Ansichten der Natur - Alexander von Humboldt - E-Book

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Alexander von Humboldt

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Beschreibung

Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt (geboren 14. September 1769 in Berlin; gestorben 6. Mai 1859 ebenda) war ein deutscher Naturforscher mit weit über die Grenzen Europas hinausreichendem Wirkungsfeld. Dies ist Humboldts erstes größeres Werk und auch sein erfolgreichstes. Man könnte es auch als vorweggenommene Quintessenz des Mammutwerkes »Kosmos« bezeichnen. 1808 lieferte Humboldt den ersten erfahrungswissenschaftlichen Beweis, dass sich Praxisnähe und wissenschaftliches Theoriedenken nicht nur nicht ausschließen, sondern sogar befruchten. Humboldt war Abenteuer und Denker, Entdecker und Wissenschaftler zugleich. Seine Forschungsreisen führten ihn nach Lateinamerika, in die Vereinigten Staaten sowie nach Zentralasien. Alexander von Humboldts Denken war in einem umfassenden Sinn auf die Welt im Ganzen gerichtet. Er war ein wahres Multitalent mit unerschöpflichem Forscherdrang. In Deutschland erlangte er vor allem mit den "Ansichten der Natur" und dem "Kosmos" außerordentliche Popularität. Er war einer der ersten populärwissenschaftlichen Autoren überhaupt. Mehr als 30.000 Briefkontakte mit den bekanntesten Köpfen seiner Zeit aus Wissenschaft, Kultur und Politik zeugen von seiner Verbundenheit zu den intellektuellen Eliten; er wurde somit Vordenker einer globalisierten Wissenschaft. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Alexander von Humboldt

Ansichten der Natur

Alexander von Humboldt

Ansichten der Natur

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] EV: J.G. Cotta’scher Verlag, Stuttgart und Augsburg, 1859 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-10-4

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Wid­mung

Vor­re­de zur ers­ten Aus­ga­be

Vor­re­de zur zwei­ten und drit­ten Aus­ga­be

Über die Step­pen und Wüs­ten

Über die Was­ser­fäl­le des Ori­no­co bei Atu­res und Mai­pu­res

Das nächt­li­che Tier­le­ben im Ur­wal­de

Ide­en zu ei­ner Phy­sio­gno­mik der Ge­wäch­se

Über den Bau und die Wir­kungs­art der Vul­ka­ne in den ver­schie­de­nen Erd­stri­chen

(Die­se Ab­hand­lung wur­de ge­le­sen in der öf­fent­li­chen Ver­samm­lung der Aka­de­mie zu Ber­lin den 24. Jan. 1823.)

Die Le­bens­kraft oder der mo­di­sche Ge­ni­us

Eine Er­zäh­lung

Das Hoch­land von Ca­xa­mar­ca, der al­ten Re­si­denz­stadt des Inka Ata­hu­al­pa

Ers­ter An­blick der Süd­see von dem Rücken der An­des­ket­te

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Sach­bü­cher bei Null Pa­pier

Auf­stand in der Wüs­te

Das Le­ben Jesu

Vom Krie­ge

Ge­schmacks­ver­ir­run­gen im Kunst­ge­wer­be

An­sich­ten der Na­tur

Über den Um­gang mit Men­schen

Die Kunst Recht zu be­hal­ten

Wal­den

Rö­mi­sche Ge­schich­te

Der Un­ter­gang des Abend­lan­des

und wei­te­re …

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Das Buch

Fried­rich Wil­helm Hein­rich Alex­an­der von Hum­boldt (* 14. Sep­tem­ber 1769 in Ber­lin; † 6. Mai 1859 eben­da) war ein deut­scher Na­tur­for­scher mit weit über die Gren­zen Eu­ro­pas hin­aus­rei­chen­dem Wir­kungs­feld.

Dies ist Hum­boldts ers­tes grö­ße­res Werk und auch sein er­folg­reichs­tes. Man könn­te es auch als vor­weg­ge­nom­me­ne Quint­es­senz des Mam­mut­wer­kes »Kos­mos« be­zeich­nen.

1808 lie­fer­te Hum­boldt den ers­ten er­fah­rungs­wis­sen­schaft­li­chen Be­weis, dass sich Pra­xis­nä­he und wis­sen­schaft­li­ches Theo­rie­den­ken nicht nur nicht aus­schlie­ßen, son­dern so­gar be­fruch­ten. Hum­boldt war Aben­teu­er und Den­ker, Ent­de­cker und Wis­sen­schaft­ler zu­gleich.

Sei­ne For­schungs­rei­sen führ­ten ihn nach La­tein­ame­ri­ka, in die Ve­rei­nig­ten Staa­ten so­wie nach Zen­trala­si­en. Alex­an­der von Hum­boldts Den­ken war in ei­nem um­fas­sen­den Sinn auf die Welt im Gan­zen ge­rich­tet. Er war ein wah­res Mul­ti­ta­lent mit un­er­schöpf­li­chem For­scher­drang.

