Auf stillen Wegen - Bernd Zillich - E-Book

Auf stillen Wegen E-Book

Bernd Zillich

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Beschreibung

Sie sind Orte der Stille und der Trauer: Friedhöfe. Aber sie sind auch Orte der Natur sowie der Architektur- und Zeitgeschichte. Folgen Sie diesem ungewöhnlichen Spazierführer zu Münchens berühmtesten Friedhöfen und erfahren Sie alles über deren Historie und das Leben der dort beigesetzten Persönlichkeiten. Vom Alten Nordfriedhof bis zum Neuen Südfriedhof, vom Laimer Friedhof bis zu den Grabstätten im Weltwald Freising.

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Auf stillenWegen

SPAZIERGÄNGE AUFMÜNCHENS FRIEDHÖFEN

BERND ZILLICH

Inhalt

Die Gottesacker der Münchner

Kurze Geschichte der Münchner Friedhofskultur

Im Norden Münchens

1Alter Nordfriedhof

Freizeit- und Erholungsstätte mitten in der Stadt

2Nordfriedhof

Wo sich Thomas Mann inspirieren ließ

3Friedhof und Parkfriedhof Untermenzing

Der Doppelfriedhof

Im Osten Münchens

4Ostfriedhof

Gottesacker im Trendviertel Giesing

5Friedhof Haidhausen

Das Wäldchen mitten in der Stadt

6Friedhof Bogenhausen

Letzte Ruhestätte vieler prominenter Münchner

7Friedhof Riem

Traditionell und modern – der Designfriedhof

8Friedhof Daglfing

Ein Ruheort mit dörflichem Charakter

9Friedhof Berg am Laim

Lokalhistorisch interessantes Kleinod

Im Süden Münchens

10Alter Südlicher Friedhof

Musealer erster Großfriedhof

Auch interessant: Grabstein-Symbolik

11Neuer Südfriedhof

Der jüngste Münchner Großfriedhof

Auch interessant: Islamische Bestattungskultur

12Friedhof am Perlacher Forst

Im Schatten von Stadelheim

13Waldfriedhof Solln

Idylle am Rand von München

Im Westen Münchens

14Westfriedhof

Eremiten, Malerfürsten und Prinzessinnen

Auch interessant: Jüdische Bestattungskultur

15Waldfriedhof (Alter Teil)

Wunderwelt in einem gepflegten Urwald

16Waldfriedhof (Neuer Teil)

Ort der Erinnerung und des Gedenkens

17Friedhof Neuhausen

Ein Kirchhof voll eleganter Unaufdringlichkeit

18Waldfriedhof Obermenzing

Vom Neoklassizismus zu Georgia O’Keeffe

Auch interessant: Bestattungskultur im Wandel

19Friedhof Laim (St. Ulrich)

Altbayerisches Kleinod im Schatten dichter Baumkronen

20Friedhof Nymphenburg

Arkadengänge am Schlosspark

Außerhalb Münchens

21Friedhof Gräfelfing

Ein Gottesacker als Pilgerstätte

22St.-Clemens-Friedhof

Verwunschenes Kirchlein im Weltwald

Noch mehr Friedhöfe

Register

Impressum

Die Friedhöfe im Überblick

1Alter Nordfriedhof

2Nordfriedhof

3Friedhof und Parkfriedhof Untermenzing

4Ostfriedhof

5Friedhof Haidhausen

6Friedhof Bogenhausen

7Friedhof Riem

8Friedhof Daglfing

9Friedhof Berg am Laim

10Alter Südlicher Friedhof

11Neuer Südfriedhof

12Friedhof am Perlacher Forst

13Waldfriedhof Solln

14Westfriedhof

15Waldfriedhof (Alter Teil)

16Waldfriedhof (Neuer Teil)

17Friedhof Neuhausen

18Waldfriedhof Obermenzing

19Friedhof Laim (St. Ulrich)

