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Annemirl ist blond und sehr klein, sie hat himmelblaue Augen und eine kleine, freche Stupsnase mit vielen Sommersprossen. Sie wird in das Haus des Direktors und seine Frau Linda geschickt. Die beiden haben grosse Pläne mit dem Mädchen. Sie muss erstmal tanzen lehrnen, sagt der Direktor zu seiner Frau. Langsam soll sie in die Freuden der Erotik eingeführt werden. Annemirl ist verwirrt aber sie betrachtet die pornographischen Bilder, die vor ihr liegen, mit kindlicher Neugierde. Ihre Wangen röten sich, aus Scham und aus Erregung, sie ist abgestoßen und zugleich angezogen.-
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Seitenzahl: 191
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Lola Viola
Roman
Annemirl
Copyright © 2017 Zettner Verlag
All rights reserved
ISBN: 9788711717370
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Zettner Verlag und Autors nicht gestattet.
Zögernd drückt Annemirl die Klingel. Eine dunkelhaarige, attraktive Dame öffnet die Türe.
«Ach ja, Fräulein Annemirl, ist es schon so spät? Ich hatte ganz vergessen auf die Uhr zu sehen. Kommen Sie herein.»
Schüchtern tritt das Mädchen ein und folgt der Dame durch den langen mit schweren Teppichen belegten Korridor in das Wohnzimmer. Ein Herr von etwa fünfzig Jahren sitzt zeitunglesend im Schaukelstuhl vor dem großen Fenster, das hinaus auf den weiten Obstgarten geht.
«Norbert, darf ich dir meine neue Gesellschafterin vorstellen. Das ist sie, die kleine Annemirl.»
Norbert mustert das zierliche Mädchen, das lächelnd und verlegen neben seiner Frau steht und leise sagt:
«Guten Tag Herr Direktor Zack.»
Norbert erhebt sich und kommt auf das Mädchen zu.
«Guten Tag Fräulein Annemirl. Ich freue mich, daß Sie nun für ein Weilchen bei uns bleiben wollen. Wir werden alles tun, damit Sie sich auch wirklich hier wohlfühlen. Ihre Mutter war ja sehr besorgt, als ich mit ihr am Telefon gesprochen habe. Das kann man aber auch verstehen, ein sechzehnjähriges Mädchen läßt man auch nicht zu gerne in die böse Großstadt. Aber meine Frau wird wie eine Schwester zu Ihnen sein und Sie behüten, als ob Sie unsere Tochter wären. Nicht wahr, Linda?»
Linda nickt, ihre Augen sind auf das Mädchen gerichtet, das unbeholfen um sich sieht. Annemirl ist blond und sehr klein, sie hat himmelblaue Augen, und eine kleine, freche Stupsnase mit vielen Sommersprossen.
«Natürlich», erwidert Linda lächelnd und ihre Hand gleitet über Annemirls weizenblondes Haar, das zu einem schlichten Knoten hochgesteckt ist.
«Wir werden uns sicher gut verstehen, so eine hübsche junge Gesellschafterin, der das Leben der Großstadt neu ist, habe ich mir immer schon gewünscht. Ich werde ihr so viele Dinge zeigen können, und alles wird für sie so neu sein und sicher … faszinierend. Da werde ich mich wenigstens nicht mehr so langweilen, wenn du im Ausland bist, Norbert.» Linda faßt das Mädchen unter dem Arm und führt sie zu der weichen, roten Sitzbank.
«So, kleines Fräulein, nun setzen Sie sich einmal recht schön nieder und machen es sich bequem, sicher sind Sie sehr müde von der Reise? Ich werde Ihnen gleich Kaffee und Kuchen bringen. Unterhalten Sie sich einstweilen mit meinem Mann. Wissen Sie, heute haben unsere beiden Haushilfen frei, da muß ich leider selbst in die Küche.»
Annemirl hat sich gesetzt, nervös dreht sie ihre Handschuhe zu einer Wurst. Direktor Zack setzt sich neben sie. «Ich bin sehr froh, daß meine Frau nun nicht mehr allein bleiben muß während meiner Abwesenheit. Sie hat sich schon so lange ein junges Mädchen vom Land gewünscht, dem sie die Großstadt zeigen kann. Sie werden zusammen in die Oper gehen, ins Theater oder wenn Sie gerne möchten, auch zum Tanzen. — Tanzen Sie gerne?»
