Arbeit und Selbstverwirklichung - Lars Grünewald - E-Book

Arbeit und Selbstverwirklichung E-Book

Lars Grünewald

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Beschreibung

Projektarbeit ist sowohl die zukünftige Form des gesellschaftlichen Arbeitslebens als auch der individuellen Selbstverwirklichung des einzelnen Menschen. Eine systematische Ausbildung zur Projektarbeit entwickelt damit zugleich die Grundfähigkeiten zur sozialen Selbstverwirklichung.

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Inhalt

Soziale Selbstverwirklichung als Bildungsziel

Arbeit und Selbstverwirklichung

Zukunft der Arbeit

Ausbildung zur Projektarbeit

Ausbildung von Grundfähigkeiten

Selbstorganisation von Bildung

Anhang: Zur Bildungs- und Arbeitsbiographie des Autors

www.selbstorganisierte-bildung.de

1) Soziale Selbstverwirklichung als Bildungsziel

Individuelle Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Integration als polare Bildungsziele

In allen Bildungsprozessen geht es um den Erwerb und die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten. Doch wozu sollen Fähigkeiten eigentlich ausgebildet werden? Die Antwort auf diese Frage bestimmt die grundlegende Zielsetzung von Bildung. Die fundamentalen – gewissermaßen strategischen – Ziele von Bildungsprozessen bewegen sich prinzipiell zwischen zwei einander entgegengesetzten Extremen, nämlich einerseits der individuellen Selbstverwirklichung des einzelnen Menschen und andererseits dessen Integration in die Gesellschaft.

Dem Bildungsansatz der individuellen Selbstverwirklichung geht es primär darum, die vorhandenen Anlagen und Talente – das Potenzial – des einzelnen Menschen zu entfalten, damit dieser mit Hilfe entsprechend ausgebildeter Fähigkeiten seine selbstgesteckten Lebensziele in möglichst großem Umfang verwirklichen kann. Ein solches Bildungsverständnis wird darauf abzielen, vor allem solche Fähigkeiten zu entwickeln, die für eine gelingende Selbstverwirklichung der jeweiligen menschlichen Persönlichkeit erforderlich sind.

Die Bildungsperspektive der gesellschaftlichen Integration hingegen betrachtet den Menschen vorwiegend als ein Gemeinschaftswesen und fragt deswegen, über welche Fähigkeiten Menschen verfügen müssen, um sich in die sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge ihres gesellschaftlichen Umfeldes angemessen eingliedern zu können. Ein wesentlicher Gesichtspunkt hierbei ist das Interesse der Gesamtgesellschaft daran, dass der Einzelne durch seine Aktivitäten dem gesellschaftlichen Zusammenleben in möglichst hohem Umfang nützt und in möglichst geringem Ausmaß schadet.

Einseitigkeiten

Wird nun eine dieser beiden fundamentalen Bildungsperspektiven einseitig – d.h. ohne Berücksichtigung des entgegengesetzten Standpunktes – forciert, so führt dies unweigerlich zu negativen, durchaus dramatischen Konsequenzen:

Bei ausschließlicher Betonung des Aspektes der individuellen Selbstverwirklichung wird der betreffende Mensch darin gefördert, ausschließlich an sich selber zu denken und sich bei der kompromisslosen Verfolgung seiner Ziele rücksichtslos gegenüber anderen zu verhalten, indem er seine Intentionen auf deren Kosten und zu ihrem Nachteil durchzusetzen sucht: Der Mensch droht bei Vernachlässigung des Aspekts der gesellschaftlichen Integration zu einem

antisozialen

Wesen zu werden.

Die einseitige Verfolgung des Zieles der gesellschaftlichen Integration hingegen nötigt Menschen dazu, sich fraglos den bestehenden Verhaltensnormen derjenigen Gemeinschaften anzupassen, in denen sie leben und handeln (Familie, Arbeitsbeziehungen, Interessengruppen, Gesamtgesellschaft usw.). Derartige Anforderungen unterdrücken und vernichten in letzter Konsequenz die menschliche Individualität, sofern diese nicht gesellschaftskonforme Ziele verfolgt: Der Mensch wird bei Vernachlässigung des Aspekts der individuellen Selbstverwirklichung zu einem ausschließlich gruppenkonformen, im negativen Sinne

selbst- bzw. individualitätslosen

Wesen erzogen.

