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Die Erzählung "Atemübung" von Siegfried Lenz erschien erstmals 1996 als Teil von "Ludmilla. Erzählungen" im Hoffmann und Campe Verlag. Mit Frau Hannah, Assistent Lammers und dessen Freundin Nicole fährt der berühmte Runenforscher und Professor für Nordistik, Gerold Preising, in den "Club Delphin". Bei einem Wettkampf um das schnellste Aufblasen einer Luftmatratze geht dem Wissenschaftler die Luft aus. "An kurzer Leine gehalten wird auch die Verspottung von Freizeitkultur und Animationsschnickschnack in Atemübung. Der Spötter Lenz schwingt die Peitsche, aber als Dompteur der Satire", urteilte Walter Hinck 1996 in der FAZ. Diese eBook-Ausgabe wird durch zusätzliches Material zu Leben und Werk Siegfried Lenz ergänzt.
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Seitenzahl: 30
Siegfried Lenz
Atemübung
Erzählung
Hoffmann und Campe Verlag
Schaut auf diese Bucht, sagte Gerold, dort unten ist es. Ohne den Motor abzustellen, hielt er an einer Passierstelle der engen Straße und machte eine präsentierende Geste, gerade als wolle er uns den schimmernden Strand schenken und die träge auslaufenden Wellen. Dann suchte er meinen Blick, forschend, ausdauernd, und fragte leise: Versöhnt, Hannah? Und da ich ihm nicht antwortete, wandte er sich an seinen Assistenten und an Nicole, die hinter uns saßen, und wartete auf ein Wort der Begeisterung. Da die beiden aber nur stumm dahockten, stumm und anscheinend betäubt vor Hitze, glaubte er sich selbst belobigen zu müssen. Seht ihr, sagte er, am Ende haben wir’s gefunden und werden für alle Irrfahrten entschädigt, und er nickte zu dem kolorierten Schild hinüber. Das Schild bestätigte, daß dort unten, von bröckelnden grauen Felsen eingeschlossen, der »Club Delphin« zu finden war, eine Ansammlung von winzigen, strohgedeckten Bungalows, die nur einen knappen Schatten auf den Strand warfen.
Langsam fuhren wir die holprige Straße hinab, über kantiges Gestein, das den Wagen schlingern und ruckeln ließ; ich drehte das Fenster herunter und spürte sogleich den sanften Meerwind, spürte ihn als Wohltat auf meinem brennenden Gesicht. Ein schneller Blick in den Rückspiegel zeigte mir, daß Lammers immer noch Nicoles Hand hielt; auf ihren Gesichtern lagen weder Freude noch Erleichterung, alles, was sie preisgaben, war eine träge Besorgnis – vermutlich bedauerten sie wie ich, sich auf Gerolds Plan zu einem gemeinsamen Kurzurlaub eingelassen zu haben.