20Friedhof Nymphenburg

21Friedhof Gräfelfing

22St.-Clemens-Friedhof

Noch mehr Friedhöfe

23Alter Israelitischer Friedhof

24Neuer Israelitischer Friedhof

25Friedhof Allach

26Friedhof Aubing

27Friedhof Feldmoching

28Friedhof Lochhausen

29Friedhof Pasing

30Friedhof Perlach

31Friedhof Sendling

32Friedhof Solln

St. Ulrich in Laim: Engel auf dem Grabmal der Familie Eggenhofer

Die Gottesacker der Münchner

Friedhöfe sind viel mehr als nur Orte der Trauer, die den Lebenden ihre Endlichkeit vor Augen führen. Heute sind sie kein exklusiver Platz mehr für Tote und deren trauernde Angehörige, sondern immer auch Orte für Lebende. Sie sind sowohl Gedenkstätten als auch gepflegte Parkanlagen sowie artenreiche Lebensräume mitten in der Stadt. Orte der Ruhe und Erholung gleichermaßen. Sie spiegeln zudem ein beträchtliches Stück Kulturgeschichte wider, sind Stätten der Begegnung und der kulturellen Identität.

Man kann einen Friedhof auf verschiedene Art und Weise erleben: Er kann lediglich zu einem Spaziergang im Grünen dienen, der den Abstand zwischen uns und dem »Lärm der Welt« vergrößert – denn sobald man das Eingangstor passiert hat, kann man die Ruhe und die Stille in vollen Zügen genießen. Man kann auch mit den Augen eines Flaneurs und ganz ohne konkrete Ziele in einem Friedhof unterwegs sein und die Kunst und die Schönheit der Grabstätten und der Friedhofsbauten betrachten und auf sich wirken lassen. Die kunstvollen Plastiken in allen Form- und Stilvarianten sowie die Pracht zahlreicher repräsentativer Großdenkmäler machen durchaus so manchem Museum Konkurrenz.

Vor allem aber sind Friedhöfe ein unerschöpflicher Quell von Geschichten. Sie bieten Einblicke in das Leben unserer Vorfahren und in die Geschichte unserer Stadt. Die Geschichten von historischen Persönlichkeiten, von Berühmtheiten aus Politik, Sport, Film und Fernsehen, die wir möglicherweise selbst noch erlebt und vielleicht geliebt haben, können ein gemeinsames »Wir« schaffen, das unsere Identifikation mit der Stadt und dem Land, in dem wir leben, stärkt.

Bei den Münchner Friedhöfen sprechen wir von insgesamt mehr als 260 000 Gräbern. Man versuche sich einmal vorzustellen, was diese enorme Zahl bedeutet: 260 000 Geschichten, von denen nur ein Bruchteil der Nachwelt erhalten geblieben ist! Dieses Buch soll durch die Vorstellung einer kleinen Auswahl dieser Geschichten eine Einladung zu einem Streifzug durch die Münchner Friedhöfe sein, es soll aber gleichzeitig auch als Aufforderung verstanden werden, sich selbst auf die Suche nach Geschichten zu begeben und Menschen und Fakten aufzuspüren, die einen ansprechen, von denen man lernen und zu denen man einen persönlichen Bezug haben könnte. Vielleicht verbirgt sich ja hinter einem verwitterten, efeuumrankten Grab ein Maler, dessen Bilder uns entzücken, eine Schriftstellerin, deren Leben uns neue Einsichten ermöglichen könnte, oder ein Schicksal, das uns besonders berührt.

Wer (Grabstätten) sucht, der findet! Nur: wie? Die riesigen Flächen der Friedhöfe schrecken dabei ziemlich ab. Zunächst braucht man einen Friedhofs-/Übersichts-/Lageplan. Den gibt es möglicherweise in einer Friedhofsgärtnerei und immer – zum Abfotografieren mit dem Handy – auf einem Schild am Eingang des Friedhofs. Besser ist es aber, wenn man sich vor dem Besuch den entsprechenden Plan im Internet sucht und ausdruckt.

Das ist ganz einfach: Man gibt bei der Suchmaschine die Stichwörter »Friedhofsplan« (oder »Lageplan«) und den entsprechenden Friedhofsnamen ein (z. B. »Nordfriedhof«). In den meisten Fällen ist gleich der erste Treffer der richtige, und zwar in Form einer PDF-Datei, die man ausdrucken kann. Auf einem Lageplan sind verschiedene Bereiche des Friedhofs zu sehen, die durch Zahlen gekennzeichnet sind, das sind die Gräberfelder. Gekennzeichnet sind im Allgemeinen auch die Bereiche der Friedhofsmauer (z. B. »Mauer links«).