In Deutsch­land er­lang­te er vor al­lem mit den »An­sich­ten der Na­tur« und dem »Kos­mos« au­ßer­or­dent­li­che Po­pu­la­ri­tät. Er war ei­ner der ers­ten po­pu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Au­to­ren über­haupt. Mehr als 30.000 Brief­kon­tak­te mit den be­kann­tes­ten Köp­fen sei­ner Zeit aus Wis­sen­schaft, Kul­tur und Po­li­tik zeu­gen von sei­ner Ver­bun­den­heit zu den in­tel­lek­tu­el­len Eli­ten; er wur­de so­mit Vor­den­ker ei­ner glo­ba­li­sier­ten Wis­sen­schaft.

*

Widmung

Sei­nem teu­ren Bru­der Wil­helm von Hum­boldt in Rom Ber­lin, im Mai 1807

der Ver­fas­ser

Vorrede zur ersten Ausgabe

Schüch­tern über­ge­be ich dem Pub­li­kum eine Rei­he von Ar­bei­ten, die im An­ge­sicht großer Na­tur­ge­gen­stän­de, auf dem Ozean, in den Wäl­dern des Ori­no­co, in den Step­pen von Ve­ne­zue­la, in der Ein­öde pe­rua­ni­scher und me­xi­ka­ni­scher Ge­bir­ge ent­stan­den sind. Ein­zel­ne Frag­men­te wur­den an Ort und Stel­le nie­der­ge­schrie­ben und noch­mals nur in ein Gan­zes zu­sam­men­ge­schmol­zen. Über­blick der Na­tur im großen, Be­weis von dem Zu­sam­men­wir­ken der Kräf­te, Er­neue­rung des Ge­nus­ses, wel­chen die un­mit­tel­ba­re An­sicht der Tro­pen­län­der dem füh­len­den Men­schen ge­währt, sind die Zwe­cke, nach de­nen ich stre­be. Je­der Auf­satz soll­te ein in sich ge­schlos­se­nes Gan­zes aus­ma­chen, in al­len soll­te eine und die­sel­be Ten­denz sich gleich­mä­ßig aus­spre­chen. Die­se äs­the­ti­sche Be­hand­lung na­tur­his­to­ri­scher Ge­gen­stän­de hat, trotz der herr­li­chen Kraft und der Bieg­sam­keit un­se­rer va­ter­län­di­schen Spra­che, große Schwie­rig­kei­ten der Kom­po­si­ti­on. Reich­tum der Na­tur ver­an­laßt An­häu­fung ein­zel­ner Bil­der, und An­häu­fung stört die Ruhe und den To­tal­ein­druck des Ge­mäl­des. Das Ge­fühl und die Phan­ta­sie an­spre­chend, ar­tet der Stil leicht in eine dich­te­ri­sche Pro­sa aus. Die­se Ide­en be­dür­fen hier kei­ner Ent­wi­cke­lung, da die nach­ste­hen­den Blät­ter man­nig­fal­ti­ge Bei­spie­le sol­cher Ver­ir­run­gen, sol­chen Man­gels an Hal­tung dar­bie­ten.

Mö­gen mei­ne An­sich­ten der Na­tur, trotz die­ser Feh­ler, wel­che ich selbst leich­ter rü­gen als ver­bes­sern kann, dem Le­ser doch einen Teil des Ge­nus­ses ge­wäh­ren, wel­chen ein emp­fäng­li­cher Sinn in der un­mit­tel­ba­ren An­schau­ung fin­det. Da die­ser Ge­nuß mit der Ein­sicht in den in­ne­ren Zu­sam­men­hang der Na­tur­kräf­te ver­mehrt wird, so sind je­dem Auf­sat­ze wis­sen­schaft­li­che Er­läu­te­run­gen und Zu­sät­ze bei­ge­fügt.1

Über­all habe ich auf den ewi­gen Ein­fluß hin­ge­wie­sen, wel­chen die phy­si­sche Na­tur auf die mo­ra­li­sche Stim­mung der Mensch­heit und auf ihre Schick­sa­le aus­übt. Be­dräng­ten Ge­mü­tern sind die­se Blät­ter vor­zugs­wei­se ge­wid­met. »Wer sich her­aus­ge­ret­tet aus der stür­mi­schen Le­bens­wel­le«, folgt mir gern in das Dickicht der Wäl­der, durch die un­ab­seh­ba­re Step­pe und auf den ho­hen Rücken der An­des­ket­te. Zu ihm spricht der welt­rich­ten­de Chor:

Auf den Ber­gen ist Frei­heit! Der Hauch der Grüf­te Steigt nicht hin­auf in die rei­nen Lüf­te; Die Welt ist voll­kom­men über­all, Wo der Mensch nicht hin­kommt mit sei­ner Qual.

