh,“ sagte Stefan Arkadjewitsch plötzlich errötend. „Ich will mich ankleiden,“ wandte er sich zu Matwey und warf entschlossen den Hausrock ab.
Matwey hielt bereits ein frisches Hemd wie ein Kummet empor und befaßte sich nun mit augenscheinlichem Vergnügen damit, den verwöhnten Körper seines Gebieters einzuhüllen.
Nachdem Stefan Arkadjewitsch angekleidet war, besprengte er sich mit Wohlgerüchen, zerrte die Ärmelmanschetten vor, steckte in gewohnheitsmäßiger Bewegung Cigaretten in die Taschen, sein Portefeuille, Streichhölzer, seine Uhr mit doppelter Kette und einem Berloque und schüttelte das Taschentuch auf. Er fühlte sich gesäubert und parfümiert, gesund und äußerlich heiter, ungeachtet seines Unglücks und ging nun nach dem Speisezimmer, wo seiner schon der Kaffee harrte und zugleich mit diesem Briefe und die Akten aus dem Gerichtshof.
Er las die Briefe. Einer war ihm sehr unangenehm; er kam von einem Kaufmanne, der einen Wald aus dem Besitztum seiner Frau gekauft hatte. Dieser Wald mußte unweigerlich verkauft werden, aber jetzt, vor einer Aussöhnung mit ihr, konnte davon keine Rede sein. Das Peinlichste hierbei war, daß sich somit das pekuniäre Interesse mit der Versöhnung seiner Gattin vereinte. Der Gedanke aber, daß er diesem Interesse Rechnung tragen müsse, daß er zum Verkauf des Waldes seiner Frau Verzeihung nachsuchen müßte — dieser Gedanke kränkte ihn.
Nachdem er mit den Briefen fertig war, zog Stefan Arkadjewitsch die Akten an sich; schnell durchblätterte er zwei Aktenstücke, mit einem großen Bleistift Bemerkungen hineinzeichnend und widmete sich alsdann dem Kaffee. Hierbei entfaltete er die noch druckfeuchte Morgenzeitung und vertiefte sich in die Lektüre.
Stefan Arkadjewitsch hielt sich eine liberale Zeitung, nicht von schärfster Farbe, sondern eine von jener Richtung, der die Mehrzahl folgt. Obwohl ihn weder Wissenschaft noch Kunst oder Politik besonders anzogen, so verfolgte er doch aufmerksam alle jene Fragen, mit denen sich die Allgemeinheit, sowie auch seine Zeitung befaßte, und änderte seine Meinungen, sobald dies die große Masse that — oder besser, er veränderte sie nicht, sondern sie änderten sich in ihm, ohne daß er selbst es merkte.
Stefan Arkadjewitsch wählte sich weder Richtungen noch Ansichten, sondern solche kamen ihm von selbst, ganz ebenso, wie er selbst nicht die Façon eines Hutes oder Überziehers wählte, sondern nahm, was man ihm brachte. Eine Ansicht zu haben, war aber für ihn, der in der großen Gesellschaft lebte, bei der Notwendigkeit einer gewissen geistigen Thatkraft, die sich gewöhnlich in den Jahren der Reife entwickelt, ebenso unumgänglich, wie der Besitz eines Hutes. Bot sich ein Grund, die liberale Gesinnung der konservativen vorzuziehen, die ja viele innerhalb seiner Gesellschaftskreise auch besaßen, so geschah dies nicht deshalb, daß er sie für vernünftiger gehalten hätte, sondern deshalb, weil sie sich ihm für seine Lebensformen enger accomodierte. Die liberale Partei sagte, es sei in Rußland alles schlecht, und in der That, Stefan Arkadjewitsch hatte viele Schulden und sein Geld reichte nie zu. Die liberale Partei sagte die Ehe sei eine abgelebte Institution, die unfehlbar der Reorganisierung bedürfe, und in der That, das Familienleben gewährte ihm wenig Annehmlichkeit und zwang ihn zur Lüge und Verstellung, die doch sonst seiner Natur so fremd waren. Die liberale Partei sagte, oder vielmehr, klügelte, die Religion sei nur ein Zaum für den barbarischen Teil der Menschheit, und in der That, Stefan Arkadjewitsch konnte nicht ohne Schmerz in den Füßen ein Gebet anhören, und vermochte nicht zu begreifen, wozu alle die furchterregenden und schwülstigen Worte über jene Welt gemacht würden, wenn das Leben in dieser doch auch so schön sein soll. Bei alledem machte es Stefan Arkadjewitsch, der einen lustigen Scherz liebte, Vergnügen, bisweilen einen friedsamen Menschen damit zu verblüffen, daß, wenn man auch stolz sein könne auf seinen Stammbaum, man deshalb noch nicht bei Rurik damit anzufangen brauche und als ersten Stammvater — den Affen nicht von sich weisen dürfe. So also wurde die liberale Richtung Stefan Arkadjewitsch zur Gewohnheit; er liebte seine Zeitung wie eine Cigarre nach dem Mittagsmahl, wegen des leichten Nebels, den sie in seinem Hirn erzeugte. Er las den Leitartikel, in welchem auseinandergesetzt wurde, daß man in unserer Zeit ein völlig unnützes Gejammer darüber erhebe, als drohe der Radikalismus alle konservativen Elemente zu verschlingen und daß die Regierung verpflichtet sei, Maßregeln zur Unterdrückung der Hydra der Revolution zu treffen; vielmehr liege nach der Meinung der Liberalen die Gefahr nicht in der vermeintlichen Hydra der Empörung, sondern in der Hartnäckigkeit der Tradition, welche den Fortschritt hemmte.
Er las auch einen zweiten Artikel über die Finanzen, in welchem dem Ministerium Seitenhiebe versetzt wurden. Mit der ihm eigenen schnellen Auffassungsgabe verstand er die Bedeutung einer jeden Seitenbemerkung; von wem sie herrührte, für wen sie bestimmt war und auf welchen Umstand sie sich bezog; dies alles verursachte ihm, wie immer, ein gewisses Vergnügen.
Heute indessen wurde dieses Vergnügen vergällt durch die Erinnerung an die Ratschläge der Matrjona Philimonowna und an das Unglück in seinem Hause.
Er las weiterhin auch, daß der Graf Beust wie man höre, nach Wiesbaden gereist sei und ferner, wie man keine grauen Haare mehr zu fürchten habe; auch vom Verkauf eines leichten Wagens und von der Offerte eines jungen Mädchens. Allein alle diese Nachrichten verursachten ihm nicht jenes stille ironische Vergnügtsein, wie vordem.
Nachdem er mit der Zeitung zu Ende war, sowie mit einer zweiten Tasse Mokka und seiner Buttersemmel, erhob er sich, schüttelte die Brosamen der Semmel von seiner Weste ab und reckte mit zufriedenem Lächeln die breite Brust, nicht daß ihm ein besonders angenehmer Gedanke gekommen wäre — nur seine gute Verdauung rief das Lächeln hervor.
Aber dieses zufriedene Lächeln erinnerte ihn sogleich wieder an alles und er wurde nachdenklich.
Zwei Kinderstimmen — Stefan Arkadjewitsch erkannte die Stimmen Grischas, seines kleinsten Söhnchens, und Tanas, seiner ältesten Tochter — wurden hinter der Thür vernehmbar. Die Kinder trugen wohl etwas und hatten dies fallen lassen.