Ein Grab bzw. eine Grabstätte findet man anhand der Grabnummer. Diese setzt sich im Allgemeinen aus einer Kombination von drei Zahlen oder Buchstaben zusammen:

•Die erste Zahl bezeichnet das Gräberfeld (zu sehen auf dem Friedhofsplan); alternativ kann man auch eine Buchstabenkombination finden: ML (Mauer links), MR (Mauer rechts), U (Urnenanlage), AA (Alte Arkaden), NA (Neue Arkaden).

•Die zweite Zahl zeigt die Reihe im Gräberfeld: Eine »1« steht für die erste vom Weg aus gesehene Reihe, eine »2« für die zweite Reihe usw.

•Die dritte Zahl beschreibt, um das wievielte Grab in der Reihe es sich handelt. Stehen am Ende mehrere Ziffern mit Querstrich, handelt es sich um eine Doppel- oder Mehrfachgrabstätte.

•Beispielsweise ist das Grab von Lena Christ im Alten Teil des Waldfriedhofs unter der Grabnummer 44-3-14 (im Folgenden immer mit [ ] aufgeführt) zu finden. Das heißt: Die sterblichen Überreste der Schriftstellerin liegen im 14. Grab der 3. Reihe des Gräberfelds 44.

Alter Nordfriedhof: Grab von Michael Joseph Rossbach – Schlange und Eule sind Symbole der Weisheit.

Markierungsstein mit Gräberfeld-Nummer – diese ist auch der erste Teil der Grabstätten-Nummer.

Die Gräberfelder sind leicht anhand der Markierungssteine zu finden, die an den Ecken der Gräberfelder aufgestellt sind. Das Auffinden der Reihe kann hingegen Probleme bereiten, da ein Gräberfeld von mehreren Wegen umgrenzt ist. Von welchem fängt man an zu zählen? Hilfreich ist zu diesem Zweck die Markierung, die (leider nur manchmal) am äußeren Rand der Grabsteine angebracht ist.

Viel Freude beim Abenteuer Münchner Friedhöfe wünscht

Bernd Zillich

Öffnungszeiten aller Gemeindefriedhöfe

November bis Februar 8–17 Uhr

März 8–18 Uhr

April bis August 8–20 Uhr

September bis Oktober 8–19 Uhr

Madonna mit Kind auf dem bogenartigen Abschluss eines Grabes

Kurze Geschichte der Münchner Friedhofskultur

Während in vorchristlichen Zeiten die Feuerbestattung und das namenlose Verscharren in den Wäldern die üblichen Bestattungsformen waren, verdrängte in der Spätantike (284–476 n. Chr.) die Körperbestattung die »heidnische « Einäscherung. Das Christentum lehnte jahrhundertelang die Feuerbestattung ab, denn sie nahm die »Auferstehung der Toten« wörtlich – so untersagte Karl der Große mit dem Edikt von Paderborn im Jahr 785 bei Todesstrafe die Leichenverbrennung. Erst im 19./20. Jahrhundert hatte man wieder die freie Wahl, sich nach dem Tod auch verbrennen lassen zu können.

In der Antike galt der Tod als unrein, und man beerdigte deshalb die Toten weit weg von den Lebenden. Tote innerhalb der Stadtgrenzen zu bestatten oder zu verbrennen, war verboten. Im Frühmittelalter, etwa ab dem 6. Jahrhundert, begann man, die Friedhöfe in die Siedlungen zu legen. Als Begräbnisplätze dienten die von Mauern umschlossenen Flächen rund um eine Kirche – man wollte seine letzte Ruhestätte an einem geweihten Ort haben und auf das Jüngste Gericht in der heilversprechenden Nähe von Reliquien warten. Die Gräber der Bauern und Handwerker waren mit einem Holzkreuz geschmückt, Klerus und Adel bekamen prächtige, zeitüberdauernde Gräber. Wegen des begrenzten Platzes wurden vorhandene Gräber mehrfach benutzt und die alten Gebeine dann entnommen und in Beinhäusern aufgestapelt.

In den Städten legte man Friedhöfe anfangs nur um die Pfarrkirche herum an; als die Bevölkerungszahl wuchs, wurden sie auch um die übrigen Kirchen angelegt. Das war in München nicht anders: Nach Gründung der Stadt im Jahr 1158 wurden die Münchner zunächst im Gottesacker am Alten Peter begraben, der ältesten Pfarrkirche Münchens. Da die Bevölkerung stetig zunahm, kam 1271 ein zweiter Friedhof hinzu, an der Frauenkirche. Weitere Friedhöfe wurden von den Klöstern unterhalten (das Heiliggeistspital und das Kloster der Franziskaner). Ende des 15. Jahrhunderts kamen an der Kreuz- und der Salvatorkirche weitere Friedhöfe dazu.

