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Mom goes Money: Der Wegweiser zu finanzieller Stärke und Sicherheit!
In diesem Ratgeber steht erstmals das
Geld der Mütter im Mittelpunkt: Birgit Happel, erfahrene Soziologin und renommierte Gründerin von Geldbiografien®, nimmt in ihrem Buch unter die Lupe, mit welchen finanziellen Herausforderungen Frauen mit Familie heute konfrontiert sind.
Happel deckt die verborgenen Kosten der Care-Arbeit auf – von struktureller Diskriminierung bis hin zu veralteten Rollenbildern. Und sie zeigt eine Fülle von Handlungsoptionen, um langfristig finanziell selbstbestimmt zu bleiben.
Entdecken Sie:
• praktische Tipps für finanzielle Entscheidungen in Partnerschaft und Beruf,
• Wissenswertes über Budgetierung, Glaubenssätze und Geldanlagen,
• inspirierende Reflexionsübungen und ermutigende Gedanken.
Mit klugen Analysen, alltagsnahen Beispielen und motivierenden Denkanstößen wird ein neues Geldbewusstsein geschaffen, das Ihnen zu mehr finanzieller Sicherheit verhilft.
Werden Sie mit diesem Buch zur selbstbewussten Akteurin Ihrer finanziellen Zukunft!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 343
Wenn wir Eltern werden, verschärft sich die Rushhour unseres Lebens – auch in finanzieller Hinsicht. Doch während viele Väter auf die Überholspur wechseln, landen Mütter noch zu häufig auf dem Standstreifen. Birgit Happel analysiert die Kosten des Kinderhabens – die offensichtlichen, aber auch jene, die wir leicht übersehen. Damit Mütter langfristig finanziell handlungsfähig, selbstbestimmt und selbstbewusst bleiben, bietet dieses Buch:
• Rüstzeug für Entscheidungen in Partnerschaft und Job
• Wissen zu Budget und Geldanlage
• Orientierung, Ermutigung und Bestärkung
»Frauen leisten den Löwenanteil der Haus- und Sorgearbeit, auch wenn sie erwerbstätig sind. Birgit Happel zeigt in ihrem wichtigen Buch eindringlich auf, welch fatale Folgen das für die finanzielle Unabhängigkeit von Müttern hat – und wie sie die Weichen grundlegend besser stellen können.« Helma Sick und Renate Fritz, frau & geld
»Dieses Buch können Mütter nie zu früh und nie zu spät gelesen haben. Denn der perfekte Zeitpunkt, sich um die eigenen Finanzen zu kümmern ist immer: Jetzt!« Anne Dittmann, Journalistin und Autorin (»Solo, selbst und ständig«)
BIRGITHAPPEL ist Soziologin und Inhaberin des »Finanzbildungsportals Geldbiografien®«, das finanzielle Bildung und Gleichstellung sozioökonomisch einbettet. Ihre Leidenschaft für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen teilt sie als UNESCOBNE-Akteurin, Mitglied von UN Women Deutschland und in zahlreichen Initiativen. Sie hat zum Umgang mit Geld promoviert und beschäftigt sich u.a. mit Chancengleichheit, sozialer Innovation und Finanzpsychologie.
www.geldbiografien.de
»Es ist das große Verdienst von Birgit Happel, dass sie konsequent die beiden Pole menschlichen Zusammenlebens verbindet: die Erwerbs- und die Care-Biografie. Damit liefert sie einen wichtigen Baustein für eine nachhaltige und zukunftsfähige Gleichstellungspolitik.« Sascha Verlan und Almut Schnerring, Initiator:innen des Equal Care Day
»Dr. Birgit Happel beleuchtet anschaulich, wie tief verwurzelt und vielschichtig die strukturellen Benachteiligungen von Müttern in Deutschland sind. Dank ihrer langjährigen Erfahrungen liefert sie Frauen wichtige Denkanstöße und Instrumente für finanzielle Selbstbestimmung.« Bettina Metz, Geschäftsführerin UN Women Deutschland
Dr. Birgit Happel
Warum finanzielle Selbstbestimmung für Frauen mit Familie so wichtig ist
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Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Dr. Daniela Gasteiger
Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München
Umschlagmotiv: Fast_Cyclone / Shutterstock.com
ISBN 978-3-641-29711-4V001
www.koesel.de
Für meine Kinder und meine verstorbene Mutter
Meine Mutter wuchs mit fünf Geschwistern als Kind einer alleinerziehenden Kriegswitwe auf. Der Alltag bestand aus Entbehrungen, die Schulzeit war von Aufenthalten in Luftschutzkellern geprägt. Als ungelernte Arbeiterin hatte sie nie in ihrem Leben echte Verwirklichungschancen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Was will dieses Buch?
Ein paar Worte zum Aufbau
1 Klumpenrisiko Mutterschaft
Die monetäre Rushhour des Lebens
Knackpunkt Sorgearbeit
Der blinde Fleck in der großen Rechnung
Fehlende Finanz- und Gleichstellungsbildung: Wie aus Wissenslücken Versorgungslücken werden
Es liegt nicht an dir, sondern am System
2 Wer trägt die Brotdosenverantwortung? Sorgearbeit und Partnerschaft
Rollenbilder, die Mütter finanziell schwächen
Intensivierung von Elternschaft und Mütterideale
Mental Load: Wer fühlt sich verantwortlich?
Sind unsere Geldbiografien ein Match? Von Lebensträumen und finanziellen Zwängen
Gemeinsame Geldgespräche
Konten-Modelle, Steuerklassen und Ausgleichszahlungen für Sorgearbeit
Tipps zur Steuerklassenwahl
3 … und raus bist du? Erwerbsbiografien von Müttern
Opportunitätskosten: entgangene Chancen und Erträge
Lebenserwerbseinkommen, Motherhood Lifetime Penalty, Child Penalty: Zahlen, die schockieren
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt – Knotenpunkt Wiedereinstieg
Verwirklichungschancen
Vulnerable Familien
Lohnunterschiede
»Teilzeitarbeit ist später eben auch Teilzeitrente«
»Verzwergungsmaschine« Minijob
Rentenlücken
Strukturelle Fehlanreize
Ein möglicher Lösungsansatz: Familienarbeitszeit
4 Gut für Krisen aufgestellt?
Absicherung, Budgetplanung und Notgroschen
Trennung und Scheidung
Beratung und Unterstützung bei Schulden
Sparen und Vermögensaufbau
5 Ergründe deine Geldbiografie
Wie reden wir über Geld?
Welche Geldbotschaften wurden dir vermittelt?
Glaubenssätze über Geld
Geld und Selbstwert
6 Nicht nur Arbeit bringt Geld! Investieren für die finanzielle Selbstbestimmung
Börsenmythen und Glaubenssätze, die Frauen von der Geldanlage abhalten
Anlegen lernen
Was ist mit dem Risiko? Das magische Dreieck der Geldanlage
Flexibel und zeitsparend: Einzahlpläne
Nachhaltig investieren
Brauchen Frauen besondere Finanzprodukte?
Wie unterscheide ich gute von schlechten Finanzbildungsangeboten?
