Anna – Mitternachtsküsse für eine Lady - Jennifer Adams - E-Book
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Anna – Mitternachtsküsse für eine Lady E-Book

Jennifer Adams

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Beschreibung

Eine Saison in Baden-Baden voller Bälle und heimlicher Rendezvous Baden-Baden 1831: Die Ballsaison beginnt, und Anna von Krebern wartet auf ihren Verlobten, Lord Dallingham, der seit Monaten in Ägypten weilt. Ohne ihre Freundin Elise ist die Langeweile groß, bis Anna bei einem nächtlichen Spaziergang im Garten deren Bruder Franz von Freyberg über den Weg läuft. Fortan finden Anna und Franz immer wieder heimlich Gelegenheiten für private Gespräche. Ihr Herzklopfen versucht Anna dabei zu ignorieren. Schließlich ist sie verlobt, und der Bruder ihrer besten Freundin, der sie von Kind an kennt, wird sich wohl kaum für sie interessieren … oder? Noch mehr von Jennifer Adams: Elise - Die Lady und ihre Verehrer (Eine Saison zum Verlieben 1)

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© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2023

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Redaktion: Carina Heer

Covergestaltung: Sandra Taufer, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

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Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

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Dearest Anna,

zu meinem großen Bedauern wird sich die Abreise hier in Kairo um etwa zehn Tage verzögern. Ich kann mir vorstellen, dass dies für Dich keine erfreuliche Nachricht ist. Es hat sich für mich jedoch die wunderbare Möglichkeit ergeben, einen sehr renommierten Gentleman zu treffen, der an der Einrichtung des neu erstehenden Britischen Museums beteiligt sein wird. Er kommt in drei oder vier Tagen nach Ägypten und wird sich mindestens ein halbes Jahr hier aufhalten, sodass dies auf absehbare Zeit die einzige Gelegenheit für mich sein wird, mit ihm über meine eigenen kleinen archäologischen Funde zu sprechen und seine Expertise in Anspruch zu nehmen.

Ich hoffe, my dear, Du bist nicht allzu enttäuscht, aber wir hatten unseren Heiratstermin ja ohnehin bereits in den August verschoben, weil die erforderliche Dauer meiner Rückreise zu Dir nach Baden-Baden nicht gut einzuschätzen ist. Diese ganz kleine weitere Verzögerung dürfte somit keine Auswirkungen auf unsere Pläne haben. Ich werde Dich selbstverständlich wie bisher auch stets über meine Zwischenstationen auf dem Laufenden halten.

Bald feiern wir dann ein Wiedersehen, und ich werde Dir mit Freuden genauestens erzählen, was ich auf meiner Reise durch Italien, Griechenland und Ägypten gesehen habe, sodass Du an allen Erlebnissen und Erkenntnissen teilhaben kannst. Zudem bringe ich einige Zeichnungen mit, die ich hier erstanden habe. Sie werden Dir gewiss einen hervorragenden Eindruck der Kunstschätze dieser Länder vermitteln.

Ich freue mich schon sehr darauf, Dein liebes Gesicht wiederzusehen und unter der vergleichsweise milden Sonne Badens mit Dir die Lichtentaler Allee entlangzupromenieren.

Richte Deinen Eltern meine herzlichsten Grüße aus.

In liebevoller Verbundenheit

Dein

Henry

Anna von Krebern ließ den Brief sinken. Sooft sie ihn auch las, die Worte ihres Verlobten vermochten es nicht, den Knoten der Enttäuschung aufzulösen, der ihr Innerstes zusammenschnürte, seit Henry den Hochzeitstermin zum ersten Mal verschoben hatte. Ja, natürlich war es wichtig für ihn, den Earl of Dallingham, alle Gelegenheiten und Möglichkeiten zum wissenschaftlichen Austausch wahrzunehmen, solange er am Mittelmeer weilte, aber sie hatte doch gehofft, zumindest dieser Brief würde endlich davon sprechen, dass er sich auf der Rückreise befand.

Davon, dass er sich darauf freute, sie zu heiraten und sie mitzunehmen in sein Heimatland.

Oder wenigstens davon, dass er sich nach ihr sehnte, so wie in seinen ersten Nachrichten, nachdem er Baden-Baden verlassen hatte.

Anna seufzte tief. Seit der Verlobung im letzten Sommer war so viel Zeit vergangen – manchmal wusste sie kaum noch, wie Henry aussah. Zum Glück hatte er ihr eine Miniatur mit seinem Abbild hinterlassen, das sie gelegentlich ansehen konnte.

Sie faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn in ihr Handarbeitskörbchen, das sie griffbereit neben sich auf der Bank im kleinen Gartenpavillon platziert hatte. Sie würde noch ein Weilchen häkeln, um sich die Zeit zu vertreiben, bis ihre Gesellschafterin, Fräulein Nachtheim, ihre Mittagsruhe beendet hatte. Die alte Dame konnte mit Annas Energie längst nicht mehr mithalten, aber eigentlich hatten ja auch alle gedacht, dass Anna schon zu Beginn des Sommers verheiratet sein würde und das Fräulein somit ihren Dienst in der Familie beenden könnte. Stattdessen war nun der Termin im August gewählt worden. Und wie es aussah, würde Henry es erst kurz vor der Hochzeit zurück nach Baden-Baden schaffen …

Wenn wenigstens Elise bereits im benachbarten Sommerpalais der von Freybergs weilen würde! Doch ihre Freundin Elise war nicht mehr die Comtesse von Freyberg, sondern die Freifrau von Hohenhorn und wollte nicht ohne ihren geliebten Gatten sein. Die beiden würden erst später im Sommer nach Baden kommen können, da Philipp durch seinen Beruf als Anwalt gebunden war.

Zu eurer Hochzeit sind wir jedoch ganz gewiss da, hatte Elise geschrieben.

Bis dahin war es noch so lang …

Anna nahm das angefangene Umschlagtuch aus dem Korb, fasste die Häkelnadel und schlang das dünne violette Garn um ihren linken Zeigefinger. Das gewählte Spitzenmuster war nicht ganz einfach, und sie musste sich konzentrieren, um keine Fehler zu machen. So lenkte sie das Handarbeiten zumindest ein bisschen von ihrer Langeweile ab.

»Baronesse?«

Erleichtert drehte Anna sich um. »Fräulein Nachtheim. Haben Sie sich ein wenig ausgeruht?«

Annas ehemalige Gouvernante, die im vergangenen Jahr die Funktion einer Gesellschafterin und Anstandsdame übernommen hatte, nickte.

