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Eine Liebes- und Weihnachtsgeschichte aus der Hand des Meisters, der mit der "Weihnachtsgeschichte" um Ebenezer Scrooge einen Klassiker aller Zeiten verfasst hat.
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Seitenzahl: 151
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Auf der Walstatt des Lebens
Inhalt:
Charles Dickens – Biografie und Bibliografie
Auf der Walstatt des Lebens
Erster Teil
Zweiter Teil
Dritter Teil
Auf der Walstatt des Lebens, C. Dickens
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Germany
ISBN: 9783849609832
www.jazzybee-verlag.de
Früher bekannt unter dem Pseudonym Boz, berühmter engl. Schriftsteller, nebst Thackeray der Hauptvertreter der Londoner Romanschule, geb. 7. Febr. 1812 in Landport bei Portsmouth, wo sein Vater bei der Marine angestellt war, gest. 9. Juni 1870, kam mit seinen mittellosen Eltern 1816 nach Chatham, im Winter 1822/23 nach London, war schwächlich und genoß keine gute Schulbildung, zeichnete sich aber schon als Kind durch eifriges Lesen von Romanen und Dramen aus. Eine Weile saß der Vater im Schuldgefängnis, und Charles machte in einem Geschäftshaus Pakete für 6 oder 7 Schilling die Woche. Dann besserten sich die Verhältnisse; Charles besuchte eine »Academy« in Hampstead Road, wurde Advokaturschreiber, wobei er Gelegenheit hatte, das englische Volksleben zu studieren, trieb zugleich im Britischen Museum literarische Studien, lernte stenographieren, bekam eine Stelle als Reporter und zeigte dabei so großes Geschick, daß er zur Mitarbeit an »The true sun« und später am »Morning Chronicle« herangezogen wurde. Im »Monthly Magazine«, »Morning Chronicle« und in ähnlichen Zeitschriften veröffentlichte er seit Dezember 1833 die Skizzen vom bunten Treiben der Hauptstadt, die er gesammelt als »Sketches of London« (1836, 2 Bde.) mit Zeichnungen von Cruikshank herausgab. Im August 1834 unterzeichnete er zum erstenmal einen Aufsatz mit Boz, einer Kinderform für Moses, wie sein jüngerer Bruder, Augustus, nach einem Knaben im »Vikar von Wakefield« gewöhnlich genannt wurde. Eine zweite Reihe »Sketches« folgte noch 1836. Seinen Ruhm aber gründete er durch die »Pickwick papers« (1836–37), die in wöchentlichen Heften mit Federzeichnungen von Cruikshank und Phiz erschienen und von allen Schichten der Gesellschaft mit Freude begrüßt wurden. Das Buch enthält lustige Abenteuer einiger Herren des Pickwickklubs, die auf einer Reise durch England die Sitten verschiedener Gesellschaftsklassen beobachten. Die Frische, Schwäche und Gutherzigkeit des Londoners (cockney) ist darin mit ebensoviel Menschenkenntnis als Gemütsteilnahme dargestellt, ja literarisch entdeckt worden. D. hat seinem Volke die Poesie des gewöhnlichen Lebens durch das Medium des Humors zum Bewußtsein gebracht. Am 2. Dez. 1836 heiratete D. Katharina, die Tochter eines Kollegen beim »Morning Chronicle«. Im Januar 1837 begann er einen zweiten Roman: »Oliver Twist«, eine Erzählung aus den untern Volksschichten (1837 bis 1839). Es folgten: »Nicholas Nickleby« (1839), noch erfolgreicher als die »Pickwickier«; »Master Humphrey's clock« (1840–41), eine Reihe von Erzählungen, in denen die Zeichnung von Leidenschaften und die Schilderung des oft hoffnungslosen Elends in