«Ich kann nicht tanzen, aber ich glaube, wenn ich es könnte, dann würde ich schon gerne tanzen», erwidert sie.
«Was», lacht Direktor Zack, «ein junges, hübsches Mädchen wie Sie kann nicht tanzen?»
«Nein. Meine Mutti hat es mir nicht erlaubt tanzen zu gehen, sie hat immer Angst gehabt, daß die Jungs mich belästigen würden. Aber ich möchte auch gerne tanzen können wie alle meine Freundinnen», sagt das Mädchen mit sehnsuchtsvollen Augen.
«Meine Frau wird es Ihnen sicher beibringen, sie ist eine sehr gute Tänzerin. Außerdem geht Linda gerne zu Parties, da werden Sie sie ja auch begleiten müssen.»
«Ja, tatsächlich? Ich darf mitkommen zu Parties?»
«Natürlich.»
«Oh, das wird ja wunderbar», ruft Annemirl entzückt aus.
«Wissen Sie, bei uns im Dorf war ich einmal im Kino und hab einen Film gesehen, in dem eine Party vorkam. Schon damals habe ich mir so sehr gewünscht, ich würde einmal im Leben zu einer echten Party kommen können, und in einem hübschen Kleid mit einem netten Jungen tanzen, bei zärtlicher Musik und Kerzenlicht … genauso, wie ich es im Kino gesehen habe. Ach, das wäre herrlich!»
Der Direktor lächelt. Er zieht eine Packung Zigaretten aus der Tasche. «Rauchen Sie», fragt er.
«Nein.»
«Noch nie probiert?»
«Oh ja, heimlich auf der Toilette zusammen mit meiner Freundin, aber da hat uns meine Mutti erwischt — und dann gabs Krach, au Backe.»
«Ihre Mutti scheint sehr streng zu sein.»
«Oh ja, das ist sie auch, ich durfte wirklich gar nichts, nicht einmal mit einem Schulfreund durfte ich spazierengehen … und dabei war der so nett und er hat mich auch gerne gehabt.»
«Und Sie ihn wahrscheinlich auch? »
«Ja, ich ihn auch. Jetzt können wir uns wenigstens schreiben. Zu Hause konnte ich keine Briefe bekommen, mein Vater hat alle immer geöffnet — manchmal war es schon recht schrecklich. Meine Freundinnen hatten alle viel mehr Freiheit als ich.»
Linda kommt mit dem Kaffee herein. Sie stellt die Kanne auf den Tisch und entnimmt der breiten Kredenz drei Tassen, Servietten, Zucker und Löffelchen.
«Mögen Sie lieber Nuß- oder Mohnkuchen», fragt sie das Mädchen, während sie den Tisch fertig deckt.
«Nußkuchen esse ich sehr gerne», erwidert Annemirl. Die Frau wendet sich an Norbert.
«Ach bitte sei so nett und hole mir den Kuchen aus der Küche. Ich habe den Teller auf den Tisch gestellt.»
«Ja, Darling.»
Stumm betrachtet Annemirl die rassige, gutgebaute Dame, der sie von nun an Gesellschafterin sein sollte.
«Sie haben ein sehr hübsches Kleid an», sagt das Mädchen bewundernd.
«Ja», erwidert Linda lächelnd, «gefällt es Ihnen?» Sie kommt auf das Mädchen zu. «So ein dunkelblaues Kleid müßte Ihnen auch recht gut stehen. Fühlen Sie einmal, wie weich sich der Stoff angreift.»
Annemirl läßt den blauen Ärmelrand des Kleides zwischen ihre Finger gleiten.
«Ja», sagt sie, «sicher war es sehr teuer?»
«Das war es», erwidert Linda. «Wenn wir uns gut verstehen, sollen Sie auch so eines haben, überhaupt, es wird notwendig sein, daß wir einmal in die Stadt gehen und eine hübsche, elegante Garderobe für Sie einkaufen. Aber damit warten wir, bis mein Mann weggefahren ist. Montag fliegt er schon nach New York.» Lächelnd läßt Linda ihren Handrücken über Annemirls Wange gleiten.
«Was für eine weiche Haut Sie haben, fast wie ein Baby.» Verlegen senkt das Mädchen ihre Lider. Lindas dunkle Augen ruhen brennend auf den vollen, ein wenig aufgeworfenen Lippen ihrer neuen Gesellschafterin.