»Wie schön.« Anna faltete die Häkelarbeit wieder zusammen. »Dann lassen Sie uns zum Trinkbrunnen gehen. Im Badeblatt habe ich gelesen, dass die von Bindheims gestern angekommen sind. Ich würde Frieda von Bindheim sehr gerne wiedertreffen, und um diese Uhrzeit dürfte sie dort sein.«

Fräulein Nachtheim lächelte verständnisvoll. »Da weder Ihre älteren Geschwister noch die Familie von Freyberg vor Ort sind, wird es gewiss schön für Sie sein, wieder eine Freundin zu sehen. Junge Leute brauchen Gesellschaft.«

Anna stimmte höflich zu und packte ihre Handarbeit in den Korb. Obwohl sie Frieda von Bindheim nicht gerade als Freundin bezeichnen würde, hatten sie doch im vergangenen Sommer recht viel Zeit miteinander verbracht. Frieda war eine eher stille junge Frau und keineswegs ein Ersatz für Elise, mit der Anna praktisch zusammen aufgewachsen war, aber wie sagten die Engländer? Beggars can’t be choosers. Bettler können nicht wählerisch sein.

Der erste Bekannte, auf den Anna im Wandelgang der Trinkhalle hinter der Stiftskirche traf, war Louis de Charville.

»Ma chère Anna!«, rief er aus, eilte ihr entgegen, ergriff ihre Hände und gab ihr zwei französische Begrüßungsküsschen auf die Wangen. »Ich bin gerade erst eingetroffen, und schon darf ich mich an Ihrem herzerfrischenden Anblick erfreuen!«

Aus dem Augenwinkel sah Anna, wie Fräulein Nachtheim die Brauen hob und unwillkürlich ein klein wenig näher neben sie trat. Doch da ihr Schützling bereits verlobt war, fühlte das Fräulein sich glücklicherweise nicht bemüßigt, weiter einzugreifen.

»Louis, Sie sind auch wieder hier?«, erkundigte Anna sich nach dem Offensichtlichen.

»Mais oui, wo anders kann man den Sommer verbringen als in Baden? Wo anders gibt es solch wunderbare Bälle und solch hübsche Damen?« Sein Blick glitt kurz zu einer Unbekannten, deren Schutenhut mit auffällig hohen weißen Federn geschmückt war.

»Wie wahr«, bemerkte Anna trocken und erinnerte sich an Louis de Charvilles eher hölzerne Tanzschritte. Im vergangenen Sommer hatte sie ihn gelegentlich von Elise abgelenkt, die er sehr verehrt hatte. Und nicht immer war das ein Vergnügen gewesen.

»Darf ich für den Ball am nächsten Samstag gleich einen Tanz mit Ihnen reservieren?«, fragte Louis. »Oder ist dann der gute Henry bereits zurück und behält Sie ganz für sich allein?«

»Nein, ein wenig wird es noch dauern, bis er aus Ägypten zurückkehrt. Die Reise ist doch weit.«

»Ägypten!«, rief Louis überrascht aus. »Ich dachte, er wäre im vergangenen Herbst nach Italien aufgebrochen.«

»Das war nur die Anfangsstation auf seiner Reise, aber … oh, ich sehe gerade, dort kommt meine liebe Freundin Frieda. Ich muss sie unbedingt begrüßen, sie ist gestern erst angereist, und wir hatten noch keine Gelegenheit zu plaudern.«

Anna versuchte, sich ihre Erleichterung über die sich bietende Fluchtmöglichkeit nicht anmerken zu lassen. Sie hatte keine Lust, weiter über Henrys Abwesenheit zu sprechen. Es schien das einzige Gesprächsthema zu sein, das die Leute interessierte. Vor allem aber hatte sie keine Lust, dass dieser Mann mit zwei linken Füßen sich schon im Voraus einen Tanz beim nächsten Ball reservierte. Als Dame war es ihr nicht erlaubt, eine solche Bitte abzulehnen. Vergaß dagegen ein Herr, wen er um einen Tanz gebeten hatte, und ließ die Dame stehen, wurde das ohne ein Wimpernzucken akzeptiert. Leider hatte Louis ein ausgezeichnetes Gedächtnis.

Mit einem freundlichen Kopfnicken verabschiedete sich Anna aus dem Gespräch und ließ sowohl Louis de Charville als auch Fräulein Nachtheim einfach stehen.

Frieda von Bindheim nippte vorsichtig an ihrem abgeflachten Badeglas und beobachtete die umstehenden Gäste, die angeregte Konversation betrieben. Dass ihre Mutter gerade im Gespräch mit einem älteren, verwitweten Freiherrn aus Crefeld wieder einmal Friedas Loblied sang, war schrecklich peinlich. Aber nachdem es Frau von Bindheim in der vergangenen Saison nicht gelungen war, ihre Tochter mit einem der jungen Herren zu verloben, schien sie in diesem Jahr auch reifere Jahrgänge in ihre Pläne mit einzubeziehen. Schließlich ging es bei einer Ehe in erster Linie um ein standesgemäßes Geschäft.

Frieda unterdrückte ein Seufzen und trank einen weiteren Schluck des heilenden heißen Wassers, als sie einer plötzlichen Bewegung im Wandelgang gewahr wurde. Eine Frau in einem hellgrünen Kleid schien zielstrebig auf sie zuzukommen. Sie kniff leicht die Augen zusammen, um besser sehen zu können. War das nicht Anna von Krebern?

»Frieda, meine Liebe, endlich!«, rief Anna so laut, dass sich einige der Badegäste umsahen.

Frieda errötete. Eine solch überaus herzliche Begrüßung war unerwartet und fast ein bisschen peinlich. Doch Anna lächelte hocherfreut, sodass Frieda einfach zurücklächeln musste. Und dann schloss Anna sie kurz in die Arme, deutete links und rechts Wangenküsschen an und zog sie dabei ein wenig zur Seite.

»Entschuldigen Sie meinen Überschwang …«

»Nein, nein«, sagte Frieda schnell. »Ich freue mich sehr, Sie zu sehen, Anna.«

»Ich freue mich auch. Außerdem musste ich den guten Monsieur de Charville loswerden. Er will beim nächsten Ball unbedingt mit mir tanzen.« Anna hob die Brauen und spitzte den Mund, und Frieda konnte kaum ihr Lachen über die Grimasse zurückhalten.

»Ich verstehe.«

So nett und gut aussehend der junge Franzose auch war, er war weder ein guter Tänzer noch ein interessanter Gesprächspartner. Wobei die meisten Männer ohnehin nichts wirklich Bemerkenswertes zu erzählen hatten, sondern allein zwischen Nichtigkeiten und mehr oder minder faden Komplimenten wechselten. Eine rühmliche Ausnahme – neben einem anderen Herrn, der Friedas Herz im Geheimen höherschlagen ließ – war der englische Lord gewesen, der sich gegen Ende der letzten Saison mit Anna von Krebern verlobt hatte. Frieda konnte sich eines kleinen neidischen Stichs nicht erwehren.

»Sollen wir ein wenig dort hinübergehen?«, fragte Anna und deutete auf die andere Seite der länglichen Halle, die von der nachmittäglichen Sonne beschienen und daher deutlich leerer war.

