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Eine poetische Lebensskizze eines faszinierenden Protagonisten.
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Seitenzahl: 71
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Antuan außen vor. - Dennis Franzen Aber der Gegensatz zwischen
Antuan und der Welt, die ihn wie einen Käfig umringte, wurde
deutlicher. Es schien im Gespräch, als fielen mit den fallenden
Worten und Anschuldigungen Welten in Antuan zusammen und
die Wut von der Lehrerin. Der Innenhof, in dem sie standen,
war reichlich besucht, an den Ecken, auf einer Wiese, an der
alten und geliebten Mauer, saßen Schülerinnen und Schüler, die
dem Schauspiel abgeneigt, dennoch aufmerksam Folge
leisteten. Antuan schien es, als fesselten die Schaulustigen ihn
in diese Situation. Die Lehrerin brachte ihn in das Schulbüro,
wo er dem Schulleiter in seiner Rolle vorgestellt wurde.
Zuvor geschah, was unvermeidlich war, sicher falsch war, aber
was blieb Antuan anderes übrig, als sich mit dem Sohn der
Lehrerin auseinanderzusetzen. Er hatte Antuan erneut vor den
Augen der Mitschüler, die ihn selbst kaum kannten, gedemütigt
und bloßgestellt. Bekannt für solche Aktionen war er bereits in
der ganzen Schule. Antuan reagierte, doch war seine Reaktion
der Schlag in das hämische Gesicht, das ihn zuvor wie eine
Maske verspottet hatte. Eine Maske, die sich gerne auf die
Mitmenschen übertrug, wenn so etwas geschah.
Der Schulleiter nahm sich Antuan an. Er war ein verständiger,
alter Mann, mit viel Erfahrung, aber er war seinen Lehrern zu
Loyalität verpflichtet, wie sie im ganzen Kollegium herrschte.1
Antuan schilderte, doch seine Ausführungen fanden keinen
Anklang, der Sohn der Lehrerin war gewitzt, wie manche
Lehrer gewitzt genug sind, um vieles zu tun, aber keine
Beweise zu hinterlassen. Antuan wurde der Schule verwiesen.
Die Zeit an dieser Schule war für Antuan nicht leicht, schwerer
als für jeden anderen Schüler, konnte man wohl sagen. Wenn er
versuchte mit anderen zu sprechen, waren sie seinem Status
abgeneigt, wenn er Freundschaften fand, zerbrachen diese an
gruppenmoralischen Geschehnissen, wenn er sich im
Unterricht beteiligte, wurde er abgewunken.
Er war durchaus kein leichter Charakter, wohl etwas anders
entwickelt als seine Mitschüler, auch aus anderen Verhältnissen
und schließlich aus anderen Gründen in der Schule, denn was
blieb ihm als Grund für den Schulbesuch, wenn er stets
unwillkommen war.
Dies war so, seit er in eine neue Stadt zog, seit er in einer
neuen Stadt versuchte ein Leben zu finden, das er mit seiner
Heimat verloren hatte. Doch der Verlust des Schulplatzes war
auch für ihn eine Tragödie. Er wusste nun nicht, wie es
weitergehen sollte. Er wusste nicht einmal mehr, wie er seinen
Eltern all dieses erklären sollte. Antuan lief aufgebracht und
durcheinander aus dem Schulgebäude. Im Rücken die Schande
der Schulgemeinschaft.2 Denn eisig weht der Wind der Tugend, Umweht, umschließt, nimmt ein die Jugend, Der Einzelfall wird nicht gewichtet, Der Ruf, das Selbstbild nun vernichtet, Die Ahnung mancher erstickt im Keim, Die Lehrer rufen Totschlag rein, Der Mensch in hohem Status weiß, Der Wind des kleinen Mannes weht leis', Das Verhör ist im Gehör geblieben, Wie ein Urteil mit Lebenszielen, Die Stadt liegt still, der Mensch, er tobt, Die alte Schule wird gelobt, Die Umstände waren zuwider, Das Umfeld sang die hohen Lieder, Der Rückschlag war nur zu erwarten, Es sind alltägliche Höllenfahrten, Er zieht davon und rauscht ins Nichts, Kein Glanz und Ruhm des Bürgerlichts, Der Abend bringt nicht die Genesung, Von Wunden der harten Auslesung, Der Vater trauert, Mutter weint, Wie dies im Lebenslauf erscheint, In der Brust brennt das Siegel Feind.3 Antuan hat gestern die Schule verlassen, er hat jetzt nichts mehr. Er hat Ihn geschlagen, wie konnte er es nur wagen. Er ist in Streit mit der Lehrerin geraten und es konnte nichts geklärt werden. Dieser Taugenichts, der sich nicht benehmen kann, er lehnt wohl alles ab, wofür wir an dieser Schule stehen. Er ist auch aus einer anderen Welt und denkt, er könnte sie hier weiterleben und vielleicht noch einbauen. Das ist der Trugschluss seines Lebens. Es gab keine Chance für ihn, er ist der Falsche, um sich mit einem von Uns anzulegen. Und nun sehen er und seine Familie, was sie davon haben. Seine Eltern müssen ja nicht einmal in die Schule gekommen sein. Wo kommt er nur her, dieser Antuan, was bringt ihn nur dazu, sich so zu verhalten, was fällt ihm ein, sich als Gast in unserer Atmosphäre