den Fabrikstädten besonders ansprechen (aufgelöst in zwei Geschichten: »The old curiosity shop« und »Barnaby Rudge«), u. »Martin Chuzzlewit«, worin manche Früchte einer inzwischen unternommenen Reise nach Amerika eingestreut sind. Seine im Allgemeinen nicht günstigen Eindrücke von Amerika legte er in eignem Zusammenhang nieder in den »American notes« (1842). D. bewohnte nun ein hübsches Haus mit Garten am Regent's Park, wurde viel gefeiert, auch hoch bezahlt. Er blieb aber auch im Wohlstand ein Philanthrop und bewährte dies besonders durch seine Weihnachtsgaben: »A Christmas carol« (1843), »Chimes« (geschrieben in Italien, 1844), »The cricket oa the hearth« (1845), »Battle of life« (geschrieben am Genfer See, 1846); »The haunted man« (1848). Dazwischen entstand der Roman »Dombey and son« (1846–48), ein erschütterndes Bild bürgerlichen Lebens. Mit erstaunlicher Arbeitskraft ließ D. bereits 1849–50 den mehr autobiographischen Roman »David Copperfield« folgen, durch treffliche Charakterzeichnung und einen wahrscheinlichern Plan vor den andern Werken ausgezeichnet; ferner »Bleakhouse« (1852), »Hard times« (1853), »Little Dorrit« (1855), »Tale of two cities« (1859), »Great expectations« (1861), »Our mutual friend« (1864–65). Dazu gesellten sich journalistische Unternehmungen: er wurde 1845 Redakteur der neubegründeten liberalen Zeitung »Daily news«, in der er »Pictures of Italy« veröffentlichte, zog sich aber bald von dem Blatt zurück und begann 1849 die Herausgabe einer Wochenschrift: »Household words«, die Unterhaltung mit Belehrung verbinden sollte und, seit 1860 u. d. T.: »All the year round« erscheinend, ungemeine Verbreitung fand. Seine spätern Romane sind regelmäßig darin erschienen. Eine Ergänzung bildete das monatlich erscheinende -»Household narrative of current events«, eine Übersicht der Zeitgeschichte. »A child's history of England« (1852) ist eine behaglich geschriebene Geschichte Englands. In den von der »Literary guild«, einer Anstalt für altersschwache Schriftsteller, in den großen Städten gegebenen Theatervorstellungen entwickelte D. auch dramatisches Talent, wie er denn seit seiner Kindheit sich an Dilettantenschauspielen mit Lust beteiligte. Indes wirkten die Anstrengungen doch auf seine Gesundheit, um so mehr, als sich Verluste und Unbefriedigtheit in der Familie (Trennung von der Frau 1858) dazu gesellten; eine Rastlosigkeit befiel ihn, deren Spuren man in seinen Schriften zuerst in »Bleakhouse« bemerken will. Auf mannigfachen Reisen und in seinem Hause Gadshill Place, das er seit 1856 besaß und verschönerte, suchte er rastlos nach Erholung. Vollends verderblich wurden ihm die Vorlesungen aus seinen Werken, die er seit 1858 in Cyklen in London, der Provinz, Schottland, Irland und 1868 auch auf einer zweiten Reise nach Nordamerika hielt. Er gewann Ehren und ungeheure Honorare, fühlte sich aber oft am Ende seiner Kraft. Ein Blutaustritt im Gehirn führte schließlich seine Auflösung herbei. Er starb im geliebten Gadshill Place, während er an dem »Mistery of Edwin Drood« arbeitete, das deshalb Fragment blieb, und wurde in der Westminsterabtei beigesetzt. In den 12 Jahren nach seinem Tode wurden von seinen Werken über 4 Millionen in England verkauft. Die erste Sammelausgabe war schon 1847 begonnen worden. Die »Charles D. edition«, in Amerika unternommen, erschien in England 1868–70 u. ö.; 1881 in 21 Bdn.; die »Library edition« 1881 in 30 Bdn. Seine »Speeches, literary and social« veröffentlichte Shepherd (Lond. 1870, 2. Aufl. 1883), der auch die »Plays and poems« sammelte (das. 1882–85, 2 Bde.). Von Gesamtausgaben deutscher Übersetzungen sind zu erwähnen: die Webersche (von Roberts, Leipz. 