Arthritis und Psoriasis heilen durch einen gesunden Darm - Rebecca Fett - E-Book

Arthritis und Psoriasis heilen durch einen gesunden Darm E-Book

Rebecca Fett

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Leiden Sie an Psoriasis oder Arthritis? Neueste Forschung zeigt, dass Sie diese und weitere Autoimmunerkrankungen mit der richtigen Ernährung effektiv und natürlich behandeln können, denn oft liegt der Schlüssel zur Gesundheit im Darm. Ein Mangel an heilsamen und Überfluss an schädlichen Mikroorganismen im Mikrobiom führt zu Entzündungen im Körper und somit zu einer Fehlfunktion des Immunsystems. Mit der Mikrobiom-Kur stärken Sie Ihren Darm und bekämpfen Entzündungen an ihrem Ursprung. Rebecca Fetts erprobter Ansatz gibt Ihnen Strategien an die Hand, mit denen Sie Ihre individuellen Unverträglichkeiten ermitteln und herausfinden können, welche Ernährungsumstellungen und Nahrungsergänzungsmittel nötig sind, um die Balance der verschiedenen Bakterienarten im Mikrobiom zu verbessern und die Darmbarriere wiederherzustellen. So können Sie Ihr Immunsystem ins Gleichgewicht bringen und endlich schmerzfrei leben.

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Seitenzahl: 428

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

3. Auflage 2023

© 2019 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 bei Franklin Fox Publishing LLC unter dem Titel The Keystone Approach. © 2017 by Rebecca Fett. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Christa Trautner-Suder

Redaktion: Ronit Jariv

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildungen vorn: ol shutterstock/HelloRF Zcool; or, ul shutterstock/StudioPhotoDFlorez, ur shutterstock/Atwood

Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern

ISBN Print 978-3-7423-0789-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0402-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0403-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1Mikrobiom und Autoimmunität

Kapitel 1Die Hauptursachen der ­Autoimmunität verstehen

Kapitel 2 Das Mikrobiom mit ­Probiotika wieder ins Gleichgewicht bringen

Kapitel 3Zusätzliche Strategien zur Bekämpfung einer ­bakteriellen Überbesiedlung

2Nahrungsmittel als Medizin

Kapitel 4 Eine Ernährung, die das Mikrobiom wiederherstellt

Kapitel 5Die stärkearme Diät in der Praxis

Kapitel 6Entzündungshemmende Fette und Öle

Kapitel 7Problemsuche und individuelle Anpassung der Ernährung

3Über das Essen hinaus

Kapitel 8Entzündungshemmende Nahrungsergänzungsmittel

Kapitel 9Wissenschaftliche Daten zu niedrig dosiertem Naltrexon

Kapitel 10 Das Puzzle wird zusammengesetzt

4In der Küche

Kapitel 11 Vorausplanung und weitere Küchentipps

Kapitel 12 Rezepte

Quellen

Über die Autorin

Vorwort

Eine chronische Erkrankung, bei der sich der Körper im Grunde genommen gegen sich selbst wendet, hat etwas Verstörendes. Vielen von uns Betroffenen wird gesagt, eine Autoimmunkrankheit werde ein dauerhafter Fixpunkt in unserem Leben bleiben und die einzige Lösung sei eine medikamentöse Behandlung, die das Immunsystem unterdrückt. Diese Sichtweise ist nicht nur entmutigend, sondern auch ganz einfach falsch.

Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass wir einer Autoimmunkrankheit nicht hilflos ausgeliefert sind. Es gibt sehr viel, was wir gegen die zugrunde liegenden Ursachen der Autoimmunität tun können. Das erfordert unter Umständen viel Anstrengung und Ausdauer, aber wir können daran arbeiten, unser Mikrobiom in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, unseren Darm zu heilen und unser Immunsystem neu einzustellen. Dabei können wir den Autoimmunprozess direkt bekämpfen, anstatt nur die Symptome zu unterdrücken.

Bis das Gesundheitssystem diese neue Sichtweise übernimmt, ist es an uns, möglichst viel in Erfahrung zu bringen und den besten Nutzen aus den neuesten Forschungsergebnissen zu ziehen. Wenn wir diese Forschungsergebnisse als Richtlinie für unsere täglichen Entscheidungen nehmen, kann der sich daraus ergebende kumulative Effekt enorm sein.

Seit mein Buch 2017 erstmals veröffentlicht wurde, habe ich zahllose Berichte von Lesern mit sehr belastenden Autoimmunerkrankungen erhalten, die erstaunt darüber waren, dass sich ihre Symptome durch eine Ernährungsumstellung und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln besserten. Viele Leser haben zudem berichtet, das Buch habe ihr instinktives Wissen bestätigt, dass ihre Darmgesundheit einen starken Einfluss auf den Grad ihrer Entzündung hat.

In der kurzen Zeit seit der Erstveröffentlichung hat die Wissenschaft weitere Fortschritte gemacht und neue Gesichtspunkte geliefert, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren will. Mitte 2018 wurde das Buch wesentlich überarbeitet und aktualisiert, um die neuen wissenschaftlichen Studien zu berücksichtigen und durch das Feedback vieler Menschen zu ergänzen, die die vorgestellte Ernährungsmethode ausprobiert und über ihre Ergebnisse berichtet haben.

Durch die Überarbeitung ist die Durchführung des empfohlenen Ernährungsprogramms leichter und in schwierigen Fällen noch wirksamer geworden. Der Schwerpunkt liegt nun verstärkt auf der Unterdrückung unerwünschter Mikroorganismen, die das Autoimmunsystem steuern. Die Wissenschaft entwickelt sich in diesem Bereich rasch weiter. Wenn wir das aktuell Bekannte bestmöglich anwenden, können wir die Schwere der Symptome jedoch schon jetzt drastisch reduzieren und in einigen Fällen sogar eine Remission der Autoimmunerkrankung erreichen. Dies habe ich am eigenen Leib erfahren.

Einleitung

Die Welt der Autoimmunkrankheiten hat sich in den letzten fünf Jahren sehr stark verändert. Täglich gibt es neue Untersuchungen, die auf den Darm und das Mikrobiom als Ursprung verschiedener Autoimmunkrankheiten hindeuten. Diese neue Denkweise eröffnet eine ganze Reihe von Behandlungsoptionen – Optionen, die über eine reine Unterdrückung der Entzündungsreaktion hinausgehen, um die eigentliche Ursache der Entzündung anzugehen.

Dieses Buch soll Ihnen in diesem neuen wissenschaftlichen ­Grenzbereich eine Orientierungshilfe sein, der Fokus liegt dabei insbesondere auf einer Umstellung der Ernährung und der Einnahme bestimmter Probiotika. Gemeinsam können diese Maßnahmen den Darm heilen und die Balance des Mikrobioms wiederherstellen. Dabei werden die wichtigsten Auslöser ausgeschaltet, die bei vielen Autoimmunerkrankungen die Entzündung steuern, insbesondere bei Erkrankungen aus der Gruppe der Spondylarthropathien. Dazu gehören:

Psoriasis/Psoriasis-ArthritisAnkylosierende SpondylitisJuvenile idiopathische ArthritisMorbus CrohnColitis ulcerosaUveitis

Der Hauptfokus der im Folgenden besprochenen wissenschaftlichen Forschung liegt zwar auf diesen Erkrankungen, das Buch geht aber auch auf die neuesten Studien darüber ein, wie Ernährung und Darmgesundheit andere Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis beeinflussen. Die Forschungsergebnisse werden anschließend in einfache, gut umsetzbare Schritte umgesetzt. Zuerst möchte ich jedoch die Geschichte meines eigenen Kampfes gegen die Autoimmunität erzählen.

Als ich 18 Jahre alt war, äußerte ein Arzt erstmals den Verdacht, ich könnte Psoriasis-Arthritis haben. Damals waren meine einzigen Symptome leichte Rückenschmerzen und ein kleiner Bereich mit Schuppenflechte, wobei mir jedoch klar war, dass dies viel schlimmer werden konnte, falls ich tatsächlich eine Psoriasis-Arthritis hatte. Bis zu 30 Prozent aller Psoriasis-Patienten sind von dieser Form der Arthritis betroffen, die große Belastungen mit sich bringen kann.