»Gerne. Ich sage meiner Mutter Bescheid.«

Frieda stellte sich so dicht neben Frau von Bindheim, dass diese sie nicht übersehen konnte und ihr Gespräch unterbrach.

»Mama, ich wandle ein wenig mit Anna von Krebern zum Brunnen und durch die Halle, wenn ich darf«, sagte Frieda mit gesenktem Blick.

»Aber ja doch, mein Kind«, flötete ihre Mutter. »Geh nur mit der Baronesse, ich sehe, sie hat ja noch gar kein Wasser.«

Frieda knickste erleichtert und beeilte sich, dem Umfeld ihrer Mama und des Freiherrn zu entkommen.

»Ist Ihre Familie auch hier am Brunnen?«, fragte sie aufatmend, als Anna kurz darauf ihr Glas füllen ließ.

Anna schüttelte den Kopf. »Ich bin mit meiner Gesellschafterin gekommen. Die sitzt nun gewiss irgendwo herum und ruht sich von dem steilen Anstieg hierherauf aus. Mein Vater hat heute irgendwelche geschäftlichen Gespräche, und Maman ist leidend. Das liegt wahrscheinlich daran, dass mein Bruder Otto und seine Frau ihre Anreise verschoben haben. Und meine Schwester Mine kommt in diesem Jahr auch nicht in unsere Sommervilla.« Sie beugte sich ein wenig näher zu Frieda und flüsterte: »Sie ist in delikaten Umständen.«

Frieda riss die Augen auf. Darüber sprach man doch nicht!

»Es ist auf jeden Fall derzeit furchtbar langweilig«, fuhr Anna fort, »und ich war sehr erfreut, Ihren Namen unter den Neuankömmlingen im Badeblatt zu entdecken. Vielleicht finden wir ja zusammen wieder ein paar neue Bekannte, mit denen wir Ausflüge und Spaziergänge machen können wie im letzten Jahr.«

»Das wäre schön.«

»Nicht wahr? Einen Herrn haben wir sogar bereits: Louis de Charville. Und Franz und Julius von Freyberg dürften auch in Bälde anreisen.«

»Und Ihr Verlobter, Lord Dallingham?«

»Der weilt noch in Ägypten.« Ein Schatten schien über Annas Gesicht zu gleiten, dann kehrte ihr Lächeln zurück. »Ich fürchte, ich kann froh sein, wenn Henry es schafft, rechtzeitig zu unserer Hochzeit in Baden einzutreffen.«

2

Erst mit Einbruch der Dämmerung erreichte die Kutsche die kleine Stadt Baden an dem Flüsschen Oos, und Franz atmete auf. Er hatte schon vor Stunden im Sommerpalais seiner Familie eintreffen wollen, doch eine gebrochene Achse und eine aufwendige Reparatur hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Franz lächelte. Es war Zeit zum Aussteigen. Er klopfte an die Decke der Kutsche, und nach einem kräftigen »Brrr« hielten die Pferde.

»Ich schaue noch bei einem Freund vorbei und gehe den Rest dann zu Fuß«, gab Franz dem Kutscher Bescheid. »Fahren Sie schon hinauf und geben das Gepäck zum Auspacken an die Dienerschaft. Man braucht nicht auf mich zu warten.«

Eigentlich hätte Franz sich gerne noch frisch gemacht, bevor er Emmy besuchte, aber sie war von ihrer Arbeit immer recht früh müde. Da wollte er sie später nicht aus ihrem wohlverdienten Schlaf reißen. Auch konnte er nicht länger warten. Zu sehr sehnte er sich nach ihrem weichen, anschmiegsamen Körper, ihren runden Brüsten und ihrer offenen Lust, wenn er sie …

Schon bei dem Gedanken an die gleich bevorstehenden Wonnen spürte er eine wohlbekannte Regung. Es war einfach zu lange her!

Einen so enthaltsamen Winter wie den vergangenen hatte er seit Jahren nicht erlebt. Nach dem Skandal im letzten Frühsommer hatte er in Heidelberg, wo er sein Studium der Jurisprudenz absolvierte, kein neues Techtelmechtel gewagt. Und die hübsche Küchenmagd Sofie, die ihrem jungen Herrn bei seinen Aufenthalten auf Schloss Freyberg gerne gelegentlich zu Willen gewesen war, hatte ihre Stellung gekündigt. Sie war durch ein verkniffen aussehendes Mädchen ersetzt worden, das immer, wenn es nichts mit den Händen zu tun hatte, seinen Rosenkranz zückte.

Aber nun war Franz zurück im herrlichen sommerlichen Baden. Er hatte seinen Universitätsabschluss in der Tasche und würde alle Vergnügungen nachholen, die er versäumt hatte: Glücksspiel, Bälle, Konzerte und Nächte mit seiner Geliebten.

Beschwingten Schrittes ging er die schmale Straße der Altstadt hinauf und bog in den Hof ein, wo Emmy ihn durch die Hintertür einzulassen pflegte. Eine schwarz-weiße Katze saß auf dem Holzstoß an der Hauswand und musterte ihn aufmerksam.

»Bonjour, Madame.« Franz grinste übermütig. »Ist die schöne Emmy daheim?«

Die Katze blieb regungslos sitzen, nicht einmal ihre Augen blinzelten.

Mit ungebremstem Schwung wandte sich Franz zu den geschlossenen Fensterläden, hinter denen er Emmys Schlafzimmer wusste, und klopfte leise an. Er musste nicht lange warten, bis sich die Tür öffnete und er an der immer noch ungerührt starrenden Katze vorbei ins Haus treten konnte.

»Emmy!« Er schloss sie in die Arme und zog sie an sich. Sein Mund suchte den ihren und liebkoste die willigen, vollen Lippen seiner Geliebten.

Doch anders als sonst, wenn er sie besuchte, trug sie heute ihr Kleid mit dem festen Mieder und kein weiches Hemd, das seinen Händen kaum Widerstand bot und schnell abgelegt war.

»Hast du meinen Brief nicht bekommen?«, fragte Franz zwischen zwei Küssen, dann machte er sich daran, die Schnürung ihres Kleides zu öffnen, um leichter ihre warme Haut erreichen zu können.

Emmy wich zurück, sodass sie an die Wand des Flurs stieß, und schien etwas sagen zu wollen. Doch mit einem Mal packte sie Franz’ Nacken und zog seinen Kopf zu sich. Ihr Kuss war nun wild und herausfordernd, wie er es von ihr kannte, und er fühlte ihre Hand an seinem Hosenlatz. Während sie sein vor Vorfreude hartes Glied befreite, schob Franz ihre Röcke nach oben.

Sie hob ein Bein, um sich ihm zu öffnen, und schlang es um ihn. Was für ein Empfang! Warme Feuchte erwartete ihn, in die er mit Begeisterung stieß. Leider war es viel zu schnell vorbei.

Emmy lachte leise.