„Ich habe gesagt, daß man auf das Dach doch nicht Passagiere setzen kann!“ rief das Mädchen auf englisch, — „heb auf!“ —
„Es ist alles durcheinandergeraten,“ dachte Stefan Arkadjewitsch, „die Kinder laufen schon allein umher.“ Er ging zur Thür und rief. Die Kleinen hatten eine Schatulle hingeworfen, die einen Eisenbahnzug vorstellen sollte; sie eilten nun auf den Vater zu.
Das kleine Mädchen, der Liebling des Vaters lief dreist herein, umarmte ihn und hängte sich lachend an seinen Hals, wie stets sich ergötzend an dem Wohlgeruch des Parfüms, welcher von seinem Backenbart ausströmte. Nachdem es ihm endlich das von der gebückten Stellung gerötete und voll Zärtlichkeit schimmernde Gesicht geküßt und die Händchen zurückgezogen hatte, wollte es fortlaufen, aber der Vater hielt sein Kind zurück.
„Was macht Mama?“ frug er, mit der Hand über den glatten zarten Hals der Tochter streichend. „Guten Morgen,“ sagte er dann lächelnd zu dem Knaben, der ihn begrüßte.
Er wußte recht wohl, daß er den Knaben weniger liebte und bemühte sich stets, gegen ihn freundlich zu sein, aber der Knabe empfand dies und er hatte kein Lächeln für das kalte Lächeln seines Vaters.
„Mama? Sie ist aufgestanden,“ antwortete das Mädchen.
Stefan Arkadjewitsch seufzte auf.
„Das heißt, sie hat wieder die ganze Nacht hindurch nicht geschlafen,“ dachte er.
„Ist sie denn heiter?“
Das Mädchen wußte, daß zwischen Vater und Mutter ein Zwist vorgefallen war und die Mutter nicht heiter sein konnte, daß der Vater dies recht wohl wissen müsse und sich nur verstelle, wenn er so leichthin frage. Es errötete über den Vater; er verstand das sofort und errötete gleichfalls.
„Ich weiß nicht,“ antwortete sie, „sie hat nicht befohlen, daß wir Unterricht haben sollten, sondern hat uns mit Miß Gule zu Großmama geschickt.“
„Nun, so geh, liebste Tantschurotschka. Doch halt, warte,“ sagte er, sie nochmals festhaltend und ihr zartes Händchen streichelnd.
Er nahm vom Kamin eine Düte Konfekt, die er am vorhergehenden Tage dorthin gelegt hatte und reichte ihr zwei Stücken Chokolade, die sie am liebsten aß.
„Soll ich dies dem Grischa geben?“ frug das Mädchen, auf das eine Stück weisend.
„Jawohl.“ Wiederum streichelte er ihr die Schulter und küßte sie auf das Haar und den Hals bevor er sie entließ.
„Der Wagen ist fertig,“ meldete jetzt Matwey, „aber es ist eine Bittstellerin da,“ fügte er hinzu.
„Schon lange?“ frug Stefan Arkadjewitsch.
„Etwa eine halbe Stunde.“
„Wie oft ist dir gesagt worden, daß du sofort melden sollst!“
„Ich mußte Euch doch vorerst den Kaffee nehmen lassen,“ antwortete Matwey mit jenem freundlich dreisten Tone, über den man nicht in Zorn geraten kann.
„Nur dann bitte sie möglichst schnell,“ sagte Oblonskiy, mit verdrießlich gerunzeltem Gesicht.
Die Bittstellerin, die Frau eines Stabskapitäns Kalinin, bat um etwas Unmögliches und Sinnloses, aber Stefan Arkadjewitsch ließ sie, seiner Gepflogenheit nach Platz nehmen und hörte sie aufmerksam und ohne ein Wort der Unterbrechung an; hierauf gab er ihr ausführlich Rat, an wen sie sich wenden sollte und in welcher Weise dies zu thun sei, und entwarf ihr sogar selbst schnell und gewandt in seiner zierlichen, schwungvollen, schönen und sorgfältigen Handschrift ein Schreiben an die Persönlichkeit, welche ihr nützlich werden konnte. Nachdem er die Frau des Stabskapitäns entlassen hatte, ergriff er seinen Hut, blieb aber noch eine Weile stehen, nachdenkend, ob er nicht etwas vergessen hätte. Es stellte sich heraus, daß er nichts vergessen, es wäre denn, daß er — seine Frau vergessen wollte. —
„Ach ja!“ Er ließ den Kopf hängen, und sein rotes Gesicht nahm einen sorgenvollen Ausdruck an. „Soll ich zu ihr gehen, oder nicht?“ frug er sich selbst. Eine innere Stimme sagte ihm, es sei nicht nötig zu gehen, da es dort für ihn nichts gebe als Lüge, und daß ihre beiderseitigen Beziehungen unmöglich wieder zu bessern und herzustellen sein würden, da es nicht anging, sie wieder anziehend und liebeerweckend zu machen, oder ihn zum bejahrten, nicht mehr der Liebe fähigen Greise zu verwandeln. Außer Falsch und Lüge konnte es jetzt nichts mehr geben, dieses beides aber war seiner Natur zuwider.
„Aber einmal muß es doch werden — so kann es doch nicht bleiben,“ sprach er, sich zu ermannen versuchend. Er reckte die Brust heraus, nahm eine Cigarette, steckte sie an und that einige Züge, warf sie hierauf in einen Aschenbecher aus Perlmutter und begab sich mit schnellen Schritten durch den Salon, worauf er eine andere Thür zu dem Schlafzimmer seiner Gattin öffnete.
Darja Alexandrowna, im Korsett, die bereits spärlich werdenden Zöpfe des früher einmal üppig und schön gewesenen Haars im Nacken aufgesteckt, mit eingefallenem, hageren Gesicht und großen, aus den magern Zügen hervorstehenden, erschreckt aussehenden Augen, stand inmitten einer Menge im Raume umherliegender Sachen vor einer geöffneten Chiffonniere, aus welcher sie soeben etwas herausnahm.
Als sie den Schritt ihres Mannes vernahm, blieb sie stehen, den Blick auf die Thür gerichtet und angestrengt versuchend, ihrem Gesicht einen strengen und verachtungsvollen Ausdruck zu geben. Sie fühlte, daß sie ihn fürchtete und das bevorstehende Wiedersehen. Soeben hatte sie wieder versucht, was sie schon zehnmal versucht hatte innerhalb der letzten drei Tage; ihre und ihrer Kinder Sachen einzupacken um sie zu ihrer Mutter zu bringen — und wiederum hatte sie sich noch nicht dazu entschließen können. Aber auch jetzt, wie schon früher, hatte sie sich wiederholt, daß es so nicht fortgehen könne, daß sie handeln müsse, strafen, ihn beschämen und wenigstens einen kleinen Teil des Schmerzes an ihm ahnden, den er ihr bereitet. Sie sprach nur immer davon, daß sie ihn verlassen werde, aber sie fühlte, es sei unmöglich; es war in der That unmöglich, deshalb, weil sie sich nicht entwöhnen konnte, ihn als ihren Gatten anzusehen und als solchen zu lieben. Ferner erkannte sie auch, daß wenn sie hier, in ihrem eigenen Hause, kaum imstande war, ihre fünf Kinder zu beaufsichtigen, dies noch viel schwieriger dort werden würde, wohin sie mit ihnen allen wollte. Hierzu kam, daß seit drei Tagen das Kleinste erkrankt war, weil man ihm verdorbene Bouillon gegeben, und daß die anderen Kinder gestern fast nichts zu essen erhalten hatten. Sie fühlte es, daß das Haus zu verlassen unmöglich war, aber im Selbstbetrug packte sie gleichwohl die Sachen und stellte sich, als werde sie fahren.