1842–70, 125 Bde., illustriert), die Hoffmannsche (von Kolb u. a., Stuttg. 1855ff., 25 Bde.), die Seybtsche (Leipz. 1862, 24 Bde.), die Scheibesche (Auswahl, Halle 1892, 15 Bde.), die Schirmersche (von Heichen, Naumb. 1902ff., 34 Bde.). Zur Erläuterung seiner Schriften veröffentlichte Pierce ein »D. Dictionary« (2. Aufl., Boston 1878). D. schildert das Leben, die Charaktere der Weltstadt von den Gemächern der Aristokratie bis zur Dachstube oder den Kellern, wo die Armut und das Verbrechen wohnen, mit einer glücklichen Mischung von Satire und Gefühl, nicht ohne die Absicht, zu bessern und Mißbräuche zu beseitigen. Das Londoner Leben der mittlern und untern Stände ist seine eigentliche Sphäre; will er weiter hinauf und Bilder aus den höhern Ständen oder aus der Geschichte liefern, so mißlingt es ihm. Sein Pathos reicht aus, wahr und ergreifend den Tod eines Kindes zu schildern; eine tiefe Leidenschaft zum Ausdruck zu bringen, lag nicht in der realen Richtung seines Wesens. Seine Liebesszenen sind gern drollig, seine Verbrecher Ungeheuer. Nebenfiguren baut er sich auf aus einigen Eigentümlichkeiten, Launen, Sprechweisen. Von Frauengestalten weiß er alte Damen und Dienstboten gut zu schildern; seine Liebhaberinnen sind unbedeutend. Dagegen gelingt ihm die Zeichnung von Kindern meisterhaft, weil ihm bei allem Realismus der Sinn des Poeten für das Märchenhafte nicht abging. Dadurch wußte er selbst dem Häßlichen eine Anziehungskraft zu leihen und bei allem Realismus dezent zu wirken. Charakteristisch für seine Romane ist der Mangel an einheitlichem Plan, z. T. wahrscheinlich eine Folge davon, daß sie in Lieferungen erschienen; das Gedränge am Ende, wenn über Hals und Kopf abzuschließen ist, wird oft sehr fühlbar. Aber wie bei Walter Scott bleibt der Verfasser selber und um so mehr der Leser bis zum Ende in Spannung, wie es ausgehen wird. Sein Leben schrieben I. Forster (Lond. 1872–74, 3 Bde.; zuletzt 1891; deutsch von F. Althaus, Berl. 1872–75; in abgekürzter Ausg. von Gissing, Lond. 1898), Julian Schmidt (»Bilder aus dem geistigen Leben unserer Zeit«, neue Folge, Leipz.1872), A. W. Ward (1882), Marzials (1887), Kitton (1902), Heichen (1902); vgl. auch Langton, Childhood and growth of D. (1891); G. Dolby, D. as I knew him (neue Ausg. 1900); R. Bluhm, Autobiographisches in »David Copperfield« (Leipz.1891); »The letters of Charles D.« (hrsg. von seiner Schwiegertochter und ältesten Tochter Lond. 1880, 3 Bde.); »Letters to Wilkie Collins« (das. 1892). Eine brauchbare »Bibliography of D.« lieferte Shepherd (Lond. 1880), zu ergänzen durch Kitton, Dickensiana (das. 1886), der auch »Minor writings of D.« herausgab (das. 1900) und in »The novels of D.« (1897) bequeme Inhaltsübersichten bot. Seinen Jugendeinflüssen ging Benignus nach (Straßb. 1894), seinen Beziehungen zu Addison Winter (Leipz. 1899), zu Fielding und Smollet Wilson (das. 1899).