»Ich habe dich so vermisst«, flüsterte Franz und knabberte an ihrem Ohrläppchen, während sie sich aus seiner Umarmung wand und ihre Röcke glatt strich.

Sie wartete, bis er seine Hose wieder in Ordnung gebracht hatte.

»Komm mit«, sagte sie dann. Statt wie sonst ins Schlafzimmer führte sie ihn heute in ihre gute Stube und bot ihm einen Platz an.

Verblüfft setzte er sich aufs Kanapee und sah ihr zu, wie sie zwei Weingläser aus dem Schrank holte, sie auf das Beistelltischchen stellte und dann hinausging. Ihre Schritte entfernten sich, und es war auf einmal schrecklich still im Haus.

Franz lauschte. Ein Schrei, ein Fauchen – war das die Katze, die er gesehen hatte? Laute Männerstimmen, eine davon begann zu singen: »Auf, auf zum fröhlichen Jagen, auf in die grüne Heid …«

»Du meinst wohl die Heidi!«, grölte eine andere und löste mehrstimmiges Gelächter aus.

Franz sah zur Tür, wo nun Emmy mit einem Krug Wein in der Hand erschien. Sie musste ihn im Keller geholt haben, wo, wie er wusste, ein kleines Fass ihres Onkels stand, der in der Nähe einige Weinberge besaß.

Sie trat in die Stube und goss ihnen beiden ein.

»Komm, setz dich zu mir«, sagte Franz und klopfte mit der flachen Hand neben sich aufs Kanapee.

Emmy lächelte, schüttelte jedoch den Kopf und holte sich einen Stuhl, auf dem sie ein Stück entfernt von ihm Platz nahm. Sie hob ihr Glas, nickte ihm zu und wartete, bis auch er seinen Wein in der Hand hielt und mit ihr anstieß. »Du darfst mir gratulieren«, sagte sie. »Ich werde heiraten.«

Franz ließ das Glas sinken, ohne getrunken zu haben. Er konnte unmöglich richtig gehört haben!

Ungerührt von seiner Fassungslosigkeit, nahm Emmy einen Schluck, nickte zufrieden und sah ihm in die Augen. »Ich wollte es dir selber sagen, nicht in einem Brief schreiben.«

»Ja aber, aber … du hast immer gesagt, du willst nicht mehr heiraten. Dass du froh bist, Witwe zu sein und deine kleinen Freiheiten zu haben.«

Emmy zuckte mit den Achseln.

Franz beugte sich zu ihr. »Und was wird jetzt aus uns? Ich kann doch nicht …«

»Das siehst du ganz richtig«, unterbrach sie ihn ernst. »Dies eben war ein Abschied. Du kannst mich natürlich nicht mehr besuchen kommen.«

»Emmy, aber meine Gefühle für dich sind aufrichtig und …«

»Mach dir nichts vor, Franz. Es ist völlig egal, was wir füreinander empfinden mögen. Wir hatten zwei schöne Sommer miteinander, und die sind jetzt eben vorbei. Ich heirate den Jakob, der ist ein ehrlicher und fleißiger Zimmermann. Er liebt mich und wird mich gut behandeln. Und du …« Sie zögerte und trank erneut von ihrem Wein. »Du wirst dir früher oder später ein standesgemäßes Fräulein suchen, es heiraten und den nächsten kleinen Erbgrafen zeugen.«

»Aber …«

»Trink deinen Wein, lieber Franz. Oder schmeckt er dir nicht?«

Nein, hätte Franz am liebsten gerufen. Nein, er schmeckt mir nicht. Genauso wenig, wie es mir schmeckt, dass du irgendeinen Zimmermann namens Jakob heiraten willst!

Natürlich hatte Emmy recht. Aber es tat weh, dass sie ihre wunderbare Liaison so überraschend beendete. Eigentlich hatte er immer gedacht, dass er eines Tages derjenige sein würde, der ihr sagen würde, dass es vorbei war.

Franz’ Blick ruhte auf Emmys Busen, den er eben noch liebkost hatte. So nah und dennoch so fern unter dem karierten Baumwollstoff.

»Weißt du«, sagte sie leise. »Ich kann nicht immer monatelang warten, bis du mich endlich wieder besuchst. Das passt nicht zu mir. Und Kinder hätte ich doch auch gerne. Das verstehst du, gell?«

Franz nickte. Das verstand er wirklich. Aber es tat weh. Es tat so unerwartet weh!

Er leerte sein Glas in einem Zug und griff nach dem Krug, um sich nachzuschenken. Emmy hielt ihm das ihre hin, und er füllte auch dieses. Stumm saßen sie zusammen, bis der Krug leer war und Franz sich schließlich erhob.

Schweigend begleitete Emmy ihn zur Hintertür und öffnete sie.

»Emmy, ich …« Er sah ihr in die Augen.

Sie lächelte. »Geh, mein lieber Franz. Es ist gut so.«

Franz nickte stumm und verließ Emmys Hof, ohne sich noch einmal umzusehen.

3

Der Mond schien rund und hell, als Anna das Haus verließ. Bei Vollmond konnte sie nie so richtig einschlafen, und auch heute war es ihr nicht gelungen, das Reich der Träume zu betreten. Manchmal half ihr in solchen Nächten ein kleiner Spaziergang im Garten, die ruhige Stimmung dort hatte immer eine entspannende Wirkung auf sie. Sie würde dem Käuzchen lauschen oder Glühwürmchen beobachten, falls sie hervorkamen. Und den Duft der Blumen einatmen, der im Dunkeln süßer schien als am Tag.

Sie hatte nur rasch ein einfaches dunkles Kleid über das Nachthemd gezogen und eines ihrer wollenen Umschlagtücher gegen die nächtliche Kühle umgelegt. Strümpfe und Schuhe vervollständigten ihre Kleidung – auf Unterröcke verzichtete sie, schließlich würde sie den Garten für sich allein haben.

Mit einem tiefen Atemzug begann Anna ihre Runde. Sie versuchte, nicht an Henry zu denken, der nach den ursprünglichen Plänen irgendwann dieser Tage angekommen wäre. Sein letzter Brief aus Kairo hatte ein Weilchen gebraucht, um sie zu erreichen, vielleicht war er inzwischen doch bereits auf dem Weg zu ihr? Nun, es war, wie es war, und würde sich nicht ändern, nur weil sie sich grämte.

Die anfängliche Freude über ihre Verlobung war mit den Wochen ein wenig verblasst, und das Warten auf Henrys Briefe, in denen er ihr seine Erlebnisse und Gedanken anvertraute, war längst nicht mehr so spannend wie in den ersten Wochen nach seiner Abreise. Besonders seit sie mit ihren Eltern nach Baden gekommen war, fühlte sie sich zunehmend einsam und irgendwie vernachlässigt, zumal der Inhalt seiner Briefe inzwischen auch zu wünschen übrig ließ. Liebte er sie überhaupt noch? Warum war dann ständig alles andere wichtiger als seine Rückkehr zu ihr?