Fehlanreize der provisionsbasierten Beratung
Aufblühen statt ausbrennen
Anhang
Dank
ABC der Finanzbildung und finanziellen Gleichstellung
Empfehlungen und Links
Literatur
Anmerkungen
Expert:innentipps
Laura Fröhlich, Mental-Load-Akademie
Volker Baisch, Gründer conpadres
Christiane Warnke, Rechtsanwältin
Sandra Runge und Karline Wenzel, Initiative #proparents
Dr. Christine Finke, Expertin für Alleinerziehende
Nicht die Frauen müssen sich ändern, sondern die Spielregeln.
Iris Bohnet1
»Freitags lasse ich meine Frau für mich arbeiten!« Es gibt immer viele Lacher, wenn ich die Geschichte eines Vaters erzähle, der in Teilzeit arbeitet und freitags zu Hause die Fürsorgearbeit übernimmt. In seinem Bekanntenkreis feiern ihn alle für den Spruch. Seine Frau arbeitet Vollzeit, sie haben zwei Kinder. Wenn er aber darüber spricht, was an so einem normalen Freitag alles ansteht, kommt die Ernüchterung: Er geht einkaufen, macht die Wäsche, bügelt, besucht Eltern und Schwiegereltern und übernimmt für sie Erledigungen. Die gängige Reaktion: »Oh, dann geh ich doch lieber arbeiten.«
Das Beispiel verdeutlicht, wie Fürsorge- und Hausarbeit gesellschaftlich geringgeschätzt werden. Private Care-Arbeit wird nicht bezahlt, die Carebiografien2 von Eltern und besonders Müttern erfahren dadurch permanente Abwertung. Für das Leben, die Gesellschaft und die Wirtschaft überlebenswichtige Tätigkeiten bleiben ein Privatvergnügen. Auf Kosten der Mütter.
Mütter übernehmen noch immer den Löwenanteil der Sorgearbeit in Familien. Das durchschnittliche Verhältnis von bezahlter zu unbezahlter Arbeit liegt für Frauen bei einem Drittel Erwerbsarbeit und zwei Dritteln unbezahlter Arbeit. Bei Männern ist es genau umgekehrt.3 Von dieser ungleichen Verteilung der Sorgearbeit geht eine ganze »Kaskade struktureller Benachteiligung von Frauen« aus, denen Mütter nur unzureichend begegnen können.4
Mit unbezahlter Arbeit erwerben Frauen nämlich bis auf wenige Ausnahmen keine Ansprüche an das Sozialversicherungssystem. Ihre ökonomische Teilhabe ist dadurch eingeschränkt. Zudem erleiden die beruflichen Biografien von Frauen in vielen Fällen einen Bruch. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im Mai 2022 Zahlen zur Diskriminierung von Eltern auf dem Arbeitsmarkt herausgegeben. Sie rütteln auf. 69 Prozent der Mütter machten bei der Rückkehr aus der Elternzeit negative Erfahrungen wie soziale Herabwürdigung, materielle Benachteiligung oder eingefrorene Karriereschritte.5 Wenn der berufliche Wiedereinstieg nicht gelingt, kann die Erwerbsbiografie von Müttern für immer beschädigt bleiben. Nicht selten gerät ihre Carebiografie in einen permanenten Konflikt mit der Erwerbsbiografie. Dadurch nimmt ihre Geldbiografie erheblichen Schaden.
Viele junge Menschen haben das nicht unbedingt auf dem Schirm. Sie tappen in die Falle zu denken, wir hätten in Sachen Gleichberechtigung schon alles erreicht. »Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!« Der prägnante Titel des Bestsellers von Alexandra Zykunov trifft den Nagel auf den Kopf.6 Tatsächlich steht Deutschland nur auf den ersten Blick gut da. Im jüngsten Global Gender Gap Report des Word Economic Forum hat es Deutschland in die Top Ten geschafft und ist auf Rang 10 von 146 untersuchten Ländern vorgerückt. Vor allem in den Bereichen »politische Teilhabe« und »Frauen in Top-Führungspositionen« haben wir aufgeholt. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland in der Unterkategorie »Wirtschaftliche Teilhabe und Chancen« im globalen Vergleich schlecht abschneidet. Hier geht es unter anderem um Lohngleichheit, die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt und ihre allgemeine Präsenz in den Führungsebenen. Wir liegen weit abgeschlagen auf Platz 75 und fallen zurück auf den Stand von 2009.7 Eine westdeutsche Mutter mit drei Kindern büßt nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung im Durchschnitt knapp 70 Prozent ihres Lebenseinkommens ein.8 In Ostdeutschland, wo die Vereinbarkeit von Beruf und Familie viel selbstverständlicher gelebt wird, ist die Lücke im Lebenserwerbseinkommen von Müttern prozentual kleiner. Auch die anderen ökonomischen Gender Gaps, wie beispielsweise die Lohn- und Rentenlücke zwischen den Geschlechtern, widerlegen eindrücklich die Illusion, dass in Deutschland längst Gleichstellung herrsche.
Wenn ich für einen Kooperationspartner mit ausländischen Delegierten, zum Beispiel aus Zentralasien, arbeite, sind diese immer erstaunt zu hören, an welchem Punkt wir bei der wirtschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen stehen. Sie nehmen an Trainings zur finanziellen Bildung teil, um die wirtschaftliche Entwicklung in ihren Ländern voranzubringen, vor allem die Lage von Familien und Frauen in ländlichen Gebieten. Das internationale Bild Deutschlands in der Welt verdeutlicht, dass der Status quo nicht dem entspricht, was Außenstehende von einer der führenden Wirtschaftsnationen – der viertstärksten Volkswirtschaft der Welt – erwarten.9
Auch ich habe mich als junge Frau emanzipiert gefühlt und wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, mich als Feministin zu bezeichnen. Ich ging selbstverständlich davon aus, Kinder und Beruf miteinander vereinbaren zu können. Als ich mit unserem ersten Kind schwanger war, hatte ich angefangen, meine Dissertation zu schreiben, und wollte dies auch mit dem Baby fortsetzen. Nie hätte ich mir vorstellen können, in eine klassische Rollenverteilung zu rutschen. Doch genau das ist eine Zeit lang passiert. Nach meinen eigenen Erfahrungen mit Erziehungs- und Pflegeverantwortung und vor allem durch meine Arbeit mit Frauen und Wiedereinsteigerinnen haben sich meine Ansichten komplett gedreht. Als ich die ersten Netzwerkveranstaltungen von Frauenorganisationen besuchte, hatte ich das Gefühl, konspirativen Treffen beizuwohnen, so wenig waren diese Themen im öffentlichen Bewusstsein.
So bitter es klingt: Die Übernahme von Fürsorgearbeit entzieht Müttern in Deutschland immer noch Zeit, Geld und Chancen. Dadurch wird es ihnen schwerer gemacht, ihre finanzielle Existenz und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Nicht selten landen Mütter in wirtschaftlicher Abhängigkeit, in verdeckter Armut, sind armutsgefährdet oder arm. Das Gegenteil also von finanziell selbstbestimmt. Ein wichtiger Grund für die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit sind verkrustete Strukturen: Überholte Rollenbilder, aber auch handfeste Fehlanreize im Steuer- und Transfersystem und Fallen in der Sozialversicherung sorgen für Brüche in weiblichen Erwerbsbiografien. Sie sind kein persönliches Versagen, sondern gehen auf Diskriminierung, Hindernisse und veraltete gesetzliche Regelungen zurück.