Im 19. Jahrhundert sollten Grabstätten Besitz und Reichtum, Macht und Ansehen der bestatteten Personen widerspiegeln.

Vom 14. bis Ende des 17. Jahrhunderts wütete in München immer wieder die Pest, allein 1634 kam ein Drittel der Stadtbevölkerung ums Leben. Der Platz auf den vier Friedhöfen in München wurde knapp, die Angst vor Ansteckung war groß. So ließ Herzog Albrecht V. 1563 einen neuen Friedhof außerhalb vom Sendlinger Tor anlegen, den »ferterer Freithof« (Äußerer Friedhof, heute: Alter Südfriedhof). Neben den Pestopfern wurden hier vornehmlich Arme, Außenseiter und Selbstmörder bestattet. Nach der Empfehlung einer medizinischen Kommission im Jahr 1774, die innerstädtischen Kirchhöfe aus Gesundheits- und Platzgründen zu schließen, wurden diese nach und nach geschlossen. 1788 wurden auf Anordnung Kurfürst Karl Theodors II. Bestattungen innerhalb der Stadtmauern insgesamt verboten. Die Gräber im Stadtbereich wurden aufgehoben, alle Gebeine in den »Äußeren« Friedhof gebracht. Damit wurde der Äußere Friedhof der Zentralfriedhof für München, und das Friedhofswesen in München ging vollständig von der kirchlichen in staatliche Verwaltung über.

Aussegnungshalle des Waldfriedhofs (Alter Teil)

Bis 1868 blieb der Äußere Friedhof die einzige Begräbnisstätte im Stadtgebiet (mit nur einer Ausnahme: dem Friedhof für die Jüdische Gemeinde, den man 1816 an der Thalkirchner Straße errichtete). Trotz mehrfacher Erweiterungen wurde im Lauf der Zeit jedoch auch dieser Alte Südfriedhof für die schnell wachsende Stadt zu eng, und man erbaute deshalb zwischen Juni 1866 und Sommer 1869 in der Maxvorstadt den Nördlichen Friedhof.

In den 1890er-Jahren kamen die Münchner Friedhöfe endgültig an ihre Kapazitätsgrenzen. Also entwickelte der Stadtbaurat Hans Grässel ein völlig neues Friedhofskonzept: Er plante vier große, jeweils an der Himmelsrichtung orientierte Friedhöfe. Als Erster wurde 1899 der Nordfriedhof an der Ungererstraße eröffnet, als Erweiterung des Schwabinger Friedhofs. Bei der Gestaltung orientierte sich Grässel am frühchristlichen Ravenna. Als Erweiterung des »Auer Leichenackers« wurde hingegen der zweite Friedhof, der von der griechisch-römischen Antike inspirierte Ostfriedhof 1900 eröffnet.

Für den dritten seiner großen Friedhöfe, den 1902 eröffneten Westfriedhof im heutigen Moosach, bevorzugte Grässel eine frühchristlich-italienische Variante. Als vierten der großen Friedhöfe schuf Grässel den Waldfriedhof: Er wurde in einem vorhandenen Waldgebiet angelegt, um dort den älteren Baumbestand für die Einbettung von Gräbern in die als tröstlich empfundene Natur zu nutzen. 1907 war er fertiggestellt und der erste seiner Art in Deutschland.

Auch der 1908 eröffnete Neue Israelitische Friedhof wurde als Waldfriedhof konzipiert. Die 1929 eröffnete Trauerhalle des Krematoriums am Ostfriedhof war schließlich das letzte Bauwerk von Hans Grässel.