Anna ging am Aussichtspavillon vorüber, den ihr Vater für diese Saison zu zwei Dritteln mit leichten Holzwänden hatte versehen lassen, sodass man dort windgeschützt sitzen und hinab ins Tal und bis hinüber zur Ruine Hohenbaden sehen konnte. Jetzt in der Nacht war natürlich alles dunkel in den Bergen des Schwarzwalds.

Ein Tier huschte über den Pfad, der weiter in den hinteren Teil des Gartens führte. Eine Katze? Ein Fuchs?

Anna blieb stehen und lauschte. Was war das für ein Geräusch?

Die Frösche im Zierteich der von Freybergs begannen ihr Konzert so plötzlich, dass sie zusammenzuckte. Sie warf einen Blick zum Haus. Maman hasste das Gequake – hoffentlich wachte sie nicht auf und sah aus dem Fenster. Es war besser, schnell weiterzugehen in den Schatten der Büsche an der Grenze zum Nachbargrundstück, bevor sie entdeckt wurde.

Annas Hand streifte an den Zweigen der Hecke entlang. Hier war sie, die Lücke, durch die Elise und sie sich jahrelang heimlich besucht hatten. Wieder hatten sich dünne Triebe gebildet, die den Durchschlupf auf den ersten Blick verbargen, doch sie ließen sich leicht zur Seite biegen. Die Gärtner waren zum Glück ein wenig nachlässig und hatten nie etwas gegen die Öffnung in der Hecke unternommen. Elise und Anna mussten nur jedes Jahr am Ende des Sommers vor ihrer Abreise die Zweige an dieser Stelle etwas stutzen, damit sie nicht dicker und kräftiger wurden.

Ach, Elise, du fehlst mir!

Immerhin war Frieda eingetroffen, und morgen würden sie zusammen auf der Promenade nach Sonnenschirmen schauen. Der Parapluie-Fabrikant Joseph Mesure aus Rastatt hatte eine Anzeige im Badeblatt geschaltet, dass er mit seiner neuen Kollektion in Bude Nummer 16 zu finden sein würde. Das klang vielversprechend.

Wolken schoben sich vor den Mond, und es wurde merklich dunkler. Annas Augen hatten sich bereits an die Finsternis gewöhnt, doch die Frösche verstanden das Verschwinden des Mondes offenbar als Zeichen und verstummten.

Da war es wieder, dieses seltsame Geräusch. Eine Art Schnauben? Es schien aus dem Garten der von Freybergs zu kommen. Was mochte das für ein Tier sein?

Anna zog ihr Umschlagtuch fester um sich und beschloss nachzusehen. Es gab keine Wölfe oder andere gefährliche Kreaturen hier, wovor sollte sie sich also fürchten? Schließlich war sie immer nur ein paar Schritte von einem der Häuser entfernt.

Sie schob sich seitwärts durch die Hecke und blieb stehen, um zu lauschen.

Das Schnauben war verstummt, allerdings war da ein leises Klirren. So als ob ein Flaschenhals an ein Glas stieß. Aber die von Freybergs waren doch noch gar nicht angereist! Wer wagte es, in ihren Garten einzudringen? Sie musste das unbedingt herausfinden und Onkel Theodor und Tante Friederike davon in Kenntnis setzen, sobald sie ankamen. Oder dem Verwalter Bescheid sagen, der sich in Abwesenheit der Familie um das Anwesen kümmerte.

Auf Zehenspitzen schlich Anna über das Gras am Rand des Kiespfads. Da – eine Bewegung. Jemand saß auf der Bank unter der alten Kastanie!

Doch noch bevor der Mond wieder hinter der Wolke hervorschien, erkannte sie die hemdsärmelige Gestalt. Annas Herz begann zu rasen.

Franz!

Aus dem Schatten der Büsche konnte sie ihn ungesehen beobachten, wie er dort saß, lässig, ein Weinglas in der Hand. Doch auf den zweiten Blick fielen ihr die hängenden Schultern auf und der geneigte Kopf. Und dann war da wieder das Geräusch, eine Mischung aus Seufzen und – Schluchzen? Weinte Franz etwa? So kannte sie den großen, stets gut gelaunten Bruder ihrer besten Freundin gar nicht, in den sie im zarten Alter von dreizehn Jahren sogar mit der ganzen Inbrunst eines gerade erblühten Mädchenherzens verliebt gewesen war!

War etwas passiert, von dem sie noch nichts wusste? Etwas Schreckliches, das Franz in diesen Zustand versetzt hatte?

Anna schluckte, nahm einen tiefen Atemzug und trat aus dem Dunkel. Franz musste die Bewegung im Augenwinkel gesehen haben, denn er wandte ihr nun sein Gesicht zu.

»Anna?«, fragte er zögernd, Überraschung in seiner Stimme.

»Schön, dass du mich noch erkennst, Franz.« Es war nicht einfach, einen leichten Tonfall anzuschlagen, aber sie kannte Franz – er würde ihr nichts erzählen, wenn er sich ausgehorcht vorkam.

Als sie näher trat, setzte er sich aufrecht hin. »Ich werde doch wohl mein Cousinchen erkennen!«

Anna stöhnte unwillkürlich und rollte die Augen. Zwar waren sie tatsächlich weitläufig verwandt, ihre Urgroßmütter waren Schwestern gewesen, aber dass Franz dies immer wieder in so überheblichem Ton erwähnen musste, war äußerst lästig.

»Ich frage mich allerdings, was du hier mitten in der Nacht tust«, fügte er hinzu.

»Ich gehe spazieren. Es ist Vollmond, und ich kann nicht schlafen.«

Sie hatte nun die Bank erreicht, raffte ihr Kleid zusammen und nahm neben Franz Platz. Er machte Anstalten, sich zur Begrüßung höflich zu erheben, doch schien sein Gleichgewicht nicht mehr das beste zu sein. Der Wein in seinem Glas schwappte ein wenig über, und Anna winkte ab.

»Lass das Zeremoniell. Es sieht uns ja niemand. Und es ist mir lieber, wenn du mir nicht vor die Füße fällst.«

»Anna, was denkst du!«

»Ich denke, jene Flasche dort …« Sie deutete auf die leere Weinflasche, die neben der Bank lag. »… ist nicht deine erste am heutigen Abend.«

Franz fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar. Er sah wirklich nicht gut aus, obwohl er so gut aussah, dachte Anna, bevor ihr die Absurdität ihres Satzes auffiel und sie grinsen musste. Zum Glück starrte Franz nun auf den Boden zwischen seinen Stiefeln, nicht, dass er noch glaubte, sie würde ihn auslachen.

»Du wirkst nicht glücklich. Ist etwas passiert?«, fragte sie leise.

»Nichts, was du verstehen würdest.«

»Na, dann eben nicht.«

Nun sah er sie an. »Es ist kein Thema für junge Mädchen.« Seine Aussprache war erstaunlicherweise nur wenig beeinträchtigt.