Hum­boldt hat den An­sich­ten der Na­tur um­fang­rei­che »Er­läu­te­run­gen und Zu­sät­ze« bei­ge­ge­ben, die sich in vie­len Fäl­len zu ei­ge­nen Ab­hand­lun­gen aus­wei­ten und nur noch in lo­sem Zu­sam­men­hang mit den sie­ben Essays, den »Na­tur­ge­mäl­den« der ame­ri­ka­ni­schen Tro­pen, ste­hen; sie sind in die­ser Aus­ga­be weg­ge­las­sen.  <<<

Vorrede zur zweiten und dritten Ausgabe

Die zwie­fa­che Rich­tung die­ser Schrift (ein sorg­sa­mes Be­stre­ben, durch le­ben­di­ge Dar­stel­lun­gen den Na­tur­ge­nuß zu er­hö­hen, zu­gleich aber nach dem der­ma­li­gen Stan­de der Wis­sen­schaft die Ein­sicht in das har­mo­ni­sche Zu­sam­men­wir­ken der Kräf­te zu ver­meh­ren) ist in der Vor­re­de zur ers­ten Aus­ga­be, fast vor ei­nem hal­b­en Jahr­hun­dert, be­zeich­net wor­den. Es sind da­mals schon die man­nig­fal­ti­gen Hin­der­nis­se an­ge­ge­ben, wel­che der äs­the­ti­schen Be­hand­lung großer Na­turs­ze­nen ent­ge­gen­stehn. Die Ver­bin­dung ei­nes li­te­ra­ri­schen und ei­nes rein szi­en­ti­fi­schen Zweckes, der Wunsch, gleich­zei­tig die Phan­ta­sie zu be­schäf­ti­gen und durch Ver­meh­rung des Wis­sens das Le­ben mit Ide­en zu be­rei­chern, ma­chen die An­ord­nung der ein­zel­nen Tei­le und das, was als Ein­heit der Kom­po­si­ti­on ge­for­dert wird, schwer zu er­rei­chen. Trotz die­ser un­güns­ti­gen Ver­hält­nis­se hat das Pub­li­kum der un­voll­kom­me­nen Aus­füh­rung mei­nes Un­ter­neh­mens dau­ernd ein nach­sichts­vol­les Wohl­wol­len ge­schenkt.

Die zwei­te Aus­ga­be der An­sich­ten der Na­tur habe ich in Pa­ris im Jahr 1826 be­sorgt. Zwei Auf­sät­ze: ein »Ver­such über den Bau und die Wir­kungs­art der Vul­ka­ne in den ver­schie­de­nen Erd­stri­chen« und die »Le­bens­kraft oder der rho­di­sche Ge­ni­us«, wur­den da­mals zu­erst bei­ge­fügt. Schil­ler, in ju­gend­li­cher Erin­ne­rung an sei­ne me­di­zi­ni­schen Stu­di­en, un­ter­hielt sich wäh­rend mei­nes lan­gen Auf­ent­halts in Jena gern mit mir über phy­sio­lo­gi­sche Ge­gen­stän­de. Mei­ne Ar­beit über die Stim­mung der ge­reiz­ten Mus­kel- und Ner­ven­fa­ser durch Berüh­rung mit che­misch ver­schie­de­nen Stof­fen gab oft un­sern Ge­sprä­chen eine erns­te­re Rich­tung. Es ent­stand in je­ner Zeit der klei­ne Auf­satz von der Le­bens­kraft. Die Vor­lie­be, wel­che Schil­ler für den »mo­di­schen Ge­ni­us« hat­te, den er in sei­ne Zeit­schrift der Ho­ren auf­nahm, gab mir den Mut, ihn wie­der ab­dru­cken zu las­sen. Mein Bru­der be­rührt in ei­nem Brie­fe, wel­cher erst vor kur­z­em ge­druckt wor­den ist (Wil­helm von Hum­boldt’s Brie­fe an eine Freun­din T. II. S. 39), mit Zart­heit den­sel­ben Ge­gen­stand, setzt aber tref­fend hin­zu: »Die Ent­wi­cke­lung ei­ner phy­sio­lo­gi­schen Idee ist der Zweck des gan­zen Auf­sat­zes. Man lieb­te in der Zeit, in wel­cher der­sel­be ge­schrie­ben ist, mehr, als man jetzt tun wür­de, sol­che halb­dich­te­ri­sche Ein­klei­dun­gen ernst­haf­ter Wahr­hei­ten.«

Es ist mir noch im acht­zigs­ten Jah­re die Freu­de ge­wor­den, eine drit­te Aus­ga­be mei­ner Schrift zu vollen­den und die­sel­be nach den Be­dürf­nis­sen der Zeit ganz um­zu­schmel­zen. Fast alle wis­sen­schaft­li­che Er­läu­te­run­gen sind er­gänzt oder durch neue, in­halt­rei­che­re er­setzt wor­den.1 Ich habe ge­hofft den Trieb zum Stu­di­um der Na­tur da­durch zu be­le­ben, daß in dem kleins­ten Rau­me die man­nig­fal­tigs­ten Re­sul­ta­te gründ­li­cher Beo­b­ach­tung zu­sam­men­ge­drängt, die Wich­tig­keit ge­nau­er nu­me­ri­scher An­ga­ben und ih­rer sin­ni­gen Ver­glei­chung un­ter­ein­an­der er­kannt und dem dog­ma­ti­schen Halb­wis­sen wie der vor­neh­men Zwei­fel­sucht ge­steu­ert wer­de, wel­che in den so­ge­nann­ten hö­he­ren Krei­sen des ge­sel­li­gen Le­bens einen lan­gen Be­sitz ha­ben.