Als sie ihren Gatten gewahrte, steckte sie die Hände in den Kasten ihrer Chiffonniere, als suchte sie etwas darin, und blickte erst zu ihm auf, als er ganz dicht an sie herangetreten war. Ihr Gesicht, dem sie einen strengen und entschlossenen Ausdruck geben wollte, drückte Verwirrung und Leiden aus.
„Dolly!“ begann er mit leiser, weicher Stimme. Er zog den Kopf in die Schultern und wollte sich einen kläglichen und devoten Ausdruck geben, strahlte aber dabei in Frische und Gesundheit. Mit schnellem Blick maß sie vom Kopf bis zu den Füßen seine von Jugendkraft und Gesundheit strotzende Erscheinung. „Ja, er ist glücklich und zufrieden,“ dachte sie, „und ich? Seine widerliche Gutherzigkeit, um die ihn jedermann so liebt und verehrt, ich hasse sie.“ Ihr Mund preßte sich zusammen, der Wangenmuskel auf der rechten Seite ihres bleichen nervösen Gesichts bebte.
„Was wünscht Ihr?“ frug sie mit fliegendem unnatürlichem Brusttone.
„Dolly!“ wiederholte er mit zitternder Stimme, „Anna wird heute hier ankommen.“
„Und was hat das für mich zu sagen? Ich kann sie nicht empfangen!“ rief sie aus.
„Aber du mußt doch, Dolly!“
„Geht, geht, geht!“ rief sie ohne ihn anzublicken, und als sei ihr dieser Schrei von einem körperlichen Schmerz entlockt.
Stefan Arkadjewitsch konnte wohl ruhig sein, wenn er seines Weibes dachte, er konnte hoffen, daß sich „alles noch machen werde“ nach dem Ausdrucke Matweys und ruhig seine Zeitung lesen und seinen Kaffee nehmen; als er aber ihr abgemagertes, leidendes Antlitz gewahrte, diesen Ton ihrer Stimme vernahm, der in das Schicksal ergeben und hoffnungslos klang, da stockte ihm der Atem, es schnürte ihm ein Etwas die Kehle zu, und seine Augen funkelten in Thränen.
„Mein Gott, was habe ich gethan! Dolly! Um Gottes Willen — Weißt du“ — er war außer stande, fortzufahren, ein Schluchzen saß ihm in der Kehle.
Sie klappte die Chiffonniere zu und blickte ihn an.
„Dolly, was soll ich sagen! Nur eines kann ich sagen: Vergieb! Erinnere dich, sollten neun Jahre des Lebens, Minuten nicht wieder erkaufen können, eine einzige Minute!“
Sie senkte die Augen und lauschte, in der Erwartung, was er noch sagen werde, und gleichsam als beschwöre sie ihn, daß er sie von seiner Unschuld überzeuge.
„Eine Minute der Vergessenheit,“ brachte er hervor und wollte fortfahren, aber bei diesem Worte krampften sich wie in körperlichem Schmerze abermals ihre Lippen zusammen und wieder spielte der Wangenmuskel auf der rechten Seite ihres Gesichts.
„Geht, geht, hinaus von hier!“ schrie sie noch durchdringender, „und sprecht mir nicht von Euren Fehltritten und Lastern!“
Sie wollte hinauseilen, aber sie begann zu wanken und mußte sich an der Lehne eines Stuhles halten, um sich zu stützen. Sein Gesicht verlängerte sich, seine Lippen traten auf und seine Augen schwammen von Thränen.
„Dolly!“ wiederholte er, schon schluchzend, „um Gottes willen, denke an unsere Kinder, sie sind doch unschuldig! Ich bin schuldig, bestrafe mich, befiehl mir, meine Schuld zu sühnen. Wie ich nur kann, ich bin zu allem bereit! Ich bin schuld, und es ist mit Worten nicht zu sagen, wie sehr ich schuldig bin! Aber, Dolly, vergieb!“
Sie ließ sich nieder. Er hörte ihren schweren, lauten Atem, und ein unbeschreiblicher Schmerz um sie überkam ihn. Mehrmals wollte sie zu sprechen beginnen, aber sie vermochte es nicht. Er wartete.
„Du gedenkst deiner Kinder nur, wenn du mit ihnen spielen willst, ich aber weiß, daß sie jetzt verloren sind,“ sagte sie, offenbar in einer Phrase, die sie während der letzten drei Tage nicht nur einmal für sich gesprochen haben mochte.
Sie sprach „du“ zu ihm, und er schaute voll Dankbarkeit auf sie und bewegte sich vorwärts, um ihre Hand zu ergreifen, sie aber trat mit Ekel vor ihm zurück.
„Ich gedenke wohl meiner Kinder, und würde daher alles thun in der Welt, um sie zu retten, aber ich weiß selbst nicht, womit ich dies thun soll; dadurch etwa, daß ich sie von ihrem Vater fortführe, oder dadurch, daß ich mit einem ausschweifenden Gatten noch zusammenbleibe, ja — mit einem ausschweifenden Gatten! Sagt selbst, angesichts des Vorgefallenen, ob es für uns möglich ist, weiter zusammen zu leben? Wäre das etwa möglich? Sagt doch, wäre das etwa möglich?“ wiederholte sie, ihre Stimme erhebend, „angesichts dessen, daß mein Gatte, der Vater meiner Kinder, in ein Liebesverhältnis mit der Gouvernante seiner Kinder tritt!“
„Aber was soll ich thun, was ist zu thun?“ erwiderte er mit kläglicher Stimme, ohne zu wissen, was er sagte, und den Kopf immer tiefer und tiefer hängen lassend.
„Ihr erscheint mir abstoßend, ekelerregend!“ rief sie aus, mehr und mehr in Erbitterung geratend. „Eure Thränen sind — nur Wasser! Ihr habt mich nie geliebt, in Euch ist kein Herz und kein Adel! Ihr seid für mich abstoßend, häßlich, fremd, ja — vollkommen fremd geworden!“ Voll Schmerz und Wut brachte sie das für sie selbst furchtbare Wort „fremd“ heraus.
Er blickte nach ihr hin; die Wut, welche sich auf ihren Zügen malte, erschreckte und befremdete ihn; er begriff nicht, daß sein Mitleid mit ihr sie in Erregung versetzte. Sah sie in demselben doch eben nur das Mitleid mit ihr und nicht die Liebe. „Nein, sie haßt mich, sie verzeiht mir nicht,“ dachte er bei sich.
„Es ist furchtbar, furchtbar!“ fuhr er fort.
In diesem Augenblick schrie in einem Nebenzimmer ein kleines Kind auf, welches gefallen sein mochte; Darja Alexandrowna horchte auf und ihre Züge wurden plötzlich weich. Sie besann sich noch einige Sekunden, als wüßte sie nicht, wo sie sei und was sie thun solle, dann bewegte sie sich, schnell aufstehend, nach der Thür.
„Aber sie liebt doch mein Kind,“ dachte er, die Veränderung in ihrem Gesicht bei dem Geschrei des Kindes ‚seines Kindes‘ bemerkend; „wie sollte sie mich da hassen können?“
„Dolly, noch ein Wort,“ begann er, zu ihr hintretend.
„Wenn Ihr mir nachkommt, rufe ich die Leute und die Kinder herbei! Alle sollen wissen, was Ihr für ein — Niedriger seid! Ich fahre jetzt fort, Ihr aber werdet hier mit Eurer Liebhaberin bleiben!“
Sie ging hinaus, die Thür hinter sich zuschlagend.