»Ich bin kein junges Mädchen.«

»So? Und was bist du dann, kleine Anna?«

»Dafür, dass ich klein bin, kann ich nichts, meine Maman ist auch nicht größer, das weißt du genau. Dennoch bin ich eine Frau. Sogar eine verlobte Frau, falls du das vergessen hast!«

Einen Moment lang wirkte Franz überrascht von ihrem heftigen Tonfall.

»Ja, natürlich, ich hatte gerade nicht an Henry gedacht«, beschwichtigte er. »Weiß man schon, wann er eintrifft?«

»›Die Dauer der Rückreise ist nicht genau einzuschätzen‹«, zitierte Anna Henrys Worte.

»Arme Anna. So ganz allein in Baden-Baden. Du musst dich schrecklich langweilen. Möchtest du?« Er hielt ihr das Weinglas hin, das in seiner Hand heftig schwankte.

Schnell griff sie zu und nahm es ihm ab. Es war besser, er trank nicht weiter.

»Nicht angucken – trinken!« Franz grinste. »Ich trink nämlich nicht gerne allein, und Julius kommt erst übermorgen mit den anderen.«

Gehorsam nahm Anna einen Schluck. Der Wein war gut, sie konnte die Sonne darin schmecken, die leichte Süße eines warmen Herbstes.

Franz lehnte sich zurück und atmete hörbar aus. Es war nicht ganz ein Seufzen, eher ein Aufatmen, fand Anna. Er wirkte deutlich weniger niedergeschlagen als vorhin allein auf der Bank.

Schweigend saßen sie nebeneinander unter den leise raschelnden Blättern des Kastanienbaums. Gelegentlich trank Anna von ihrem Wein, ansonsten genoss sie Franz’ Nähe und die Vertrautheit, die sie in der Dunkelheit umfing.

»Emmy hat mich verlassen«, sagte Franz unvermittelt.

4

Franz wusste selbst nicht, wieso er den Satz, der ihm seit Stunden durch den Kopf ging, laut ausgesprochen hatte. Noch dazu ausgerechnet vor Anna. Doch das hatte er, und Anna war zusammengezuckt.

»Entschuldige, ich wollte nicht …«, sagte er hastig. »Das ist …, also …«

»Deshalb bist du so traurig«, stellte Anna fest.

»Ähm, ja, allerdings … Ich will dich auf keinen Fall …«

»Du solltest dich aussprechen.« Annas Stimme klang unerwartet ruhig. »Sonst wirst du nämlich nicht schlafen können.«

»Aber das Thema ist nicht …«

»Franz, jetzt hab dich nicht so. Glaubst du, ich wüsste nicht, dass du hier im Ort eine Liebschaft hast? Ist sie das? Oder ist Emmy ein Mädchen aus Heidelberg?«

Franz blinzelte. Wie konnte die kleine Anna von solchen Dingen Kenntnis haben? Gefühlt zum ersten Mal in seinem Leben sah er sie genauer an. Sie trug ein dunkles, hochgeschlossenes Kleid, und ein warmes Tuch bedeckte Schultern und Brust, doch ihr langes Haar war nicht wie sonst aufgesteckt, sondern nur in einen Zopf geflochten, aus dem sich einzelne Strähnen gelöst hatten. Ihr Blick war ernst und auffordernd, und auf einmal wirkte sie gar nicht mehr wie das Mädchen, das er von klein auf an gekannt hatte.

Sie war erwachsen, eine verlobte Frau, fiel ihm wieder ein. Und vielleicht war sie auch gar nicht mehr so unwissend. Henry musste sie geküsst haben. Oder hatte er gar …

Hastig schob Franz den Gedanken beiseite. »Emmy hat mich verlassen«, wiederholte er.

Anna nickte. »Das hast du bereits gesagt.«

»Emmy ist – war, also ja, wir hatten hier in Baden …«

»Ich verstehe. Und nun wolltest du die Sommeraffäre wiederaufnehmen, und sie wollte das nicht.«

»Sie wird heiraten. Einen Zimmermann namens Jakob.«

»Das ist ihr gutes Recht.«

»Sie denkt an Kinder und … Aber wir hatten doch …«

Anna schüttelte den Kopf und legte die Hand auf Franz’ Arm. »Hast du wirklich geglaubt, es würde immer so weitergehen? Gib zu, du würdest sie nicht heiraten und ihr Kinder schenken.«

»Nein, natürlich nicht. Das wäre …«

»Eben.«

Franz schwieg.

»Liebst du sie?«, fragte Anna und nahm ihre Hand wieder fort.

Franz zögerte. »Irgendwie ja«, sagte er schließlich.

»Irgendwie ist nicht immer genug.«

»Welch weise Sprüche aus dem Mund einer so jungen Dame!«

»Mach dich nur lustig über mich. Du hast mich stets unterschätzt!«

Damit mochte Anna recht haben. Er hatte nie etwas anderes in ihr gesehen als die Freundin seiner jüngeren Schwester, eine weitläufige Verwandte, gerade eben dem Kinderzimmer entwachsen. Doch wie sie da neben ihm saß und in völlig gelassenem Ton mit ihm über Emmy und das Ende seiner Affäre sprach, erkannte er sie kaum wieder.

»Liebst du Henry?«, rutschte es ihm heraus.

Ihr »Selbstverständlich!« kam mit einem Sekundenbruchteil Verzögerung, fand Franz.

»Sehr oder nur irgendwie?«, bohrte er nach.

»Das geht dich nichts an«, stellte Anna klar. »Zwischen uns gibt es auf jeden Fall keine Standesgrenzen, und wir werden sehr glücklich miteinander sein.«

Ein Windstoß ließ eine lose Strähne auf Annas Stirn tanzen und Franz erschaudern.

»Du solltest nicht nur im Hemd hier sitzen, die Nachtluft ist kühl«, sagte Anna und erhob sich. Sie zog das wollene Umschlagtuch von ihren Schultern und legte es ihm um.

»Ich gehe jetzt zu Bett. Gute Nacht, Franz. Und verlier dich nicht in Selbstmitleid. Das passt nicht zu dir.«

Ehe Franz im Kopf eine Antwort formulieren konnte, verschwand Anna irgendwo zwischen den Büschen in der Nacht.

Mit einem tiefen Seufzer hob Franz die Weinflasche auf, doch sie war leer. Vorsichtig stand er auf. Er vertrug eine ganze Menge, und eigentlich hatte er den volltrunkenen Zustand noch nicht erreicht, den er heute Nacht angestrebt hatte. Andererseits schien der beißende Schmerz in seiner Brust abgeklungen zu sein.

»Emmy hat mich verlassen«, flüsterte er versuchsweise noch einmal die schreckliche Erkenntnis dieser Nacht und horchte in sich hinein. Tatsächlich, es tat längst nicht mehr so weh, an ihre Abfuhr zu denken. Vielleicht würde er nun schlafen können.