Die Ex­pe­di­ti­on, die ich in Ge­mein­schaft mit Ehren­berg und Gu­stav Rose auf Be­fehl des Kai­sers von Ruß­lan­d im Jah­re 1829 in das nörd­li­che Asi­en (in den Ural, den Al­tai und an die Ufer des Kas­pi­schen Mee­res) ge­macht, fällt zwi­schen die Epo­chen der 2. und 3. Aus­ga­be mei­nes Bu­ches. Sie hat we­sent­lich zur Er­wei­te­rung mei­ner An­sich­ten bei­ge­tra­gen in al­lem, was die Ge­stal­tung der Bo­den­flä­che, die Rich­tung der Ge­birgs­ket­ten, den Zu­sam­men­hang der Step­pen und Wüs­ten, die geo­gra­phi­sche Ver­brei­tung der Pflan­zen nach ge­mes­se­nen Tem­pe­ra­tu­rein­flüs­sen be­trifft. Die Un­kennt­nis, in wel­cher man so lan­ge über die zwei großen schnee­be­deck­ten Ge­birgs­zü­ge zwi­schen dem Al­tai und Hi­ma­la­ja, über den Thi­an-schan und den Kuen-lün, ge­we­sen ist, hat bei der un­ge­rech­ten Ver­nach­läs­si­gung chi­ne­si­scher Quel­len die Geo­gra­phie von In­ner­asi­en ver­dun­kelt und Phan­tasi­en als Re­sul­ta­te der Beo­b­ach­tung in viel­ge­le­se­nen Schrif­ten ver­brei­tet. Seit we­ni­gen Mo­na­ten sind fast un­er­war­tet der hyp­so­me­tri­schen Ver­glei­chung der kul­mi­nie­ren­den Gip­fel bei­der Kon­ti­nen­te wich­ti­ge und be­rich­ti­gen­de Er­wei­te­run­gen zu­ge­kom­men. [...] Die von frü­he­ren Irr­tü­mern be­frei­ten Hö­hen­be­stim­mun­gen zwei­er Ber­ge in der öst­li­chen An­des­ket­te von Bo­li­via, des Sora­ta und Il­li­ma­ni, ha­ben dem Chim­bo­ra­zo sei­nen al­ten Rang un­ter den Schnee­ber­gen des Neu­en Kon­tin­ents mit Ge­wiß­heit noch nicht ganz wie­der­er­teilt, wäh­rend im Hi­ma­la­ja die neue tri­go­no­me­tri­sche Mes­sung des Kin­ch­injin­ga (26 438 Pa­ri­ser Fuß) die­sem Gip­fel den nächs­ten Platz nach dem nun eben­falls tri­go­no­me­trisch ge­nau­er ge­mes­se­nen Dha­wa­la­gi­ri ein­räumt.

Ber­lin, im März 1849

Über die Steppen und Wüsten

Am Fuße des ho­hen Gra­ni­t­rückens, wel­cher im Ju­gen­dal­ter un­se­res Pla­ne­ten, bei Bil­dung des an­til­li­schen Meer­bu­sens, dem Ein­bruch der Was­ser ge­trotzt hat, be­ginnt eine wei­te, un­ab­seh­ba­re Ebe­ne. Wenn man die Berg­tä­ler von Ca­ra­cas und den in­sel­rei­chen See Ta­ca­ri­gua, in dem die na­hen Pi­sang­stäm­me sich spie­geln, wenn man die Flu­ren, wel­che mit dem zar­ten und lich­ten Grün des ta­hi­ti­schen Zucker­schil­fes pran­gen, oder den erns­ten Schat­ten der Ka­kao­ge­bü­sche zu­rück­läßt, so ruht der Blick im Sü­den auf Step­pen, die schein­bar an­stei­gend, in schwin­den­der Fer­ne, den Ho­ri­zont be­gren­zen.

Aus der üp­pi­gen Fül­le des or­ga­ni­schen Le­bens tritt der Wan­de­rer be­trof­fen an den öden Rand ei­ner baum­lo­sen, pflan­zen­ar­men Wüs­te. Kein Hü­gel, kei­ne Klip­pe er­hebt sich insel­för­mig in dem un­er­meß­li­chen Rau­me. Nur hier und dort lie­gen ge­bro­che­ne Flöz­schich­ten von zwei­hun­dert Qua­drat­mei­len Ober­flä­che be­merk­bar hö­her als die an­gren­zen­den Tei­le. Bän­ke nen­nen die Ein­ge­bor­nen die­se Er­schei­nung, gleich­sam ahn­dungs­voll durch die Spra­che den al­ten Zu­stand der Din­ge be­zeich­nend, da jene Er­hö­hun­gen Un­tie­fen, die Step­pen selbst aber der Bo­den ei­nes großen Mit­tel­mee­res wa­ren.