so zu benehmen. Fehlt es ihm an jeglichem sozialen Verständnis? Er war immer seltsam, er kam an, hat direkt niemanden gefunden, mit dem er sich verstand. Aber das war auch seine Schuld. Er hat auch nie einen Hauch von Interesse gezeigt, sich wenigstens etwas anzupassen und zu versuchen, wie Wir alle ein anständiges Leben zu führen. Nun sieht man wieder, was man davon hat. Ohne Schulbildung ist er in seiner Familiensituation verloren. Seine Mutter muss ihn nie wirklich erzogen haben.4 Was fiel ihm ein, sich nicht zu entschuldigen. Er lief doch nur an ihm vorbei. Wir haben es doch alle gesehen. Es ist eine Blamage für ihn, Er jedoch stand unter dem Schutz seiner Mutter. Sie ist eine gute Mutter und eine gute Lehrerin. Was fällt ihm nur ein Ihn zu schlagen. Nun werden wir ihn vergessen, das Leben geht weiter. Vielleicht sehen wir ihn eines Tages an einer Ecke mit Gras ticken. Mehr wird aus ihm nicht mehr werden. Seine Zukunft ist mit dieser Attacke untergegangen. Etwas Leid tut er mir ja schon, aber es ist nun mal wie es kommen musste, nun leben wir unser Leben weiter und Antuan wird irgendwo unter die Räder kommen. Es war wohl an der Zeit, dass etwas passiert. Wir mochten ihn alle nicht, Er hat ihn eigentlich noch gut behandelt und Antuan fällt ihm so in den Rücken. Ist es vielleicht der Neid auf unsere Identität, die ihn antreibt? Was es auch ist, es wird ihm weiterhin Probleme machen, wenn er es nicht schafft seine Neigung zur Gewalt unter Kontrolle zu bekommen. Vielleicht sollten Unsere Eltern sich mit seinen Eltern auseinandersetzen. Irgendeinen Grund muss es wohl haben. Irgendeinen Ansatz an Vernunft muss man doch auch in diesem finden können.5 Gerede über Stolz und Ruhm und Ehre, Gezehre aus den Wurzeln alter Märe, Das verrufene Geschehen, Ein Mensch falsch wie sein Benehmen, Die Gemeinschaft hält zusammen, Es gilt Schuld ins Nichts zu bannen, Die Geschichte wird geschrieben, Einigung auf persönlichen Frieden, Das Verhältnis war gespannt, Das einzige und letzte Band, Das die Schülerschaft verbindet, Der Lehrer Unheil stetig lindert, Und es findet keine Ruhe, Erinnerungen in einer Truhe, Das Erlebte wird gemeißelt, Das Vergangene gegeißelt, Nach den ersten Tagen Wind, Als ob es die letzten sind, Nach den ersten Wochen Abneigung, Die gesellschaftliche Eignung, Und die Mauer steht wie eh und jeh, Die Akzeptanz ein scheues Reh, Es ist und bleibt der gleiche Dreh.6 Aber inmitten des ganzen Trubels fand sich eine Person, die das Geschehene traf und mitriss. Sie saß still an der Mauer und blätterte aufgewühlt in ihren Unterlagen. War sie doch schon einige Zeit mit Antuan in Blickkontakt gewesen und nun zerriss das stille Band, das sie wie ein Hauch Frühling in jeder Jahreszeit begleitet hatte. Einst stand Antuan an dieser Mauer und studierte still seine Unterlagen. Er wirkte immer etwas bedrückt, war es doch so, dass das Geschehen in der Schule nicht spurlos an ihm vorbeiging, war es doch so, dass Antuan als Einzelgänger immer wieder ein Funken der Suche nach dem Glück angetrieben hatte. Einmal sah sie ihn im Gespräch mit einem Lehrer. Antuan diskutierte zurückhaltend, aber schlagfertig. Das Problem an Antuans Status war, dass niemand anerkannte, dass er wie jeder andere Schüler behandelt werden konnte. Die meisten sahen in ihm bereits auf den ersten Blick eine Bedrohung für die üblichen Ideale. Denn er war anders gekleidet, blickte immer etwas mürrisch, war in seinen tiefsten Zügen unzufrieden und das wirkte angriffslustig, war selbst gutaussehend, aber nun mal nicht hübsch, war selbst klug, aber nun mal nicht belesen. Es waren viele Konstanten, die andere in Antuan annahmen.7 Sie hatten nie gemeinsam eine Klasse besucht, hatten nicht einmal direkt miteinander gesprochen. Aber auch Antuan konnte sich an dieses Mädchen erinnern. Sie war ihm als wohlgesonnener Mensch in Erinnerung geblieben. Eine Art Gegensatz zu dem, was er bis dahin gewohnt war. Und er fragte sich manchmal, was diese Leichtigkeit ausmachte, mit der sie sich zu bewegen schien, als sie sich sahen. Sie hatte niemals ein Interesse daran Antuan auf seinen Status oder seine Familiensituation zu reduzieren, wie es allgemein üblich war. Sie hatte in ihm immer nur einen Menschen gesehen, der ein schweres Los in seinem Leben gezogen hatte und dem vielleicht irgendwann etwas Glück widerfahren sollte. Sie verließ die Mauer und war etwas traurig, dass es ein solches Ende nehmen musste. Sie selbst war in einer ähnlichen Position wie er, sie waren sich allgemein ähnlich, nahm sie an.