Sechs Monate nachdem die Schmerzen eingesetzt hatten, fiel mir auf, dass sie leicht zurückgingen, wenn ich auf Brot und Nudeln verzichtete. Daher bestand ich auf einen Zöliakie-Test. Der Test ergab, dass ich tatsächlich unter Zöliakie litt, und nachdem ich mich mehrere Monate lang völlig glutenfrei ernährt hatte, waren Schuppenflechte und Rückenschmerzen weitgehend verschwunden. Es zeigte sich, dass ich doch keine Psoriasis-Arthritis hatte.

Mit nur geringfügigen Schmerzen schloss ich meine Studiengänge in Biochemie und Molekularbiologie und anschließend in Jura ab. Die leichten Schmerzen hielt ich für den körperlichen Tribut, den die übermäßig langen Lernzeiten forderten.

Nachdem ich mehrere Jahre in einer großen Anwaltskanzlei in New York gearbeitet hatte – einer extrem stressigen Tätigkeit mit langen Arbeitszeiten –, kehrten meine Schmerzen mit Mitte 20 zurück. Meine Schultern, Knie, Hüften und mein unterer Rücken schmerzten ständig und die Gelenke schienen sich bei der geringsten Beanspruchung zu verschieben. Die Möglichkeit einer Psoriasis-Arthritis war schnell vom Tisch – ich hatte nur sehr kleine Psoriasis-Herde, keine Gelenksteife oder -schwellung und keine Arthritismarker im Blut. Ich passte einfach nicht zur althergebrachten Definition der Lehrbücher.

Von verschiedenen Fachärzten erhielt ich ein breites Spektrum an Diagnosen und man bot mir alle möglichen Schmerzmedikamente an. Als ich anfing, unter den schweren Nebenwirkungen dieser Medikamente zu leiden, beschloss ich, mich auf eine physikalische Therapie zu konzentrieren. Ich hoffte, mit genügend Ausdauer könnten meine Muskeln schließlich meine Gelenke stabilisieren. Fünf Jahre widmete ich mich mit beinahe religiösem Eifer der physikalischen Therapie und wollte nur allzu gern glauben, dass meine Genesung unmittelbar bevorstand.

Das war jedoch nicht der Fall. Mit 30 Jahren waren die Schmerzen in den Iliosakralgelenken (im unteren Rücken) so stark, dass ich große Schwierigkeiten hatte, weiter als einige Häuserblocks zu gehen oder länger als 15 Minuten zu sitzen. Ich hatte Schmerzschübe, die mich jeweils wochenlang ans Haus fesselten und den Großteil der Nacht wachhielten. Ich versuchte es mit verschiedenen Injektionen und entzündungshemmenden Medikamenten, was jedoch nur wenig Linderung brachte.

In dieser Zeit kehrte auch die Psoriasis zurück und es tauchten eine Reihe weiterer klassischer Symptome für eine Psoriasis-Arthritis auf (zum Beispiel die typischen Veränderungen der Finger- und Fußnägel). Wahrscheinlich hatte ich doch die ganze Zeit über an Psoriasis-Arthritis gelitten.

Es war zugleich ein Rückschlag und eine Erleichterung, die Ursache des Problems zu verstehen. Einerseits bedeutete die Diagnose, dass kein noch so ausgiebiges Übungsprogramm jemals dafür sorgen würde, dass meine Gelenke normal funktionieren. Es bedeutete auch, dass ich viele Jahre vergeudet hatte, in denen ich mich auf die Hauptursache der Schmerzen hätte konzentrieren können – ein schlecht funktionierendes Immunsystem. Andererseits war ein schlecht funktionierendes Immunsystem etwas, was ich nur zu gut verstand, und ich hatte nun endlich eine Erklärung für meine Schmerzen.

Die genauen Elemente und Funktionsweisen des Autoimmunsystems waren mir damals durch mein Studium der Immunologie und meine Arbeit als Patentanwältin für Biotechnologiefirmen sehr vertraut. Als Expertin für Immunologie in Gerichtsverfahren, bei denen es um Milliarden von Dollar ging, hatte ich einen Großteil der letzten neun Jahre damit verbracht, die wissenschaftliche und klinische Evidenz zu analysieren, die die biologischen Präparate untermauerte, mit denen verschiedene Autoimmunerkrankungen behandelt wurden. Mein Büro war angefüllt mit Kisten voller vertraulicher klinischer Studienberichte und FDA-Eingaben, die die meisten Rheumatologen nie zu Gesicht bekommen, und es war meine Aufgabe, sie zu analysieren.

Vor allem hatte ich neun Jahre lang sehr detailliert über die unsichtbaren Entzündungsmoleküle nachgedacht, die für den gesamten Schaden bei einer Autoimmunkrankheit verantwortlich sind. Und nun erfuhr ich, dass dieselben Moleküle die Schmerzen verursachten, die die Macht über mein Leben übernommen hatten.

Ich begriff, dass die neuen biologischen Medikamente für einen lebensverändernden Unterschied sorgen konnten – wenn ich bereit war, die damit verbundenen Infektionsrisiken und ein mögliches höheres Krebsrisiko in Kauf zu nehmen. Auch wenn biologische Präparate (Biologika) das Infektionsrisiko nur leicht erhöhen, war dies in meinem besonderen Fall bereits eine große Barriere. Als Teenager hatte ich eine Operation durchgemacht, nach der ich eine lebenslange Anfälligkeit für ernste Infektionen zurückbehalten hatte. Man hatte mir geraten, zeitlebens vorbeugend Antibiotika einzunehmen, weil einige verbreitete Infektionen in meinem Fall mit einer Mortalitätsrate von 50 bis 60 Prozent verbunden waren. Ich lehnte die Antibiotika ab, war jedoch sehr zögerlich, irgendein Medikament einzunehmen, das mein Infektionsrisiko erhöhen konnte. Da meine Arthritis langsam fortschritt und keinen offensichtlichen Gelenkschaden verursachte, schien es klug zu sein, zuerst jede andere Option auszuschöpfen.

Ich wusste, dass Biologika so gut wirken, weil sie die Aktivität bestimmter Entzündungsvermittler (Entzündungsmediatoren) stören, die den Schaden an Haut und Gelenken organisieren. Bestimmt gab es noch eine andere Möglichkeit, dasselbe Ziel zu erreichen. Ich fragte mich, welche weiteren Faktoren zu erhöhten Entzündungsmediatoren beitragen und welche weiteren Faktoren diese reduzieren können.

Als ich anfing, mich stärker auf diese Fragen zu konzentrieren, traf ich die schwierige Entscheidung, meine Karriere als Anwältin zu unterbrechen und mich ganz auf meine Gesundheit zu konzentrieren. Ich gab meine Stelle in New York auf und führte ab sofort ein einfacheres Leben am Meer. Es wurde mein neuer Job, die wissenschaftliche Literatur auf jegliche Evidenz dafür zu durchforsten, dass Veränderungen der Ernährung oder des Lebensstils den Verlauf meiner Autoimmunerkrankung verändern konnten. Ich rechnete damit, einige Hinweise zu finden, war jedoch nicht auf die außerordentlich große Menge hochwertiger klinischer Evidenz vorbereitet, die relativ einfache Strategien unterstützte.

Die vielleicht größte Offenbarung war die Entdeckung, dass die Darmgesundheit großen Einfluss auf den Entzündungsgrad in Haut und Gelenken hat. Eine überzeugende Anzahl von Forschungsarbeiten zeigt, dass eine übermäßige Aktivierung der Immunantwort im Darm ein häufiges Merkmal von Psoriasis und mehreren Arten von entzündlicher Arthritis, insbesondere der juvenilen, psoriatischen und ankylosierenden Spondylitis ist.1 Ein wichtiger Punkt dabei: Der Grad der Darmentzündung scheint die Schwere dieser Erkrankungen zu bestimmen.2

2016 entdeckten Forscher einen Faktor, der diese Aktivierung des Immunsystems im Darm auslösen könnte: eine Störung innerhalb der Gemeinschaft der Mikroorganismen, die das Mikrobiom bildet. Patienten mit Psoriasis oder bestimmten Arthritisformen zeigen typische Störungen im Gleichgewicht der Darmbakterien mit einer Zunahme unerwünschter Spezies und einem Schwund von Spezies, die das Immunsystem normalerweise beruhigen.3

Mehrere Evidenzreihen weisen darauf hin, dass diese Störung des Mikrobioms nicht nur eine Folge der Entzündung ist, sondern eine Ursache dafür. Forscher haben beispielsweise festgestellt, dass eine einzige Behandlungssequenz mit Antibiotika das Risiko von Kindern verdoppelt, Arthritis zu entwickeln, während fünf oder mehr Behandlungssequenzen mit Antibiotika das Risiko verdreifachen.4 Möglicherweise reduzieren Antibiotika die Bakterien, die das Immunsystem regulieren und schädliche Bakterien in Schach halten.

