Auf Jessica wartet das Leben - Laura Martens - E-Book

Auf Jessica wartet das Leben E-Book

Laura Martens

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Beschreibung

Dr. Baumann ist ein echter Menschenfreund, rund um die Uhr im Einsatz, immer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Patienten, ein Arzt und Lebensretter aus Berufung, wie ihn sich jeder an Leib und Seele Erkrankte wünscht. Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen. Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird. Dr. Eric Baumann parkte vor dem schmucken Einfamilienhaus, das nahe dem Tegernsee in der Prinz-Karl-Allee lag. Es gehörte einer alten Dame, die er seit seiner Kindheit kannte, da sie schon bei seinem Vater in Behandlung gewesen war.Der Arzt hatte noch nicht einmal auf die Klingel gedrückt, als drinnen bereits Timmy, der weiße Spitz seiner Patientin, zu kläffen begann. »Ich komme schon!« rief eine jugendlich klingende Stimme, und gleich darauf wurde ihm von einem jungen Mädchen die Tür geöffnet.»Guten Tag. Ich möchte zu Frau Wahl«, sagte Eric und stellte sich vor.»Ich bin Tanya Ellmösl«, erwiderte das junge Mädchen. »Ich kümmere mich etwas um Frau Wahl. Es ging ihr nicht besonders gut, als ich heute nachmittag gekommen bin, deshalb habe ich in Ihrer Praxis angerufen.« Sie beugte sich zu Timmy hinunter, der noch immer kläffte und tat, als würde es sich bei Eric um einen Einbrecher handeln. »Bist du endlich still! Was soll denn Doktor Baumann von dir denken?»Ich habe selbst einen Hund. Ich denke von dir also nur das beste, Timmy.« Er beugte sich hinunter und hielt dem Spitz die Hand entgegen. Augenblicklich hörte der kleine Kerl mit seinem Gekläff auf und schnupperte an den Fingern des Arztes.»Kennen Sie den Weg, Herr Doktor?« fragte Tanya.

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Der Arzt vom Tegernsee – 7–

Auf Jessica wartet das Leben

Laura Martens

Dr. Eric Baumann parkte vor dem schmucken Einfamilienhaus, das nahe dem Tegernsee in der Prinz-Karl-Allee lag. Es gehörte einer alten Dame, die er seit seiner Kindheit kannte, da sie schon bei seinem Vater in Behandlung gewesen war.

Der Arzt hatte noch nicht einmal auf die Klingel gedrückt, als drinnen bereits Timmy, der weiße Spitz seiner Patientin, zu kläffen begann. »Ich komme schon!« rief eine jugendlich klingende Stimme, und gleich darauf wurde ihm von einem jungen Mädchen die Tür geöffnet.

»Guten Tag. Ich möchte zu Frau Wahl«, sagte Eric und stellte sich vor.

»Ich bin Tanya Ellmösl«, erwiderte das junge Mädchen. »Ich kümmere mich etwas um Frau Wahl. Es ging ihr nicht besonders gut, als ich heute nachmittag gekommen bin, deshalb habe ich in Ihrer Praxis angerufen.« Sie beugte sich zu Timmy hinunter, der noch immer kläffte und tat, als würde es sich bei Eric um einen Einbrecher handeln. »Bist du endlich still! Was soll denn Doktor Baumann von dir denken?«

»Ich habe selbst einen Hund. Ich denke von dir also nur das beste, Timmy.« Er beugte sich hinunter und hielt dem Spitz die Hand entgegen. Augenblicklich hörte der kleine Kerl mit seinem Gekläff auf und schnupperte an den Fingern des Arztes.

»Kennen Sie den Weg, Herr Doktor?« fragte Tanya.

»Ja.« Eric wandte sich der Treppe zu.

»Gut, dann bleibe ich hier unten und sorge erst einmal dafür, daß Timmy sein Futter erhält.« Sie wies zur Küche. »Auf, Timmy, es gibt Hühnermagen.«

Timmy zögerte noch einen Augenblick, dann rannte er durch die offene Küchentür und setzte sich erwartungsvoll vor seinen noch leeren Futternapf.