Noch ge­gen­wär­tig ruft oft nächt­li­che Täu­schung die­se Bil­der der Vor­zeit zu­rück. Wenn im ra­schen Auf­stei­gen und Nie­der­sin­ken die lei­ten­den Gestir­ne den Saum der Ebe­ne er­leuch­ten oder wenn sie zit­ternd ihr Bild ver­dop­peln in der un­tern Schicht der wo­gen­den Düns­te, glaubt man den küs­ten­lo­sen Ozean vor sich zu se­hen. Wie die­ser er­füllt die Step­pe das Ge­müt mit dem Ge­fühl der Unend­lich­keit und durch dies Ge­fühl, wie den sinn­li­chen Ein­drücken des Rau­mes sich ent­win­dend, mit geis­ti­gen An­re­gun­gen hö­he­rer Ord­nung. Aber freund­lich zu­gleich ist der An­blick des kla­ren Mee­res­s­pie­gels, in wel­chem die leicht­be­weg­li­che, sanft auf­schäu­men­de Wel­le sich kräu­selt; tot und starr liegt die Step­pe hin­ge­streckt wie die nack­te Fels­rin­de ei­nes ver­öde­ten Pla­ne­ten.

In al­len Zo­nen bie­tet die Na­tur das Phä­no­men die­ser großen Ebe­nen dar; in je­der ha­ben sie einen ei­gen­tüm­li­chen Cha­rak­ter, eine Phy­sio­gno­mie, wel­che durch die Ver­schie­den­heit ih­res Bo­dens, durch ihr Kli­ma und durch ihre Höhe über der Ober­flä­che des Mee­res be­stimmt wird.

Im nörd­li­chen Eu­ro­pa kann man die Hei­de­län­der, wel­che, von ei­nem ein­zi­gen, al­les ver­drän­gen­den Pflan­zen­zu­ge be­deckt, von der Spit­ze von Jüt­land sich bis an den Aus­fluß der Schel­de er­stre­cken, als wah­re Step­pen be­trach­ten, aber Step­pen von ge­rin­ger Aus­deh­nung und hoch­hüg­lich­ter Ober­flä­che, wenn man sie mit den Lla­nos und Pam­pas von Süd­ame­ri­ka oder gar mit den Gras­flu­ren am Mis­sou­ri und Kup­fer­flus­se ver­gleicht, in de­nen der zot­ti­ge Bi­son und der klei­ne Mo­schuss­tier um­her­schwär­men.

Ei­nen grö­ße­ren und erns­te­ren An­blick ge­wäh­ren die Ebe­nen im In­nern von Afri­ka. Gleich der wei­ten Flä­che des Stil­len Ozeans hat man sie erst in neue­ren Zei­ten zu durch­for­schen ver­sucht; sie sind Tei­le ei­nes Sand­mee­res, wel­ches ge­gen Os­ten frucht­ba­re Erd­stri­che von­ein­an­der trennt oder insel­för­mig ein­schließt, wie die Wüs­te am Ba­salt­ge­bir­ge Ha­rudsch, wo in der dat­tel­rei­chen Oa­sis von Siwa die Trüm­mer des Am­mon-Tem­pels den ehr­wür­di­gen Sitz frü­her Men­schen­bil­dung be­zeich­nen. Kein Tau, kein Re­gen be­netzt die­se öden Flä­chen und ent­wi­ckelt im glü­hen­den Schoß der Erde den Keim des Pflan­zen­le­bens. Denn hei­ße Luft­säu­len stei­gen über­all auf­wärts, lö­sen die Düns­te und ver­scheu­chen das vor­über­ei­len­de Ge­wölk.

Wo die Wüs­te sich dem At­lan­ti­schen Ozean nä­hert, wie zwi­schen Wadi Nun und dem Wei­ßen Vor­ge­bir­ge, da strömt die feuch­te Mee­res­luft hin, die Lee­re zu fül­len, welch durch jene senk­rech­ten Win­de er­regt wird. Selbst wenn der Schif­fer durch ein Meer, das wie­sen­ar­tig mit See­tang be­deckt ist, nach der Mün­dung des Gam­bia steu­ert, ahn­det er, wo ihn plötz­lich der tro­pi­sche Ost­wind ver­läßt, die Nähe des weit­ver­brei­te­ten wär­me­strah­len­den San­des.

Her­den von Ga­zel­len und schnell­fü­ßi­ge Strau­ße durch­ir­ren den un­er­meß­li­chen Raum. Rech­net man ab die im Sand­mee­re neu­ent­deck­ten Grup­pen quel­len­rei­cher In­seln, an de­ren grü­nen Ufern die no­ma­di­schen Tib­bos und Tua­ryks schwär­men, so ist der üb­ri­ge Teil der afri­ka­ni­schen Wüs­te als dem Men­schen un­be­wohn­bar zu be­trach­ten. Auch wa­gen die an­gren­zen­den ge­bil­de­ten Völ­ker sie nur pe­ri­odisch zu be­tre­ten. Auf We­gen, die der Han­dels­ver­kehr seit Jahr­tau­sen­den un­wan­del­bar be­stimmt hat, geht der lan­ge Zug von Ta­fi­let bis Tom­buk­tu oder von Mur­zuk bis Bor­nu: küh­ne Un­ter­neh­mun­gen, de­ren Mög­lich­keit auf der Exis­tenz des Ka­mels be­ruht, des Schiffs der Wüs­te, wie es die al­ten Sa­gen der Ost­welt nen­nen.