«Sie haben einen schönen Mund», sagt sie leise. Annemirl errötet.
Norbert tritt mit dem Kuchenteller in der Hand ins Zimmer und stellt den Teller auf den gedeckten Tisch. «Nicht wahr, Norbert», lacht Linda, «einen schönen Mund hat sie.»
«Ja, Darling, das habe ich schon bemerkt», erwidert er und setzt sich an den Tisch.
«Schau, schau, ich wußte gar nicht, daß du so scharfe Augen hast.»
Der Direktor lacht.
«Unterschätz mich nicht immer Darling, daß ich scharfe Augen und guten Geschmack habe beweist schon die Tatsache, daß ich dich geheiratet habe.»
Linda nähert sich ihrem Mann, mit einem eigenartigen, tiefen Blick sieht sie ihm in die Augen. Ihr sinnlicher Mund steht halb offen als sie ihre Finger über seinen Nacken und seine Ohren gleiten läßt.
«Wir haben beide guten Geschmack, nicht nur du», sagt sie, dann wendet sie sich an Annemirl, die unsicher und verlegen dasteht.
«Kommen Sie, Annemirl, setzen Sie sich und fühlen Sie sich wie zu Hause.»
Gehorsam setzt sich das Mädchen an den Tisch und nippt wortlos an ihrem Kaffee.
«So nehmen Sie sich doch Kuchen», fordert Linda das Mädchen auf.
«Ja, danke.»
Während Annemirl schweigend an ihrem Kuchen kaut, dreht Norbert den Plattenspieler an und legt eine Platte auf. Leiser Blues plätschert aus den beiden Stereolautsprechern, die links und rechts an der Wand gegenüber der Sitzbank hängen.
«Du mußt sie tanzen lehren, Linda», sagt Norbert zu seiner Frau. «Stell dir vor, ihre Mutter hat ihr nicht erlaubt, tanzen zu gehen, nicht einmal ihren Schulfreund durfte sie treffen.»
«Tatsächlich», fragte Frau Zack erstaunt.
«Ja», erwidert das Mädchen mit vollen Backen, «meine Eltern sind sehr streng und furchtbar altmodisch.»
«Wir beide werden das alles nachholen. Ich lehre dich tanzen und führe dich dann in die schönsten Lokale. Ach, du meine Güte, jetzt habe ich schon du gesagt, ich weiß ja gar nicht, ob Ihnen das recht ist», fragte Linda das Mädchen.
Annemirl lächelte und nickte heftig mit dem Kopf.
«Oh ja», erwidert sie, «bitte, sagen Sie nur du zu mir, ich freue mich, da fühle ich mich gleich mehr … mehr heimisch.»
«Das ist nett, gestattest du das ‹Du› auch meinem Mann? »
«Aber natürlich.»
«Komm, nimm dir noch Kuchen, du brauchst dich nicht zu zieren. Bei uns sollst du essen was dir schmeckt, und sagen was du gerne möchtest», sagt Linda. Sie legt dem Mädchen noch zwei Stück Kuchen auf den Teller und gießt Kaffee nach.
«Eigentlich», beginnt Annemirl zu sprechen, «war mir anfangs ein bißchen bange als ich herkam, ich wußte ja nicht, wie es hier ist und wie Sie sind. Aber, jetzt weiß ich, Sie sind beide sehr nett, viel netter als ich Sie mir vorgestellt habe. Ich will mir wirklich alle Mühe geben, Ihnen eine angenehme Angestellte zu werden. Hoffentlich werden Sie mit mir zufrieden sein.»
«Aber Kindchen», wirft Linda ein und lacht, «du bist doch nicht unsere Angestellte, du brauchst ja keinerlei Arbeit verrichten. Du wirst meine Freundin sein und mit mir ausgehen, sonst hast du nichts zu tun. Ich bin nicht gerne alleine und möchte jemanden um mich haben, zum unterhalten und amüsieren. Für die Arbeit ist Personal da. — Übrigens habe ich meiner Haushilfe gesagt, daß du eine Verwandte von uns seist. Aus diesem Grund ist es auch besser wenn du mich Linda nennst und meinen Mann Norbert. Willst du das tun?»
«Ja», fragte Annemirl verwirrt, «soll das heißen, daß ich auch du sagen soll?»
«Ja», meint Linda, «es sieht besser aus — oder möchtest du nicht?»