Stefan Arkadjewitsch seufzte, er wischte sich das Gesicht ab und verließ mit leisen Schritten das Gemach.
„Matwey sagt, es würde sich machen, aber wie soll das werden? Ich sehe keine Möglichkeit. Ach, o, wie entsetzlich: und wie trivial sie schrie,“ sprach er zu sich selbst, ihres Schreies und der Worte „Niedriger“ und „Liebhaberin“ gedenkend. „Möglicherweise haben die Mägde es gehört! Entsetzlich gemein, entsetzlich!“ Stefan Arkadjewitsch wartete noch einige Sekunden, rieb sich die Augen aus, seufzte und trat die Brust aufreckend, hinaus.
Es war Freitag; im Speisesaal zog ein deutscher Uhrmacher die Uhren auf. Stefan Arkadjewitsch erinnerte sich eines Scherzes über diesen gewissenhaften kahlköpfigen Uhrmacher, — daß derselbe nämlich selbst für das ganze Leben aufgezogen worden sei, um Uhren aufzuziehen — und lächelte. Stefan Arkadjewitsch liebte einen guten Witz. Aber vielleicht macht es sich doch noch. Das Wörtchen ist gut „es macht sich,“ dachte er, „das muß man erzählen.“
„Matwey!“ rief er. „Also richte alles vor mit Marja im Diwanzimmer für die Anna Arkadjewna,“ befahl er dem erscheinenden Matwey.
„Zu Diensten.“
Stefan Arkadjewitsch warf seinen Pelz über und trat auf die Freitreppe hinaus.
„Ihr werdet nicht im Hause speisen?“ frug Matwey, der ihn begleitete.
„Je nachdem. Übrigens nimm hier für etwaige Ausgaben,“ antwortete Stefan Arkadjewitsch, ihm zehn Rubel aus seiner Brieftasche einhändigend. „Wird es genügen?“
„Mag es genug sein oder nicht, man muß sich eben einrichten,“ sagte Matwey, die Thür zuwerfend und die Freitreppe hinaufgehend.
Darja Alexandrowna war mittlerweile, nachdem sie ihr Kind beruhigt und an dem Geräusch des fortrollenden Wagens wahrgenommen hatte, daß ihr Gatte fortgefahren sei, in das Schlafzimmer zurückgekehrt. Dies war ihr einziger Zufluchtsort vor den häuslichen Sorgen, die an sie herantraten, sobald sie es nur verließ. Auch jetzt, während der kurzen Zeit, da sie in die Kinderstube getreten war, beeilten sich die Engländerin und Matrjona Philimonowna, an sie mehrfache Fragen zu stellen, welche keinen Aufschub duldeten und auf die sie allein nur zu antworten vermochte. Was sollte den Kindern zur Promenade angezogen werden, sollte man ihnen Milch geben, müßte man nicht nach einem neuen Koch senden?
„Ach, laßt mich, verlaßt mich!“ antwortete sie, und ließ sich, in das Schlafzimmer zurückgekehrt, auf dem nämlichen Platze nieder, von dem aus sie mit ihrem Manne gesprochen hatte, um nun, die mageren Hände mit den Ringen, die fast von den knöchernen Fingern herabglitten, zusammenpressend, in der Erinnerung nochmals die ganze Unterredung zu überdenken. „Er ist weggefahren. Aber wie mag er mit ihr abgebrochen haben? Ob er sie noch sieht? Weshalb habe ich ihn nicht gefragt,“ dachte sie, „nein, nein, zusammenkommen kann ich nicht mehr mit ihm. Wenn wir auch unter einem Dache zusammenbleiben sollten, wir werden uns fremd sein. Auf immer fremd!“ wiederholte sie mit besonderer Hervorhebung das für sie so furchtbare Wort. „Und wie ich ihn geliebt habe, großer Gott, wie ich ihn geliebt habe! Liebe ich ihn jetzt etwa nicht? Liebe ich ihn nicht noch mehr, als früher? — Aber die entsetzliche Hauptsache ist die“ — begann sie, ohne indessen ihren Gedanken zu beenden; Matrjona Philimonowna erschien in der Thür.
„Wollt Ihr doch befehlen, daß nach meinem Bruder geschickt werde,“ sagte sie, „damit er das Essen bereite, sonst werden die Kinder wie am gestrigen Tage bis sechs Uhr wieder nichts zu essen haben!“
„Gut. Ich komme sogleich um anzuordnen. Ist nach frischer Milch geschickt worden?“
Darja Alexandrowna versenkte sich nun wieder in die Sorgen des Tages und erstickte in ihnen auf einige Zeit ihren Kummer.
Stefan Arkadjewitsch hatte in der Schule gut gelernt, dank seinen guten Anlagen, aber er war faul und müßig gewesen und hatte daher zu den Letzten gehört; ungeachtet seines stets zerstreuten Lebens aber, seines niederen Ranges und seiner Jugend, bekleidete er die ehrenvolle, mit gutem Gehalt dotierte Stelle eines Natschalnik in einem der Moskauer Gerichtshöfe. Er hatte dieses Amt erhalten durch den Gatten seiner Schwester Anna, den Alexey Alexandrowitsch Karenin, der eine der höchsten Stellen in dem Ministerium inne hatte, zu welchem jener Gerichtshof gehörte. Hätte indessen Karenin seinen Schwager nicht in dieses Amt bestellt, so würde dieser mit Hilfe von hundert anderen Persönlichkeiten, Brüdern, Schwestern, Verwandten, Vettern, Onkeln und Tanten dieses Amt oder ein dem entsprechendes mit sechstausend Rubel Gehalt erlangt haben, so wie er sie brauchte, da seine Verhältnisse trotz des bedeutenden Vermögens seiner Frau, derangiert waren.
Halb Moskau und Petersburg war ihm verwandt, mit Stefan Arkadjewitsch befreundet. Er war geboren inmitten jener Menschen, welche die Macht in dieser Welt waren oder bildeten. Ein Drittel der Männer aus der Staatsverwaltung war mit seinem Vater befreundet und hatte ihn schon im Kinderhemdchen gekannt; ein anderes Drittel stand sich mit ihm auf „du“, und das dritte — waren lauter gute Freunde von ihm selbst; es ergab sich hieraus, daß alle die Spender der irdischen Güter in Gestalt von Staatsämtern, Arenden, Konzessionen und ähnlichen Dingen dieser Art, sämtlich mit ihm befreundet waren und ihn nicht unberücksichtigt lassen konnten. Oblonskiy brauchte sich auch gar nicht besonders zu bemühen, um ein fettes Amt zu erhalten; er brauchte nur die Annahme eines solchen nicht zu verweigern, niemandem mißgünstig zu sein, nicht zu streiten, niemandem zu nahe zu treten, kurz, nichts zu thun, was er nach seiner ihm eigenen Gutmütigkeit auch ohnehin niemals gethan haben würde. Es wäre ihm lächerlich erschienen, hätte man ihm gesagt, daß er nicht ein Amt mit einem Gehalte zugewiesen bekommen würde, wie er ihm notwendig war, umsoweniger, als er ja gar nichts Außergewöhnliches damit forderte. Er wollte nur das haben, was seine Altersgenossen erhalten hatten, und er konnte ein Amt von der nämlichen Art nicht minder gut ausfüllen, als jeder andere.
