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Auch wenn der Erleuchtete, Störenfried und Gewaltherrscher der Galaxis Manam-Turu, seit Anfang des Jahres 3820 nicht mehr existiert, so hat sich die Lage in diesem Sektor des Universums nicht entspannt. EVOLO, der vom Erleuchteten Erschaffene, ist im Juni 3820 bereits stärker, als der Erleuchtete es jemals war. Allerdings gibt es laufend Verschiebungen in den Machtstrukturen von Manam-Turu. Da ist zum einen EVOLOS Instabilität. Da sind zum anderen hoffnungsvolle Anzeichen für eine künftige Koalition zwischen den Daila und anderen Völkern erkennbar. Und da kommt es zum Zerfall des Zweiten Konzils, als die Ligriden aus dem an ihnen verübten Betrug die Konsequenzen ziehen und Manam-Turu verlassen. Der Einsatz einer robotischen Armada führt die Hyptons noch einmal auf die Siegesstraße - doch EVOLOS Psi-Sturm bringt den Invasionsstreitkräften eine entscheidende Niederlage bei. Während sich all dies in der Nähe des Herrschaftsbereichs der Daila abspielt, sind zur gleichen Zeit Goman-Largo und Neithadl-Off, die beiden Zeitforscher, in einem abgelegenen Teil Manam-Turus zugange. Sie suchen einen Ausweg aus dem Labyrinth von Alchadyr - und dabei entdecken sie DIE STIMME DES SCHWARZEN ZWERGES ...
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Nr. 785
Die Stimme des Schwarzen Zwerges
Das Zeitteam im Labyrinth von Alchadyr
von Harvey Patton
Auch wenn der Erleuchtete, Störenfried und Gewaltherrscher der Galaxis Manam-Turu, seit Anfang des Jahres 3820 nicht mehr existiert, so hat sich die Lage in diesem Sektor des Universums nicht entspannt. EVOLO, der vom Erleuchteten Erschaffene, ist im Juni 3820 bereits stärker, als der Erleuchtete es jemals war.
Allerdings gibt es laufend Verschiebungen in den Machtstrukturen von Manam-Turu.
Da ist zum einen EVOLOS Instabilität. Da sind zum anderen hoffnungsvolle Anzeichen für eine künftige Koalition zwischen den Daila und anderen Völkern erkennbar. Und da kommt es zum Zerfall des Zweiten Konzils, als die Ligriden aus dem an ihnen verübten Betrug die Konsequenzen ziehen und Manam-Turu verlassen.
Der Einsatz einer robotischen Armada führt die Hyptons noch einmal auf die Siegesstraße – doch EVOLOS Psi-Sturm bringt den Invasionsstreitkräften eine entscheidende Niederlage bei.
Die Stimme des Schwarzen Zwerges – Eine Biotronik bekämpft zwei Eindringlinge in ihr Reich.
Goman-Largo und Neithadl-Off – Die Zeitforscher im Labyrinth von Alchadyr.
Nussel
Neithadl-Off
Wir haben es geschafft – wir sind wieder frei!
Das heißt, geschafft hat es eigentlich Goman-Largo, mein heiß verehrter Modulmann. Er hatte die richtige Idee, hat sie auch in die Tat umgesetzt und so die Energieschirme rings um unser stark gesichertes Gefängnis überwunden. Mir blieb im wesentlichen kaum mehr zu tun, als ihn anzufeuern, indem ich ihm schilderte, wie es mir früher gelungen war, mich aus ähnlich prekären Situationen wieder herauszuwinden.
Ist das aber vielleicht nichts ...?
Ein kluges Wort zur rechten Zeit kann oft wahre Wunder bewirken, und das gilt vor allem für meine Kunst der Interpretatorischen Wahrscheinlichkeitsextrapolation. Darin verwende ich stets nur besonders kluge Worte, das ist klar. Wenn ich es recht bedenke, habe ich also doch meinen Teil zum Gelingen unseres Ausbruchs beigetragen.