«Ja … ja … schon», stottert das Mädchen, «es ist nur so ungewohnt … ehrlich gesagt … ich traue mich nicht so recht …»
«Daran wirst du dich schon gewöhnen, du sollst in mir eine Freundin sehen und keine Chefin, und in meinem Mann einen guten Freund oder — meinetwegen, nenn ihn Onkel Norbert wenn dir das leichter fällt.»
«Ja … ja, das geht besser, soll ich auch Tante sagen?»
«Nein, mich nennst du einfach Linda.»
«Ja … ja … Onkel Norbert …… äh … Linda.»
Annemirl lächelt wieder.
«Ich bin froh, daß ich hierher gekommen bin, Sie … äh … ihr seid sehr nett … wirklich.»
Annemirl sitzt in ihrem Manzardenzimmer auf dem breiten, französischen Bett. Das Fenster steht weit offen und die frische Morgenluft dringt herein. Draußen ist der Himmel blau, die Sonne ist eben über den Häusern der Stadt aufgegangen und im Garten hört man das Gezwitscher der Vögel.
Das Mädchen steht auf. In ihrem blauen langen Nachthemd tritt sie ans Fenster und sieht hinaus. Dann schlüpft sie aus dem Nachthemd, tritt nackt vor den Spiegel und bürstet, ganz in ihrem Anblick versunken, das lange, blonde Haar.
Das Mansardenzimmer ist hübsch eingerichtet, die Möbel sind in zartem Babyrosa gehalten, und Tischtuch, Bettdecke und Vorhänge sind aus zart geblümtem Stoff, der dem Zimmer etwas Frisches, Jungmädchenhaftes verleiht.
Es klopft. Erschrocken springt Annemirl auf und schlüpft in ihren Morgenrock. «Ja — herein», sagt sie zögernd. Linda tritt ein. Sie trägt ein elegantes, weit dekolletiertes Sommerkleid, und einen breiten, hübschen Hut.
«Guten Morgen, hast du gut geschlafen», fragt sie das Mädchen.
«Ja, danke, sehr gut.»
«Heute fahren wir in die Stadt und kaufen ein paar hübsche Kleider für dich ein. Für den Abend habe ich Theaterkarten. Wir gehen dann vorher in ein hübsches Restaurant essen. Es ist sehr wichtig, daß du eine gute Garderobe besitzt. — Zieh dich jetzt an, wir frühstücken drunten in der Stadt.»
«Ja», erwiderte Annemirl. «Haben die Geschäfte jetzt schon offen, so zeitig?»
Linda lachte und setzte sich auf das Bett.
«Nein Kindchen», erwidert sie, «aber ich wollte dich noch ein bißchen herumfahren. Jetzt ist noch wenig Straßenverkehr. Weißt du, ich bin schon so früh wach geworden und habe gehört, wie du das Fenster geöffnet hast, sonst wäre ich nicht heraufgekommen.»
«Ja, ich wache immer früh am Morgen auf.»
«Wahrscheinlich mußtest du auch zeitig schlafen gehen.»
«Ja.»
«Hast du eigentlich einen Freund zu Hause?»
«Na ja, Freund kann man nicht sagen, er ist ein Schulkollege von mir. Wir wollen aber später einmal heiraten, hat er gesagt.»
«Aber ihr seid doch beide erst sechzehn, da spricht man doch noch nicht vom Heiraten.»
Annemirl zuckt mit den Achseln, traurig schaut sie auf den Boden.
«Wir haben uns eben gerne», erwidert sie leise.
«Komm», sagt Linda mitfühlend, «sei nicht traurig. Du wirst noch so nette Jungs kennenlernen und deinen Freund bald vergessen haben, bestimmt. Setz dich zu mir her.»
Das Mädchen setzt sich auf das Bett neben Linda, schweigend richtet sie ihren Blick auf die Frau, die sie mit brennenden, dunklen Augen ansieht.
«Du hast wunderbares, blondes Haar.»
«Ja?»
«Ja. Ich werde dich heute zum Friseur bringen und dir eine hübsche, moderne Frisur machen lassen. — Willst du?»
«Oh ja!»
Linda läßt ihre Finger durch Annemirls blondes Haar gleiten.
«Es ist weiches, festes Haar», stellt sie fest und schaut dem Mädchen tief in die blauen Augen. Annemirl errötet, verlegen sieht sie zur Seite. Frau Zack steht auf.