Die­se afri­ka­ni­schen Ebe­nen fül­len einen Raum aus, wel­cher den des na­hen Mit­tel­mee­res fast drei­mal über­trifft. Sie lie­gen zum Teil un­ter den Wen­de­krei­sen selbst, zum Teil den­sel­ben nahe, und die­se Lage be­grün­det ih­ren in­di­vi­du­el­len Na­tur­cha­rak­ter. Da­ge­gen ist in der öst­li­chen Hälf­te des al­ten Kon­tin­ents das­sel­be geo­gno­s­ti­sche Phä­no­men mehr der ge­mä­ßig­ten Zone ei­gen­tüm­lich.

Auf dem Ber­grücken von Mit­te­la­si­en zwi­schen dem Gold­ber­ge oder Al­tai und dem Kuen-lün von der Chi­ne­si­schen Mau­er an bis jen­seits des Him­mels­ge­bir­ges und ge­gen den Aral­see hin, in ei­ner Län­ge von meh­re­ren tau­send Mei­len, brei­ten sich, wenn auch nicht die höchs­ten, doch die größ­ten Step­pen der Welt aus. Ei­nen Teil der­sel­ben, die Kal­mücken- und Kir­gi­sen-Step­pen zwi­schen dem Don, der Wol­ga, dem Kas­pi­schen Mee­re und dem chi­ne­si­schen Dsai­sang-See, also in ei­ner Er­stre­ckung von fast 700 geo­gra­phi­schen Mei­len [5200 km], habe ich selbst zu se­hen Ge­le­gen­heit ge­habt, vol­le drei­ßig Jah­re nach mei­ner süd­ame­ri­ka­ni­schen Rei­se. Die Ve­ge­ta­ti­on der asia­ti­schen, bis­wei­len hü­ge­li­gen und durch Fich­ten­wäl­der un­ter­bro­che­nen Step­pen ist grup­pen­wei­se viel man­nig­fal­ti­ger als die der Lla­nos und Pam­pas von Ca­ra­cas und Bue­nos Ai­res. Der schö­ne­re Teil der Ebe­nen, von asia­ti­schen Hir­ten­völ­kern be­wohnt, ist mit nied­ri­gen Sträu­chern üp­pig weiß­blü­hen­der Ro­sa­zeen, mit Kai­ser­kro­nen (Fri­til­la­ri­en), Tul­pen und Cy­pri­pe­di­en ge­schmückt. Wie die hei­ße Zone sich im gan­zen da­durch aus­zeich­net, daß al­les Ve­ge­ta­ti­ve baumar­tig zu wer­den strebt, so cha­rak­te­ri­siert ei­ni­ge Step­pen der asia­ti­schen ge­mä­ßig­ten Zone die wun­der­sa­me Höhe, zu der sich blü­hen­de Kräu­ter er­he­ben: Saus­su­reen und an­de­re Sy­nan­the­reen, Scho­ten­ge­wäch­se, be­son­ders ein Heer von As­tra­ga­lus-Ar­ten. Wenn man in den nied­ri­gen ta­ta­ri­schen Fuhr­wer­ken sich durch weg­lo­se Tei­le die­ser Kraut­step­pen be­wegt, kann man nur auf­recht ste­hend sich ori­en­tie­ren und sieht die wald­ar­tig dicht­ge­dräng­ten Pflan­zen sich vor den Rä­dern nie­der­beu­gen. Ei­ni­ge die­ser asia­ti­schen Step­pen sind Gra­sebe­nen, an­de­re mit saf­ti­gen, im­mer­grü­nen, ge­glie­der­ten Ka­li­pflan­zen be­deckt, vie­le fern­leuch­tend von flech­ten­ar­tig auf­sprie­ßen­dem Sal­ze, das un­gleich, wie frisch­ge­fal­le­ner Schnee, den let­ti­gen Bo­den ver­hüllt.

Die­se mon­go­li­schen und ta­ta­ri­schen Step­pen, durch man­nig­fal­ti­ge Ge­birgs­zü­ge un­ter­bro­chen, schei­den die ur­al­te, lang­ge­bil­de­te Mensch­heit in Ti­bet und Hin­dos­tan von den ro­hen, nordasia­ti­schen Völ­kern. Auch ist ihr Da­sein von man­nig­fal­ti­gem Ein­fluß auf die wech­seln­den Schick­sa­le des Men­schen­ge­schlechts ge­we­sen. Sie ha­ben die Be­völ­ke­rung ge­gen Sü­den zu­sam­men­ge­drängt, mehr als der Hi­ma­la­ja, als das Schnee­ge­bir­ge von Si­ri­na­gur und Gor­ka den Ver­kehr der Na­tio­nen ge­stört und im Nor­den Asi­ens un­wan­del­ba­re Gren­zen ge­setzt der Ver­brei­tung mil­de­rer Sit­ten und des schaf­fen­den Kunst­sinns.