Diese schützenden Bakterien gelten heute als Schlüsselarten. Für Wissenschaftler, die größere Ökosysteme untersuchen, ist eine Schlüsselart eine Spezies, deren einmalige Rolle innerhalb eines Ökosystems einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf das Ökosystem als Ganzes hat. Mangrovenbäume beispielsweise, die an der Küste wachsen, liefern zahlreichen anderen Spezies wie Fischen und Fröschen einen Lebensraum. Ohne die Mangroven würde das Ökosystem dort zusammenbrechen. Die besonderen Darmbakterien, die unser Immunsystem normalerweise regulieren, wirken auch als Schlüsselarten. Ohne sie verändert sich die gesamte Umgebung unseres Darms. Die neue Lehrmeinung lautet, dass diese Veränderung stark zu einer Autoimmunerkrankung beiträgt.

Nun stellt sich die Frage, wie wir einen Vorteil aus dem neu entdeckten Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Autoimmunität ziehen können. Professor Jose Scher von der New York University, der die wegweisenden Studien über das Mikrobiom bei psoriatischer und rheumatoider Arthritis durchgeführt hat, äußerte: »Ich denke, dass das Mikrobiom in 10 oder 15 Jahren eine wichtige Therapieoption für einige dieser Krankheiten sein wird.«5

So lange müssen wir jedoch nicht warten. Klinische Studien hoher Qualität haben bereits nachgewiesen, wie die Populationen von Schlüsselarten, die das Immunsystem regulieren, wiederhergestellt werden können. Die entsprechenden Strategien sind einfach und risikoarm: eine ballaststoffreiche Ernährung mit vielen pflanzlichen Produkten und bestimmten Arten von Probiotika. Zahlreiche Studien, die im Zusammenhang mit entzündlichen Darmerkrankungen durchgeführt wurden, zeigen, dass diese Strategien die Balance des Mikrobioms rasch in Richtung eines entzündungshemmenden Zustands verschieben können.6

Bei der Vertiefung in die neueste wissenschaftliche Forschung entdeckte ich jedoch auch starke Hinweise auf mehrere weitere Strategien zur Reduzierung einer Entzündung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Studien zeigen eindeutig, dass eine mediterrane Ernährung mit viel Fisch und Olivenöl die Schwere von Psoriasis und rheumatoider Arthritis reduzieren kann.7 Dies wurde schon lange vermutet, war jedoch in jüngster Zeit durch das Aufkommen der »Autoimmun-Paleo-Diät« in den Hintergrund gerückt.

Während einige Aspekte der Paleo-Diät durch wissenschaftliche Forschungen gestützt werden (zum Beispiel die schädigenden Auswirkungen bestimmter Getreidesorten und raffinierter Öle), wird anderen Aspekten von Forschungsergebnissen widersprochen, die sich erst nach dem Aufkommen der Paleo-Diät ergeben haben.

Insbesondere weisen mehrere neuere Studien zweifelsfrei nach, dass gesättigte Fette stark entzündungsfördernd wirken.8 Obgleich die Rolle von gesättigtem Fett bei Herzkrankheiten in Frage gestellt wurde, zeigt die neueste Forschung, dass diese Fette die Anzahl an Entzündungsmediatoren tatsächlich steigen lassen. Gesättigte Fette tun dies durch eine Aktivierung bestimmter Rezeptoren auf der Oberfläche der Immunzellen.9 Daher ist für Patienten mit entzündlichen Krankheiten wie Psoriasis und Arthritis der Schwerpunkt der Paleo-Diät auf Kokosöl und tierischem Fett kontraproduktiv.

Bei der mediterranen Ernährung hingegen liegt der Schwerpunkt deutlich auf Nahrungsmitteln, die dazu beitragen, das Mikrobiom wieder ins Gleichgewicht zu bringen und ansonsten eine Entzündung zu unterdrücken. Dazu gehören Grüngemüse und Gemüse aus der Familie der Kreuzblütengewächse, Fisch und Olivenöl. Die wissenschaftliche Forschung verweist zudem auf Strategien zur Optimierung der mediterranen Ernährung durch das Weglassen von Nahrungsmitteln, die den Darm schädigen und zu einer Aktivierung des Immunsystems beitragen, wie beispielsweise Weizen.

Als ich meine Ernährung und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln allmählich umstellte, um die aktuellste Evidenz zu berücksichtigen, besserten sich meine Symptome bald beständig. Zuerst waren die einzig bemerkenswerten Unterschiede weniger Müdigkeit, weniger Bauchschmerzen und weniger geschwollene Hände. Nach drei Monaten erlebte ich die ersten schmerzfreien Tage seit mehr als zehn Jahren. Je länger ich diese Ernährung befolgte und je mehr Faktoren ich optimierte, desto weniger Gelenkschmerzen hatte ich.

Anstelle ständiger und einschränkender Gelenkschmerzen habe ich inzwischen nur noch gelegentlich Schmerzen, die normalerweise dadurch ausgelöst werden, dass ich etwas esse, was ich nicht essen sollte. Seit über einem Jahr bin ich zudem völlig frei von Schuppenflechte. Kurz gesagt, konnte ich die Kontrolle über meine Gesundheit in einem Ausmaß übernehmen, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.

In Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Ernährung und Entzündung besteht eindeutig eine große Diskrepanz zwischen den neuesten Forschungsergebnissen und dem Rat, den die meisten Ärzte ihren Patienten erteilen. Vielen wird gesagt, die Ernährung habe keinen Einfluss auf die Entzündung, obgleich es zahlreiche Beweise für das Gegenteil gibt. Diese Diskrepanz ist nicht unbedingt überraschend, da es nachweislich mindestens zehn Jahre dauert, bis medizinische Forschungsergebnisse in die klinische Praxis Eingang finden.10 Wir verdienen jedoch etwas Besseres. Mit diesem Buch möchte ich die Kluft zwischen den neuesten Entdeckungen und den Menschen, die schon jetzt davon profitieren könnten, überbrücken.

Wie bedeutsam dies für viele Menschen sein kann, habe ich bereits zum Thema Fruchtbarkeit und In-vitro-Befruchtung mit meinem ersten Buch It Starts with the Egg bewiesen. Nachdem mir unzählige Leser berichteten, es habe ihr Leben von Grund auf verändert, die neuesten Forschungsergebnisse umsetzen zu können, wollte ich dasselbe auch für diejenigen erreichen, die an einer belastenden Autoimmunerkrankung leiden.

Mit diesem Ziel vor Augen recherchierte ich jedes kleinste Detail darüber, wie die Ernährung, das Mikrobiom und viele andere Faktoren eine Entzündung beeinflussen können. Sorgfältig analysierte ich Hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten, dabei lag mein Fokus vor allem auf randomisierten, kontrollierten klinischen Studien mit echten Patienten, nicht auf Tier- oder Reagenzglasstudien (siehe Quellen, Seite 216).

Mein Ziel beim Schreiben dieses Buches war, die Quintessenz umfangreicher und komplexer medizinischer Forschungsergebnisse in einem gut verständlichen praktischen Leitfaden zu formulieren – die Wissenschaft also auf einen Aktionsplan zu übertragen. Bei der Entwicklung dieses systematischen Plans wurde ich von der Erkenntnis geleitet, dass einige Faktoren allgemein anwendbar sind, beispielsweise die günstige Rolle, die Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren spielen. Andere Faktoren hingegen, wie der Verzehr von Zucker und Stärke, beeinflussen Menschen auf sehr unterschiedliche Weise. Der Plan ist daher so angelegt, dass er Ihnen hilft, die Faktoren zu entdecken, die in Ihrem speziellen Fall den größten Unterschied bewirken. Möglicherweise gibt es einen Schlüsselfaktor für Ihre Genesung, zum Beispiel die Reduzierung von Stärke oder die zusätzliche Einnahme eines Probiotikums oder viele kleine schrittweise Veränderungen, die in Kombination einen deutlichen Vorteil bringen (einen Überblick über den vollständigen Plan für Ihre spezifische Autoimmunerkrankung finden Sie in Kapitel 10).