Er hielt Annas Tuch fest um sich geschlungen und machte sich leicht schwankend auf den Weg ins Haus. Es war verwunderlich, worüber diese unschuldigen jungen Frauen heutzutage Bescheid wussten.

Leise betrat Franz sein Schlafzimmer. Auf einmal war er schrecklich müde. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihm, seine Stiefel auszuziehen. Erschöpft ließ er sich aufs Bett sinken, ohne die Decken zurückzuschlagen. Um sich weiter zu entkleiden, fehlte ihm auf einmal alle Kraft.

Er zog Annas Wolltuch von seinen Schultern, knautschte es zusammen und schob es unter seinen Kopf. Ein zarter Duft nach Sonne und Sommer, nach Blüten und Lachen ging davon aus. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief Franz ein.

5

Fräulein Nachtheim hatte sich sehr erleichtert gezeigt, dass Frieda von Bindheim und ihre Gesellschafterin Miss Woodman Anna mit der Kutsche abholen würden. Die hatte allerdings die Nase gerümpft, weil sie lieber zu Fuß hinunter in die Stadt gegangen wäre. Andererseits brauchte Anna sich bei einem Treffen mit Frieda nicht unbedingt außerhalb der Hörweite einer Anstandsdame zu bewegen, denn solche Geheimnisse, wie sie sie mit Elise ausgetauscht hatte, konnte sie Frieda ohnehin nicht anvertrauen. Die Gute war ja schon bei der Andeutung gesegneter Umstände errötet.

Anna setzte die neue rosa Schute auf ihr sorgsam gescheiteltes und mit seitlichen Locken aufgestecktes Haar. Die Krempe war ein wenig größer, als es im vergangenen Jahr modern gewesen war, und wies an der Innenseite eine seidene Blume in einem dunkleren Rosaton und kleine grüne Seidenblättchen auf. Außen am Hut war rechts eine ebensolche Verzierung angebracht, und ungewöhnlich breite Seidenbänder wanden sich um die Hutkrone und hingen über Annas Schultern herab. Solange kein Wind ging, würde sie sie nicht binden, um den hübschen Effekt im Zusammenspiel mit ihrem weißen Kleid nicht zu schmälern.

Das Dienstmädchen meldete die Ankunft der Kutsche, und Anna eilte die Treppen hinunter. Erst kurz vor der Haustür blieb sie stehen, atmete ruhig durch und trat dann gemessenen Schritts hinaus.

Frieda zeigte sich hocherfreut, sie zu sehen, bat sie, rasch einzusteigen, und bewunderte ausgiebig ihren Hut.

»Dies ist Miss Woodman aus England«, stellte sie schließlich ihre Gesellschafterin vor, als die Pferde anzogen. »Sie ist erst seit Kurzem bei uns, und zum Glück spricht sie Deutsch! Und dies ist die Baronesse von Krebern.«

»Baronesse«, sagte Miss Woodman mit hörbarem Akzent und deutete so etwas wie einen Knicks an, was sitzend in der Kutsche ein wenig misslang. Sie war gewiss schon über dreißig und erinnerte mit ihrem schmalen Gesicht, der langen Nase und den kleinen, flinken Augen an ein Mäuschen.

»Miss Woodman, how do you do?«, fragte Anna höflich.

»How do you do?«, antwortete die Engländerin unwillkürlich. »Sie sprechen meine Sprache?«

»Das sollte ich wohl tun.« Anna lächelte und fuhr auf Englisch fort. »Mein Verlobter ist der Earl of Dallingham. Wir werden im August heiraten und dann nach England übersiedeln.«

»Wie wunderbar«, sagte Miss Woodman. »Es ist ein herrliches Land, Sie werden sehen.«

»Ich hoffe, dass meine Sprachkenntnisse bis dahin gut genug sind. Ich hatte den ganzen Winter eine Hauslehrerin, die Henry – Lord Dallingham – für mich angestellt hatte. Nun bleiben mir nur noch Bücher, um weiterzulernen. Und manchmal weiß ich nicht, wie man die Wörter ausspricht.«

»Ich bin Ihnen gern behilflich, Baronesse.« Miss Woodman neigte freundlich den Kopf.

»Das klingt sehr interessant«, sagte Frieda, bevor Anna weitersprechen konnte. »Nur habe ich kein Wort verstanden!«

»Sie sollten die Gelegenheit nutzen, ebenfalls Englisch zu lernen, Frieda«, riet ihr Anna und zwinkerte. »Wer weiß, ob nicht auch in diesem Jahr ein junger Lord seinen Sommer in unserem schönen Baden verbringt.«

Frieda errötete leicht, dann sah sie nach vorn und deutete auf die Verkaufsbuden, auf die sie zusteuerten.

»Sehen Sie, da sind wir schon. Ach, ich bin gespannt, was Monsieur Mesure im Angebot hat. Im letzten Jahr hätte ich so gerne einen Knickschirm erstanden, aber bis ich mich endgültig dafür entschieden hatte, waren alle ausverkauft.«

»Was für eine gute Idee – solch ein Schirm bietet bestimmt auch bei tief stehender Sonne noch Schutz.«

Unter fröhlichem Geplauder stiegen die jungen Damen aus, dicht gefolgt von Miss Woodman. Die Bude Nummer 16 war gleich auf der rechten Seite, und Anna und Frieda waren nicht die ersten Damen, die die frisch eingetroffene Ware in Augenschein nahmen. Der Parapluie-Händler pries mit geschliffenen Worten seine feinen Schirme an und betonte die Haltbarkeit und Qualität derselben.

Friedas Augen leuchteten. »Was meinen Sie, Anna, steht mir dieses Gelb? Es sieht so herrlich sonnig aus.«

»Ja, die Farbe schmeichelt Ihrem Teint, aber das ist kein Knickschirm, oder?«

»Hm, ich fürchte, nein.« Unentschlossen legte Frieda den Schirm wieder zurück.

»Sie suchen einen Knicker?«, fragte Monsieur Mesure beflissen. »Dann schauen Sie her. Ich habe noch ein ganz besonders schönes gelbes Modell. Oder wie wäre es mit der Farbe apricot?«

Während Frieda und Miss Woodman sich die Sonnenschirme genauer ansahen, ließ Anna ihren Blick schweifen. Noch waren nicht allzu viele Gäste in der Stadt eingetroffen, aber in Kürze, wenn die großherzogliche Familie in ihre Sommerresidenz übersiedelte, würde sich das schnell ändern. Dann würde es jede Menge Bälle und zahlreiche Konzerte geben, und die Lichtentaler Allee würde so voll sein, dass man kaum aneinander vorbeispazieren konnte. Ach, wie sie sich nach dem Trubel sehnte!