Nein, mehr noch – eigentlich habe ich dabei mindestens soviel geleistet wie er! Der Arme ist ja oft fast hilflos; wenn ich ihm nicht immer wieder leuchtende Beispiele aus meiner glorreichen Vergangenheit geben würde, käme er kaum zurecht. Wahrscheinlich ist ihm die richtige Lösung für unser Problem nur infolge meiner tatkräftigen moralischen Unterstützung eingefallen.
Ja, so muss es sein!
So gesehen, habe ich also hier sogar die Hauptarbeit geleistet, ich, die Sternenprinzessin und Parazeit-Historikerin. Doch dies werde ich ihm natürlich auf gar keinen Fall sagen, das verbietet mir meine angeborene Bescheidenheit.
Und jetzt muss ich Schluss machen, ich glaube, er kommt zurück. Mal hören, was er herausgefunden hat, mein Modulmann.
1.
Ich schaltete mein Aufzeichnungsgerät wieder ab und verstaute es unter meinem Körper. Dann richtete ich meine Sensorstäbchen erwartungsvoll in die Richtung, aus der ich seine Schritte nun zu hören glaubte. Er war vor einiger Zeit losgegangen, um die nähere Umgebung zu erkunden, von der wir praktisch nichts wussten.
Wir hatten in der Zeitgruft auf Jammatos nicht nur den Heiligen Kubus gefunden, sondern von ihm auch wertvolle Auskünfte erhalten. Daraufhin hatten wir die dort vorhandene Transfer-Kapsel benutzt, und trotz einer kleinen Irritation während des Transports waren wir in einer anderen Zeitgruft angekommen.
Zugleich aber seltsamerweise auch der »falsche« tessalische Exekutor Nofradir, und dann war ein harter Kampf zwischen ihm und uns entbrannt. Natürlich hatten wir – nicht zuletzt wegen meiner Intelligenz – ihn besiegt, und dann war er spurlos verschwunden.
Zu mehr waren wir jedoch nicht mehr gekommen, denn nun hatte sich plötzlich jenes Ding eingemischt, das sich selbst als die »Stimme des Schwarzen Zwerges« bezeichnete.
Auf Tessal hatten wir erfahren, dass diese »Stimme« der Name einer Biotronik war, eines Rechengehirns. Dieses befand sich aber auf dem uralten Planeten Alchadyr, von dem aus die Tessaler vor langer Zeit in ihre jetzige Heimat gekommen waren. Damit wussten wir nun also definitiv, wo wir gelandet waren, doch dieses Wissen hatte uns nicht viel genützt.
Plötzlich waren wir von Energiefeldern umgeben gewesen, zur völligen Bewegungslosigkeit verdammt. Diese Felder hatten uns in einen Raum transportiert, der ganz mit Metallplastik ausgekleidet war, und zusätzlich hatten sich noch Energieschirme rings um ihn aufgebaut.
Und dann hatte uns die Biotronik über eine Bildschirmanlage zu ihren Gefangenen »für immer« erklärt! Als Begründung gab sie an, wir wüssten nun um das größte Geheimnis der Tessaler, und sie müsste um jeden Preis verhindern, dass dieses Volk es erfuhr.
Als ob uns das interessiert hätte! Wir waren wegen ganz anderer Dinge in den Kugelsternhaufen Simmian gelangt.
Ein tessalisches Einsatzkommando war entsandt worden, um im weit entfernten Muruth-System nach »Heiligen Steinen« zu suchen. Es hatte sie nicht bekommen, denn EVOLO war vor ihnen auf Cirgro gewesen, aber dafür waren Atlan und seine Freunde ebenso mit den riesigen, dürren Tessalern zusammengetroffen wie wir. Goman-Largo hatte erklärt, er könnte ihnen eventuell doch noch diese Steine verschaffen. In Wirklichkeit war er aber nur scharf darauf gewesen, auf Tessal eine neue Zeitgruft zu finden, dieses Verlangen glich schon fast einer Krankheit.