Den Friedhof am Perlacher Forst errichtete man im Jahr 1931 nach Plänen des Stadtbaurats Hermann Leitenstorfer. Mit seiner monumentalen Trauerhalle sollte er der »Größte und Schönste« der Münchner Friedhöfe werden. 1944 wurden die Bestattungen am Alten Südfriedhof endgültig eingestellt; heute steht das gesamte Areal unter Denkmalschutz. Von 1963 bis 1966 erweiterte der Gartenarchitekt Professor Ludwig Roemer (1911–1974) unter Beibehaltung des Wald- und Parkcharakters des alten Teils des Waldfriedhofs denselben um einen neuen Teil. Wegen des raschen Bevölkerungsanstiegs wurden die Grabplätze im Friedhof am Perlacher Forst bald ebenfalls knapp, und so plante der Garten- und Landschaftsarchitekt Gottfried Hansjakob den Neuen Südfriedhof – 1977 eröffnet, ist er als einziger Münchner Großfriedhof hügelig angelegt.

Im Norden Münchens

Im Münchner Norden erwarten den Besucher ein aufgelassener Friedhof, der längst zu einem Erholungs- und Freizeitraum geworden ist, und der erste, nach einem völlig neuen Friedhofskonzept gestaltete große, moderne Friedhof. Herrlich ist die herbstliche Aussicht von der Aussegnungshalle des Alten Nordfriedhofs (ab S. 16)!

1

Alter Nordfriedhof

FREIZEIT- UND ERHOLUNGSSTÄTTE MITTEN IN DER STADT

Von 1869 bis 1944 wurde der Alte Nordfriedhof in der Maxvorstadt genutzt. Die Anlage entstand zwischen 1866 und 1869 nach Entwürfen des Stadtrats Arnold Zenetti.

Mit dem auf Veranlassung von Herzog Albrecht V. im Jahr 1563 als »ferterer Freithof« (Äußerer Friedhof) angelegten Alten Südfriedhof war zum ersten Mal ein Friedhof außerhalb der Mauern Münchens entstanden. Mit dem von Kurfürst Karl Theodor 1789 erfolgten Verbot von Bestattungen innerhalb der Stadtmauern wurde dieser Südliche Friedhof zur einzigen Begräbnisstätte für die gesamte Stadt, was wegen der schnell wachsenden Bevölkerungszahl bald zur Planung eines neuen Friedhofs führte. Zwischen Juni 1866 und Sommer 1869 wurde trotz einigen Widerstands seitens der Anwohner schließlich der (Alte) Nördliche Friedhof erbaut.

Arnold Zenetti legte den Friedhof nach dem Vorbild eines italienischen »Campo Santo« an: Der rechteckige Friedhof war in 16 gleich große Gräberfelder unterteilt und von einer hohen Backsteinmauer umgeben; an der westlichen Mauer gab es 30 Arkadengrüfte, und am östlichen Rand des Friedhofs befanden sich die Aussegnungshalle und einige Wirtschaftsbauten. Ein großes Steinkreuz des Bildhauers Johann Halbig (1814–1882) betonte den Mittelpunkt des Friedhofs.

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, war der Nördliche Friedhof dem Regime ein Dorn im Auge, denn sie planten an dieser Stelle eine Prachtallee, die zu Adolf Hitlers vorgesehenem Alterssitz in Schwabing führen sollte. So wurde der reguläre Beerdigungsbetrieb ab 1939 weitgehend eingestellt. Die Zerstörungen durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg taten ihr Übriges: Der Friedhof wurde nach dem Krieg nicht mehr für den Beerdigungsbetrieb geöffnet. Die zerstörten Arkaden wurden nicht wieder aufgebaut, viele Gräber abgeräumt, und an der Stelle der ehemaligen Aussegnungshalle findet man heute einen vom Friedhof abgetrennten Spielplatz. Sein heutiges Aussehen erhielt der Friedhof durch Pläne des Architekten Hans Döllgast, der die Backsteinmauer, die Tore und das, was von den Arkaden übrig geblieben war, instand setzen ließ. Bei der Eröffnung umfasste die Anlage 8300 Grabstätten und 30 Grüfte in den Arkaden, heute sind nur noch etwa 800 Gräber zu erkennen.