Es wird sich demnach bei einer einigermaßen ausgewogenen Betrachtungsweise der Vor- und Nachteile beider einander diametral entgegengesetzter Bildungsperspektiven nicht empfehlen, einseitig einen der beiden Standpunkte als ausschließliches Bildungsziel zu fixieren.

Systemanpassung als Leitziel der gegenwärtigen Bildungspolitik

Die gegenwärtige gesellschaftliche Bildungspolitik zielt nahezu ausschließlich auf die Integration des einzelnen Menschen in die Gesellschaft ab. Ursache hierfür ist die unbedingte Entschlossenheit der führenden politischen und wirtschaftlichen Kräfte, das von ihnen angestrebte politische und wirtschaftliche System um jeden Preis zu erhalten bzw. ihm eine ihren eigenen Interessen entsprechende Gestalt zu geben. Dieses Ziel wird zu erreichen gesucht, indem die Menschen durch rechtzeitige Erziehung von vornherein an die bestehenden Strukturen und an die Zielsetzungen ihrer Machteliten angepasst werden. Bildung hat hier demnach eine ganz einseitige Anpassungsfunktion, die ich in einer anderen Veröffentlichung folgendermaßen beschrieben habe:

„Statt unserer Gesellschaft neue Perspektiven und Potenziale durch die intensive Förderung individueller Fähigkeiten zu erschließen, setzt die momentan betriebene Bildungspolitik auf die kompromisslose Anpassung der Menschen an die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, nämlich an unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem und an das politische System der durch die Europäische Union betriebenen europäischen Zentralisierung: Das antisoziale, bis in die Grundlagen unserer Gesellschaft hinein zerstörerisch wirkende Dogma von der Konkurrenz aller Kräfte innerhalb des Wirtschaftslebens einerseits sowie das Prinzip der Anpassung aller individuellen Bestrebungen an das zentralistische Steuerungssystem der EU, das zunehmend alle nationalen Gesetzgebungsprozesse determiniert und die Bewohner ihrer Mitgliedsstaaten zu Folgsamkeit und Gleichschaltung zwingt, stellen die übergeordneten Leitlinien gegenwärtiger Gesellschaftspolitik dar.

Soll das bestehende System der wirtschaftlichen Konkurrenz und der politischen Determination weiterhin gesichert und ausgebaut werden, so bedarf dies einer entsprechenden Bildungspolitik, die auf diese beiden Prinzipien fixiert ist und dafür sorgt, dass in den staatlich sanktionierten Schulen und Hochschulen Menschen herangebildet werden, die ausschließlich daraufhin dressiert werden, sich diesen Strukturen anzupassen und innerhalb unseres wirtschaftlichen und politischen Systems problemlos zu funktionieren. Diesen Ansatz verfolgt die gegenwärtige Bildungspolitik ganz ersichtlich, weil von einem auf den Erhalt der gegenwärtigen gesellschaftlichen Strukturen ausgerichteten Bildungssystem keine Gefahr für die Stabilität des Gesamtsystems ausgeht.“1