Dafür konnte er selbst nichts, man hatte ihn vor langer Zeit in der Zeitschule von Rhuf als Spezialisten regelrecht programmiert. Nun hatten wir bereits die zweite Zeitgruft hinter uns, aber für ihn war dabei praktisch nichts herausgekommen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir den Flug nach Tessal gar nicht angetreten, und uns wäre eine Menge Ärger erspart geblieben.
Doch ich konnte ihm einfach keinen Wunsch abschlagen, meinem Modulmann! Wir beide waren rein äußerlich grundverschieden, aber innerlich verband uns eine tiefe Zuneigung.
Ein wohliger Schauer durchlief meinen Körper, wenn ich nur an die Gelegenheiten dachte ... Nein, es war jetzt wohl besser, nicht zu sehr daran zu denken, die Umstände waren nicht danach. Hier in dieser fremden Umgebung hieß es aufpassen, wenn wir unsere eben erst zurückgewonnene Freiheit behalten wollten.
Noch schien die »Stimme des Schwarzen Zwerges« nicht bemerkt zu haben, dass wir ausgebrochen waren, und hoffentlich würde es noch lange so bleiben. Wir mussten unbedingt versuchen, wieder zurück in die Zeitgruft zu gelangen, denn nur von dort aus konnten wir nach Jammatos zurückkehren.
Wo blieb Goman denn nur so lange?
Ich hatte zuvor schon geglaubt, aus der Ferne Schritte gehört zu haben, aber da hatte ich mich wohl doch getäuscht. Ringsum war und blieb alles totenstill, doch gerade diese Stille zerrte an meinen so empfindsamen Nerven. Ich warf einen hilfesuchenden Blick auf den Heiligen Kubus, den der Modulmann bei mir zurückgelassen hatte, und war versucht, wieder mit ihm zu reden.
Dann ließ ich es aber doch, denn was konnte er mir jetzt schon noch sagen.
Ich hatte ihn davon überzeugt, dass ich seine Abgesandte oder Botschafterin wäre, und das stimmte ja schließlich auch. Ich war von den Vinnidern ausgesandt worden, um ihn wiederzufinden, und das war mir und Goman-Largo ja auch geglückt. Der Begriff »ausgesandt« war aber praktisch identisch mit »abgesandt«.
Folglich war ich eine Abgesandte, und eine Sternenprinzessin und Parazeit-Historikerin noch dazu. Eine bessere konnte der schwarze, wie Glas schimmernde Würfel gar nicht finden.
Jetzt kam es nur noch darauf an, ihn in den Drachentempel von Vinnidarad zurückzubringen. Dann konnte er selbst den Vinnidern erklären, dass es kein echter Tessaler gewesen war, der ihn dort geraubt hatte. Damit entfiel dann auch jeder Grund für sie, einen Krieg gegen diese zu führen, dessen Anfänge wir bereits leidvoll zu spüren bekommen hatten.
Und wenn wir das geschafft hatten, wie würde ich dann dastehen! Neithadl-Off, die Friedensstifterin, würde man mich dann nennen.
Ja, wenn ... aber leider war es noch nicht soweit.
Zuerst mussten wir einmal nach Jammatos zurück, und dazu brauchten wir wieder die Transfer-Kapsel. Diese befand sich jedoch immer noch in der Zeitgruft hier auf Alchadyr, und wo diese zu finden war, wussten wir beide nicht mehr! Während des Transports inmitten der Energiefelder der Stimme in das Gefängnis war es uns nicht möglich gewesen, uns zu orientieren, alles war viel zu überraschend und zu schnell gegangen.
Der Kubus hatte uns geraten, zuerst die Biotronik aufzusuchen, und ich war ebenfalls dafür gewesen. Er und ich, wir konnten uns geradezu vorbildlich ergänzen – er lieferte logische Argumente und ich die Inter-Wahr-Extrapolation dazu. Da hätte es schon mit dem Teufel zugehen müssen, den Goman so gern zitierte, wenn es nicht gelungen wäre, den uralten Kasten zu überzeugen.