Grabmal des Bildhauers Michael Waldmüller

Familien-Grabstätte der Grafen von Montgelas

Wenn man dieser Tage dem denkmalgeschützten Friedhof einen Besuch abstattet, begegnet man zunächst Müttern, die Kinderwägen vor sich herschieben, Kindern, die fröhlich zwischen den historischen Grabsteinen spielen, Menschen, die neben einem Grab sonnenbaden, und Joggern, die hier unermüdlich ihre Runden drehen. Man darf dabei nicht vergessen, dass der Alte Nördliche Friedhof die einzige Grünfläche in der Maxvorstadt ist, dem Viertel der Universitäten, der Museen und Galerien, und so zum Ruhe- und Rückzugsraum, aber auch zu einem beliebten Treffpunkt, zu einem Erholungsund Freizeitraum geworden ist. Die Exzesse, die es zuweilen gab (laute Kindergeburtstage und Grillpartys bis in die Nacht, Drogenkonsum etc.) versucht man, durch Hinweisschilder und mit einem Sicherheitsdienst zu verhindern.

Besuchern sei empfohlen, eine erste Runde entlang der Friedhofsmauer zu drehen, an der interessante Grabstätten zu sehen sind. Weil der Friedhof sehr überschaubar ist, kann man dann anhand des Lageplans und der einzelnen Grablagen relativ leicht die Gräber noch weiterer Prominenter finden, z. B.:

•Maximilian Graf von Montgelas (1860–1938) war ein bayerischer General der Infanterie sowie Politiker und Historiker. Er sollte auf keinen Fall mit seinem gleichnamigen Großvater, Maximilian Graf von Montgelas, verwechselt werden, dem Bayerischen Staatsminister und Begründer des modernen Bayern (1759–1838).

•Die Familien Lodter und Schneider, deren beeindruckende Ruhestätte sich ebenso an der Mauer befindet, sind zwar keine Prominenten, aber der Künstler, der die Grabstätte schuf, sehr wohl: Heinrich Maria Waderé (1865–1950) schuf zahlreiche Bauplastiken an Münchner Repräsentationsbauten, wie beispielsweise die Portalfiguren am Justizpalast. Die Darstellung der trauernden Frau auf dem Grab ist an sich ein Meisterwerk, aber ein Detail der Bronzeplatte gibt dem Ganzen noch einen Hauch von Geheimnis, denn sie enthält eine kleine Abbildung von zwei der Gizeh-Pyramiden und der Sphinx.

•Das bemerkenswert gut erhaltene Grabmal des Bildhauers Michael Wagmüller (1839–1881) sollte man unbedingt aufsuchen. Er entwarf es 1876 für seine früh verstorbene Tochter. Es stellt ein in den Armen des Todesengels entschlafenes Kind dar. 1878 hatte er ein Modell dieses klassizistischen Grabmonuments auf der Pariser Weltausstellung gezeigt, was ihm das Kreuz der Französischen Ehrenlegion einbrachte. Als er selbst nur wenige Jahre später starb, wurde das Grabmal zu seinem eigenen. [9-15-4/5]

•Erwähnenswert ist auch August (Gustl) Gemming (1837–1893), Lyriker, Altmünchner Original und Verfasser humorvoller Bücher. Von ihm erzählt man, dass er eine Wette, bei der er nackt durch die Straßen der Stadt reiten sollte, dadurch gewann, dass er sich eine Uniform auf den Körper malen ließ. [5-10-9]

•Hermann Lingg (1820–1905), ab 1890 Ritter von Lingg, war ein deutscher Dichterarzt [M-li-99]. Er schrieb Balladen, Dramen und Erzählungen. Der berühmte Dichterkreis »Die Krokodile« wurde nach seinem Gedicht »Das Krokodil von Singapur« benannt:

»Im heil’gen Teich zu Singapur,

da liegt ein altes Krokodil

von äußerst grämlicher Natur

und kaut an einem Lotusstiel.

Es ist ganz alt und völlig blind,

und wenn es einmal friert des Nachts,

so weint es wie ein kleines Kind,

doch wenn ein schöner Tag ist, lacht’s.«

•Als es noch keine Popstars gab, waren es die Münchner Originale und die Volkssänger, die die Menschen unterhielten. Anfang des 20. Jahrhunderts zog es die Münchner massenweise in die Wirtshäuser und Singspielhallen. Damals gab es in der Stadt 1000 berufliche Volkssänger, und einer ihrer prominentesten Vertreter war Andreas »Anderl« Welsch (1842–1906). [001-7-31]

Trauernde Frau mit aufgeschlagenem Buch, Symbol für ein erfülltes Leben

Basrelief eines Jesus-Antlitzes auf einem bemoosten alten Grabstein

Eine Joggerin dreht ihre Runden zwischen den historischen Grabsteinen.

Auf einen Blick