Diese Zusammenhänge dröseln wir im Buch auf. Es ist wichtig, sie zu kennen, denn nur dann können wir selbst an den Stellschrauben drehen, um unsere Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten oder wiederzuerlangen. Du kannst mit Leidenschaft Mutter sein und musst dennoch nicht auf dein finanzielles Wohlergehen verzichten!
Wenn es um die Lebensentwürfe und Lebenswege von Frauen geht, betrachte ich Geld als eine zentrale Schlüsselstelle. Denn Geld ist sowohl im Alltag als auch in vielen Fachkulturen und Disziplinen noch immer ein blinder Fleck. Ich kenne diese Gedanken selbst. »Geld ist auch nicht alles«, war mein vorherrschendes Motiv, als ich mit Mitte zwanzig die Türme des Frankfurter Bankenviertels verließ, wo ich als Wertpapierberaterin gearbeitet hatte, um an die Universität zu gehen. Mir war vor allem Sinn wichtig. Heute weiß ich: Das eine schließt das andere nicht aus. Diese widerstrebenden Glaubenssätze zu vereinen, ist das Ziel dieses Buchs. Für mich selbst hat Sinnhaftigkeit einen hohen Stellenwert, aber mit Blick auf die finanzielle Gleichstellung von Frauen muss ich einräumen: Sinn ist auch nicht alles. Denn Sinn allein zahlt mir nicht meine Miete und meine Lebenshaltungskosten. Finanzielle Selbstbestimmung ist ein mindestens ebenso wichtiger Wert.
Geld und Finanzen haben nicht nur enorme Bedeutung für unseren Alltag, sondern prägen unsere Lebensgeschichte – gestern, heute und vor allem in der Zukunft. Wir können Geld lieben, fürchten, ausblenden: Es bleibt stets der zentrale Mittelpunkt vieler Lebensentscheidungen. Daraus entsteht langfristig unsere Geldbiografie. Mein Wunsch ist, dass du mit diesem Buch dein Geldbewusstsein schärfen, deine Entscheidungen reflektieren und deine persönliche Geldgeschichte mitbestimmen kannst. Dafür brauchst du Wissen über strukturelle Fehlanreize und Fallen, aber auch Wissen über dich selbst und deine eigene Haltung zu Geld. Nur so kann es gelingen, deine Erwerbs-, Care- und Geldbiografie harmonisch auszubalancieren.
Wir hinterfragen unseren Umgang mit Geld oft erst dann, wenn Brüche im Leben auftauchen, wenn es knirscht und die Finanzen ins Wanken geraten. Und doch ist es so wichtig, Zusammenhänge bereits in der Vorschau zu überblicken, vor allem für Mütter. Werden Frauen gebeten, ihrem jüngeren Ich einen Rat mit auf den Weg zu geben, ist es daher häufig die Aufforderung, sich frühzeitig um die eigenen Finanzen zu kümmern. Ein bewusster Umgang mit Geld und Klarheit über die eigene Geldeinstellung helfen uns enorm dabei, das Leben nicht einfach an uns vorbeiziehen zu lassen, sondern unsere Geschichte selbst zu schreiben.
Die persönliche Geldeinstellung spielt besonders an biografischen Übergängen und sogenannten Statuspassagen eine entscheidende Rolle. Lebens- und Finanzentscheidungen greifen wie Zahnräder ineinander. Sicher kennst du diese Situationen des »Nicht-mehr«, aber auch »Noch-nicht«, in denen wir in neue Aufgaben hineinwachsen. Nach der Schulzeit werden wir Auszubildende oder Studentin und später Berufsanfängerin. Die erste Schwangerschaft und der Übergang zur Mutterschaft sind bedeutende Statuspassagen im Leben einer Frau. Mit den Übergängen ändern sich auch unsere Rollen, ob wir dies wollen oder nicht. Mit einem Mal sehen wir uns mit gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert, diesem oder jenem Bild zu entsprechen – etwa dem einer fleißigen Berufseinsteigerin oder dem einer selbstlos liebenden Mutter. Geld kommt nun eine besondere Bedeutung zu: Ob ich sieben oder 20 Monate Elternzeit nehme, danach in Teilzeit oder Vollzeit arbeite, im Beruf Aufstiegsmöglichkeiten suche, in mich selbst investiere, die Sorgearbeit fair teile – all diese Entscheidungen nehmen Einfluss auf unsere weitere Lebenssituation.
Deshalb existiert dieses Buch: Ich möchte Frauen und Familien dabei unterstützen, auf ihre finanzielle Absicherung zu achten, ihre eigenen Werte zu definieren und ihr finanzielles Selbstvertrauen zu stärken. Finanzielle Selbstbestimmung hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Lebensqualität. Es geht darum, dass du die Fäden beim Geld in der Hand hältst und über Mittel verfügst, um vorausschauend zu planen: zum einen, damit du Geld und Finanzdienstleistungen optimal für dich nutzen kannst, und zum anderen, um finanzielle Abhängigkeiten möglichst gering zu halten. Wenn du in einer Partnerschaft bist, ist es wichtig, über persönliche Wünsche, aber auch gemeinsame Ziele zu sprechen und die Familienfinanzen auszutarieren.
Der vorausschauende und kluge Umgang mit Geld ist eine essenzielle Kulturtechnik und steht Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch sozialer und digitaler Kompetenz in nichts nach. In einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft ist es wesentlich, ökonomische Zusammenhänge zu verstehen und bewusste finanzielle Entscheidungen zu treffen, ja damit auch Einfluss zu nehmen. Finanzielle Bildung und Gleichstellungswissen werden bei uns noch nicht institutionalisiert vermittelt. Das soll sich ändern, dazu später mehr. Auch lernen wir weder im Elternhaus noch in der Schule, die Mosaiksteinchen unseres Lebens früh in ein übergreifendes Bild zu setzen. Zu viele Frauen suchen beispielsweise noch immer die »Schuld« bei sich selbst, wenn ihre Karrieren ins Stocken geraten oder flach verlaufen. Die Diskriminierung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt ist aber real, unbewusste Vorurteile sind weitverbreitet und die Rollenbilder ändern sich nur langsam.
Die fehlende Finanzbildung hat einen Anteil daran, dass Geld in Deutschland weiterhin tabuisiert wird. Damit verbunden sind auch Vermeidungshaltungen. Wenn Frauen dem Thema Geld ausweichen, dann zum Beispiel, weil sie ihre Rentenlücke fürchten, der Finanzberatung nicht vertrauen, vor lauter Bäumen bei der Geldanlage den Wald nicht sehen oder nicht wissen, wie sie sich aus der finanziellen Abhängigkeit ihres Partners befreien können. Typische Äußerungen sind:
»Mein Rentenkonto ist eine Katastrophe.«
»Ich habe gerade wirklich keine Zeit, mich um meine Finanzen zu kümmern.«
»Mein Mann möchte nicht, dass ich mehr als einen Minijob annehme.«
»Ich finde Geld und Finanzen zu kompliziert.«
Ich hoffe, all diese Aussagen gehören bald der Vergangenheit an. Ich möchte dich ermutigen, dein Leben finanziell selbstbestimmt zu gestalten und dir deine Privilegien selbst zu erschaffen – ohne strukturelle Diskriminierung zu beschönigen oder gar auszublenden, sondern durch die konsequente Suche nach handlungsorientierten Wegen und Haltungen.