Leider war mein Modulmann aber trotzdem anderer Meinung.
Er war dafür, unbemerkt von der »Stimme des Schwarzen Zwerges« direkt wieder die Zeitgruft aufzusuchen und sich heimlich wieder mit der Kapsel zu entfernen. Solange wir in unserem Gefängnis festsaßen, war eine Diskussion darüber illusorisch gewesen, aber danach hatte er darauf bestanden, so vorzugehen.
Fast wäre es deswegen zu einer Verstimmung zwischen uns beiden gekommen, aber ich hatte noch rechtzeitig eingelenkt. Er konnte eben einfach nicht anders, er wollte unbedingt in die »Zentrale Zeitgruft« gelangen, die sich laut Aussage des Heiligen Kubus auf dem Planeten Tessal befinden sollte. Ihm spukte nach wie vor im Kopf herum, entweder andere Zeitspezialisten der Tigganoi aus der Zeitschule aufzuspüren, oder aber deren Gegner, die so genannten »Zeitchirurgen«.
Gut, sollte er seinen Willen haben, wenn auch mehr zum Schein.
Der Weg zur hiesigen Zeitgruft war weit, der Transport hierher hatte relativ lange gedauert. Unterwegs hatte ich schemenhaft die langen Korridore und vielen Räume dazwischen erkannt, durch die wir verschleppt worden waren. Mehr aber auch nicht, und außerdem hatten wir zwischendurch noch mehrmals die Ebenen gewechselt. Der ganze Planet Alchadyr schien von einem unterirdischen Labyrinth durchzogen zu sein.
Das war jedoch kein Wunder, bedachte man die Vorgeschichte der großen, dürren Tessaler.
Ihre entfernten Ahnen hatten miterleben müssen, wie ihre Sonne zuerst zu einem Roten Riesen degenerierte, dessen Strahlung die Oberfläche ihrer Welt mit unerträglicher Hitze überzog. Ihnen war nichts weiter übriggeblieben, als sich tief in den Boden zu wühlen, um überleben zu können.
Später war die Entwicklung dann ins genaue Gegenteil umgekehrt worden. Die Riesensonne war kollabiert und war zuerst zu einem Weißen und danach zu einem Schwarzen Zwerg geworden. Daraufhin war die Planetenkruste vereist, und so gab es für die Überlebenden endgültig keine Rückkehr ins Freie mehr.
Irgendwann hatte sie ein fremdes Volk von Alchadyr evakuiert und auf den Planeten Tessal gebracht, aber davon wusste die Masse ihrer Nachkommen nichts mehr. Diese Kenntnis besaß außer den Regierenden nur noch der Alchadyr-Orden, der in den Tempeln residierte, dies hatten wir von Prinz-Admiral Hochtai erfahren. Dessen Mitglieder suchten auch jetzt noch von Zeit zu Zeit die Stammwelt auf, um die uralte Biotronik zu konsultieren.
Weshalb sie alle geradezu manisch darauf bedacht waren, dem Volk das Wissen um seine Herkunft vorzuenthalten, war uns aber nach wie vor rätselhaft. Wir hatten dafür aber die Folgen zu spüren bekommen, und das in recht rigoroser Weise. Die »Stimme des Schwarzen Zwerges« hatte uns entführt und festgesetzt, für immer, wie sie erklärte.
Ein Geräusch unterbrach meine Gedankengänge.
Ich zuckte zusammen, versteifte die Tastfäden an meinem rechten Vorderglied und griff nach dem Quintadimwerfer. Doch schon auf halbem Weg hielt ich wieder inne und seufzte erleichtert auf. Meine weit ausgefahrenen Sinnesstäbchen hatten den Tigganoi entdeckt.
Eine heiße Welle der Erregung durchlief meinen Körper, und meine Rückenhaut wurde feucht. Ja, er bewegte sich so wie sonst, also schien ihm nichts geschehen zu sein!