Dr. Baumann klopfte an

die angelehnte Schlafzimmertür. »Darf ich hineinkommen, Frau Wahl?« fragte er.

»Kommen Sie nur, Herr Doktor«, antwortete die alte Dame schweratmend.

Eric trat ein. Auf den ersten Blick erkannte er, daß es Elsa Wahl noch schlechter ging, als er angenommen hatte. Sie saß halb in ihrem Bett. Ihr Gesicht wirkte geisterbleich, auf ihrer Stirn standen kleine Schweißperlen.

»Es ist nur wieder das Herz«, meinte Elsa Wahl, als er sie fragte, weshalb sie ihn nicht sofort verständigt hatte. »Wenn man erst mal die Achtzig erreicht hat, erscheint es einem nicht mehr so wichtig, mindestens hundert zu werden. Dank des Nitrosprays ist das Schlimmste ohnehin vorbei.«

»Bitte, rufen Sie mich das nächste Mal sofort«, bat Eric und wies auf das Telefon, das neben ihrem Bett stand. »Wie ich sehe, haben Sie meine Nummer sogar eingespeichert.«

Er öffnete seine Tasche und nahm das Blutdruckgerät heraus. Als er die Manschette des Gerätes um den Arm der alten Dame schloß, stellte er fest, daß sie schon wieder abgenommen hatte. »Essen Sie auch genügend?« fragte er.

»Wenn Tanya da ist, essen wir stets gemeinsam. Sie sorgt dafür, daß ich nichts auf meinem Teller lasse«, erwiderte Frau Wahl, und ein kleines Lächeln umhuschte ihre Lippen. »Davon abgesehen, ißt es sich in Gesellschaft ohnehin besser. Dieses Mädchen ist ein wahrer Segen.«

»Es ist schön, daß Sie jetzt einen Menschen haben, der sich etwas um Sie kümmert, Frau Wahl«, meinte Dr. Baumann, während er die alte Dame untersuchte. »Wohnt Tanya in Ihrer Nachbarschaft?«

»Nicht direkt«, entgegnete sie. »Tanya lebt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in der Bahnhofstraße. Ich habe die beiden flüchtig kennengelernt. Sie sind mir nicht gerade sympathisch.« Elsa Wahl hob die Schultern. »Nun, vielleicht bin ich auch nicht ganz objektiv, weil mir Tanya erzählt hat, was für Probleme sie mit ihren Eltern hat.«

Eric zog eine Spritze auf. »Wie alt ist Tanya?«

»Sie wird in einem Monat achtzehn. Ich habe vor, sie dann bei mir aufzunehmen.« Wieder umspielte ein Lächeln die Lippen der Kranken. »Ich werde sie nachher fragen, was sie davon hält.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Tanya wollte es nicht, aber ich gebe ihr etwas Taschengeld dafür, daß sie sich um mich und Timmy kümmert. Von dem Geld muß sie den größten Teil zu Hause abgeben.«

»Geht sie noch zur Schule?«

»Ja, ins Gymnasium. Sie… Au!«

»Schon vorbei, Frau Wahl.« Dr. Baumann legte die Spritze beiseite und setzte sich zu ihr ans Bett. »Wie haben Sie das junge Mädchen kennengelernt?«

»Es ist vor ein paar Wochen gewesen. Ich bin unten am See mit Timmy spazierengegangen.« Sie seufzte leise auf. »Es mag nicht richtig gewesen sein, daß ich mir vor zwei Jahren nach Waldis Tod noch einmal einen Hund angeschafft habe, aber wer lebt schon gern allein? Außerdem konnte ich Timmy davor bewahren, ins Tierheim abgeschoben zu werden. Nun, jedenfalls wollte ich den kleinen Kerl gerade von der Leine lassen, als ich stolperte und hinstürzte. Bereits im nächsten Augenblick half mir Tanya auf. Sie hatte sich an den See gesetzt, um in Ruhe lernen zu können. Wir unterhielten uns. Es gefiel mir, wie liebevoll sie mit Timmy umging, und auch, daß sie mich nicht wie ein unmündiges Kind behandelte, so wie ich es schon von jüngeren Leuten, selbst von meinen eigenen Kindern erlebt habe. Offenbar glauben viele Leute, ab siebzig könnte man nicht mehr selbst denken.«

»Ja, das habe ich schon oft gehört«, erwiderte Eric.