Wichtiger Hinweis: Die in diesem Buch empfohlene Ernährung und die vorgestellten Nahrungsergänzungsmittel sollen einen konventionellen ärztlichen Ansatz ergänzen, nicht ersetzen. Es ist wichtig, dass Sie Ihren Arzt über jedes neue Nahrungsergänzungsmittel und jede Ernährungsumstellung informieren. Sie sollten auch alle Medikamente, die Ihnen verordnet wurden, weiterhin einnehmen. Viele entzündungsbekämpfende Strategien, die im Zentrum des Ernährungsplans stehen, wie die Einnahme von Fischöl und Probiotika sowie die mediterrane Ernährung, können Patienten helfen, mit ihren konventionellen Medikamenten bessere Ergebnisse zu erzielen.11 Letztendlich werden Sie mit Ihrem Arzt vielleicht über eine Reduzierung Ihrer Medikamente sprechen können, dies sollte jedoch erst geschehen, wenn Sie durch die neue Ernährung und die Nahrungsergänzungsmittel positive Ergebnisse feststellen.

1 Cypers, H., Varkas, G., Beeckman, S., Debusschere, K., Vogl, T., Roth, J. & De Vos, M. (2015). Elevated calprotectin levels reveal bowel inflammation in spondyloarthritis. Annals of the Rheumatic Diseases, 23.12.2015

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2 Van Praet, L., Van den Bosch, F. E., Jacques, P., Carron, P., Jans, L., Colman, R. & Cuvelier, C. (2013). Microscopic gut inflammation in axial spondyloarthritis: a multiparametric predictive model. Annals of the Rheumatic Diseases, 72 (3), 414–417

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3 Viladomiu, M., Kivolowitz, C., Abdulhamid, A., Dogan, B., Victorio, D., Castellanos, J. G. & Chai, C. (2017). IgA-coated E. coli enriched in Crohn’s disease spondyloarthritis promote TH17-dependent inflammation. Science Translational Medicine, 9 (376), eaaf9655Eppinga, H., Weiland, C. J. S., Thio, H. B., van der Woude, C. J., Nijsten, T. E., Peppelenbosch, M. P. & Konstantinov, S. R. (2016). Similar depletion of protective Faecalibacterium prausnitzii in psoriasis and inflammatory bowel disease, but not in Hidradenitis suppurativa. Journal of Crohn’s and Colitis, 10 (9), 1067–1075

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4 Mathew, J. L., Singh, S. & Sankar, J. (2015). Is antibiotic exposure associated with newly diagnosed juvenile idiopathic arthritis? Indian Pediatrics, 52 (10), 883–888

5 Kohn, D. (12.1.2015). Joint Pain, from the Gut. The Atlantic

6 Ghouri, Y. A., Richards, D. M., Rahimi, E. F., Krill, J. T., Jelinek, K. A. & DuPont, A. W. (2014). Systematic review of randomized controlled trials of probiotics, prebiotics, and synbiotics in inflammatory bowel disease. Clinical and Experimental Gastroenterology, 7, 473

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10 Morris, Z. S., Wooding, S. & Grant, J. (2011). The answer is 17 years, what is the question: understanding time lags in translational research. Journal of the Royal Society of Medicine, 104 (12), 510–520

11 Proudman, S. M., James, M. J., Spargo, L. D., Metcalf, R. G., Sullivan, T. R., Rischmueller, M. & Cleland, L. G. (2013). Fish oil in recent onset rheumatoid arthritis: a randomised, double-blind controlled trial within algorithm-based drug use. Annals of the Rheumatic Diseases, annrheumdis, 2013

1Mikrobiom und Autoimmunität

Kapitel 1Die Hauptursachen der ­Autoimmunität verstehen

Autoimmunerkrankungen sind Zeichen einer ernsten Fehlfunktion des Immunsystems. Anstatt uns vor Infektionen zu schützen, erkennen unsere eigenen Immunzellen und Antikörper normale Eiweiße fälschlich als fremde Eindringlinge und starten einen Angriff. Was genau bringt das Immunsystem aber dazu, sich so verwirren zu lassen und die Fähigkeit zu verlieren, zwischen normalen Eiweißen und fremden Antigenen zu unterscheiden? In den meisten Fällen handelt es sich um eine Kombination folgender Faktoren:

Schädigung der DarmbarriereAktivierung des Immunsystems durch bestimmte Mikroorganismen im Darm oder andere InfektionenErbanlagen

Jahrzehntelang galten diese drei Faktoren als einander ausschließende und miteinander konkurrierende Erklärungen für Autoimmunerkrankungen. In den letzten Jahren jedoch tauchten immer mehr Beweise dafür auf, dass sie miteinander verknüpft sind.

Wie der Darm die Autoimmunität beeinflusst

Obgleich eine Autoimmunerkrankung individuell unterschiedliche Auslöser haben kann, gibt es einen Faktor, der in den meisten Fällen vorhanden ist: einen Leaky Gut (durchlässigen Darm). So erklärte Dr. Sanford Newmark, klinischer Professor der University of California, San Francisco: »Viele Ärzte und viele Patienten denken vielleicht, Leaky Gut sei irgendein alternativer Modebegriff«, aber »die genaue Bezeichnung ist ›erhöhte Durchlässigkeit des Darms‹ und dies ist eine klar umrissene wissenschaftliche Tatsache.«1

Jahrzehntelang war bereits bekannt, dass die Darmdurchlässigkeit bei Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung und Zöliakie erhöht ist. Nun gibt es den eindeutigen Beweis, dass dies auch bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten der Fall ist. Das Leaky-Gut-Syndrom ist häufig bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis, juveniler Arthritis oder ankylosierender Spondylitis besonders ausgeprägt.2

Eine geschwächte Darmbarriere ist ein großes Problem, weil sie das Immunsystem in den Panikmodus zwingt. Normalerweise erlaubt die Darmbarriere die Resorption von Nährstoffen aus dem Essen, während sie Bakterien, bakterielle Toxine und unverdaute Eiweiße daran hindert, ins Blut überzutreten. Die Darmauskleidung kann diese bemerkenswerte Heldentat vollbringen, weil sie aus einer Schicht Epithelzellen aufgebaut ist, die durch ein Gerüst aus Proteinen verbunden werden, die sogenannten Tight Junctions. Bei gesunden Menschen werden diese Tight Junctions sorgfältig kontrolliert und lassen Nährstoffe nur durch winzige Lücken passieren. Zudem gibt es eine schützende Schleimhaut, die zwar Nährstoffe, aber weder Proteine noch Bakterien durchlässt.

Dieses erstaunliche System ist jedoch äußerst anfällig für Beschädigungen. Bei einem Defekt der Epithelzellen, der Tight Junctions oder der Schleimhaut entstehen große Lücken. Durch diese können größere Partikel passieren. Das können zum Beispiel Bakterien, Moleküle aus bakteriellen Zellwänden (wie Lipopolysaccharide, auch bekannt als Endotoxin) und Eiweiße aus der Nahrung sein, die noch nicht in einzelne Aminosäuren aufgespalten wurden.