Gleichzeitig ist mir wichtig zu sagen: Grundlegende Veränderungen können nicht von einzelnen Frauen in einzelnen Familien angestoßen werden, sondern erfordern politische Antworten und Neuausrichtungen. Daher ist mein Buch auch ein Plädoyer für einen neuen Generationenvertrag und eine gerechte Familien-, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Wir Mütter sollten gewarnt sein: Dass die Belange von Frauen und Familien in der Pandemiepolitik so sehr vernachlässigt wurden, verdeutlicht politische Schwerpunkte und Zielsetzungen. Wirtschaft und Care werden immer wieder gegeneinander ausgespielt. Daher mein Rat: Kümmert euch lieber selbst. Dennoch ist es mir ein Herzensanliegen, die Forderung nach der Eigenverantwortung in einen größeren Kontext zu stellen. Nichts liegt mir ferner, als Mütter zusätzlich mit To-do-Listen und Mental Load zu belasten. Denn strukturelle Probleme erfordern strukturelle Lösungen. Die Frage, wie wir finanzielle Selbstbestimmung von Frauen erreichen, hängt eng mit einer anderen zusammen: Wie wollen wir als Gesellschaft leben? Welchen Wert wollen wir welchen Tätigkeiten beimessen – und wie wollen wir sie verteilen? Solange die Rahmenbedingungen für einen fürsorglichen Gesellschaftsvertrag aber nicht erfüllt sind, müssen wir unsere wirtschaftliche Existenz aktiv sichern.
Angesichts der globalen Krisen, Kriege und Unsicherheiten ist es elementar, dass wir sorgsam mit unseren persönlichen und emotionalen Ressourcen umgehen. Dies betrifft natürlich auch Frauen, die keine Kinder haben, und Frauen, die Angehörige pflegen. Ich habe selbst viele Jahre Pflegeverantwortung für meine Eltern übernommen. Diese besondere Belastungssituation werde ich ins Buch einfließen lassen, weil sie in den kommenden Jahren viele Familien vor große Herausforderungen stellen wird. Anders als bei der Kindererziehung mündet diese Fürsorgearbeit nicht in die Hoffnung, dass es mit jedem Jahr leichter und besser wird. Im Gegenteil ahnen und fürchten wir, dass die Zeiten immer schwieriger werden, und sind geplagt von der berechtigten Angst, dem nicht gewachsen zu sein. Unsere alternde Gesellschaft wird sich in vielerlei Hinsicht auf solche Verantwortlichkeiten einstellen und die bezahlte Pflege neu organisieren müssen.
Eingeflossen sind nicht nur meine eigenen Erfahrungen. Ich werde auch immer wieder Beispiele von Frauen und Paaren und ihrem Umgang mit Finanzen, Lebenskrisen und besonderen Herausforderungen erzählen. Ihre Namen, Ortsangaben und Berufe wurden anonymisiert. Sie stammen aus meiner Berufspraxis und verraten uns, mit welchen allgemeinen Hürden und Schwierigkeiten Frauen und Mütter in der Gesellschaft kämpfen, aber auch, mit welchen persönlichen Bearbeitungsstrategien sie nach Lösungen suchen. Als Soziologin, Referentin und Coach liegt mein Schwerpunkt auf dieser Verknüpfung: Ich bette finanzielle Bildung und finanzielle Gleichstellung in biografische und gesellschaftliche Zusammenhänge ein. Was bedeutet das? Es reicht nicht aus, einfach schematische Finanzbildung zu vermitteln. Sie muss vielmehr individuell an unsere Lebensgeschichte zurückgekoppelt sein und etwas mit uns zu tun haben. Nur so können wir die Lücke zwischen unserem Wissen, wie ein guter Umgang mit Geld und Finanzdienstleistungen aussehen könnte, und unseren aktuell vielleicht widerstrebenden Verhaltensmustern schließen. Es braucht Coachingansätze, um Veränderungen bei Geldeinstellungen anzustoßen.
Mein wissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt ist die soziologische Biografieforschung. Dabei geht es um weit mehr als individuelle Einzelschicksale. Das Gegenteil ist der Fall: Indem Einzelfälle systematisch erforscht und rekonstruiert werden, werden biografische und gesellschaftliche Muster sichtbar, die für einen größeren Kreis von Individuen gelten. Die persönlichen Strategien dieser Individuen liefern mitunter im Voraus Antworten auf offene gesellschaftliche Fragen. Denn die Gesetzgebung hinkt allzu oft hinterher und erkennt erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, dass die Menschen bereits ein »neues Normal« leben, das entsprechend begleitet werden muss.
Die Zukunftsentwürfe und Visionen für Familien befinden sich im Wandel. Lass uns gemeinsam auf die Suche gehen, wie wir die Rahmenbedingungen unseres Familienlebens so gestalten, dass Zeit, Fülle, Zuversicht, Leichtigkeit, Gerechtigkeit, Erfolg und nicht zuletzt natürlich Geld an unserer Seite bleiben.
Damit wir als Mütter den Weg zu finanzieller Selbstbestimmung finden, ist es wichtig, dass wir uns die großen Zusammenhänge rund um Geld, Wirtschaft, Geschlechterrollen und Care-Arbeit vor Augen führen. Denn in der Rushhour des Lebens bleibt dafür oft keine Zeit. Gemeinsam werfen wir einen Blick darauf, wo Mütter strukturell benachteiligt werden und was das langfristig für sie bedeutet – sowohl hinsichtlich ihrer Möglichkeiten, ihre Lebensziele zu verwirklichen, als auch ihrer Vermögens- und Geldbiografie.
Gender Gaps, also die Unterschiede der Geschlechter beispielsweise bei den Löhnen, sind nicht nur abstrakte Kennzahlen. Sie wirken sich auf das Leben so gut wie jeder Frau ganz konkret aus. Ebenso wie die Tatsache, dass unbezahlte Arbeit herabgewürdigt wird, sowohl gesellschaftlich und politisch als auch von der ökonomischen Theorie. Dieser engen Verknüpfung zwischen den großen Rahmenbedingungen und der persönlichen Geldbiografie nachzugehen, ist der Kerngedanke dieses Buches. Wir nähern uns deshalb auch den eigenen Geldeinstellungen. Mit den Übungen und Reflexionen, die ins Buch eingestreut sind, möchte ich dich ermutigen, das Thema Geld aus der Angst- und Tabufalle zu holen. Sie stammen aus der Biografiearbeit und sollen dich dabei unterstützen, deinem Verhältnis zu Geld immer besser auf die Spur zu kommen. Wir rollen also gleichzeitig den Faden deines Lebens auf.