»Da kann man nichts machen.« Frau Wahl lachte leise auf. »Es ist doch ein großes Glück, daß auch die meisten jungen Leute eines Tages über siebzig sein werden und feststellen müssen, daß man da seinen Verstand noch durchaus zusammen hat.«

Sie strich ihre Bettdecke glatt. »Jedenfalls lud ich Tanya ein, mich mal zu besuchen, und dann kam eines zum anderen. Ich sollte es ja nicht sagen, aber inzwischen bedeutet sie mir fast mehr als meine Enkelkinder, die ich kaum zu Gesicht bekomme und die sich nicht einmal für Geschenke bedanken können, wenn ich ihnen zu ihren Geburtstagen und zu Festen Päckchen schicke.«

»Wie lange haben Sie Ihren Sohn denn nicht mehr gesehen?«

»Seit Ostern. Selbst wenn ich anrufe, hat Hartmut nur selten Zeit, sich mal länger mit mir zu unterhalten. Ich sehe ja ein, daß er und seine Familie nicht an jedem Wochenende von München nach Tegernsee fahren können, aber hin und wieder wäre es bestimmt möglich.« Sie winkte ab. »Und was meine Tochter betrifft, so habe ich schon alle Hoffnungen aufgegeben. Gisela tut, als sei es von Rottach-Egern nach Tegernsee eine Weltreise. Seit ich mich geweigert habe, das Haus aufzugeben und in den Sankt Agnes-Stift zu ziehen, glaubt sie, jeden Grund zu haben, gekränkt zu sein.«

»Soll ich einmal mit ihr reden?« fragte der Arzt. Er kannte Gisela Leitz und ihren Mann. Sie besaßen in Rottach-Egern ein kleines Hotel.

»Nein, ich möchte nicht, daß Gisela sich gezwungen fühlt, mich zu besuchen. Ich könnte ihre Märthyrermiene nicht ertragen. Zudem würde sie mir die ganze Zeit erzählen, was für wichtige Arbeiten sie meinetwegen liegenlassen mußte.« Frau Wahl starrte auf ihre Hände. »Wissen Sie, Herr Doktor, ich frage mich oft, was ich falsch gemacht habe. Mein verstorbener Mann und ich haben versucht, unseren Kindern alles zu geben, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Wir sind immer für sie dagewesen.«

»Vielleicht haben Sie zuviel des Guten getan«, meinte Eric.

»Ja, das scheint mir auch«, gab Elsa Wahl zu. »Nun, was soll es? Der liebe Gott meint es trotzdem gut mit mir, sonst hätte er mir nicht Tanya geschickt.«

Dr. Baumann unterhielt sich noch ein paar Minuten mit der alten Dame, dann verabschiedete er sich von ihr und ging zur Treppe. Er hatte kaum den Fuß auf die erste Stufe gesetzt, als Timmy auch schon aus der Küche kam, die Treppe hinaufjagte, ihn ankläffte und dann im Schlafzimmer seines Frauchens verschwand, wo er sich mit einem lauten Seufzer auf den Bettvorleger fallen ließ.

Tanya ging Dr. Baumann entgegen. »Wie geht es dir?« fragte sie. »Ich mache mir Sorgen. Frau Wahl ist viel zu leichtsinnig. Sie wollte nicht einmal, daß ich in Ihrer Praxis anrufe.«

»Es war gut, daß Sie es getan haben, Frau Ellmösl.«

Das junge Mädchen lachte. »Bitte, nennen sie mich Tanya, Herr Doktor.«

»Gern«, erwiderte er. »Ich werde morgen noch einmal vorbeischauen. Und falls etwas sein sollte, scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen.« Er nahm ihre Hand. »Ich bin sehr froh, daß Sie sich etwas um Frau Wahl kümmern. Wenn Sie einmal etwas bedrücken sollte, Sie können sich jederzeit an mich wenden. Was immer es auch sein mag, meistens gibt es für jedes Problem eine Lösung.«

»Meistens, aber nicht immer«, bemerkte Tanya dumpf, doch dann verklärte sich ihr Gesicht wieder. »Ich werde daran denken, Herr Doktor«, versprach sie.