Wenn diese Moleküle die Darmbarriere überwinden, entsteht ein Chaos. Direkt hinter der Epithelzellwand, in einem Bereich, der als »darmassoziiertes lymphatisches Gewebe« bezeichnet wird, befindet sich eine große Armee von Immunzellen. Bis zu 70 Prozent des Immunsystems sind hier ansässig und das aus gutem Grund. Der Darm ist ein wichtiger Ort, an dem Bakterien und andere Infektionen in den Körper eindringen können. Im Darm gibt es tatsächlich Milliarden von Bakterien – einige sind nützlich, andere schädlich. Normalerweise übt das Immunsystem die Kontrolle über schädliche Bakterien aus, indem es kleine Proben aus dem Darminhalt nimmt. Es soll keine Flut an Bakterien mit ihren Toxinen die Darmwand passieren können, um mit dem Immunsystem zu interagieren.3

Wird die Darmbarriere beschädigt und lässt bakterielle Toxine durch die entstandenen Spalten passieren, wird das Immunsystem bombardiert und die Folge ist eine massive Aktivierung des Immunsystems. Entscheidend ist, dass die daraus resultierende Aktivierung des Immunsystems nicht auf den Darm begrenzt ist. Das Endergebnis ist eine systemische Entzündung und eine Schädigung von Haut und Gelenken.4

Schädigung des Darms in der Krankheitsgruppe der Spondylarthropathien

Auch wenn der Leaky Gut ein häufig vorkommendes Element bei der Entwicklung vieler Autoimmunkrankheiten zu sein scheint, gibt es eine besonders starke Evidenz für eine Verbindung zwischen einer Darmschädigung und Psoriasis, Psoriasis-Arthritis und ankylosierender Spondylitis.5

Tatsächlich ist seit vielen Jahren bekannt, dass diese besonderen Bedingungen eng mit Morbus Crohn verbunden sind, einer Form der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Entdeckt wurde dies in den 1980er-Jahren, als Forscher bei Patienten mit Psoriasis, Psoriasis-Arthritis und ankylosierender Spondylitis, bei denen keinerlei Darmsymptome vorlagen, Dickdarmspiegelungen durchführten. Sie stellten dabei fest, dass die Hälfte dieser Patienten eine sichtbare Darmentzündung aufwies, die dem Frühstadium von Morbus Crohn stark ähnelte.6 Seither haben viele weitere Forscher diese Befunde bestätigt.7 Wir wissen inzwischen, dass Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis ein um das Vierfache höheres Risiko haben, Morbus Crohn zu entwickeln.8 Viele Patienten mit Spondyloarthritis entwickeln ebenfalls eine Form einer chronisch-entzündlichen Darmkrankheit.9

Der Zusammenhang zwischen Psoriasis-Arthritis, ankylosierender Spondylitis und chronisch-entzündlicher Darmerkrankung ist tatsächlich so groß, dass man diese Krankheiten heute gemeinsam in der Gruppe der Spondylarthropatien zusammenfasst. Weitere Autoimmunerkrankungen innerhalb dieser Gruppe, die dieselbe Schnittmenge teilen, sind juvenile Arthritis und eine entzündliche Augenerkrankung namens Uveitis.

Wie weiter unten besprochen wird, lautet die beste Erklärung für die Überschneidung zwischen diesen Autoimmunerkrankungen, dass sie alle ihren Ursprung im Darm haben.

Aktivierung des Immunsystems durch den Darm

Wie genau kann eine Entzündung im Magen-Darm-Trakt Autoimmunkrankheiten steuern, die primär andere Körperteile betreffen? Das war viele Jahre lang ein Rätsel, weil man dachte, die primär in die Autoimmunität verwickelten Immunzellen seien »spezielle Responder« (wie B-Zellen und T-Zellen), die bestimmte Proteine in der Haut und in den Gelenken erkennen. Es war nicht klar, wie ein Leaky Gut Gelenkschmerzen oder Psoriasis beeinflussen kann, wenn diese Zellen im Mittelpunkt des Prozesses stehen. Heute jedoch weiß man, dass andere, unspezifische »First Responder«-Zellen eine Schlüsselrolle dabei spielen.10

Zu diesen unspezifischen Immunzellen gehören Mastzellen und T-Helfer­zellen (TH17-Zellen). Im Gegensatz zu anderen Immunzellen müssen sie kein spezifisches Antigen erkennen, um aktiviert zu werden. Stattdessen können sie durch verschiedene Moleküle aktiviert werden, die aus dem Darm stammen, darunter Nahrungsproteine und bakterielle Produkte wie Lipopolysaccharide.

Lipopolysaccharide, Substanzen, die von vielen verschiedenen Darmbakterien erzeugt werden und toxisch wirken, sind ein besonders starker Trigger für die unspezifischen Immunzellen. Liegen sowohl eine geschädigte Darmbarriere als auch eine große Anzahl von Darmbakterien vor, die Lipopolysaccharide produzieren, können diese Toxine die Darmbarriere passieren und sich an Rezeptoren auf der Oberfläche unspezifischer Immunzellen ­andocken.

Wenn die Zellen die Anwesenheit von Lipopolysacchariden feststellen, schalten sie in den »Entzündungsmodus” und beginnen, chemische Mediatoren zu produzieren, die die Entzündungsreaktion steuern11 (zu diesen Mediatoren gehören TNF und Interleukin-17, beide das Angriffsziel biologischer Medikamente). Heute geht man davon aus, dass dieser Prozess ein Schlüsselmechanismus ist, der vielen Autoimmunerkrankungen zugrunde liegt.12

Um diesen Prozess zu stoppen und der Entzündung Einhalt zu gebieten, müssen wir sowohl die Bakterienpopulation reduzieren, die Lipopolysaccharide produziert, als auch die Grundursachen für die erhöhte Darmdurchlässigkeit angehen. Zu diesen Ursachen gehören:

ZöliakieNahrungsmittelallergie Mangel an nützlichen MikrobenÜbermaß an entzündlich wirksamen Darmbakterien oder HefenBakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms (SIBO)

Das folgende Kapitel geht auf jeden dieser Faktoren ein. Dabei liegt der Fokus besonders auf einer Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen nützlichen und potenziell schädlichen Darmbakterien. Zuvor jedoch ist es wichtig, mehr darüber zu erfahren, wie das Mikrobiom das Immunsystem formt, weil dies beeinflusst, welche Mikroorganismen wir in ihrem Wachstum fördern beziehungsweise unterdrücken wollen.

Mikrobiom und Autoimmunität

Inzwischen gibt es überzeugende Beweise dafür, dass wir bestimmte Bakterien brauchen, um unser Immunsystem zu beruhigen, während andere Bakterienarten tatsächlich die Entwicklung von Autoimmunität steuern können, vor allem bei Menschen, die hierfür eine genetische Veranlagung haben.

Nützliche Mikroorganismen

Neue Technologien, mit denen sich in kurzer Zeit große Mengen DNA sequenzieren lassen, haben explosionsartig zu neuen Erkenntnissen über das Mikrobiom geführt. Durch die revolutionäre Fähigkeit, jede Bakterienart durch einen Blick auf ihre DNA-Signatur zu erkennen, können Wissenschaftler die relative Häufigkeit der verschiedenen Arten bei verschiedenen Individuen bestimmen.

Eine der wichtigsten Feststellungen, die dieser technologische Fortschritt erlaubt, ist die Tatsache, dass es dem Mikrobiom von Patienten mit einer Autoimmunkrankheit häufig an bestimmten Mikroorganismen fehlt, die bei Gesunden vorhanden sind. Dieser Unterschied wurde im Zusammenhang mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ausführlich untersucht. Bei Patienten mit diesen Erkrankungen wird typischerweise eine deutliche Abnahme von Bakterien mit so wenig bekannten Namen wie Faecalibacterium prausnitzii, Eubacterium rectale und Roseburia intestinalis festgestellt.13 Je weniger dieser Arten vorhanden sind, desto schwerer ist die Erkrankung und desto wahrscheinlicher erleiden die Patienten einen Rückfall.14

Gemeinsam ist diesen dezimierten Arten, dass sie zu einer wichtigen Gruppe von Bakterien – bekannt als Bakterien vom Clostridien-Cluster IV und XIVa – gehören, die normalerweise bei gesunden Menschen vorhanden sind. Die reduzierte Häufigkeit von Bakterien dieser Gruppe bei Erkrankten im Vergleich zu deren Häufigkeit bei gesunden Kontrollprobanden wurde als »eines der Hauptmerkmale der mikrobiellen Dysbiose bei entzündlicher Darmerkrankung, vor allem bei (aktivem) Morbus Crohn« beschrieben.15

2015 wurde der Zusammenhang zwischen diesen fehlenden Mikroorganismen und Autoimmunität noch deutlicher. In einer bahnbrechenden Studie konnten Jose Scher und Kollegen von der New York University und dem Memorial-Sloan-Kettering-Zentrum zeigen, dass Patienten mit Psoriasis-Arthritis niedrigere Konzentrationen vieler Bakterienarten aufweisen, die auch bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) reduziert sind.16 Andere Forscherteams haben inzwischen ein ähnliches Phänomen bei Psoriasis, juveniler Arthritis und rheumatoider Arthritis bestätigt, das heißt einen Rückgang von verschiedenen Bakterienarten, die bei gesunden Menschen normalerweise vorhandenen sind.17