Das Ergebnis einer derart rücksichtslosen und eklatant menschenfeindlichen Politik ist die systematische Deformierung menschlicher Persönlichkeiten, ihrer Biografien sowie ihrer Entwicklungschancen, selbstbestimmte Zielsetzungen mittels hierzu ausgebildeter Fähigkeiten verfolgen zu können. Eine solche systematische Vernichtung der biografischen Entwicklungsmöglichkeiten weiter Teile der Gesamtbevölkerung muss natürlich schwerwiegende seelische Schädigungen bei den betroffenen Menschen hervorrufen, und zwar keineswegs nur bei Kindern und Jugendlichen (als den Opfern schulischer und universitärer Anpassungsprozesse), sondern auch bei Erwachsenen, für deren Aus- und Weiterbildung ihre „Verwendbarkeit auf dem Arbeitsmarkt“ das einzige förderungswürdige Kriterium zu sein scheint. Hierbei wird es noch nicht einmal als relevant angesehen, ob der „Arbeitssuchende“ eine volkswirtschaftlich nützliche und sinnvolle Arbeit findet; vielmehr kommt es der gegenwärtigen Arbeitsmarktpolitik lediglich darauf an, eine möglichst geringe Anzahl von Sozialleistungsempfängern finanzieren zu müssen, und zwar ungeachtet der individuellen und gesellschaftlichen Folgeschäden, die mit einer derartig eindimensionalen Politik verbunden sind.

Individualisierung der Bildung

Um der gegenwärtigen, flächendeckenden Beschädigung menschlicher Biografien und Entwicklungsmöglichkeiten wirkungsvoll begegnen zu können, müsste sich unser Bildungssystem von dem staatlich verordneten Anpassungsterror – d.h. von dem einseitigen Zwang zur Integration aller Menschen in die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Strukturen – befreien. Der Weg zu einem menschengemäßen Bildungssystem wäre vielmehr verstärkt an der Zielsetzung einer individuellen Förderung von Menschen bei der Verwirklichung ihrer Anlagen und Lebensintentionen auszurichten. Ein solches, an humanistischen Traditionen orientiertes Bildungsverständnis fasst Bildung als eine Hilfestellung zur Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Menschen auf. Um diese Perspektive realisieren zu können, braucht eine Gesellschaft allerdings Pädagogen, die in der Lage sind, die individuellen Talente und Entwicklungsperspektiven von Menschen zu erkennen und methodisch gezielt zu fördern sowie seelische Entwicklungsprobleme zu diagnostizieren und zu behandeln.

Dies setzt wiederum erhebliche Fähigkeiten bei den betreffenden Pädagogen voraus, weswegen ein auf die individuelle Förderung von Menschen ausgerichtetes Bildungssystem Pädagogen entsprechend ausbilden und ihnen insbesondere die individuelle Ausübung dieser Fähigkeiten auch gestatten muss, denn individuelle Förderung kann nur von einzelnen Menschen, niemals hingegen von einer Institution oder gar von einem System ausgehen. Wir bräuchten demnach angesichts der gegenwärtigen desolaten Lage unseres Bildungssystems dringend eine Individualisierung der Bildung und – als deren Voraussetzung – eine auf dieses Ziel ausgerichtete Ausbildung von Pädagogen, d.h. eine entsprechende Lehrerbildung.

Soziale Selbstverwirklichung

Bei aller erforderlichen Individualisierung der Bildung darf nun allerdings der entgegengesetzte Aspekt der gesellschaftlichen Integration nicht vernachlässigt werden, und zwar durchaus auch im Interesse des einzelnen Menschen: Individuelle Selbstverwirklichung findet niemals außerhalb der Gesellschaft statt. Vielmehr ist jeder Mensch in die bestehenden sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen einbezogen und tritt mit ihnen in Wechselwirkung, auch wenn er sich zu ihnen in ein kritisches oder sogar ablehnendes Verhältnis setzt. Ein ausreichendes Maß der Anpassung an gebräuchliche Umfangsformen, geltende Gesetze und an allgemein praktizierte Wirtschaftsformen ist für jeden Menschen notwendig, um seine eigenen Entfaltungsmöglichkeiten nicht ganz erheblich einzuschränken sowie mit einer ausreichenden Rechtssicherheit leben und seine wirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigen zu können. Und natürlich haben auch andere Menschen im Interesse ihrer eigenen freien Selbstverwirklichung einen Anspruch darauf, dass der Einzelne nicht zügellos seinen Eigeninteressen nachgeht und dabei die Entfaltungsmöglichkeiten und die legitimen Rechte anderer verletzt.