Demnach hatte ihn die Biotronik nicht entdeckt, welch ein Glück. Sie wähnte uns noch immer in unserem ihrer Meinung nach vollkommen ausbruchssicheren Gefängnis und hielt es nicht für nötig, dieses irgendwie zu überwachen. Es konnte uns also durchaus gelingen, unbemerkt bis zu ihr vorzudringen, wie es der Heilige Kubus von uns gefordert hatte.
Dieser meinte, hinter der »Stimme« etwas Bekanntes oder sogar Verwandtes erkannt zu haben, deshalb sein Wunsch nach dem Kontakt mit ihr. Davon versprach er sich eine Wendung zum Guten für uns, ohne dies jedoch genauer zu präzisieren. Nun, er hatte bei den Vinnidern als Orakel gedient, und von einem solchen konnte man solches wohl auch nicht erwarten.
Da war es schon besser, wenn ich mich auf den kühlen Verstand meines Modulmanns verließ – was mochte er bei seiner Erkundung wohl herausgefunden haben?
Goman-Largo
Wenn es etwas gibt, das ich neuerdings besonders hasse, dann sind das diese verdammten subplanetaren Gänge und Kavernen!, dachte ich, als ich mich auf den Weg ins Ungewisse machte.
Bei den Zeitgrüften musste ich es in Kauf nehmen, dass sie meist unterirdisch angelegt waren. Zum einen, weil sie sorgfältig gegen Außenstehende verborgen werden mussten, damit diese nicht in ihrer Unkenntnis darin irgendwelches Unheil anrichten konnten, das sie in ihrer Funktion beeinträchtigte.
Zum anderen, und dies war der hauptsächliche Grund, wegen der Stabilität über viele Jahrtausende hinweg.
Die Oberfläche von Planeten war im Lauf der Zeit oft großen Veränderungen unterworfen. Wind, Wetter und Klimawechsel spielten dabei eine große Rolle, sie bewirkten meist umfassende Erosionen. Doch auch die Intelligenzen, die auf diesen Welten lebten, waren oft genug die Verursacher. Hatten sie erst einmal eine Technik entwickelt, die als »modern« zu bezeichnen war, bedeutete dies fast immer große Eingriffe in die Natur.
Die zwangsläufige Folge waren dann meist Erdbewegungen, etwa zum Bau großer Städte, Raumhäfen oder anderer Einrichtungen, je nach Standard und Bedarf. Dabei ging es oft auch einige hundert Meter in die Tiefe, schon bei einem simplen Bergwerk zum Abbau von Erzen oder sonstigen Mineralien. Dies alles musste bei der Errichtung von Zeitgrüften vorsichtshalber berücksichtigt werden, ihre Konstrukteure durften nichts dem Zufall überlassen.
Die Zeit war ein mehr als heikles Medium, das wusste kaum jemand besser als ich, ein Absolvent der Zeitschule auf Rhuf.
Sie war durchaus keine Konstante, wie es normalen unwissenden Lebewesen erschien. Sie war wie ein Fluss, der sich, bestimmten Tendenzen folgend, aus der Vergangenheit in Richtung der Zukunft dahinwälzte. Kleinere Verästelungen spielten dabei kaum eine Rolle, diese Nebenarme fanden irgendwann wieder ins Hauptbett zurück.
Wirklich schlimm wurde es nur dann, wenn dieser Fluss plötzlich auf ein großes Hindernis traf, auf eine echte Zeitanomalie!
Diese resultierten aus Erschütterungen des Raum-Zeit-Gefüges, aus abrupten Veränderungen in seiner vierdimensionalen Struktur. Das konnte der Ausbruch einer Supernova genauso gut sein, wie der Kollaps eines Neutronensterns, aus dem ein Schwarzes Loch entstand. Solche und noch einige andere kosmische Ereignisse »brachen« den Zeitstrom, zwangen ihn dazu, sich ein neues Bett zu suchen, und negierten so eine bis dahin dominierende Zeittendenz.