Insbesondere überschneiden sich bei diesen Erkrankungen viele fehlende Bakterienarten mit den Arten, die auch bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen fehlen.18 In einer Studie bei Kindern mit einer besonderen Form der juvenilen Arthritis beispielsweise machte F. prausnitzii weniger als vier Prozent aller Bakterienarten im Darm aus, verglichen mit zehn Prozent in der Darmflora von gesunden Kindern.19 In einer anderen Studie zu juveniler Arthritis hatten Kinder, die sich in der Remission befanden, deutlich mehr Clostridium-Cluster-IV-Bakterien als die Kinder mit aktiver Arthritis.20 Ebenso wurde festgestellt, dass Patienten mit neu aufgetretener rheumatoider Arthritis weniger Clostridium-Cluster-XIVa-Bakterien hatten.21

Wie nützliche Mikroorganismen die Immunität beeinflussen

Die besonderen Bakterien, die bei Patienten mit diesen Autoimmunkrankheiten fehlen, haben ein gemeinsames Merkmal: Sie haben die außergewöhnliche Fähigkeit, das Immunsystem in einen toleranteren und weniger reaktionsfreudigen Zustand zu versetzen.22

Die Bakterien in Clostridia-Cluster IV und XIVa regulieren unser Immunsystem besonders gut.23 Sie tun dies teilweise, indem sie die Entwicklung spezialisierter Immunzellen fördern, die als regulatorische T-Zellen bezeichnet werden. Wie der Name schon sagt, spielen diese Zellen eine wesentliche Rolle bei der Regulierung anderer Elemente des Immunsystems.

So sind regulatorische T-Zellen entscheidend für die Unterdrückung der aggressiven Immunzellen, die an Autoimmunerkrankungen beteiligt sind.24 Außerdem produzieren sie entzündungshemmende Mediatoren und reduzieren die Produktion von Mediatoren, die Schmerzen und Entzündungen aufrechterhalten wie dem TNF.25 Kurz gesagt sind die regulatorischen T-Zellen ein Kernstück des Kontrollsystems, das eine Autoimmunität normalerweise verhindert und Entzündungen in Schach hält.26

Die außergewöhnliche Entdeckung, dass bestimmte Mikroorganismen auf diese Weise das Immunsystem beruhigen können, befeuerte einen Wettlauf unter den Forschern, um herauszufinden, wie genau dies geschieht. Wie kommt es, dass bestimmte Bakterien mit dem Immunsystem kommunizieren können, um die Anzahl regulatorischer T-Zellen zu erhöhen? Der Wettlauf ging im Mai 2013 zu Ende, als drei Forschergruppen innerhalb weniger Wochen dieselbe Entdeckung machten.27 Die Antwort lautete: Diese Bakterien regen das Immunsystem dazu an, mehr regulatorische T-Zellen herzustellen, indem sie eine kurzkettige Fettsäure produzieren: Butyrat. Butyrat wirkt als wichtiges Signalmolekül, das unreife Immunzellen dazu anregt, sich zu regulatorischen T-Zellen zu entwickeln.Wenn zu wenige dieser Mikroorganismen vorhanden sind, werden weniger regulatorische T-Zellen produziert und ein starker Kontrollmechanismus der Autoimmunität wird geschwächt.28

Diese Erkenntnis ist unglaublich wichtig, weil sie uns dabei hilft herauszufinden, welche Mikroorganismen genau wir fördern müssen, um unser Immunsystem neu einzustellen. Mit anderen Worten: Wir müssen alles, was möglich ist, tun, um die Population von butyratbildenden Arten in den Clostridien Cluster IV und XIVa anzukurbeln. In den nachfolgenden Kapiteln erfahren Sie, wie Sie dies durch die Ernährung und weitere Strategien erreichen. Zuvor gilt es jedoch, noch einen weiteren Aspekt des Mikrobioms zu bedenken.

Feindliche Mikroorganismen

Der Mangel an guten Bakterien bei Patienten mit Autoimmunität ist nur die halbe Geschichte. Ein Übermaß an bestimmten schädlichen Bakterien dürfte tatsächlich ein ebenso großer Teil des Problems sein. 2016 und 2017 wurde in einer Reihe von Studien, die in der Folge zu einer Veränderung der Lehrmeinung führten, berichtet, dass bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Psoriasis und Arthritis nicht nur weniger schützende Bakterien vorhanden sind, sondern auch mehr inflammatorische Bakterienarten. Zu diesen entzündlich wirkenden Bakterien gehören E. coli, Salmonella, Prevotella, Collinsella, Streptococcus, Enterococcus und Klebsiella.29

Diese Bakterienarten schaden auf zweierlei Weise: Erstens können sie die Darmbarriere schädigen und durchlässiger machen und zweitens können sie bestimmte Immunzellen aktivieren, die bei Autoimmunerkrankungen beteiligt sind.30 Diese speziellen Bakterienarten scheinen das Immunsystem in den Entzündungsmodus zu schalten und zwar nicht nur, indem sie große Mengen Lipopolysaccharide produzieren, sondern auch durch verschiedene weitere Mechanismen.

Interessanterweise sind verschiedene Arthritisformen durch eine Überbesiedlung mit unterschiedlichen Bakterienarten gekennzeichnet. Bei rheumato­ider Arthritis haben Forscher eine erhöhte Menge an Prevotella oder Collinsella festgestellt, während die Spondyloarthritis mit einer besonders aggressiven Form von E. coli in Verbindung gebracht wurde.

Dieser Typ E. coli wird als »adhärent-invasiv« bezeichnet, weil er sich an die Darmzellen heftet und in die schützende Schleimhaut eindringt, was eine massive entzündliche Reaktion auslösen kann.31 Bekannt war bereits, dass etwa die Hälfte aller Morbus-Crohn-Patienten adhärent-invasive E. coli aufweist, während diese nur bei ein Prozent der allgemeinen Bevölkerung gefunden werden.32 2017 stellten Forscher fest, dass dieser E.-coli-Typ auch stark zu Spondyloarthritis beitragen kann33 (zur Gruppe der Spondyloarthritis-Erkrankungen gehören die psoriatische, juvenile und ankylosierende Spondylitis).

Insbesondere eine Forschergruppe am Weill Cornell Hospital in New York stellte fest, dass Patienten, die sowohl an Spondyloarthritis als auch an Morbus Crohn litten, eine sehr viel höhere Anzahl an adhärent-invasiven E. coli aufwiesen als Patienten, die nur Morbus Crohn hatten.34 Wurde diese spezifische E.-coli-Art auf Mäuse übertragen, löste sie genau die Immunreaktion, die für Spondyloarthritis kennzeichnend ist, sowie Symptome einer entzündlichen Arthritis aus.

Eine andere Forschungsreihe deutet sogar auf einen weiteren möglichen Übeltäter bei ankylosierender Spondylitis hin: Klebsiella pneumoniae. Diese verbreiteten Darmbakterien standen erstmals in den 1980er-Jahren im Verdacht, bei ankylosierender Spondylitis (AS) eine Rolle zu spielen.35 Seither haben mehrere Forschergruppen festgestellt, dass Patienten mit AS üblicherweise eine größere Anzahl von Antikörpern gegen Klebsiella haben als gesunde Kon­trollprobanden oder Patienten mit anderen Arthritisformen. Beobachtet wurde dies bei Patienten in Japan,36 in den Niederlanden,37 England38 und Italien.39

Zuletzt wurde berichtet, dass bei 190 von 200 Patienten mit AS (95 Prozent), drei von 200 Patienten mit rheumatoider Arthritis (1,5 Prozent), jedoch nur bei einem von 100 Patienten mit Psoriasis-Arthritis (ein Prozent) Antikörper gegen einen spezifischen Teil eines Proteins von Klebsiella gefunden wurden.40 Hingegen stellte eine andere Zusammenstellung von weltweit durchgeführten Studien fest, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis normalerweise mehr Antikörper gegen eine völlig andere Spezies haben, nämlich gegen Proteus mirabilis.41

Um festzustellen, ob eine Überbesiedlung mit pathogenen Bakterienarten in Ihrem speziellen Fall eine Rolle spielt, kann eine umfassende Stuhlanalyse hilfreich sein. Mikrobiomtests sind recht teuer, können jedoch häufig direkt ohne ärztliche Verschreibung bestellt werden. Dennoch werden Sie möglicherweise feststellen, dass Sie die Hilfe eines Arztes für funktionelle oder ganzheitliche Medizin benötigen, um die Ergebnisse zu interpretieren und spezifische Infektionen zu behandeln.