Stefan Arkadjewitsch liebten nicht nur alle diejenigen, die ihn in seiner gutmütigen, heiteren Sinnesart, seiner untadelhaften Ehrenhaftigkeit kennen gelernt hatten, sondern es lag überhaupt in ihm, in seiner hübschen, freundlichen Erscheinung, seinen blitzenden Augen, schwarzen Augenbrauen, Haaren, seinem weißen und rosigen Gesicht etwas physisch Wirkendes, was alle Menschen freundschaftlich und erheiternd anmutete, die mit ihm in Berührung kamen. Kam es einmal vor, daß nach einer Unterhaltung mit ihm sich ergab, es sei nichts gerade Lustiges dabei gewesen, so freute sich doch jedermann — schon am nächsten oder übernächsten Tage — ganz ebenso wieder wie das erste Mal, — über eine neue Begegnung mit ihm.
Seit drei Jahren im Besitz des Amtes des Natschalnik eines der Gerichtshöfe in Moskau, hatte sich Stefan Arkadjewitsch neben der Liebe auch die Achtung seiner Amtskollegen, untergebenen Natschalniks und aller derer erworben, die mit ihm geschäftlich zu thun hatten.
Die vorzüglichsten Eigenschaften Stefan Arkadjewitschs, die ihm diese allgemeine Achtung im Dienste erworben hatten, bestanden zuerst in einer außergewöhnlichen Leutseligkeit im Verkehr, die in ihm auf der Erkenntnis der Mängel seines Ichs beruhte, zweitens in einer vollkommenen Liberalität, nicht jener, von welcher er in der Zeitung gelesen hatte, sondern in jener, die ihm im Blute lag, und mit welcher er in vollkommenem innerem Gleichgewicht mit jedermann verkehrte, welches Berufes und Standes er immer auch sein mochte; drittens — was das Wichtigste war — in einer vollkommenen Kaltblütigkeit gegenüber den Gegenständen, mit denen er sich zu befassen hatte, kraft deren er sich niemals hinreißen ließ und nie Fehler machte.
Nachdem Stefan Arkadjewitsch am Platze seiner Amtswaltung angelangt war, begab er sich begleitet von dem ehrerbietigen Portier der das Portefeuille trug, in sein kleines Kabinett, legte die Uniform an und verfügte sich in das Gerichtszimmer. Die Schreiber und Beamten erhoben sich sämtlich mit freundlichem und ehrerbietigem Gruße. Stefan Arkadjewitsch ging eilig, wie er dies stets zu thun pflegte, nach seinem Platze, drückte den Mitgliedern die Hände und nahm Platz. Er scherzte ein wenig, sprach ruhig wie viel sich eben gerade schickte, und widmete sich dann seiner Arbeit.
Niemand verstand es besser als Stefan Arkadjewitsch, jene Grenze in Selbständigkeit, in Einfachheit und im amtlichen Verkehr zu finden, welche zu einer angenehmen amtlichen Thätigkeit notwendig ist. Der Sekretär trat freundlich und ehrerbietig wie jedermann im Gerichtshof Stefan Arkadjewitschs mit den Papieren zu diesem heran und sprach in dem nämlichen familiär liberalen Tone mit ihm, wie er eben durch ihn erst eingeführt worden war.
„Wir haben gewisse Nachrichten von der Regierung des Gouvernement Penza erhalten. Hier sind sie, wäre es vielleicht gefällig“ —
„Haben wir sie endlich erhalten?“ antwortete Stefan Arkadjewitsch, die Akten mit dem Finger zuschlagend. „Also frisch ans Werk, meine Herren!“ und die Gerichtssitzung begann.
„Wenn sie wüßten,“ dachte er, mit ausdrucksvoller Miene das Haupt bei dem Anhören des Referats neigend, „welch ein arger Sünder eine halbe Stunde vor diesem Augenblick der Präsident dieser Sitzung war!“ Sein Blick aber lächelte bei der Verlesung des Referats. Zwei Stunden vergingen nun vorschriftsmäßig und ohne Unterbrechung in den Amtsgeschäften, nach Verlauf dieser Zeit jedoch trat die Frühstückspause ein.
Noch nicht zwei Stunden waren vergangen, als sich die großen Glasthüren des Saales plötzlich öffneten und jemand hereintrat. Alle Mitglieder der Sitzung schauten, gleichsam wie bei einer photographischen Aufnahme, erfreut über die willkommene Zerstreuung, nach der Thür, aber der Wächter, welcher dort postiert war, trieb den Eingedrungenen sogleich wieder zurück und schloß hinter ihm von neuem die Glasthür.
Als die Aktenlektüre beendet war, erhob sich Stefan Arkadjewitsch, streckte sich, zog in Gegenwart der Sitzungsmitglieder eine Cigarette hervor und begab sich, diesen noch großmütig eine vorzeitige Muße schenkend, in sein Kabinett. Seine beiden Kollegen, der altgediente Nikitin, und der Kammerjunker Grinjewitsch, folgten ihm.
„Nach dem Frühstück wollen wir die Sache vollends erledigen,“ sagte Stefan Arkadjewitsch.
„Wir werden schon fertig werden,“ meinte Nikitin.
„Ein echter Verschwender muß aber doch dieser Thomitsch sein,“ bemerkte Grinjewitsch in Hinblick auf eine von den Persönlichkeiten, welche an dem Prozeß beteiligt waren, den man soeben behandelt hatte.
Stefan Arkadjewitsch runzelte die Stirn bei diesen Worten Grinjewitschs, und gab diesem damit zu verstehen, daß es nicht angemessen sei, vorzeitig ein Urteil auszusprechen; er antwortete nichts auf Grinjewitschs Bemerkung.
„Wer war denn vorhin hereingekommen?“ frug er den Wächter.
„Irgend jemand, Ew. Excellenz, war ohne angefragt zu haben eingetreten, ich hatte mich gerade wegbegeben. Man frug nach Euch, und ich beschied, daß wenn die Mitglieder der Sitzung herauskommen würden“ —
„Wo ist der Mann?“
„Der Mann ging auf den Vorsaal hinaus und hat sich dort aufgehalten. Der dort ist es,“ antwortete der Wächter, auf einen stark und kräftig gebauten Mann mit krausem Barte zeigend, der, ohne seine Schaffellmütze vom Kopfe zu nehmen, schnell und gewandt die ausgetretenen Stufen der steinernen Treppe hinaufstieg. Ein schmächtiger Beamter, welcher sich gerade mit einem Portefeuille unter den von oben Herabkommenden befand, war stehen geblieben und schaute mit verdächtigem Blicke nach den Füßen des Hinaufeilenden, worauf er sich mit fragendem Ausdruck nach Oblonskiy hinwandte.
Stefan Arkadjewitsch stand auf der Treppe. Sein gutmütiges Gesicht glänzte aus dem gestickten Kragen der Uniform nur noch mehr auf, nachdem er den Eilenden erkannt hatte.
„Da ist er ja! Lewin; endlich!“ rief er mit vertraulichem und ironischem Lächeln dem ihm entgegenkommenden Lewin zu. „Wie kommt es denn, daß du es nicht verschmäht hast, mich in dieser Löwenhöhle aufzusuchen?“ sagte Stefan Arkadjewitsch, nicht zufrieden, seinem Freunde die Hand zu drücken und ihm einen Kuß applizierend.
„Bist du schon lange hier?“
„Soeben bin ich angekommen, und mich verlangte sehr, dich zu sehen,“ antwortete Lewin, befangen und zugleich auch aufgeregt und unruhig im Kreise umherblickend.
„Nun, komm, wir wollen in mein Kabinett gehen,“ sagte Stefan Arkadjewitsch.