Ob die Geldbiografien zweier Menschen zueinander passen, ist eine wichtige Frage für das Gelingen von Beziehungen. Darum geht es im Kapitel zur Partnerschaft. Mit etwas Hintergrundwissen und den richtigen Tools lassen sich Konflikte um Geld reduzieren. Wir müssen den Bogen aber weiter spannen und die Suche nach neuen Rollenbildern, die Verteilung der Sorgearbeit und den Umgang mit Zeitfallen berücksichtigen. Dabei setzen wir uns mit der Frage auseinander, wie wir heute als Familie so zusammenleben können, dass niemand auf der Strecke bleibt.
Das Buch enthält außerdem konkrete Tipps zu Finanzen und Steuern. Beide Themen haben zu Unrecht den Ruf, trockene Angelegenheiten zu sein. Das ist ein spannender Weg, versprochen! Ich gebe dir Handwerkszeug zum langfristigen Vermögensaufbau an die Hand und zeige erste Schritte, um an der Börse zu investieren.
In den einzelnen Kapiteln habe ich Interviews mit Expert:innen geführt, die Einsichten und konkrete Tipps zu Themen wie Mental Load, Absicherung für Alleinerziehende und Partnerschaftsverträge beigesteuert haben. Am Ende des Buches befinden sich hilfreiche Links zu Finanz- und Gleichstellungsthemen.
Ich wünsche dir viele Denkanstöße und Erkenntnisse beim Lesen!
Geld ist der Schlüssel zur Chancengleichheit, für alle Menschen, egal, woher sie kommen, wen sie lieben oder woran sie glauben, ganz gleich, ob sie Kinder haben oder wie alt sie sind.
Henrike von Platen10
Unsere Lebensentscheidungen haben so gut wie immer Auswirkungen auf unser Geld. Welchen schulischen Weg wir einschlagen, welchen Beruf wir ergreifen, welche Partnerwahl wir treffen, ob wir Kinder bekommen möchten und wie viele, welche Familienform wir wählen, wo und wie wir wohnen, welche größeren Anschaffungen wir tätigen oder unterlassen – all dies sind Entscheidungen, die beeinflussen, wie viel Geld wir haben oder in naher und ferner Zukunft einmal haben werden. Umgekehrt hängen unsere Entscheidungen auch mit unserer finanziellen Ausgangslage zusammen, beispielsweise damit, ob wir uns ein Studium finanzieren können oder nicht – und erst recht, ob wir dies überhaupt in Erwägung ziehen. Der langfristige Verlauf ist wichtig, denn er zeigt, dass die Schritte, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt machen, große Auswirkungen haben und vielleicht nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Was wir jetzt tun, stellt die Weichen dafür, wie wir finanziell in 20, 30 und vielleicht noch 40 Jahren dastehen. Dieser lange Atem ist besonders für Mütter entscheidend, denn ihre Erwerbs-, Care- und Geldbiografien spielen zusammen. Vorenthaltene Perspektiven, nicht verwirklichbare Chancen und entgangene Renditen bedeuten für sie eine besondere Belastung.
Entscheiden Frauen sich für Mutterschaft, haben wir es mit einem sogenannten »Klumpenrisiko« für ihre Finanzen zu tun. Ein Klumpenrisiko entsteht beim Vermögensaufbau durch einen zu starken Fokus auf eine Anlageklasse. Beispielsweise dann, wenn das gesamte Vermögen in einer Immobilie steckt und keine Liquidität für Notfälle aufgebaut wurde. Oder wenn sich das Wertpapierdepot besonders stark auf eine bestimmte Branche konzentriert und dadurch die Einzelrisiken steigen. Auch bei einer Kreditaufnahme kann eine Häufung von Risiken entstehen, etwa wenn der Kreditnehmer nur einen befristeten Arbeitsvertrag hat und die eingesetzte Bürgin von Arbeitslosigkeit bedroht ist.
Das Klumpenrisiko für Mütter? Ergibt sich aus dem Zusammenwirken von schwerwiegenden strukturellen Fehlanreizen, gebündelt mit individuellen Entscheidungen, die auf den ersten Blick ökonomisch sinnvoll erscheinen. Um nur ein Beispiel zu nennen, auf das ich in Kapitel 2 mit konkreten Tipps näher eingehe, weil es so zentral ist: Noch immer wird die Steuerklassenkombination III und V von Steuerberatenden empfohlen. Weil das Ehegattensplitting bei dieser Steuerklassenwahl das Einkommen der Person, die weniger verdient, höher belastet, entsteht ein stark negativer Erwerbsanreiz. In der Regel tragen ihn die Mütter. Sie kümmern sich dann zu Hause um mehr, arbeiten also unbezahlt. Das ist einer der Gründe, warum nur jede zweite Frau ihren Lebensunterhalt durch ein eigenes Einkommen selbst bestreiten kann, wie eine repräsentative Studie des Brigitte Magazins aus dem Frühjahr 2021 gezeigt hat.11
Die Entscheidung einer Frau für ein Kind bringt nach wie vor ein hohes finanzielles und biografisches Risiko mit sich.
Frauen, die Mütter werden, haben bedeutende finanzielle Einbußen zu verzeichnen. Mutterschaft gilt sogar als »biografisches Risiko«.12 Denn Mütter spüren die damit verbundenen Verluste unter Umständen ihr ganzes Leben lang – vor allem dann, wenn sie längerfristig einen großen Teil der Sorgearbeit übernehmen und deshalb weniger Erwerbsarbeit leisten. Das ist einer der Hauptfaktoren für die große Lücke, die noch immer in der Geldbiografie der Mütter klafft: im Geldbeutel, bei den Einkommen, den Vermögen und schließlich den Renten von Müttern. Sie ist auch ein wesentlicher Faktor für die traurige Tatsache, dass Frauen in Deutschland selbst heute noch Schwierigkeiten haben, als Mütter ihre beruflichen Potenziale voll auszuleben.
In diesem Kapitel werfen wir einen genaueren Blick auf den Knackpunkt Sorgearbeit. Denn das Wissen um die Ungleichheit und die Zahlen dazu liegen längst auf dem Tisch – und auch die Erkenntnis, dass die große finanzielle Belastung von Familien diesen Zustand verschärft.
Eltern wollen für ihre Kinder da sein, Zeit mit ihnen verbringen, ihnen ein stabiles Zuhause bieten – und müssen gleichzeitig vielfältigen finanziellen Verpflichtungen gerecht werden. Sie stecken in der klassischen Zeit-Geld-Falle. Insbesondere für Familien mit geringen Einkommen verstärken sich seit Jahren die Risiken, ihre Finanzen im Griff zu behalten – die »monetäre Rushhour des Lebens«13 spitzt sich zu. Dies ist eine Phase in der Lebensmitte, in der sich finanzielle Entscheidungen und Ausgaben ballen. Die »Rushhour des Lebens« kennen wir aus der Familienforschung: Zum einen treffen Menschen in der Mitte des Lebens viele große Entscheidungen gleichzeitig, wie berufliche Weichenstellung, Partnerwahl, Kinderwunsch. Zum anderen sind im Familienzyklus Eltern von Kleinkindern besonders gefordert, da Beruf und Familie eine sehr hohe Arbeitsbelastung mit sich bringen. Die monetäre Rushhour des Lebens führt dazu, dass wir sehr viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten. Wir möchten uns einen gewissen Wohlstand erarbeiten und beruflich vorankommen, unseren Kindern den Weg ebnen, unsere Zukunft und unseren Lebensabend absichern und auch noch ein bisschen Freizeit genießen, um Hobbys nachzugehen und unsere Freunde zu treffen. Die finanziellen und persönlichen Anforderungen steigen und nicht immer können wir alle diese Ziele gleichzeitig verfolgen, denn wir haben notorisch Zeitmangel. Hieraus können Unzufriedenheit, Resignation und auch Überforderung entstehen. Gerade der finanzielle Druck ist nicht zu unterschätzen.