Zusätzlich zu den spezifischen Bakterienarten, die laut der bis ­heute durchgeführten Studien bei der Autoimmunität eine Rolle spielen, gibt es auch Hinweise darauf, dass eine deutliche bakterielle Überbesiedlung im Dünndarm den Autoimmunprozess auslösen kann. Diese Art der Überbesiedlung wird sogar als Krankheit anerkannt und als Dünndarmfehlbesiedlung, kurz SIBO (Small Intestine Bacterial Overgrowth), bezeichnet.

Was ist SIBO?

Im Gegensatz zum aktiven Ökosystem des Dickdarms verfügt der Dünndarm über eine relativ niedrige Bakterienkonzentration. Und das ist gut so, denn die Dünndarmwände sind sehr durchlässig, damit die Nährstoffe resorbiert werden können. Wir wollen keine große Bakterienpopulation, die nutzlos im Dünndarm nistet, weil ihre Toxine nur zu leicht vom Blut resorbiert würden.

Die Anzahl an Bakterien im Dünndarm wird normalerweise durch das Zusammenwirken von Magensäure, Galle und der raschen Fortschwemmung des Darminhalts zwischen den Mahlzeiten niedrig gehalten. Der Dünndarm durchläuft alle paar Stunden einen »Reinigungszyklus«, jedoch nur, wenn der Magen leer ist. SIBO kann auftreten, wenn diese üblichen Mechanismen versagen, entweder als Folge häufiger Snacks, säureblockender Medikamente, eines Magensäure- oder Enzym-Mangels, von Zöliakie, Hypothyreose, Narbengewebe nach einer Bauchoperation oder eines anderen Faktors.42

Was auch immer die Ursache ist: Bei Patienten mit einer Überbesiedlung von Bakterien (oder Hefen) im Dünndarm, sendet ein beständiger Durchlauf von Lipopolysacchariden und weiteren Toxinen durch die dünnen Wände des Dünndarms ein starkes Signal, das Immunsystem zu aktivieren, was zu einer systemischen Entzündung führt. Diese systemische Entzündung kann sich als Arthritis, Psoriasis oder in Form vieler anderer Erkrankungen manifestieren.

Die Fähigkeit von SIBO, Arthritis zu verursachen, wird dramatisch illustriert durch eine als »Bypass-Arthritis« bekannte Erkrankung. Die Erkrankung entstand häufig durch eine drastische operative Methode zur Gewichtsabnahme, die von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre durchgeführt wurde. Bei dieser Operation wurde der Dünndarm verkürzt. Es entstanden häufig »blinde Schlingen«, in denen sich übermäßig viele Bakterien ansiedeln konnten, was zu einer schweren SIBO führte. Bis zu 20 Prozent der Patienten mit intestinalem Bypass entwickelten Arthritis und Hautausschläge.43 Diese Form der Arthritis wurde als darmassoziiertes Dermatose-Arthritis-Syndrom oder Darmbypass-Syndrom bekannt.44 Zum Glück wiesen die Studien nach, dass sich Arthritis und Hautausschläge rasch besserten, wenn die bakterielle Überbesiedlung behoben wurde.45

Auch wenn nur wenige Studien die Rolle von SIBO bei Autoimmunkrankheiten direkt untersucht haben, wurde in einer Reihe kleiner Studien festgestellt, dass SIBO bei einem bedeutsamen Anteil der Patienten mit Psoriasis,46 rheumatoider Arthritis,47 Morbus Crohn48 und Fibromyalgie49 vorhanden ist. Eine Gruppe russischer Wissenschaftler, die Psoriasis untersuchten, berichtete beispielsweise, dass die durchschnittliche Anzahl an Bakterien im Dünndarm bei Psoriasis-Patienten etwa um das 3000-fache höher war als in der Kontrollgruppe.50

In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass ein Drittel der Patienten mit Plaque-Psoriasis DNA-Fragmente von Bakterien im Blut hatte, die Kennzeichen für SIBO sind51 (E. coli, Klebsiella pneumonia, Enterococcus faecalis, Proteus mirabilis, Streptococcus pyogenes und Shigella).52 Bei den Patienten, die DNA dieser Bakterien im Blut hatten, waren die Entzündungswerte sehr viel höher. Am überzeugendsten war ein Bericht von 2018, wonach eine Behandlung der SIBO die Psoriasis deutlich bessern kann.53

Manche Studien liefern indirekte Hinweise dafür, dass SIBO bei ankylosierender Spondylitis und juveniler Arthritis eine Rolle spielt. Als Forscher in Schweden Proben aus dem Dünndarm von Patienten mit ankylosierender Spondylitis nahmen, fanden sie sehr viel mehr Antikörper gegen Bakterien, die mit SIBO zusammenhängen (Klebsiella, E. coli und Proteus mirabilis).54 Eine bemerkenswerte Studie, die 2017 im Journal of Rheumatology veröffentlicht wurde, stellte ebenfalls fest, dass Kinder mit juveniler Arthritis sehr viel mehr Antikörper gegen Lipopolysaccharide haben, was auf eine Überbesiedlung mit unerwünschten Spezies im Dünndarm hinweist, wo Lipopolysaccharide leichter ins Blut übergehen können.55 Eine andere Studie von 2017 stellte fest, dass MS-Patienten mit schwereren Symptomen normalerweise mehr Streptokokken im Dünndarm hatten.

SIBO diagnostizieren

Die Wahrscheinlichkeit, dass SIBO der Übeltäter ist, wird noch größer, wenn Sie zusätzlich zu Psoriasis oder Arthritis die anderen üblichen Anzeichen und Symptome der Erkrankung aufweisen. SIBO manifestiert sich häufig entweder als chronische Verstopfung oder Durchfall. SIBO wird bei bis zu 80 Prozent der Patienten mit Reizdarmsyndrom festgestellt und gilt bei einigen Fachleuten inzwischen als die häufigste Ursache für das Reizdarmsyndrom.56

Zu weiteren klassischen Symptomen von SIBO gehören multiple Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Histaminintoleranz, Übelkeit, Völlegefühl nach den Mahlzeiten, Bauchschmerzen, Ekzeme und Rosacea. Wenn Sie irgendeines dieser üblichen Symptome von SIBO zeigen, einen bedeutenden Risikofaktor wie Zöliakie oder Endometriose haben oder schon einmal eine Lebensmittelvergiftung oder Bauchoperation hatten, kann es sich lohnen, einen Atemtest durchzuführen, um zu bestimmen, ob SIBO dabei möglicherweise eine Rolle spielt. Den Test kann Ihr Arzt bestellen oder Sie bestellen ihn online bei einem der verschiedenen Testanbieter.

Für den SIBO-Atemtest müssen Sie eine Lactulose- und/oder Glukose-­Lösung trinken, anschließend werden über mehrere Stunden hinweg Atemproben mit einem Home-Kit gesammelt. Diese Tests sind alles andere als perfekt: Manchmal sind sie schwer zu interpretieren und viele echte SIBO-Fälle werden nicht erkannt (die Tests erkennen nur rund 60 Prozent der Fälle).57 Ein eindeutig positives Ergebnis kann jedoch nützliche Informationen liefern.

SIBO wird üblicherweise mit Antibiotika behandelt, was für viele Menschen jedoch keine langfristige Lösung ist. Innerhalb einer neunmonatigen antibiotischen Behandlung erleiden 40 Prozent einen Rückfall, höchstwahrscheinlich, weil die zugrunde liegenden Ursachen für SIBO bestehen bleiben.58 Ein besserer Ansatz besteht darin, die normalen Mechanismen zu fördern, die SIBO bei gesunden Menschen verhindern. Entsprechende Strategien werden in Kapitel 3 beschrieben. Bei einigen Menschen mit SIBO können sorgfältig ausgewählte Probiotika und Präbiotika ebenfalls äußerst hilfreich sein, wie in Kapitel 2 besprochen wird. Die folgenden Kapitel erklären zudem, wie die Reduzierung des Zucker- und Stärkeverzehrs helfen kann, auch im Dünndarm eine Überbesiedlung mit pathogenen Bakterien- und Hefearten anzugehen.