Er kannte die selbstbewußte und leicht gereizte Befangenheit seines Freundes, und zog ihn, nachdem er ihn bei der Hand genommen hatte, hinter sich her nach dem Kabinett, gleich als geleite er ihn durch Gefahren.
Stefan Arkadjewitsch stand sich auf „du“ mit allen seinen Freunden; mit den Alten von sechzig Jahren, mit den jungen von zwanzig, mit Schauspielern und Ministern, mit Kaufleuten und Generaladjutanten, so daß sehr viele der mit ihm auf Brüderschaft stehenden sich auf den beiden Endpunkten der gesellschaftlichen Stufenleiter der Standesunterschiede befanden und sehr verwundert gewesen wären, wenn sie erfahren hätten, daß sie durch Oblonskiy etwas allgemein bindendes gemeinsam hatten.
Er stand auf du und du mit jedermann, mit dem er Champagner getrunken hatte, und er trank mit Allen Champagner; aus diesem Grunde aber verstand er auch, wenn er in Gegenwart seiner Untergebenen ihn herabwürdigende „Duzfreunde“ traf, wie er viele seiner Freunde nannte, infolge des ihm eigenen Taktgefühls den unangenehmen Eindruck den dies auf die untergebenen Beamten machte, herabzustimmen. Lewin war nicht einer von denen, die durch das Duzen ihn erniedrigten, aber Oblonskiy in seinem Takte empfand, Lewin werde innerlich nicht wünschen können, daß er die beiderseitige Intimität so zum Ausdruck bringe, und deshalb beeilte er sich, ihn in das Kabinett zu führen.
Lewin war fast im nämlichen Alter mit Oblonskiy und er stand auf dem Duzfuße mit diesem nicht nur infolge des Champagnertrinkens. Lewin war Oblonskiys Kamerad und Freund von frühester Jugend auf; beide liebten einander ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Charaktere und Geschmacksrichtung, wie sich eben nur Freunde lieben können, die von erster Jugend auf miteinander zusammen gewesen sind.
Aber nichtsdestoweniger, wie oft kommt es nicht unter den Menschen vor, daß wenn Zwei sich verschiedene Wirkungskreise erkoren haben, jeder von ihnen, wenn er auch die Thätigkeit des andern beurteilen kann und gutheißt, sie gleichwohl auf dem Grund seiner Seele verachtet. Jedem schien es, als wenn das Leben, welches er führe, allein ein wirkliches Leben sei, und daß das, welches der andere führe, nur eine Selbstüberschätzung sei. Oblonskiy konnte sich eines leichten, ironischen Lächelns beim Erblicken Lewins nicht erwehren. Es war dies stets der Fall, wenn er Lewin von dessen Dorfe nach Moskau kommen sah, denn was dieser eigentlich auf dem Dorfe trieb, das vermochte Stefan Arkadjewitsch niemals vollständig zu verstehen — es interessierte ihn aber auch herzlich wenig. —
Lewin kam nach Moskau stets in Aufregung, in Hast und Unruhe, in einer gewissen Beklemmung und mit einem gewissen Zorn über diese Beklemmung, hauptsächlich aber mit einer völlig naiven, urwüchsigen Anschauung der Dinge. Stefan Arkadjewitsch lachte darüber und liebte es dabei.
Ganz ebenso verachtete auch Lewin in seinem Innern sowohl die großstädtische Lebensweise seines Freundes und dessen Amtsthätigkeit, die er für höchst leer und nichtig hielt, und lachte wiederum über Oblonskiy. Aber der Unterschied lag darin, daß Oblonskiy, indem er that was alle thun, voll innerer Wahrheit und Gutmütigkeit lachte, während Lewin dies ohne jene Wahrheit und bisweilen voll Zornes that.
„Wir haben lange auf dich gewartet,“ sagte Stefan Arkadjewitsch, in das Kabinett eintretend und die Hand Lewins loslassend, gleichsam als wolle er diesem damit zeigen, daß nun die Gefahren vorüber seien. „Ich freue mich herzlich, dich zu sehen,“ fuhr er fort, „nun, was machst du? Wie geht es? Wann bist du angekommen?“
Lewin schwieg; er schaute auf die ihm unbekannten Gesichter der beiden Kollegen Oblonskiys und insbesondere auf die Hand des eleganten Grinjewitsch, die so schneeweiße schlanke Finger hatte, an deren Enden so lange, gelbliche zurückgebogene Nägel saßen, sowie auf die ungeheuren, glitzernden Knopfspangen auf dem Oberhemd; diese Hände hatten augenscheinlich all seine Aufmerksamkeit gefesselt, und gaben ihm keine Freiheit zu denken mehr. Oblonskiy bemerkte dies sogleich und lächelte.
„Ah, erlaubt, daß ich Euch bekannt mache,“ sagte er.
„Meine Amtsbrüder; Philipp Iwanitsch Nikitin — Michail Stanislawitsch Grinjewitsch“ — und fuhr hierauf fort, zu Lewin gewendet, „ein Landrichter, ein noch unverdorbener Mensch der Natur, ein Gymnast, der mit einer Hand fünf Pud aufhebt, der Vieh züchtet und jagt und mein Freund ist, Konstantin Dmitriewitsch Lewin, ein Bruder von Sergey Iwanowitsch Koznyscheff.“
„Sehr angenehm,“ antwortete der Alte.
„Ich habe wohl die Ehre, Ihren Herrn Bruder zu kennen, den Sergey Iwanowitsch,“ sagte Grinjewitsch, seine feine Hand mit den langen Nägeln Lewin reichend.
Dieser verzog das Gesicht, drückte ceremoniell die dargereichte Hand und wandte sich hierauf sogleich an Oblonskiy. Obwohl er eine hohe Achtung vor seinem in ganz Rußland bekannten einzigen Bruder, welcher Schriftsteller war, hegte, so vermochte er es doch nicht zu ertragen, wenn man sich an ihn nicht wie an Konstantin Lewin wandte, sondern an den Bruder des berühmten Koznyscheff.
„Nein, nein, ich bin kein Landrichter mehr; ich habe mit alledem gebrochen und werde zu keiner Bauernversammlung mehr fahren,“ sagte er, sich an Oblonskiy wendend.
„So schnell ist das gegangen!“ antwortete Oblonskiy lächelnd, „aber wie ist das geschehen, und weshalb?“
„Das ist eine lange Geschichte. Ich werde sie dir schon einmal erzählen,“ versetzte Lewin, begann aber dabei schon im Augenblick zu berichten.
„Mit kurzen Worten; ich habe mich überzeugt, daß es keinen Wirkungskreis für den Semstwo mehr giebt oder geben kann,“ sagte er in einem Tone, als habe ihn soeben jemand beleidigt. „Einerseits ist er eine Spielerei; man spielt Parlament, und ich bin weder jung genug hierzu noch hinlänglich bejahrt, um an Spielzeugen Gefallen zu finden, andrerseits“ — er gähnte — „ist er ein Mittel für die sogenannte Clique des betreffenden Landkreises, Geld zu verdienen. Früher gab es Vormundschaften, Gerichte, jetzt existiert das Semstwo, nicht unter der Flagge von Sportelschneiderei, sondern der des unverdienten Gehalts,“ sprach er so hitzig, als habe jemand von den Anwesenden seine Meinung schon bestritten.
„Aha, da bist du ja, wie ich sehe, wiederum in einem neuen Entwicklungsstadium, in dem des Konservatismus,“ sagte Stefan Arkadjewitsch. „Indessen, wir wollen doch später mehr hierüber sprechen.“
„Ja wohl. Später. Ich habe dich indessen einmal sehen müssen,“ antwortete Lewin, scheel auf die Hand Grinjewitschs blickend.