Große und vielversprechende Rassen gingen dann plötzlich unter, ohne dass es einen plausiblen Grund dafür gab. Auf dem Umweg über den Hyperraum fielen fehlgelenkte Zeitströme unkontrolliert in weit entfernte Raumgebiete ein, beeinflussten die dortigen Gestirne und riefen gravierende Veränderungen hervor.
Hatte ein solches Unheil vielleicht auch die Sonne Modar ereilt, deren vierter Planet Alchadyr war?
Ihr plötzliches Aufblähen zu einem Roten Riesen konnte nach normalen kosmischen Maßstäben noch gar nicht lange zurückliegen, ebenso ihre Umwandlung von einem Weißen zu einem Schwarzen Zwerg! Solche Prozesse dauerten normalerweise Hunderte oder gar Tausende von Jahrmillionen. Hier schienen zwischen den einzelnen Stadien aber nur wenige Jahrzehntausende gelegen zu haben, sonst hätte das Volk der Tessaler jetzt gar nicht mehr existieren können!
Dies alles konnte nur die Folge einer extremen Zeitanomalie gewesen sein, dessen war ich mir hundertprozentig sicher. Sollten da etwa die Zeitchirurgen ihre schmutzigen Finger im Spiel gehabt haben? Ihnen traute ich alles mögliche zu.
Aber nein, soviel brachten sie nun doch wieder nicht fertig, entschied ich schließlich. Also musste es wohl doch eine andere Anomalie gewesen sein, in einem so alten Kugelsternhaufen wie Simmian traten sie vermutlich öfter auf.
Ich ließ das Thema wieder fallen und widmete meine Aufmerksamkeit ganz der Umgebung. Seit etwa zehn Minuten bewegte ich mich durch einen gewölbten Korridor von knapp sechs Meter Weite und Höhe, und noch war kein Ende abzusehen. Boden und Wandung waren mit braunem Kunststoff beschichtet, der sich noch in gutem Zustand befand, das Licht kam von einer spannenbreiten Lumineszenzleiste, sie sich am Scheitelpunkt der Decke hinzog.
Die Temperatur war angenehm, die Gravitation ebenso, während sie auf Jammatos ein Drittel über der Norm lag. Auch die Luft schien laufend umgewälzt und gereinigt zu werden, ihr fehlte der sonst in solch alten Anlagen übliche schal-modrige Geruch. Das wies darauf hin, dass die »Stimme des Schwarzen Zwerges« diese hier noch immer ziemlich gut im Schuss hielt, aber das vergrößerte mein Unbehagen eher noch mehr. Es war zu befürchten, dass uns diese Biotronik früher oder später entdeckte, wenn wir erst weiter vordrangen.
Unsere Flucht aus ihrem Gefängnis hatte sie aber jedenfalls noch nicht bemerkt, ich hatte sie perfekt inszeniert!
Normalerweise wäre ein Entkommen aus diesem Raum tatsächlich unmöglich gewesen. Wir hätten zwar mittels der Quintadimwerfer eine Öffnung in der Auskleidung von Metallplastik schaffen können, doch das wäre angesichts der Energiesperren draußen trotzdem nutzlos geblieben. Obendrein hätte die »Stimme« zweifellos die Emissionen der 5-D-Kugelfelder registriert und dann noch weitergehende Maßnahmen getroffen, um unser ganz sicher zu sein.
Nein, mit Gewalt war hier nichts zu machen gewesen, also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen.
Neithadl-Off hatte geraten, einfach abzuwarten, irgendwann würde sich die Biotronik schon wieder melden. Dann wollte sie mit ihrer bewährten Taktik eines ihrer Lügengewebe spinnen und das Gehirn auf diese Weise dazu bewegen, uns wieder freizugeben. Vielleicht wäre ihr das sogar gelungen, doch die »Stimme« tat ihr den Gefallen nicht, sie hüllte sich in Schweigen.
Fast ein ganzer Tag war vergangen, ohne dass etwas geschah, und dann war unsere Lage langsam kritisch geworden.