»Ich nehme Sie beim Wort«, sagte Eric und ging zu seinem Wagen.

*

Jessica Marquard saß in ihrem Büro und schrieb Überweisungen aus. Die Arbeit fiel ihr an diesem Nachmittag nicht leicht. Viel lieber wäre sie in ihre kleine Dachwohnung hinaufgegangen und hätte sich etwas hingelegt. Während der vergangenen Nacht hatte sie höchstens zwei, drei Stunden geschlafen. Zweimal hatte sie aufstehen müssen, um ihr Nachthemd zu wechseln, weil es naß vor Schweiß gewesen war.

Die junge Frau seufzte leise auf. »Siehst aus, als würdest du schon in die Wechseljahre kommen«, sagte sie zu sich selbst. Allerdings würden sie dann bei ihr besonders früh anfangen. Immerhin war sie noch nicht einmal fünfundzwanzig.

Müde strich sie sich ihre dunkelblonden Haare zurück, dann stand sie entschlossen auf, um sich ein Kännchen Kaffee zu holen. Vielleicht würde ihr der Kaffee helfen, sich auf ihre Arbeit konzentrieren zu können. Die Überweisungen mußten jedenfalls noch heute zur Post gebracht werden, daran führte kein Weg vorbei.

In dem Café, das Jessica von ihren verstorbenen Eltern geerbt hatte, herrschte Hochbetrieb. Sie sah sofort, daß die beiden Bedienungen nicht mit der Arbeit nachkommen konnten. Statt selbst eine Tasse Kaffee zu trinken, half sie rasch aus. Es ging nicht an, daß die Gäste über Gebühr warten mußten.

»Bitte«, sagte sie und stellte zwei Stück Schwarzwälder-Kirschtorte und zwei Kännchen Kaffee auf einen runden Terrassentisch, an dem zwei Frauen saßen, die sich lebhaft miteinander unterhielten. Unter dem Tisch lag ein brauner Hund. »Soll ich für Harvard ein Schüsselchen Wasser bringen, Frau Becker?« erkundigte sie sich.

»Das wäre wirklich nett von Ihnen, Frau Marquard«, meinte Lina Becker, die Besitzerin des Hundes. »Ich habe Sie ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Waren Sie verreist?«

»Nein.«

Lina Becker schüttelte mißbilligend den Kopf. »Siehst aus, als hätten Sie schon wieder abgenommen. Wenn das so weitergeht, sind Sie bald nur noch ein Strich in der Landschaft.«

»Nun, soweit ist es noch nicht«, erwiderte Jessica und wollte das Wasser für Harvard holen.

Frau Becker umfaßte ihre Hand. »Sie werden doch nicht etwa irgendwelche Diätpillen nehmen? Ich halte nichts von diesem Schlankheitswahn, der uns Frauen von Zeit zu Zeit erfaßt.« Sie lachte auf und ließ Jessica los. »Mein Mann sagt immer, daß ihm jedes Pfund an mir lieb und teuer sei.«

»Womit er wohl auch recht hat«, mischte sich ihre Freundin ein. »Mein Josef ist zum Glück auch nicht darauf aus, mich schlank wie eine Palme zu sehen.«

»Bitte, entschuldigen Sie mich.« Jessica ging zum nächsten Tisch, um dort eine Bestellung aufzunehmen, dann füllte sie einen Napf mit Wasser und übergab ihn einer ihrer Angestellten. »Für Harvard, den Hund von Frau Becker«, sagte sie.

»Geht in Ordnung, Frau Marquard.« Die junge Frau brachte das Wasser auf die Terrasse hinaus.