Svantje und Joachim sind beide Mitte dreißig und haben vor zwei Jahren ihr zweites Kind bekommen. Die Wohnung platzt aus allen Nähten, vor allem, seitdem Svantje wieder berufstätig ist und sie beide regelmäßig im Homeoffice arbeiten. Sie müssen sich nach einer größeren Wohnung oder einem kleinen Haus umschauen. Obwohl sie beide erwerbstätig sind, ist ihre finanzielle Situation angespannt. Svantje sagt: »Unser Budget ist manchmal so eng auf Kante genäht, dass ich nicht weiß, wo wir noch sparen sollen.«
Eigentlich hätte sie, die als Bürokauffrau arbeitet, sich beruflich gerne neu orientiert, aber ihre Einkommenssituation gibt das derzeit beim besten Willen nicht her. Ihr schwebt ein Studium der Sozialpädagogik vor. Diesen Wunsch hatte sie bereits vor ihrer Ausbildung, aber schon damals schien ihr die finanzielle Hürde zu groß. Jetzt sind allerdings die Kinder noch sehr klein und außerdem ist das Geld einfach zu knapp. Um ihre Pläne zu verwirklichen, müsste sie erheblich weniger arbeiten. Dadurch würde ihr gemeinsames Haushaltsbudget noch weiter schrumpfen. Das Facharbeitergehalt von Joachim, der in einem kleinen Familienbetrieb arbeitet, wächst auch nicht in den Himmel. Die Situation ist belastend für die junge Familie. Svantje ist einerseits frustriert, dass sie ihre Pläne zurückstellen muss, und andererseits auch unsicher, ob sie finanziell alles richtig machen. Oder ob es in ihrem Lebensstil ungeahnte, übermäßige Ausgaben gibt, die sie weiter reduzieren könnten. Nachdem sie zusammen einen eingehenden Blick auf die Zahlen ihres Familienbudgets geworfen haben, ist aber klar, dass sie ihre finanzielle Situation im Griff haben. Wie bei vielen anderen jungen Familien zehren jedoch die Kosten für Miete, Lebenshaltung, Absicherung und Vorsorge einen erheblichen Teil des verfügbaren Einkommens auf. Joachim könnte sich einen Zusatzjob suchen, damit sie finanziell etwas mehr Luft bekommen, aber dann »fehlt« er zu Hause und Svantje hat noch mehr Sorgearbeit.
Seit vielen Jahren steigen nicht nur die Mieten und Immobilienpreise, sondern auch die Energiekosten. In den Ballungsräumen großer Städte wird es für Familien zunehmend schwer, eine bezahlbare Wohnung in geeigneter Größe zu finden. Die Verbraucherzentralen begleiten die Ratsuchenden von Krise zu Krise: Finanzkrise, Staatsschuldenkrise, Coronakrise, Energiekrise. Die Auswirkungen der Pandemie schlugen vergleichsweise rasch durch. Viele Menschen kommen finanziell seit Jahren nicht auf einen »grünen Zweig«.
Rasant steigende Preise, wie seit dem Frühjahr 2022, belasten Familien über Gebühr. Im Mai 2022 lag die Inflationsrate bei 7,9 Prozent, im Oktober 2022 bei 10,4 Prozent.14 Zweistellige Preissteigerungen assoziieren wir eher mit Schwellenländern. Sie belasten die Budgets und verunsichern die Menschen. Darin spiegeln sich Lieferkettenunterbrechungen durch ökonomische Verflechtungen, globale Krisen und der Ukraine-Krieg wider. Die Lebensmittelpreise waren im Oktober 2022 um 20,3 Prozent gestiegen, die Energiepreise um 43 Prozent. Die Strom- und Energiepreise werden auch künftig unter Druck bleiben. Der Gaspreis hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt, was auch die Preise für Heizöl mit nach oben zieht.
Damit ist es für Familien nicht genug. Denn gleichzeitig steigen seit Jahren die Anforderungen an die private Vorsorge. Wir haben höhere Eigenleistungen bei den Gesundheits- und Pflegekosten und müssen mehr Geld zur Seite legen, um unsere individuelle Rentenlücke zu schließen. Die demografische Entwicklung zwingt die umlagenfinanzierte Rentenversicherung in die Knie. Die Angst vor Altersarmut belastet immer mehr Menschen – und wird besonders für Mütter dringlich. Wir sind letztlich gezwungen, so früh wie möglich eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen.
Das Spannungsverhältnis zwischen diesen finanziellen Verpflichtungen und den persönlichen Möglichkeiten, allen Bereichen gerecht zu werden, verstärkt sich im Alter von Svantje und Joachim. Wenn Kinder in die Familie kommen, setzt die monetäre Rushhour des Lebens ein, in der Paare oft nicht wissen, welche finanziellen Prioritäten sie setzen sollen. Manche meiner Seminarteilnehmerinnen sagen dann: »Wir müssen jetzt zusehen, wie wir über die Runden kommen, Altersvorsorge ist im Moment nicht drin.« Einer repräsentativen Untersuchung der Finanztip Stiftung zufolge hatte bereits im April 2021 fast jeder sechste Haushalt (15,2 Prozent) Schwierigkeiten, die Budgetgrenzen zu wahren, und »jeden Monat höhere Ausgaben als verfügbares Einkommen«.15 Die Schätzungen zur Verschuldung der privaten Haushalte lassen nichts Gutes erahnen. Anabel Oelmann, die Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen, berichtete auf der internationalen Konferenz zu Finanzdienstleistungen im Sommer 2022 von einer explodierenden Nachfrage bei der Beratung. Viele Haushalte mussten in der Pandemie ihren Finanzpuffer aufbrauchen. Der Aufbau einer privaten Altersvorsorge wird für Familien, die darum ringen, ihre Existenz abzusichern, in absehbarer Zeit nicht zu den obersten Prioritäten zählen.