Stefan Arkadjewitsch lächelte kaum merklich.
„Sagtest du nicht auch einmal, daß du nie und nimmermehr einen modernen Anzug anlegen würdest?“ frug er, auf die Garderobe Lewins blickend, dessen Anzug augenscheinlich von einem französischen Tailleur gefertigt war. „Es ist schon so; ich sehe, daß hier eine neue Phase eingetreten ist.“
Lewin errötete plötzlich, doch er errötete nicht so, wie die erwachsenen Leute, also flüchtig, und ohne daß man selbst davon Notiz nimmt, sondern so wie Knaben erröten, welche fühlen, daß sie in ihrer Befangenheit lächerlich werden, und die infolge davon mehr und mehr Scham empfinden, röter und röter werden, und fast in Thränen ausbrechen.
So seltsam war es, dieses verständige, männliche Antlitz in solch einem knabenhaften Zustande zu sehen, daß selbst Oblonskiy abstand, es länger noch anzublicken.
„Aber wo wollen wir uns sehen? Ich muß dich ja so dringend sprechen,“ fuhr Lewin fort.
Oblonskiy schien nachzudenken.
„Machen wir es so: Wir fahren zu Gurin frühstücken und dort können wir uns unterhalten; bis drei Uhr stehe ich zu deiner Verfügung.“
„Nein,“ antwortete Lewin sinnend, „ich muß noch weiter fahren.“
„Gut; dann speisen wir Mittag zusammen.“
„Speisen? Ich will ja gar nichts Besonderes von dir, nur zwei Worte mit dir sprechen, dich etwas fragen; dann können wir uns meinethalben unterhalten.“
„Nun, so sag mir diese zwei Worte und nach dem Mittagessen können wir weiter reden.“
„Die zwei Worte sind diese,“ sagte Lewin, „jedoch — sie haben nichts Besonderes.“ —
Sein Gesicht nahm plötzlich einen zornigen Ausdruck an, welcher von dem Bestreben, seine innere Gepreßtheit zu unterdrücken herrührte.
„Was machen die Schtscherbazkiy? Steht es noch immer bei ihnen wie früher?“ frug er.
Stefan Arkadjewitsch, welcher längst wußte, daß Lewin in seine Schwägerin Kity verliebt war, lächelte fast unmerklich, seine Augen blitzten aber heiter auf.
„Du sagtest mir zwar zwei Worte, ich aber bin nicht imstande, dir mit ebenso viel Worten nur zu antworten, denn — entschuldige auf einen Augenblick“ —
Ein Sekretär trat mit Akten ein und näherte sich Oblonskiy mit freundlicher Ehrerbietung und einem gewissen, allen Sekretären gemeinsamen bescheidenen Selbstbewußtsein, welches hier hervorging aus dem Gefühl der Überlegenheit über seinen Vorgesetzten in der Kenntnis der Amtsgeschäfte. Der Sekretär begann mit fragendem Ausdruck eine Angelegenheit auseinanderzusetzen.
Stefan Arkadjewitsch legte ohne den Sekretär zu Ende zu hören, freundlich seine Hand auf den Arm desselben.
„Nein, nein, Ihr müßt schon so thun, wie ich gesagt habe,“ antwortete er ihm, seine Weisung durch ein Lächeln abschwächend und kurz auseinandersetzend, wie er die Sache auffasse. Er nahm die Akten weg und sagte: „So also macht Ihr es gefälligst wohl, Zacharias Nikitin!“
Verwirrt entfernte sich der Sekretär.
Lewin hatte sich während der Zeit der Beratung mit demselben vollständig wieder von seiner Verlegenheit befreit; er stand jetzt, beide Arme auf einen Stuhl gestützt und auf seinem Gesicht zeigte sich eine ironische Aufmerksamkeit.
„Ich verstehe nicht, verstehe nicht,“ sprach er.
„Was verstehst du nicht?“ frug Oblonskiy, mit sonnigem Lächeln eine Zigarette hervorholend. Er erwartete von Lewin wieder eine seltsame Deduktion.
„Ich verstehe nicht, was Ihr da thut,“ sagte Lewin, die Achseln zuckend. „Wie kannst du das vollen Ernstes thun?“
„Wovon sprichst du denn?“
„Nun, davon, daß — Ihr nichts thut!“
„So denkst du wohl, aber wir sind von Geschäften überhäuft.“
„Von papiernen. Mag sein, du hast eine besondere Anlage dazu,“ bemerkte Lewin.
„Denkst du, daß ich etwa Mangel daran litte?“
„Ist nicht ganz unmöglich,“ antwortete Lewin. Aber nichtsdestoweniger liebe ich deine Erhabenheit hier und bin stolz, daß ich einen so großen Mann zum Freunde habe. Du hast mir aber doch noch nicht auf meine Frage geantwortet,“ fügte er hinzu, mit verzweifelter Anstrengung Oblonskiy gerade in das Auge schauend.
„Nun, gut, gut; warte noch ein wenig und du wirst schon noch hören. Es ist recht gut, wenn man nicht weniger als dreitausend Desjatinen Landes im Karazinsker Kreise besitzt und solche Muskeln hat wie du, solch eine Frische wie ein zwölfjähriges Mädchen — aber du kommst schon auch noch auf unseren Standpunkt. Was aber jenes andere anbetrifft, wonach du frugst, so ist von einer Veränderung nichts zu berichten; schade indessen ist es, daß du so lange nicht hier gewesen bist.“
„Ist etwas vorgefallen?“ frug Lewin erschreckt.
„Nein, nichts,“ antwortete Oblonskiy. „Wir werden schon noch weiter sprechen, warum aber bist du denn eigentlich nach Moskau gefahren?“
„O, davon werden wir gleichfalls nachher sprechen,“ versetzte Lewin, wiederum bis an die Ohren errötend.
„Schön. Ich begreife,“ äußerte Stefan Arkadjewitsch.
„Weißt du übrigens, ich würde dich zu mir einladen, allein meine Frau ist jetzt nicht recht gesund. Willst du indessen die Schtscherbazkiys heute sehen, so sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt im Zoologischen Garten, von vier bis fünf Uhr. Kity läuft Schlittschuh. Fahre hin, und ich werde auch nachkommen; wir können alsdann irgendwo vereint dinieren.“
„Ausgezeichnet, auf Wiedersehen also.“
„Sieh aber zu, denn so wie ich dich kenne, kannst du alles plötzlich vergessen haben, oder wieder auf das Dorf gefahren sein!“ rief Stefan Arkadjewitsch lachend aus.
„O nein; gewiß nicht.“
Er eilte davon, und besann sich erst an der Thür des Kabinetts, daß er die Kollegen Oblonskiys gar nicht zum Abschied begrüßt hatte.
„Er scheint ein sehr energischer Herr zu sein,“ sagte Grinjewitsch, nachdem Lewin gegangen war.
„Ja, Verehrtester,“ antwortete Stefan Arkadjewitsch, den Kopf schüttelnd — „der ist doch ein Glückspilz! Dreitausend Desjatinen Landbesitz im Karazinsker Kreise, und diese Gesundheit! Könnte es unser einem nicht ebenso gut ergehen.“
„Beklagt Ihr Euch etwa noch, Stefan Arkadjewitsch?“
„Ach ja, es ist recht traurig, recht schlimm,“ antwortete Stefan Arkadjewitsch mit einem schweren Seufzer.