«Zieh dich jetzt an, ich warte drunten im Wohnzimmer auf dich, mach schnell.»
Hastig verläßt sie das Zimmer. Annemirl tritt an den Kleiderschrank, öffnet ihn und zieht ein getupftes Sommerkleid heraus.
Hinter dem großen Schreibtisch sitzt Dr. Bittner, der Prokurist einer bekannten Münchner Stahlbaufirma. Es ist ein hochgewachsener Mann mit dunkelbraunem Haar, blauen Augen, schmalen Lippen und einem energischen Kinn. Auf seinem Schreibtisch steht ein kleiner Ventilator und bläst Luft in Bittners Gesicht. Zuweilen wischt sich der Prokurist mit einem Taschentuch über die verschwitzte Stirne. Lustlos blättert er in den Akten, die aufgetürmt vor ihm liegen.
Das Telefon klingelt. Bittner hebt ab.
«Ja?»
«Frau Direktor Zack möchte Sie sprechen», meldet die Telefonistin.
«Ja, bitte verbinden Sie uns.»
Während Bittner wartet, bis die Verbindung hergestellt ist, klopft er nervös mit einem Bleistift auf die Tischplatte.
«Hallo? »
«Hallo Linda, das ist aber nett, daß du mich anrufst. Wie geht es dir?»
«Gut mein Schätzchen, sehr gut. Norbert ist Gott sei Dank weggeflogen, jetzt kann ich wieder leichter kommen.» Bittner lacht leise auf.
«Du hast uns letztesmal sehr gefehlt. Sag, ist deine Gesellschafterin schon angekommen?»
«Ja, ich war eben mit ihr Kleider einkaufen und habe sie zum Friseur gebracht.»
«Wie ist sie denn? »
«Sie ist genau das, was wir schon lange brauchen können. Blond, klein, zierlich, hübsch, kindlich und sehr, sehr naiv. Sie kommt von einem kleinen Dorf. Ihre Eltern sind sehr streng, nicht einmal tanzen gehen durfte die Kleine. Übrigens, sie heißt Annemirl und ist so süß, daß ihr alle eure helle Freude mit dem Kind haben werdet. Von Männern hat das Mädchen, soweit ich es bis jetzt beurteilen kann, nicht die geringste Ahnung. Wir müssen vorsichtig sein mit ihr und sie langsam in die Freuden der Erotik einführen. Niemand soll ihr wehtun, im Gegenteil, alle sollen versuchen, ihr gut zu tun.»
«Donnerwetter», sagt Bittner durch die Zähne, «der Gedanke, so frisches Fleisch in unsere Clique zu bekommen, läßt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. — Hat sie Busen?»
Lindas Lachen dringt an Bittners Ohr.
«Du alter Lustmolch», sagt sie, «natürlich hat sie Busen, zwei feste, gar nicht so kleine, Brüste. Und eine Haut hat sie, Fritz, wie ein Baby, wenn ich nicht Angst hätte sie zu erschrecken, ich sag dir, mein Lieber, ich selber hätte große Lust sie zu vernaschen. Und ihr Mund, ihre Lippen, so voll und weich, ein Gedicht sage ich dir.»
«Hör auf! Hör auf», stöhnte der Prokurist. «Wenn du noch weiter redest, kriege ich einen Ständer. Du, Linda, du nimmst sie doch nächste Woche zur Party mit, nicht wahr?»
«Ich weiß nicht, ich glaube es ist noch ein bißchen zu früh, ich muß erst ganz ihr Vertrauen haben, dann kann ich sie mitnehmen und ihr irgendwie erklären, daß dies und jenes bei einer Party eben passiert. Sie ist ja so unerfahren, daß man ihr so ziemlich alles einreden kann — und sehr neugierig ist sie auch, sie möchte am liebsten das Leben in der Großstadt an einem Tag entdecken.»
«Linda, Linda, du mußt sie mir unbedingt vorstellen. Können wir uns nicht mittags irgendwo treffen, ganz kurz nur?»
«Gut — Sagen wir — erinnerst du dich an das kleine jugoslawische Restaurant, in dem wir einmal zusammen gegessen haben?»
«Ja, natürlich?»
«Dann, treffen wir uns um halbeins dort und essen zusammen.»
«Wunderbar», ruft Dr. Bittner aus, «ich freue mich schon. Ich erwarte euch pünktlich um halb eins.»