Beziehen wir die massive ökonomische Benachteiligung von Müttern in die Betrachtung ein, wird völlig unverständlich, warum sich nicht mehr Proteste von Eltern regen. Solange der »generative Beitrag« von uns Eltern nicht ausreichend in den Sozialsystemen anerkannt wird, sind wir gut beraten, unserer persönlichen Rentenlücke selbst gegenzusteuern. Einerseits. Doch das birgt auch die Gefahr, dass wir uns als Familien überfordern: Selbstvorsorge und Selbstfürsorge geraten miteinander in Konflikt und wir finden uns sprichwörtlich im Hamsterrad wieder. Dann treffen wir mitunter Entscheidungen, von denen ich oben als »Klumpenrisiko« für Mütter gesprochen habe: Vermeintlich ist es dann vernünftig, dass der Elternteil, der weniger verdient, auch mehr Sorgearbeit übernimmt. In vielen Fällen ist das die Frau, wie die Zahlen im Kapitel zur weiblichen Erwerbsarbeit zeigen werden. Sind diese Weichen im Familienalltag erst einmal gestellt, bleiben die Kosten und finanziellen Risiken für die Mütter ein Leben lang hoch.
Ein frischgebackener Vater stellte mir auf einer Veranstaltung zum Thema »Frauen stärken ihre Finanzen« eine gute Frage: »Wir haben jetzt lange darüber gesprochen, was die Frauen bei ihren Finanzen besser machen könnten. Gibt es denn auch Dinge, die Sie sich von uns Männern wünschen?« Das war eine Steilvorlage für mich: »Auf alle Fälle! Da würde ich die Männer gerne auffordern, dass wir auf die Waage von Sorge- und Erwerbsarbeit schauen. Wenn die Männer mehr Sorgearbeit übernehmen, können die Frauen besser erwerbstätig sein.« Die OECD-Statistik bestätigt nämlich: Trotz gestiegener Erwerbstätigkeit tragen Frauen in Deutschland mit 65 Prozent immer noch den Großteil der unbezahlten häuslichen Arbeit, einschließlich Kinderbetreuung.16 Es bleibt zu viel Fürsorgearbeit an den Müttern hängen, gerade wenn sie erwerbstätig sind.
Für junge Eltern ist der Gedanke, dass die Familiengründung einen existenziellen Einschnitt im Lebensentwurf darstellt, weit weg. Darin liegt eine Gefahr begründet. Wir sprechen hier von einer Zäsur, die berufliche Entwicklungen und Aussichten auf Chancengleichheit eintrübt und weitreichende Auswirkungen haben kann. Je nachdem eben, wie das Paar sich die Care-Arbeit aufteilt.
Die Elternzeitregelungen und der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben in den Familien bereits einige Veränderungen angestoßen. Von einer gleichberechtigten Verteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit sind wir aber noch weit entfernt. Nach wie vor reduzieren Männer ihren Erwerbsumfang weitaus seltener als Frauen, wenn es darum geht, Sorgearbeit zu übernehmen. Rund 60 Prozent der Paare leben die Konstellation »Vater in Vollzeit – Mutter in Teilzeit«, bei Ehepaaren sind es sogar fast drei Viertel.17
Der Gender Care Gap verdeutlicht den unterschiedlichen Zeitaufwand, den Frauen und Männer für die unbezahlte Sorgearbeit aufbringen.18 Darunter fallen unbezahlte Tätigkeiten, wie sie täglich in den Haushalten und Familien anfallen: Kinderbetreuung, Hausarbeit, familiäre Unterstützung, häusliche Pflege und Selbstsorge sowie ehrenamtliche Tätigkeiten. Diese »Sorgearbeitslücke« wird erst seit einigen Jahren vom Statistischen Bundesamt erhoben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gender Gaps beziffert der Care Gap nicht, welches Geld den Frauen fehlt, sondern gibt die zeitliche Differenz wieder, die Frauen mehr als Männer in unbezahlte Arbeit investieren. Pro Woche verrichten Frauen im Durchschnitt rund zehn Stunden mehr davon als Männer – wenn Kinder im Haushalt leben oder Angehörige zu pflegen sind, deutlich mehr.
Der Gender Care Gap ist abhängig von der Lebensphase, vom Einkommen und insbesondere davon, ob Kinder vorhanden sind. Er beträgt im Durchschnitt 52,4 Prozent. In Zeit ausgedrückt bedeutet dies, dass Frauen täglich knapp 90 Minuten mehr unbezahlte Arbeit verrichten als Männer. Bei Eltern ist dieses Missverhältnis noch größer: Mütter leisten täglich 2,5 Stunden mehr Sorgearbeit als Väter, was einem Gender Care Gap von 83,3 Prozent entspricht.
Die größten Unterschiede zeigen sich bei 34-Jährigen in der »Rushhour des Lebens« mit einem Care Gap von 110,6 Prozent. In dieser Zeit übernehmen Frauen täglich fünf Stunden und 18 Minuten, Männer zwei Stunden und 31 Minuten Care-Arbeit. Die Differenz beträgt also fast drei Stunden täglich. Selbst bei Doppelverdiener-Paaren, also dann, wenn beide vollzeitbeschäftigt sind, übernehmen Mütter mehr Sorgearbeit als Väter. Der Gender Care Gap beträgt hier 41,3 Prozent.19
In Ostdeutschland herrscht nach wie vor das Doppelverdienstmodell vor. Dort sind verheiratete Mütter vergleichsweise selten vom Einkommen ihres Partners abhängig. In Westdeutschland hat das Zuverdienstmodell das klassische Familienernährermodell abgelöst. Obwohl sich die Einstellungen zu berufstätigen Müttern in Westdeutschland stark gewandelt haben, schwingt bei den Zuschreibungen zur Mutterrolle vor allem im ländlichen Raum noch immer die Sorge mit, erwerbstätige Mütter könnten ihre Kinder vernachlässigen, am stärksten, wenn die Kinder sehr klein sind und die Mutter in Vollzeit arbeitet. Das Familienministerium stellte in einer umfassenden Untersuchung des Gender Care Gaps fest, dass trotz dieser Unterschiede sowohl in West- als auch in Ostdeutschland »die prinzipielle Verantwortung für die unbezahlte Sorgearbeit bei den Müttern« liegt.20
Die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit spielt in fast alle Gender Gaps, die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern fassen, hinein und hat einen erheblichen Anteil an deren Entstehung. Einige Gaps werden wir uns im Laufe des Buches ansehen. Die wirtschaftlichen Nachteile reichen für Mütter von der Teilzeitstrafe (Part-time Wage Gap) über Karriereeinschnitte bis hin zu verminderten Rentenansprüchen, um nur einige Beispiele zu nennen. Darum wird es im Kapitel zur Erwerbsarbeit der Mütter (Kap. 3) noch ausführlich gehen, auch um die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie sind zum einen ein Resultat der unfairen Verteilung der Sorgearbeit – und zum anderen der Grund, warum die Frauen mehr davon übernehmen als Männer.