Als Oblonskiy Lewin gefragt hatte, aus welchem Grunde derselbe eigentlich angekommen sei, war Lewin rot geworden; er war in Zorn geraten über sich, daß er rot geworden, und nicht in der Lage gewesen war, eine Antwort auf diese Frage zu geben, welche lauten sollte: „Ich bin gekommen, um deiner Schwägerin einen Antrag zu machen,“ da er ja doch nur zu diesem Zwecke gekommen war.
Die Familien der Lewin und Schtscherbazkiy waren von altem Moskauer Adel und standen stets miteinander in nahen und freundschaftlichen Beziehungen. Dieses Freundschaftsband wurde noch mehr befestigt zur Zeit der Universitätsstudien Lewins. Er bereitete sich zu gleicher Zeit wie der junge Fürst Schtscherbazkiy, der Bruder Dollys und Kitys, zum Studium vor, und bezog zugleich mit diesem die Hochschule.
In jener Zeit war Lewin oft im Hause der Schtscherbazkiy gewesen, er hatte sich in die Familie derselben verliebt. So seltsam dies wohl erscheinen mag, aber Konstantin Lewin war thatsächlich in das Haus, in die Familie verliebt, und zwar besonders in die weibliche Hälfte der Familie Schtscherbazkiy.
Lewin selbst hatte seine Mutter nie gekannt, seine einzige Schwester war älter als er, so daß er im Hause der Schtscherbazkiy zum erstenmal jenen Kreis des alten, feingebildeten und ritterlichen familiären Adelslebens kennen lernte, dessen er durch den Tod der Eltern verlustig gegangen war.
Alle Glieder dieser Familie, insbesondere die weiblichen, erschienen ihm wie von einem geheimnisvollen, poetischen Schleier verhüllt und er erkannte in ihnen nicht nur keinerlei Mängel, sondern vermutete vielmehr unter jenem poetischen Schleier, der sie deckte, die erhabensten Gefühle und alle nur erdenkbaren Vollkommenheiten.
Wozu die drei Damen abwechselnd den Tag hindurch französisch und englisch sprachen, weshalb sie zu bestimmter Stunde, sich abwechselnd, das Klavier spielten, dessen Klänge bei dem Bruder oben gehört wurden, bei dem sie als Studenten arbeiteten, weshalb Lehrer für die französische Litteratur, Musik, Zeichnen, Tanzen ins Haus kamen, weshalb zu bestimmten Stunden alle drei jungen Damen mit Mademoiselle Linon in der Equipage den Twerskiyboulevard hinabfuhren, in ihren Atlaspelzen — Dolly in einem langen, Nataly in einem halblangen und Kity in einem ganz kurzen, so daß die üppigen Füßchen in den drallsitzenden, roten Strümpfchen vollständig gesehen werden konnten, weshalb sie in Begleitung eines Lakaien mit goldener Kokarde an der Mütze den Twerskiyboulevard abspazieren mußten — alles dies und noch vieles andere, was sich in ihrem reizumwobenen Dasein abspielte, verstand er nicht; aber er wußte, daß alles, was hier vor sich ging, schön war, und er war vernarrt besonders in das Geheimnisvolle der Vorgänge.
Zur Zeit seiner Universitätsstudien hätte er sich beinahe in die älteste, in Dolly, verliebt, aber man verheiratete sie sehr bald schon an Oblonskiy. Er verliebte sich hierauf in die zweitälteste.
Er empfand, daß er eine der Schwestern lieben müsse, nur konnte er nicht zu der Erkenntnis gelangen, welche die Erkorene eigentlich sei. Indessen auch Nataly folgte — sobald sie nur in der Gesellschaft erschienen war — einem Diplomaten Lwoff an den Altar.
Kity war noch ein Kind, als Lewin die Universität verließ. Der junge Schtscherbazkiy, welcher in die Marine eintrat, ertrank im baltischen Meere, und die Beziehungen Lewins zu den Schtscherbazkiy wurden ungeachtet seines freundschaftlichen Verhältnisses zu Oblonskiy immer entferntere.
Als aber nun Lewin im laufenden Jahre zu Beginn des Winters nach Moskau kam nach einem einjährigen Aufenthalt auf dem Lande, und die Schtscherbazkiys wiedersah, da erkannte er, in welche von den drei Mädchen ihm endgültig vom Schicksal beschieden worden war, sich zu verlieben.
Es hätte wohl scheinen können, als ob nichts einfacher sei als dies, daß er, ein Mann von guter Familie, eher reich als arm und im Alter von zweiunddreißig Jahren, der jungen Fürstin Schtscherbazkiy einen Heiratsantrag machte; allem Anschein nach mußte man ihn doch als eine gute Partie anerkennen.
Aber Lewin war verliebt und demzufolge schien ihm, daß Kity ein in allen Beziehungen so vollkommenes Wesen sei, ein so über allem Irdischen erhabenes Geschöpf, er aber hingegen ein so gewöhnlicher Mensch, ein so niederes Wesen, daß sich nicht einmal daran denken lasse, es würde ihn irgend jemand anderes, oder gar sie selbst, als ihrer würdig ansehen.
Nachdem er zwei Monate in Moskau wie im Rausche zugebracht hatte, fast jeden Tag Kity in der großen Gesellschaft sehend, wohin er sich begab, um ihr begegnen zu können, beschloß er plötzlich bei sich selbst, daß es nicht sein könne und reiste ab aufs Land.
Die Überzeugung Lewins, daß es nicht in Erfüllung gehen könne, beruhte darauf, daß er in den Augen der Verwandten Kitys als eine nicht vorteilhafte, nicht angemessene Partie in Erwägung der persönlichen Vorzüge des Mädchens galt und daß dieses selbst ihn nicht lieben könne.
In den Augen der Verwandten hatte er keine berufsmäßige, bestimmtgeregelte Thätigkeit, keine Stellung in der Welt, während seine Freunde jetzt, da er schon zweiunddreißig Jahre zählte, der eine Oberst und Flügeladjutant, der andere Professor, der dritte Bank- und Eisenbahndirektor, oder Gerichtspräsident geworden war wie Oblonskiy. Er aber — der recht wohl wußte, als was er für die übrigen erscheinen mußte — war ein Gutsbesitzer der sich mit Viehzucht, mit der Jagd auf Birkhühner und mit Bauten beschäftigte, das heißt ein talentloser Mensch, von dem nichts geleistet wurde und welcher nach den Begriffen der Gesellschaft nur das that, was taugliche Menschen eben niemals thun.
Selbst die reizumwobene, schöne Kity konnte einen Mann der so unschön war, wie er selbst von sich sagte, und ganz besonders einen so einfachen, durch nichts sich auszeichnenden Menschen unmöglich lieben.
Außerdem erschienen ihm seine früheren Beziehungen zu Kity — Beziehungen eines Erwachsenen zu einem Kinde infolge seiner Freundschaft zu ihrem Bruder — als eine neue Scheidewand vor der Liebe.
Den unschönen, gutmütigen Mann für den er sich selbst hielt, konnte man wohl seiner Meinung nach als einen Freund lieben, aber um mit einer solchen Liebe geliebt zu werden, mit welcher er Kity liebte, dazu mußte man ein schöner Mensch sein, und — was immer noch die Hauptsache dabei blieb — man mußte ein absonderlicher Mensch sein. —
Er hatte wohl vernommen, daß die Weiber öfters auch häßliche Menschen lieben, einfache Menschen, aber er glaubte nicht daran, indem er nur nach sich selbst urteilte.
Er selbst aber konnte nur schöne Weiber lieben, nur solche, die mit einem Reiz des Geheimnisvollen und Besonderen begabt waren.