«Tschüß dann.»
«Tschüß meine Süße, bis später.»
Der Prokurist legt den Hörer auf, mit einem lüsternen Lächeln starrt er gedankenvoll die Hand an, dann beugt er sich wieder über seine Akten.
Annemirl sitzt gegenüber Linda an einem der weißgedeckten Tische und nippt an ihrem Glas Rotwein. Ihr blondes, langes Haar ringelt sich in lockeren Wellen über die Schultern, und in ihre Stirn fallen ein paar freche Ponyfransen. Sie trägt nun eine schicke, lange Sommerhose und ein sportliches, kariertes Hemd.
Linda betrachtet wohlgefällig ihr Gegenüber. Lächelnd brennt sie sich eine Zigarette an.
«Mit der neuen Frisur siehst du reizend aus, mein Freund wird entzückt sein vor dir, das heißt, Fritz ist nicht nur mein Freund, sondern auch der Freund meines Mannes. Er ist ein sehr charmanter Mann, die Mädchen sind alle ganz verrückt nach ihm.»
«Ja?»
«Du wirst ihn ja gleich sehen. — Schmeckt dir der Wein nicht?»
«Doch.»
«Du nippst doch nur von deinem Glas, bist du nicht durstig, bei dieser Hitze?»
«Ja … doch, nur, ich bin es nicht gewöhnt, Wein zu trinken.»
Schuldbewußt senkt Annemirl ihren Kopf.
«Warum sagst du denn nichts», erwidert Linda lächelnd «ich werde dir einen Fruchtsaft bestellen — ja?»
«Oh bitte.»
Frau Zack winkt dem Ober. Während sie für das Mädchen Fruchtsaft bestellt, betritt Dr. Bittner das Lokal und kommt auf Linda zu. Mit einer höflichen Verbeugung küßt er ihre Hand.
«Grüß dich, meine Liebe», sagt er und wirft einen raschen Blick auf Annemirl, die ihn mit ihren großen, blauen Augen aufmerksam mustert.
«Fritz, darf ich dir gleich meine neue Gesellschafterin vorstellen, das ist Fräulein Annemirl Möller.»
Mit einem charmanten Lächeln küßt Dr. Bittner dem Mädchen die Hand.
«Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen», sagt er und sieht in ihre Augen. Annemirl errötet und stottert verlegen:
«Gu … guten Tag, ich habe schon viel von Ihnen gehört.»
«Ja? Hoffentlich nur Angenehmes.»
«Doch … nur Angenehmes.»
«Setz dich Fritz», sagt Linda. «Ich hoffe, ich habe dir nicht zu viel versprochen.» Vielsagend sieht sie in Bittners Augen.
«Nein», sagt er durch die Zähne, «versprich mir nur, daß du mir die Einführung in dieses … äh … Gebiet überläßt. Ich werde sie vorsichtig, wie einen Windbeutel behandeln.»
Lächelnd zwinkert Linda mit den Augenlidern.
«Gut, aber sieh zu, daß der Windbeutel auch auf deiner Zunge zergeht.»
«Worauf du dich verlassen kannst, meine Liebe.»
Ein Regenschauer prasselt gegen die Fensterscheiben. Die alte Haushälterin und ihre mausgraue Schwester, die als Köchin hier arbeitet, stehen zusammen in der Villa Zack und schwatzen.
Annemirl sitzt in ihrem Mansardenzimmer über ein Blatt Papier gebeugt und schreibt ihrem Freund.
Linda kommt eben aus ihrem Schlafzimmer. Sie trägt ein sehr kurzes, attraktives Silbercocktailkleid, und ihr schwarzes, kurzes Haar fällt in neckischen, kleinen Löckchen in ihre Stirne. Zwei große, runde Zigeunerohrgehänge aus Gold zittern bei jedem Schritt, den sie über den weichen Teppich des Korridors geht.
Sie steigt die Treppen hinauf zu Patrizias Zimmer und klopft an.
Annemirl sieht von ihrem Schreibpapier hoch.
«Herein», sagt sie.
Linda tritt ein. Lächelnd bleibt sie an der Türe stehen und genießt Annemirls kindlich bewundernden Blick, der an ihr und ihrem Kleid hängenbleibt.
«Wie schön du bist, Linda», sagt Annemirl ehrfürchtig. «Ja, wirklich, gefalle ich dir?»