Aber nicht als hin­dern­de Vor­mau­er al­lein darf die Ge­schich­te die Ebe­ne von In­ner­asi­en be­trach­ten. Un­heil und Ver­wüs­tung hat sie mehr­mals über den Erd­kreis ge­bracht. Hir­ten­völ­ker die­ser Step­pe: die Mon­go­len, Ge­ten, Ala­nen und Usün ha­ben die Welt er­schüt­tert. Wenn in dem Lauf der Jahr­hun­der­te frü­he Geis­tes­kul­tur gleich dem er­qui­cken­den Son­nen­licht von Os­ten nach Wes­ten ge­wan­dert ist, so ha­ben spä­ter­hin, in der­sel­ben Rich­tung, Bar­ba­rei und sitt­li­che Ro­heit Eu­ro­pa ne­bel­ar­tig zu über­zie­hen ge­droht. Ein brau­ner Hir­ten­stamm (tu­kiui­scher, d. i. tür­ki­scher Ab­kunft), die Hiong­nu, be­wohn­te in le­der­nen Ge­zel­ten die hohe Step­pe von Gobi. Der chi­ne­si­schen Macht lan­ge furcht­bar, ward ein Teil des Stam­mes süd­lich nach In­ner­asi­en zu­rück­ge­drängt. Die­ser Stoß der Völ­ker pflanz­te sich un­auf­halt­sam bis in das alte Fin­nen­land am Ural fort. Von dort aus bra­chen Hun­nen, Ava­ren, Cha­sa­ren und man­nig­fal­ti­ge Ge­mi­sche asia­ti­scher Men­schen­ras­sen her­vor. Hun­ni­sche Kriegs­hee­re er­schie­nen erst an der Wol­ga, dann in Pan­no­ni­en, dann an der Mar­ne und an den Ufern des Po: die schön be­pflanz­ten Flu­ren ver­hee­rend, wo seit An­te­nors Zei­ten die bil­den­de Mensch­heit Denk­mal auf Denk­mal ge­häuft. So weh­te aus den mon­go­li­schen Wüs­ten ein ver­pes­te­ter Win­des­hauch, der auf zis­al­pi­ni­schem Bo­den die zar­te, lang­ge­pfleg­te Blü­te der Kunst er­stick­te.

Von den Salz­step­pen Asi­ens, von den eu­ro­päi­schen Hei­de­län­dern, die im Som­mer mit ho­nig­rei­chen, röt­li­chen Blu­men pran­gen, und von den pflan­zen­lee­ren Wüs­ten Afri­kas keh­ren wir zu den Ebe­nen von Süd­ame­ri­ka zu­rück, de­ren Ge­mäl­de ich be­reits an­ge­fan­gen habe mit ro­hen Zü­gen zu ent­wer­fen.

Das In­ter­es­se, wel­ches ein sol­ches Ge­mäl­de dem Beo­b­ach­ter ge­wäh­ren kann, ist aber ein rei­nes Na­tu­r­in­ter­es­se. Kei­ne Oase er­in­nert hier an frü­he Be­woh­ner, kein be­haue­ner Stein, kein ver­wil­der­ter Frucht­baum an den Fleiß un­ter­ge­gan­ge­ner Ge­schlech­ter. Wie den Schick­sa­len der Mensch­heit fremd, al­lein an die Ge­gen­wart fes­selnd, liegt die­ser Erd­win­kel da, ein wil­der Schau­platz des frei­en Tier- und Pflan­zen­le­bens.

Von der Küs­ten­ket­te von Ca­ra­cas er­streckt sich die Step­pe bis zu den Wäl­dern der Gu­ya­na, von den Schnee­ber­gen von Méri­da, an de­ren Ab­hange der Na­tri­um­see Urao ein Ge­gen­stand des re­li­gi­ösen Aber­glau­bens der Ein­ge­bor­nen ist, bis zu dem großen Del­ta, wel­ches der Ori­no­co an sei­ner Mün­dung bil­det. Süd­west­lich zieht sie sich gleich ei­nem Mee­res­ar­me jen­seits der Ufer des Meta und des Vicha­da bis zu den un­be­such­ten Quel­len des Gua­via­re und bis zu dem ein­sa­men Ge­birgs­stock hin, wel­chen spa­ni­sche Kriegs­völ­ker, im Spiel ih­rer reg­sa­men Phan­ta­sie, den Pa­ra­mo de la suma paz, gleich­sam den schö­nen Sitz des ewi­gen Frie­dens, nann­ten.

Die­se Step­pe nimmt einen Raum von 16.000 Qua­drat­mei­len1 ein. Aus geo­gra­phi­scher Un­kun­de hat man sie oft in glei­cher Brei­te als un­un­ter­bro­chen bis an die Ma­gel­la­ni­sche Meeren­ge fort­lau­fend ge­schil­dert, nicht ein­ge­denk der wal­di­gen Ebe­ne des Ama­zo­nen­flus­ses, wel­che ge­gen Nor­den und Sü­den von den Gras­s­tep­pen des Apu­re und des La-Pla­ta-Stro­mes be­grenzt wird. Die An­des­ket­te von Cocha­bam­ba und die bra­si­lia­ni­sche Berg­grup­pe sen­den, zwi­schen der Pro­vinz Chi­qui­tos und der Landen­ge von Vil­label­la, ein­zel­ne Ber­g­jo­che sich ent­ge­gen. Eine schma­le Ebe­ne ver­ei­nigt die Hyläa2 des Ama­zo­nen­flus­ses mit den Pam­pas von Bue­nos Ai­res. Letz­te­re über­tref­fen die Lla­nos von Ve­ne­zue­la drei­mal an Flä­chen­in­halt. Ja ihre Aus­deh­nung ist so wun­der­voll groß, daß sie auf der nörd­li­chen Sei­te durch Pal­men­ge­bü­sche be­grenzt und auf der süd­li­chen fast mit ewi­gem Eise be­deckt sind. Der ka­suar­ähn­li­che Tuyu (Strut­hio Rhea) ist die­sen Pam­pas ei­gen­tüm­lich wie die Ko­lo­ni­en ver­wil­der­ter Hun­de, wel­che ge­sel­lig in un­ter­ir­di­schen Höh­len woh­nen, aber oft blut­gie­rig den Men­schen an­fal­len, für des­sen Ver­tei­di­gung ihre Stamm­vä­ter kämpf­ten.