Es dauerte fast eine Stunde, bis der Andrang der Gäste etwas nachließ und Jessica sah, daß Elke und Bettina es jetzt auch allein schaffen konnten. Sie wollte sich gerade mit ihrem Kaffee ins Büro zurückziehen, als Hannes Reichelt, der schon bei ihren Eltern als Konditor gearbeitet hatte, aus der Backstube kam.

»Ich habe ein paar Minuten Zeit. Warum setzt du dich nicht zu mir, Jessi?« fragte er. »Du siehst aus, als könntest du etwas Ruhe gebrauchen.« Er nahm ihr das Kaffeetablett aus der Hand.

»Scheint heute nicht mein Tag zu sein«, erwiderte sie. »Erst gibt mir Frau Becker ziemlich deutlich zu verstehen, daß ich zu dünn bin, und jetzt hältst du mich auch noch für müde und abgespannt.«

»Und, bist du es etwa nicht?«

»Ja, aber muß man es mir auf den Kopf zusagen?« fragte sie und verzog das Gesicht. »Glaub mir, keine Frau hört so etwas gern.«

»Freunde sollten zueinander ehrlich sein, Jessi.« Hannes berührte ihre Haare, zog seine Hand jedoch gleich wieder zurück. Es fiel ihm schwer, ihr nicht zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Wie gern hätte er sie in die Arme genommen und geküßt, aber er wußte auch, daß er damit das gute Verhältnis zwischen ihnen zerstören würde.

Jessica warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Für die Überweisungen war es jetzt ohnehin zu spät. »Gut, trinken wir eine Tasse Kaffee miteinander und unterhalten uns etwas«, meinte sie. »Aber gehen wir in mein Büro. In der Backstube ist es mir zu warm.«

»Einverstanden.« Er gab ihr das Tablett zurück. »Ich hol’ mir nur einen Kaffee, dann komme ich. Möchtest du etwas essen? Die Erdbeertorte, die ich gebacken habe, kann ich empfehlen.«

»Danke, ich habe keinen Hunger«, erwiderte sie und wandte sich ihrem Büro zu.

Hannes ließ nicht lange auf sich warten. Sie setzten sich auf die Couch, die unter einem der Fenster stand. In der Wohnung über ihnen stürzte etwas Schweres zu Boden. Gleich darauf hörten sie eine Frau schimpfen.

»Frau Neufrat wird froh sein, wenn der Umzug endlich hinter ihr liegt«, meinte Hannes. »Vermutlich werde ich ihre beiden Buben vermissen. Ich habe mich schon so daran gewöhnt, daß sie mich mindestens einmal am Tag in der Backstube besuchen, um irgend etwas Leckeres zu erhaschen.«

»Wie ich Simon und Michael kenne, wird sie der Umzug nicht daran hindern, hin und wieder mit dem Rad nach Tegernsee zu fahren und bei uns auf Beute auszugehen«, erwiderte Jessica.

»Rottach-Egern ist ja nur einen Katzensprung entfernt.« Sie lehnte sich zurück. »Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen. »Ich habe darüber nachgedacht, ob ich nicht selbst in die Wohnung ziehen soll, statt sie wieder zu vermieten.«

Der Konditor zuckte zusammen. »Mit deinem Freund?« erkundigte er sich wie beiläufig.

»Ja, Ralf und ich sind jetzt lange genug zusammen, um endlich einen gemeinsamen Hausstand zu gründen.« Sie stellte die Tasse ab und griff sich an die Schläfen, weil sie plötzlich rasende Kopfschmerzen bekam.

Hannes sah sie besorgt an. »Ehrlich, Jessi, du solltest endlich zum Arzt gehen. Auch wenn du es nicht gern hörst, mit dir stimmt etwas nicht. Es kann einfach nicht normal sein, daß du seit Wochen eine Erkältung nach der anderen bekommst und immer mehr abnimmst. Und dann diese Erschöpfung.«

»Mir wächst die Arbeit nur manchmal über den Kopf.«