«Oh, du bist wunderschön, wunderschön. Schade, daß ich nicht auch mitkommen darf auf die Party», sagt Annemirl enttäuscht. Linda tritt hinter das Mädchen, sie legt ihre gepflegten Hände über die schmalen Schultern Annemirls, läßt ihre Fingerspitzen auf der zarten Haut ihres Halses liegen.
«Mein Kleines», sagt sie zärtlich, «ich möchte dich so gerne mitnehmen, aber ich weiß nicht, ob du für eine echte Party nicht doch noch ein bißchen zu jung bist.»
«Wie, zu … zu jung», fragt Annemirl.
«Weißt du, mein Kindchen», erklärt Linda, «was auf einer Party alles geschieht?»
Erstaunt sieht das Mädchen in das schöne, dunkelhäutige Gesicht Lindas, das ganz nahe dem ihren ist.
«Ja», sagt sie zögernd, «ich habe einmal im Kino so eine Party gesehen. Man tanzt, man küßt sich und trinkt Cocktails.» Annemirl lächelt verträumt. «Und alles bei Kerzenlicht und zärtlicher Musik. Oh ja, ich möchte schon gerne auf eine Party.»
«Und — ist das alles was du weißt», fragt Linda lauernd.
«Ja … ja …», stottert das Mädchen. «So habe ichs im Kino gesehen.»
«Aha», meint Linda, «und du würdest auch mit einem jungen Mann tanzen … und, du würdest ihn auch küssen? »
Annemirl errötet, verlegen sieht sie zu Boden.
«Ja, das muß doch wohl so sein auf einer Party, wenn er nett ist, der junge Mann? Küssen ist doch keine schwere Sünde, nicht wahr?»
Linda lacht laut auf.
«Natürlich nicht, alles was dir Spaß macht ist keine Sünde. Würdest du … auch ein bißchen mehr als küssen?»
«Wie meinst du das — mehr?»
«Ach, ich meine nur … äh … manchmal macht man Spaß auf einer Party, da geht es oft recht lustig zu, man spielt sehr nette Spielchen. Würdest du da auch mit machen?»
«Oh ja», ruft sie aus und lacht wie ein Kind, das eben gehört hatte auf der Kinderparty würde es lustig zugehen, «ich würde schon mitmachen, ich habs doch auch gerne, wenn die Leute Spaß machen.»
«So», sagt Linda, «weißt du übrigens auch, was Pfänderspiele sind?»
«Oh ja», erwidert Annemirl eifrig. «Das weiß ich schon. Pfänderspiele, das haben wir als Kinder auch bei uns im Dorf gespielt.
«Habt ihr das?»
«Jaja, das ist recht lustig, nicht wahr? Wird so etwas auf einer Party auch gespielt?»
«Ja … doch, manchmal, manchmal, ganz zum Schluß wenn wir alle schon ein bißchen getrunken haben und in der richtigen Stimmung sind. — Würdest du da auch mitmachen, Kindchen?»
«Ei, freilich werde ich mitmachen, Linda, ich bin doch keine Spaßverderberin.»
«Und es würde dich auch nicht stören wenn die Herren, oh, wie soll ich sagen, dir zu verstehen geben, daß du ihnen gefällst, wenn sie dich küssen möchten und dich gerne haben?»
«Nein», sagt das Mädchen verlegen und zuckt gleichgültig die Achsel, «was soll mir das ausmachen?»
«Gut», erwidert Linda, «nächstes Mal nehme ich dich mit.»
«Wirklich?»
«Ja. Übrigens, da wirst du auch Dr. Bittner wieder treffen.»
«Was», fragt Annemirl, «geht der auch zu Parties?»
«Natürlich, meine Kleine. Gefällt er dir?»
«Ach, er ist sehr nett, ich würde schon gerne mit ihm tanzen.»
Linda lachte; ihre weißen Zähne glänzten wie Perlmutter unter dem mit rotem Stift nachgezogenen Lippen.
«Da wird er sich aber bestimmt freuen, übrigens, ich sehe ihn heute. Soll ich ihm Grüße ausrichten von dir?»
«Oh ja, sag, daß ich ihn schön grüßen lasse.»
«Ja, ich werde es ihm ausrichten. — Du kannst dann in das Wohnzimmer gehen und dir das Fernsehen andrehen, wenn du willst.»
«Ja, danke.»