Vor langer, langer Zeit wurde einst eine heiße Schlacht geschlagen im alten, tapferen England. Wo und wann, soll uns nicht kümmern. Sie wurde geschlagen an einem langen Sommertage, als grün die Halme wogten. Manch wilde Blume, zum duftenden Becher geschaffen für den glitzernden Tau von des Allmächtigen Hand, füllte ihren farbigen Kelch an diesem Tag mit Blut und welkte schaudernd dahin. Manches Insekt, von Farben so zart wie die unschuldigen Blüten und Blätter, war rot gefärbt vom Blute der sterbenden Menschen und zog in hastiger Flucht unnatürliche Spuren auf den Boden. Der bunte Schmetterling trug Blutstropfen auf dem Rand seiner Flügel; und rot floß der Strom dahin. Die zerstampfte Erde wurde ein dampfender Sumpf, und aus den Pfützen, die sich in den Spuren der Pferdehufe und menschlichen Füße gesammelt, schimmerte das unheimliche Rot zur Sonne empor.
Ein gütiges Geschick möge uns bewahren vor dem Anblick eines Bildes, wie es der Mond auf dieser Walstatt sah, als er über die schwarze Linie des Hügelrückens, dessen Rand ferner Baumbestand schattierte, am Himmel emporstieg und auf das Brach- feld niederblickte, wo mit himmelwärts gerichteten Gesichtern, die Augen gebrochen, die einstmals an der Mutter Brust in Mutteraugen gelächelt oder friedlich geschlummert hatten, in Haufen die Toten lagen. Ein gütiges Schicksal verschweige uns Geheimnisse, wie sie der mit Leichengeruch geschwängerte Wind über den Schauplatz von dieses Tages Werk und dieser Nacht Leiden und Sterben flüsternd trug. Wie oft schien einsam der Mond grell auf diese Walstatt nieder, wie lange Zeit hielten die Sterne trauervoll Wache und mußte der Wind darüber hinstreichen aus jeder Himmelsrichtung, ehe die Spuren des Kampfes verschwanden. Sie blieben noch lange und lange und lebten in den kleinen Dingen fort. Die große Natur, erhaben über menschliches Leid, gewann bald ihre Heiterkeit wieder und lächelte auf das blutgetränkte Schlachtfeld nieder, wie ehedem, als es noch frei von Schuld gewesen. Die Lerchen sangen hoch über ihm; die Schatten der fliegenden Wolken verfolgten einander spielend über Wiese und Wald und über Dächer und Kirchtürme der von Bäumen umsäumten Stadt hinaus in die schimmernde Ferne, wo Himmel und Erde zusammenfließen und das Abendrot verblaßt. Korn wurde gesät und wuchs empor und wurde geerntet; der Fluß, einst wie Purpur gefärbt, drehte das Mühlrad; Männer pfiffen hinter dem Pflug, Schnitter und Heuer arbeiteten still in Gruppen, Schafe grasten und Ochsen, Knaben schrien auf den Feldern, um die Vögel zu verscheuchen, Rauch stieg empor aus den Schornsteinen der Hütten, die Feiertagsglocken läuteten Frieden, und alte Leute lebten und starben. Die scheuen Geschöpfe des Feldes und die schlichten Blumen in Busch und Garten blühten und welkten dahin, wenn ihre Zeit um war; alles auf dem grimmigen, blutgetränkten Schlachtfeld, wo Tausende und Abertausende gefallen in wildem Kampfe.