Gender Care Gap: Differenz im Zeitaufwand für unbezahlte Sorgearbeit, »Sorgearbeitslücke« Gender Pay Gap: Lohnlücke, EntgeltlückePart-time Wage Gap: Stundenlohndifferenz bei Teilzeitbeschäftigung (Teilzeitlohndifferenz) Child Penalty: Einkommenseinbuße bei Geburt des ersten Kindes (teilweise auch: Motherhood Wage Penalty / mutterschaftsbedingte Lohneinbuße) Gender Lifetime Earnings Gap: geschlechtsspezifische LebenserwerbseinkommenslückeMotherhood Lifetime Penalty: mutterschaftsbedingte Lebenserwerbseinkommenslücke (Mütter vs. kinderlose Frauen) Gender Pension Gap: geschlechtsspezifische Lücke der AlterssicherungseinkommenFinancial Literacy Gender Gap: geschlechtsspezifische Unterschiede der FinanzkompetenzGender Wealth Gap: geschlechtsspezifische VermögenslückeGanz klar: Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind privilegierte Gruppen im Vorteil. Sie können alle erdenklichen Unterstützungsleistungen einkaufen oder ihnen lästig erscheinende Aufgaben auslagern. Finanziell weniger gut gestellte Familien profitierten von der Familien- und Gesellschaftspolitik der vergangenen Jahre hingegen unterdurchschnittlich. Je höher der Verdienst, desto höher beispielsweise das anteilige Elterngeld.
Ein Beispiel für eine gute Ausgangslage sind die Familienarrangements meiner Klientin Olivia.
Olivia forderte von ihrem Partner immer ein, sich an der Sorgearbeit zu beteiligen. Sie hatte eine Führungsaufgabe in einem großen Konzern und es kam für sie nicht infrage, unterhalb von 80 Prozent Teilzeit zu arbeiten. Dafür musste sie sich allerdings Kommentare anhören, wie: »Wenn man Kinder haben möchte, muss man sich eben auch um sie kümmern.« Als ihre beiden Kinder noch klein waren, hatte die Familie ein ausgeklügeltes Unterstützungssystem: Montags war Olivia zu Hause, freitags ihr Mann. Von Dienstag bis Donnerstag hatten sie eine Tagesmutter, eine Zugehfrau, eine Kraft, die die Wäsche bügelte, und auch Olivias Mutter war regelmäßig vor Ort, um die Kinder aus Kita und Kindergarten und später von der Schule abzuholen und für sie zu kochen. Dennoch, und auch in einer privilegierten Lage, erfordert es Fingerspitzengefühl, die Erwerbs- und Sorgearbeit gerecht zu verteilen. Olivias Ehemann reagierte ab und zu ein bisschen genervt. Nicht im Traum hätte er sich vorstellen können, wie kompliziert sich die Terminplanung einer vierköpfigen Familie gestalten kann. Wenn die Abstimmung durch Krankheiten der Kinder oder Geschäftsreisen ausuferte, warf er gerne ein: »Wir könnten einen Betriebsrat gründen und eine Weihnachtsfeier abhalten.«
»Das sind doch Luxusprobleme«, denken manche jetzt vielleicht. Das stimmt insofern, als eine Familie mit Gehältern im Niedriglohnsektor vor ganz anderen Herausforderungen steht. Zu den Erschwernissen der täglichen Arbeit, den Zeit- und Geldsorgen und möglichen gesundheitlichen Problemen kommt die Angst, den Kindern nicht die besten Chancen zu bieten, damit sie es einmal besser haben. Ein Urlaub in den Bergen oder am Meer steht in weiter Ferne und die hohen Nebenkostenabrechnungen bereiten ihnen Kopfzerbrechen. Familieneinkäufe müssen akribisch geplant werden und die Eltern versagen sich zugunsten der Kinder viele Ausgaben für sich selbst. Die ständigen Zukunftssorgen belasten die ganze Familie. Gibt es keine familiären Unterstützungsressourcen, haben Eltern zudem nur wenig Entlastung im Alltag.
Wir sollten aber die Probleme verschiedener gesellschaftlicher Gruppen nicht gegeneinander ausspielen. Auch Olivia und ihr Ehemann sind an einem Limit, einfach weil die Zeit, die Familien miteinander haben, wenn beide Elternteile berufstätig sind, immer zu knapp ist. Teresa Bücker hat den Machtfaktor der Zeit und ihre Ungleichheitsdimension in ihrem lesenswerten Buch »Alle_Zeit« präzise herausgearbeitet: »Elternschaft ist Erschöpfung by design: Familien, so wie sie heute leben, können einer Überlastung kaum entgehen, wenn die Erwachsenen versuchen, ihren Berufen gerecht zu werden und sich selbst um ihre Kinder und den Haushalt zu kümmern. (...) Von Eltern und pflegenden Angehörigen wird erwartet, dass sie die Care-Seite ihres Lebens leugnen, wegorganisieren und sich die Anstrengung nicht anmerken lassen.«21
Wir messen der unbezahlten Sorgearbeit in unserer Gesellschaft nicht ausreichend Wert bei und stellen Familien- und Erwerbsarbeit gegeneinander. Das zeigt der Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Sorgearbeit: Ohne sie ginge nichts, dennoch wird sie ökonomisch ausgeblendet.
Care-Arbeit ist die elementare Voraussetzung und Grundlage allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns – bevor eine Gemeinde verwaltet, eine Maschine in Betrieb genommen, ein Auto gebaut oder eine unternehmerische Entscheidung getroffen werden kann, muss zuerst der Mensch geboren, großgezogen und ausgebildet werden. Das ist im preisgekrönten Kurzfilm des Vereins »Wirtschaft ist Care« anschaulich dargestellt.22 Wie auch Linda Scott in »Das weibliche Kapital« hervorhebt, ist private Sorgearbeit »für das Funktionieren des Wirtschaftssystems von entscheidender Bedeutung«23. Sie fächert eindrücklich den Entzug von Ressourcen auf, den Frauen durch globale Mechanismen der Diskriminierung erleiden. Den systemischen Zusammenhang hat auch Caroline Criado-Perez in ihrem Bestseller »Unsichtbare Frauen« verdeutlicht: »Wir glauben gern, bei der unbezahlten Arbeit von Frauen ginge es nur um individuelle Frauen, die sich zu ihrem individuellen Vorteil um ihre individuellen Familienmitglieder kümmern. Aber das stimmt nicht. Die unbezahlte Arbeit der Frauen ist Arbeit, von der die Gesellschaft abhängig ist und in ihrer Gesamtheit profitiert.«24
Dennoch bleibt Sorgearbeit in den ökonomischen Daten unsichtbar. Denn dort fließt nur die Lohnarbeit ein. Ein wesentlicher Teil des Geldes von Müttern fehlt somit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Die unbezahlte Sorgearbeit wird weiterhin nicht als Arbeit ausgewiesen und bleibt aus dem Bruttoinlandsprodukt ausgeklammert. Das Bruttoinlandsprodukt misst den Wert der im Land hergestellten Waren und Dienstleistungen und gilt als Maß des Wohlstands einer Volkswirtschaft.25 Criado-Perez schreibt: »Die fehlende Berücksichtigung unbezahlter Hausarbeit bei der Berechnung des BIP ist vielleicht die größte geschlechterbezogene Datenlücke von allen.«26 Wie die Initiative »Close Econ Data Gap« unterstreicht, macht der von Eltern erzeugte gesellschaftliche Wert einen »wichtigen Teil unseres Lebensstandards« aus und muss daher statistisch sichtbar gemacht werden.27 Diese Forderung wurde bereits auf der UN-Weltfrauenkonferenz 1995 erhoben.
Für das Wohlergehen von Gesellschaften und das Funktionieren der Wirtschaft sind Kümmern, Pflegen, Kochen und Putzen unersetzlich.
Oxfam28