Bakterien außerhalb des Darms

Auch wenn der Hauptfokus dieses Buches das Darm-Mikrobiom ist, deuten einige erstaunliche Forschungsergebnisse darauf hin, dass besondere Bakterien in anderen Teilen des Körpers ebenfalls bestimmte Autoimmunerkrankungen auslösen können. Psoriasis hängt zum Beispiel besonders stark mit Halsinfektionen zusammen, die durch Streptokokken ausgelöst werden, während einige begrenzte Studien den Verdacht haben aufkommen lassen, dass einige Fälle rheumatoider Arthritis mit dem Harntrakt oder parodontalen Infektionen in Verbindung stehen. Wenn Sie über diese ungewöhnlichen Zusammenhänge Bescheid wissen, wird Ihnen dies bei der Bekämpfung einer Autoimmunreaktion vielleicht weiterhelfen.

Psoriasis und Streptokokkeninfektion im Hals-/Rachenbereich

Dass ein Zusammenhang zwischen Psoriasis und Streptokokken besteht, wurde erstmals vermutet, nachdem viele Ärzte bemerkten, dass Psoriasis-Schübe häufig auf Streptokokkeninfektionen im Hals-/Rachenbereich folgen (normalerweise etwa zwei Wochen danach).59 In jüngerer Zeit wurde festgestellt, dass Patienten mit chronischer Psoriasis und Psoriasis-Arthritis häufig mehr Antikörper gegen Streptococcus pyogenes aufweisen, die Bakterienart, die Infektionen im Hals-/Rachenbereich verursacht.60 Es besteht zudem eine gewisse Kreuzreaktivität zwischen Streptokokken-Antigenen und Hautproteinen.61 Die vorherrschende Theorie besagt, dass eine leichte chronische Infektion der Mandeln mit Streptokokken die Autoimmunantwort anstoßen kann, wobei auf eine Verschlimmerung der Streptokokkeninfektion auch eine Verschlimmerung der Psoriasis folgt.

Interessanterweise besteht sogar ein noch stärkerer Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Streptococcus und den Fällen von Psoriasis, die früher im Leben beginnen (vor dem Alter von 40 Jahren) und in denen es entweder eine familiäre Vorgeschichte von Psoriasis oder bestimmte genetische Marker gibt.62 Es kann daher sein, dass Streptococcus Psoriasis und Psoriasis-­Arthritis nur bei Menschen mit einer bestimmten genetischen Veranlagung auslöst.

Wenn Schübe einer Streptokokkeninfektion im Hals-/Rachenbereich eine Psoriasis deutlich verschlechtern, erscheint es logisch, dass eine Besserung der leichten chronischen Infektion auch das Ausgangsniveau der psoriasisbedingten Hautveränderungen deutlich verbessern könnte. Genau das haben Studien inzwischen festgestellt. Am überzeugendsten war eine randomisierte Studie von 2012, die einen starken Rückgang der Psoriasis feststellte, nachdem den Patienten die Mandeln entfernt worden waren63 (die Schwere der Erkrankung ging um 30 bis 90 Prozent zurück). Bei diesen Patienten bestand ein enger Zusammenhang zwischen dem Besserungsgrad der Psoriasis und dem Rückgang von T-Zellen, die Peptide erkennen, die sowohl bei Streptococcus als auch bei Hautproteinen häufig vorkommen.64 Seit 2018 scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass eine Tonsillektomie in etwa 75 Prozent der Fälle eine Psoriasis deutlich verbessert, die mit einer Streptokokkeninfektion im Hals-/Rachenbereich zusammenhängt.65 Zu weniger drastischen Maßnahmen gehören häufiges Gurgeln mit warmem Salzwasser oder Mundwasser auf Peroxidbasis und die Einnahme probiotischer Lutschtabletten S. salivarius K12.66

Bemerkenswert ist, dass die Spezies Streptococcus normalerweise auch im Darm gefunden wird, insbesondere im Dünndarm. Wie oben vermerkt, ist Streptococcus einer der üblichsten Bakterientypen, die bei Patienten mit SIBO erhöht sind. Eine Analyse des Darm-Mikrobioms kann auch helfen herauszufinden, ob Sie eine Überbesiedlung mit Streptokokken im Darm haben. Ist dies der Fall, sorgen die Bakterien dort wahrscheinlich in weitgehend derselben Weise für das Andauern der Psoriasis und der Psoriasis-Arthritis wie eine Streptokokkeninfektion im Hals-/Rachenbereich. Daher ist es wichtig, dass Sie sich darauf konzentrieren, das Darm-Mikrobiom wieder ins Gleichgewicht zu bringen und SIBO zu behandeln, auch wenn Sie vermuten, dass wiederkehrende Streptokokkeninfektionen im Hals-/Rachenbereich in Ihrem Fall eine große Rolle spielen.

Rheumatoide Arthritis und Infektionen außerhalb des Darms

Völlig andere Bakterien finden sich im Mikrobiom des Mundes und sind potenzielle Trigger für einige Fälle rheumatoider Arthritis (RA). Populationsstudien haben festgestellt, dass bei Menschen mit schwerer Zahnfleischerkrankung (Parodontitis) die Wahrscheinlichkeit, eine rheumatoide Arthritis zu entwickeln, erhöht ist. In neuerer Zeit haben Forscher festgestellt, dass das Bakterium Porphyromonas gingivalis, das häufig eine Zahnfleischerkrankung hervorruft, auch ein Enzym produziert, das potenziell RA auslösten könnte.67 Wenn Sie RA haben, ist daher eine gute Zahnpflege sehr wichtig.

Auch wenn hierzu nur eingeschränkte Daten vorliegen, wurde von einigen Autoren auch auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Infektionen der Harnwege durch Proteus mirabilis und rheumatoider Arthritis hingewiesen.68 In 16 verschiedenen Ländern wurden tatsächlich bei RA-Patienten vermehrt spezifische Antikörper gegen das Bakterium Proteus gefunden, was diese Hypothese stützt.69Proteus mirabilis wird allerdings auch häufig im Darm festgestellt. Man geht davon aus, dass die meisten Harnwegsinfektionen durch P. mirabilis tatsächlich ihren Ursprung im Gastrointestinaltrakt haben,70 was nahelegt, dass das Darm-Mikrobiom primär in unserem Fokus bleiben sollte.

Unsere Feinde verstehen

Egal, ob wir nun SIBO oder ein gestörtes Gleichgewicht zwischen guten und schlechten Bakterien als Hauptproblem betrachten: Die Liste der Bakterienarten, die wir unbedingt unter Kontrolle halten sollten, ist recht kurz. Genau dieselben Arten, die bei SIBO die üblichen Übeltäter sind, wurden auch direkt mit ankylosierender Spondylitis, Psoriasis, rheumatoider Arthritis, chronisch-entzündlicher Darmerkrankung und weiteren Autoimmunkrankheiten in Verbindung gebracht:71

Escherichia coliKlebsiella pneumoniaEnterococcus faecalisProteus mirabilis Streptococcus pyogenes

Diese Bakterien produzieren Lipopolysaccharide (Toxine, die das Immunsystem aktivieren) zusammen mit Bakterienproteinen, die das Immunsystem verwirren können, da sie unseren körpereigenen Proteinen stark ähneln. Sie animieren das Immunsystem dazu, in einen entzündlicheren Zustand umzuschalten, indem sie die starke Zunahme von TH17-Helferzellen fördern, die bei der Autoimmunität eine Rolle spielen.

Es kommt in unserem Darm wahrscheinlich zu einem ständigen Kampf um Bodengewinn zwischen den nützlichen Mikroorganismen, die das Immunsystem beruhigen, und diesen feindlichen Mikroorganismen, die dem entgegenwirken. Wie Ivaylo Ivanov, Dozent für Mikrobiologie und Immunologie an der Columbia University in New York, erklärt, ist es »wahrscheinlich das Mengenverhältnis, die Kombination von Bakterien im Darm, die bestimmt, ob man eine Krankheit bekommt oder nicht.«72