Ob eine Saison – eine season – in London ähnlich aufregend war? Doch dort würde sie eine Fremde sein und außer Henry niemanden kennen …

Annas Blick fiel auf einen Herrn, den sie nur zu gut kannte. Franz stand an einer der Buden schräg gegenüber und zahlte in diesem Augenblick. Dann drehte er sich um, um weiterzugehen. Doch sein Schritt stockte – er hatte offenbar Annas Blick auf sich gespürt.

Einen winzigen Augenblick zögerte er, dann kam er auf sie zu.

»Ma chère cousine«, sagte er, als er sie erreichte, und verbeugte sich, während sie knickste. »Ich freue mich, dich auch dieses Jahr wieder hier zu sehen.«

»Franz! Ich freue mich ebenso. Wann bist du eingetroffen?«, fragte Anna scheinheilig. »Ich dachte, deine Familie kommt erst morgen. Du hast uns noch gar nicht begrüßt, Maman wird enttäuscht sein.«

»Oh, es war gestern sehr spät am Abend. Ich hatte ein kleines Problem mit meiner Kutsche.«

»Aha.« Anna konnte sich eines Grinsens nicht erwehren.

»Und die restliche Familie kommt tatsächlich erst morgen. Bisher bin ich ganz allein«, fügte Franz hinzu. »Aber ich werde deinen Eltern gewiss heute noch meine Aufwartung machen.«

»Was für ein Zufall, dass wir uns hier treffen. Ich bin mit Frieda gerade auf der Suche nach einem neuen Sonnenschirm für die nächsten Promenaden. Wir können dabei doch auf dich zählen? Du erinnerst dich an Frieda von Bindheim?«

Frieda hatte sich ihnen zugewandt und knickste nun, die Wangen frisch gerötet.

»Selbstverständlich erinnere ich mich. Wie könnte ich nicht?« Franz verbeugte sich. »Wir haben uns im vergangenen Sommer so häufig gesehen.«

Er betrieb noch ein wenig leichte Konversation mit Frieda und warf Anna nur gelegentlich einen prüfenden Blick zu.

Dachte er etwa, sie würde ihn versehentlich verraten? Nein, von ihrer nächtlichen Begegnung im dunklen Garten durfte natürlich niemand erfahren.

Und obwohl Franz es nicht wissen konnte: Anna war äußerst gut darin, Geheimnisse zu bewahren. Ihre eigenen und Elises. Und nun auch seine.

6

»Gehen wir besser in den Drachen oder in den Fuchs?«, fragte Julius gut gelaunt und schlug seinem Bruder kräftig auf die Schulter. »Ich muss dir sagen, Franz, ich hab es im letzten Jahr tatsächlich vermisst, gelegentlich mit dir in der Kneipe zu sitzen und fünfe gerade sein zu lassen.«

»Wärst du in Heidelberg geblieben und hättest dich nicht nach Berlin verzogen, hättest du das den ganzen Winter über haben können«, murrte Franz. »Ich verstehe nicht, was dich veranlasst hat, ausgerechnet nach Preußen zu gehen.«

»Ist nur für ein Weilchen. Es gibt da einen exzellenten Philosophieprofessor, dessen Vorlesungen will ich eben hören.« Julius zuckte mit den Achseln. »Aber jetzt brauche ich ohnehin nicht so schnell nach Heidelberg zurückzukommen, weil du endlich mit dem Studium fertig bist und gewiss weiterziehst. Weißt du schon, was du mit all deinem Wissen der Jurisprudenz anfängst?«

Franz schüttelte den Kopf. »Zum Glück habe ich den ganzen Sommer Zeit, um darüber nachzudenken. Vater ist erst mal glücklich, dass ich es geschafft habe. Ich glaube, er war nicht sehr zuversichtlich, dass sein Erbe jemals ein Studium beendet.«

Die beiden jungen Herren setzten ihre Hüte auf, und Franz griff nach seinem Spazierstock. »Bist du sicher, dass du den mitnehmen willst?«, fragte Julius. »Du lässt ihn ohnehin nur wieder irgendwo stehen. Kennen wir doch. Also, sag an, Drachen oder Fuchs?«

»Der Drachen heißt seit neuestem Bad- und Gasthof zur Stadt Paris«, klärte Franz seinen Bruder auf und stellte den Stock zurück in den Ständer, »und soll alles ganz neu eingerichtet haben.«

»Das klingt irgendwie nicht mehr so gemütlich.« Julius verzog zweifelnd das Gesicht. »Also gehen wir besser in den Fuchs.«

»Und das bestimmst du? Wer von uns beiden ist denn der Ältere?«

»Du, aber du bist heute so unentschlossen. Was ist los mit dir?«

Franz wartete mit seiner Antwort, bis sie das Haus verlassen und die Straße erreicht hatten. »Es ist aus mit der Emmy.«

Julius pfiff durch die Zähne. »Mit deiner jungen Witwe hier in der Stadt?«

Franz nickte. »Sie heiratet, und da will ich natürlich nicht …«

»Verstehe. Sie hat dir den Laufpass gegeben. Tut mir leid, aber früher oder später war das ja abzusehen.«

Warum nur schien für alle klar gewesen zu sein, dass Emmy und er ihr Verhältnis nicht ewig fortsetzen konnten? Franz selbst war offenbar der Einzige, der sich über das Arrangement nie Gedanken gemacht hatte. Aber es war auch so einfach und praktisch gewesen. Und mit der leidenschaftlichen Emmy seine Lust zu stillen, hatte ihm unendliches Vergnügen bereitet.

»Vielleicht solltest du dir endlich eine Braut suchen?«, schlug Julius vor. »Eine Ehefrau kann dich schlecht wegen eines anderen verlassen.«

Franz stöhnte auf. »Lass mich bitte erst mal die Emmy verkraften. Und dann erklär mir, wie mich eine junge Dame aus unseren Kreisen …«

Julius lachte. »Sag bloß, du glaubst daran, dass adelige Damen keinen Unterleib haben? Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass du dich irrst. Und zwar sehr.«

Franz sah ihn überrascht an. »Julius! Es tun sich Abgründe auf! Und Vater denkt immer noch, du bist der Ernste, Vernünftige und Brave.«

»Kleiner Ratschlag, großer Bruder: Nicht erwischen lassen. Schon mal was von Diskretion gehört? Ich kann dir versichern, damit kommst du weiter.«

Julius hatte gut reden. Irgendwie klappte das mit der Diskretion bei Franz nicht so richtig. Egal, ob man ihn beim Küssen der Tochter des Pedells erwischte und fast der Universität verwies oder ob er mit einem der Mädchen vom Theater auf einem einsamen Waldweg gesehen wurde.

Selbst seine Liebschaft mit der verwitweten Caroline von Heusern zu Beginn seines Studiums war dem Klatsch erlegen. Kein Mensch hatte ihm geglaubt, dass sie nur seine Mäzenin war. Nun ja, später hatte er herausgefunden, dass Caroline sich jedes Jahr einen jungen Studenten suchte, den sie förderte und auch forderte, und zwar in ihrem breiten Himmelbett.

Ende der Leseprobe