Wohl sah man noch lange tiefgrüne Inseln im keimenden Korn, auf die die Leute voll Grauen blickten. Jahr um Jahr kehrten sie wieder, und man wußte, daß unter diesen fruchtbaren Flecken Menschen und Pferde in Haufen begraben lagen und mit ihren Leibern den Erdboden düngten. Den Landleuten, die dort pflügten, schauderte es vor den fetten Würmern, die hier umherkrochen, und die Garben, die an diesen Stellen geerntet wurden, hießen noch lange Jahre die »Schlachtgarben« und wurden beiseite gestellt. Niemals kam eine Schlachtgarbe beim Erntefest auf den letzten Wagen. Lange Zeit förderte jede Furche, die gezogen wurde, Trümmer aus der Schlacht ans Tageslicht. Lange Zeit noch standen verwundete Bäume auf der Walstatt und lagen Stücke zerbrochener Mauern und zerstampfter Zäune umher an Plätzen, wo auf Tod und Leben gerungen worden war und weder Halm noch Blatt mehr wachsen wollte. Noch lange Jahre scheuten sich die Mädchen des Dorfs, Haar und Busen mit den schönen Blumen von diesem Totenfeld zu schmücken, und viele Jahre später noch hieß es, die dort wachsenden Beeren hinterließen auf der Hand, die sie pflückte, einen unauslöschlichen Fleck.
Aber mit den Zeiten, die so flüchtig vorüberzogen wie die Sommerwolken, schwanden auch diese Spuren des alten Kampfes, und die sagenhaften Erinnerungen daran vermischten sich im Gedächtnis der Menschen, bis sie zu den Altweibermärchen zusammenschrumpften, die man sich zur Winterszeit am Kaminfeuer erzählte und die mit jedem Jahr mehr und mehr verblaßten. Wo die wilden Blumen und Beeren so lange unberührt gestanden, da wuchsen Gärten auf, und Häuser wurden gebaut, und Kinder spielten Krieg auf dem Rasen. Die wunden Bäume waren schon lange als Weihnachtsscheite verbrannt und waren knisternd und knatternd als Funken davongeflogen. Die dunkelgrünen Inseln waren nicht frischer mehr als das Gedächtnis derer, die da unten ruhten in der Erde. Wohl brachte die Pflugschar von Zeit zu Zeit noch immer allerhand rostiges Eisen zutage, doch keiner vermochte mehr zu sagen, wozu es einst gedient hatte, und die es gefunden, stritten sich darüber vergeblich. Ein alter, zerbeulter Harnisch und ein Helm hatten so lange in der Kirche gehangen, daß derselbe schwache, halbblinde Alte, der jetzt vergeblich versuchte, sie oben an dem getünchten Gewölbe zu erkennen, sie schon als Kind staunend betrachtet hatte.
Wären die Gefallenen auf den Stellen, wo sie den Tod gefunden, plötzlich wieder zum Leben erwacht, dann hätten gespaltene Schädel zu Hunderten zu Tür und Fenster hereingesehen, gespenstische Soldaten wären erschienen am friedlichen Herd, wären aufgespeichert gewesen mit dem Korn in der Scheuer, emporgestiegen zwischen dem Kind in der Wiege und seiner Wärterin, hätten den Strom gestaut und sich mit dem Mühlrad gedreht. Der Obstgarten und die Wiese wären von ihnen angefüllt gewesen und hoch aufgetürmt der Heuschober.
Verändert war die Walstatt, wo einst Tausende und Abertausende in der großen Schlacht gefallen!
Vielleicht nirgends war sie mehr verändert als (vor etwa hundert Jahren) in einem kleinen Obstgarten, der zu einem alten, steinernen, mit einer Geißblattlaube geschmückten Hause gehörte.
Aus diesem kleinen Obstgarten erschallten an einem hellen Herbstmorgen Musik und heiteres Lachen, und zwei junge Mädchen tanzten lustig auf dem Rasen, während ein halbes Dutzend Bauernweiber auf Leitern standen, Äpfel von den Bäumen pflückten und zuweilen in ihrer Arbeit innehielten, um in die Fröhlichkeit mit einzustimmen. Es war ein anmutiges, liebliches und natürliches Bild; ein schöner Tag, ein stiller Ort, und die beiden Mädchen tanzten in ihrer Herzenslust fröhlich und sorglos.