Gleich dem größ­ten Tei­le der Wüs­te Sa­ha­ra lie­gen die Lla­nos, oder die nörd­lichs­te Ebe­ne von Süd­ame­ri­ka, in dem hei­ßen Erd­gür­tel. Den­noch er­schei­nen sie in je­der Hälf­te des Jah­res un­ter ei­ner ver­schie­de­nen Ge­stalt: bald ver­ödet, wie das li­by­sche Sand­meer, bald als eine Gras­flur, wie so vie­le Step­pen von Mit­te­la­si­en.

Es ist ein be­loh­nen­des, wenn­gleich schwie­ri­ges Ge­schäft der all­ge­mei­nen Län­der­kun­de, die Na­tur­be­schaf­fen­heit ent­le­ge­ner Erd­stri­che mit­ein­an­der zu ver­glei­chen und die Re­sul­ta­te die­ser Ver­glei­chung in we­ni­gen Zü­gen dar­zu­stel­len. Man­nig­fal­ti­ge, zum Teil noch we­nig ent­wi­ckel­te Ur­sa­chen ver­min­dern die Dür­re und Wär­me des neu­en Welt­teils.

Wird da­her eine Sei­te un­sers Pla­ne­ten luft­feuch­ter als die an­de­re ge­nannt, so ist die Be­trach­tung des ge­gen­wär­ti­gen Zu­stan­des der Din­ge hin­läng­lich, das Pro­blem die­ser Un­gleich­heit zu lö­sen. Der Phy­si­ker braucht die Er­klä­rung sol­cher Na­tur­er­schei­nun­gen nicht in das Ge­wand geo­lo­gi­scher My­then zu hül­len. Es be­darf der An­nah­me nicht, als habe sich auf dem ur­al­ten Erd­kör­per in der öst­li­chen und west­li­chen He­mi­sphä­re un­gleich­zei­tig ge­schlich­tet der ver­derb­li­che Streit der Ele­men­te; oder als sei aus der chao­ti­schen Was­ser­be­de­ckung Ame­ri­ka spä­ter als die üb­ri­gen Welt­tei­le her­vor­ge­tre­ten, ein sumpf­rei­ches, von Kro­ko­di­len und Schlan­gen be­wohn­tes Ei­land.

Al­ler­dings hat Süd­ame­ri­ka, nach der Ge­stalt sei­nes Um­ris­ses und der Rich­tung sei­ner Küs­ten, eine auf­fal­len­de Ähn­lich­keit mit der süd­west­li­chen Halb­in­sel des al­ten Kon­tin­ents. Aber in­ne­re Struk­tur des Bo­dens und re­la­ti­ve Lage zu den an­gren­zen­den Län­der­mas­sen brin­gen in Afri­ka jene wun­der­ba­re Dür­re her­vor, wel­che in un­er­meß­li­chen Räu­men der Ent­wi­cke­lung des or­ga­ni­schen Le­bens ent­ge­gen­sieht. Vier Fünf­tei­le von Süd­ame­ri­ka lie­gen jen­seits des Äqua­tors: also in ei­ner He­mi­sphä­re, wel­che we­gen der grö­ße­ren Was­ser­men­ge und we­gen man­nig­fal­ti­ger an­de­rer Ur­sa­chen küh­ler und feuch­ter als uns­re nörd­li­che Halb­ku­gel ist. Die­ser letz­te­ren ge­hört da­ge­gen der be­trächt­li­che­re Teil von Afri­ka zu.

Die süd­ame­ri­ka­ni­sche Step­pe, die Lla­nos, ha­ben, von Os­ten ge­gen Wes­ten ge­mes­sen, eine drei­mal ge­rin­ge­re Aus­deh­nung als die afri­ka­ni­schen Wüs­ten. Jene emp­fan­gen den tro­pi­schen See­wind, die­se, un­ter ei­nem Brei­ten­zir­kel mit Ara­bi­en und dem süd­li­chen Per­si­en ge­le­gen, wer­den von Luft­schich­ten be­rührt, die über hei­ße, wär­me­strah­len­de Kon­ti­nen­te hin­we­hen. Auch hat be­reits der ehr­wür­di­ge, lang­ver­kann­te Va­ter der Ge­schich­te, He­ro­dot, im ech­ten Sinn ei­ner großen Na­tur­an­sicht alle Wüs­ten in Nor­d­afri­ka, in Ye­men, Ker­man und Me­kran (der Ge­dro­sia der Grie­chen), ja bis Mul­tan in Vor­der­in­di­en hin als ein ein­zi­ges zu­sam­men­hän­gen­des Sand­meer ge­schil­dert.