Wenn es in der Welt nichts Derartiges gäbe wie die Sucht, sich hervorzutun – das ist meine ganz private Meinung, und ich hoffe, man stimmt mit mir darin überein –, so wäre ein viel besseres Vorwärtskommen und unvergleichlich mehr Vergnügen. Es war entzückend anzusehen, wie die Mädchen tanzten. Sie hatten keine Zuschauer als die Bauernweiber, die auf den Leitern die Äpfel von den Bäumen pflückten. Und sie freuten sich, ihnen zu gefallen, aber sie tanzten nur für sich selbst. Und wie sie tanzten!
Nicht wie Ballett-Tänzerinnen. O nein! Nein, ganz und gar nicht. Und nicht wie Madame Soundsos vollendete Schülerinnen. Keine Spur. Es war keine Quadrille, kein Menuett, nicht einmal ein gewöhnlicher Bauerntanz. Es war kein Tanz nach dem alten Stil und keiner nach dem neuen, war nicht nach dem französischen und nicht nach dem englischen Stil. Eher ein wenig nach dem spanischen, der freier ist und fröhlicher, wie ich höre, und bei dem Klang der zirpenden Kastagnetten den Eindruck einer köstlichen Improvisation erweckt. Wie sie so unter den Obstbäumen hintanzten und die Beete entlang und wieder zurück und einander im Kreise wirbelten, da schienen sich ihre luftigen Bewegungen im sonnenbeschienenen Grase weiter zu verbreiten, wie ein immer größer werdender Kreis im Wasser. Ihr fliegendes Haar und ihre wehenden Gewänder, das elastische Grün unter ihren Füßen, die Zweige, die im Morgenwind raschelten, die glänzenden Blätter und ihre gefleckten Schatten auf dem weichen Rasen – der balsamische Wind, der durch die Landschaft wehte, froh, die ferne Windmühle lustig drehen zu dürfen – alles, alles um die beiden Mädchen und den Bauern herum, und das Gespann am Pfluge auf dem Hügelrücken – am Horizont, als stünden sie am Ende der Welt – schien gleichfalls zu tanzen.
Endlich warf sich die jüngere der beiden Schwestern außer Atem und fröhlich lachend auf eine Bank, um auszuruhen. Die andere lehnte sich an einen Baum dicht dabei. Die Musik, ein wandernder Harfenist und ein Geiger, schloß mit einem Tusch, als seien sie noch ganz frisch, obwohl der Tanz so schnell gewesen war, daß sie es keine halbe Minute mehr länger ausgehalten hätten.
Die Obstpflückerinnen auf den Leitern ließen ein Murmeln und Gebrumm von Beifall hören und machten sich dann emsig und noch immer summend wie Bienen wieder an die Arbeit. Vielleicht deswegen so besonders fleißig, weil ein ältlicher Herr, der niemand anders war als Dr. Jeddler selbst – es war nämlich Dr. Jeddlers Haus und Obstgarten und die beiden Mädchen Dr. Jeddlers Töchter –, angerannt kam, um nachzusehen, was denn los sei und wer denn, zum Kuckuck, auf seinem Grund und Boden schon vor dem Frühstück Musik mache.
Er war ein großer Philosoph, der Dr. Jeddler, aber keineswegs musikalisch.
»Musik und Tanz heute am Jahrestag«, sagte der Doktor, blieb stehen und sprach mit sich selbst, »ich dachte, man fürchtete sich bis heute noch. Aber es ist eine Welt voller Widersprüche. Aber Grace, aber Marion!« fügte er laut hinzu, »ist denn die Welt heute noch verrückter als gewöhnlich?«
»Du mußt Nachsicht haben, Vater, wenn sie's ist«, antwortete Marion, seine jüngere Tochter, lief zu ihm hin und lächelte ihm ins Gesicht, »weil heute jemand Geburtstag hat.«