Aufbruch mit dem Pionier - Rolf Schlegel - E-Book

Aufbruch mit dem Pionier E-Book

Rolf Schlegel

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Beschreibung

Das vorliegende Buch ist ein gemeinsames, neuntes Opus von Rolf Schlegel und Rolf Leimbach zur Geschichte ihres Heimatortes Stadtlengsfeld. Viele Ereignisse und Personen wurden berücksichtigt, aufgearbeitet und auf die vorliegende Weise einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Der Inhalt basiert auf einer Fülle historischer Daten, auf persönlichen Lebensläufen sowie auf Gesprächen mit Zeitzeugen. Die populären Darstellungen zielen auf einen großen Leserkreis ab, v. a. auf Bürger von Stadtlengsfeld, Weilar, Gehaus, Kaltennordheim oder Geisa, auf Heimatforscher, auf Lehrer und Schüler. Eintausend Jahre Geschichte eines kleinen Städtchens in der Rhön bieten genügend Stoff für Anekdoten, kuriose Begebenheiten und Intrigen. Sie sind Anlass zum Staunen und Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken! Die souveräne Auswahl der Themen, Sortierung und ihre prägnante Abhandlung lassen Sachverstand und nötiges Einfühlungsvermögen der Autoren erkennen. Dass es einst ein landwirtschaftlich orientierten Industriebetrieb gegeben hat, dass eine Polytechnische Oberschule viele junge Menschen heranbildete, dass bereits 1935 ein Stadtjubiläum gefeiert wurde, dass es viele Bader und Prellsteine im Ort gab, viele Jahre ein Wilddieb und sogar die adlige Obrigkeit ihr Unwesen trieben, sind nur einige von vielen Enthüllungen, die dieser Band enthält.

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Autoren

Prof. Rolf Schlegel ist Emeritus für Zytogenetik, Genetik und Pflanzenzüchtung nach über 60 Jahren Erfahrung in Forschung und Lehre. Er ist Autor von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen und anderen Abhandlungen, Koordinator internationaler Forschungsprojekte und Mitglied mehrerer internationaler Organisationen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich fünf Fachbücher in englischer Sprache, herausgegeben von drei amerikanischen Verlagen. Rolf Schlegel diplomierte 1970 auf dem Gebiet der Genetik und Pflanzenzüchtung und promovierte 1973. Die Habilitation (Dr. sc.) folgte 1982. Er war langjährig an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung der Akademie der Wissenschaften in Gatersleben, dem Institut für Getreide und Sonnenblumen-Forschung, Dobrich/Varna, sowie dem Institut für Biotechnologie der Bulgarischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften tätig; Darüber hinaus an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen der USA, Brasilien, England, Japan, Russland und anderen Ländern. Seit geraumer Zeit hat er die Ahnenforschung seines Heimatortes Stadtlengsfeld zur Freizeitbeschäftigung gemacht. Dabei entstand eine Datei von mehr als 51.000 Personeneinträgen aus der mehr als tausendjährigen Geschichte des Ortes. Die Schicksale der Menschen und deren Leben bieten Stoff für eine Vielzahl von Geschichten und historischen Darstellungen. Diese einem breiten Publikum kundzutun, ist eine neue Passion des Autors.

Studienrat i. R. Rolf Leimbach war 47 Jahre Lehrer in Stadtlengsfeld. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Rates für Unterstufenforschung an der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR beteiligte er sich an der Weiterentwicklung von Lehrplänen sowie Lehrmaterialien für das Fach Heimatkunde. Seine Publikationen in der Fachzeitschrift „Die Unterstufe“ befassten sich mit methodischem Experimentieren und der Erziehung zur aktiven Fragehaltung. Er veröffentlichte zahlreiche methodische Handreichungen für den Heimatkunde-Unterricht. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher, Schüler-Arbeitshefte und Unterrichtshilfen für den Heimatkunde- und Sachunterricht. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Schuldienst intensivierte Rolf Leimbach seine heimatkundlichen Forschungen. Er veröffentlichte eine umfangreiche Chronik seiner Heimatstadt, die Geschichte des Porzellanwerkes Stadtlengsfeld, des Schulwesens, des Kaliwerkes Menzengraben sowie der Kirche. Weitere Arbeiten befassen sich mit den Hexenprozessen im 17. Jahrhundert, den Ereignissen des Jahres 1848 in der Stadt Lengsfeld, der Brandkatastrophe 1878 und dem Jahr 1945. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Erforschung der einstigen israelitischen Gemeinde im Heimatort, die zu den größten in Thüringen zählte. Rolf Leimbach ist es ein stetiges Anliegen, die facettenreiche Geschichte seiner Heimatstadt vielen Bürgern und Gästen nahezubringen. Deshalb engagiert er sich im Kultur- und Geschichtsverein mit Vorträgen, Führungen und Ausstellungen.

Inhalt

Vorwort

Von der MAS zum KfL – Geschichte eines Betriebes

Die letzten Prellsteine von Lengsfeld

Zehn Jahre in der Polytechnischen Oberschule Stadtlengsfeld

Bader & Chirurgen

Der alte Klotzbach – ältester Wilddieb Thüringens

Herrschaftliche Willkür – der Untertanen Pein

Stabbrechen in Lengsfeld

Stadtjubiläum unter dem Hakenkreuz 1935

Bibliographie

Vorwort

Man muss wohl erst zum älteren Semester gehören, bevor man die Zeit und Muße besitzt, um sich intensiver mit seiner Heimat und seinen Wurzeln zu beschäftigen. Beide Autoren haben neuerdings das Privileg. Obwohl beide in Stadtlengsfeld geboren wurden, aufwuchsen und zur Schule gingen, haben sich ihre Wege durch das Berufsleben verloren. Erst im Jahr 2011 war es soweit, dass sie sich wieder begegneten. Der eine schon länger befasst mit der Geschichte der Rhön, der andere über die Suche nach seinen Ahnen.

Bereits die ersten Gespräche waren von großem Konsens und individueller Begeisterung geprägt. Es brauchte somit nicht allzu lange, um neue Ideen und gemeinsame Pläne zu gebären. Basierend auf dem bereits angehäuften Fundus an geschichtlichen Daten, Personenbeschreibungen, Fotos sowie schriftlichen Belegen bestand die Frage, wie man die Vielzahl von Informationen einem breiteren Publikum, insbesondere aus Stadtlengsfeld nahebringt.

Am Anfang sahen die Autoren die Möglichkeit, monatliche Kurzgeschichten im Lokalanzeiger „Baier-Bote“ zu veröffentlichen. Sehr schnell war aber zu erkennen, dass die schriftstellerische Produktivität der beiden Autoren größer war als man in monatsweisen Publikationen unterbringen kann. Daher rührte der Gedanke, einzelne historische Beiträge in Buchform zu publizieren. Es sind bereits acht Bände erschienen. Der neunte liegt nun auch vor.

Bereits fragmentarische Unterlagen wurden gesichtet, systematisiert und in ein geeignetes Format gestellt. Hinzu kamen eine Vielzahl von persönlichen Kontakten, Recherchen im INTERNET sowie Standesämtern, Kirchenbüchern und alten Gazetten. Das Ergebnis lässt sich sehen. Obwohl es niemals ein Ende gibt, sind bereits die Daten von mehr als 51.000 Menschen über mehr als tausend Jahre jüngerer Geschichte des Heimatortes in eine elektronische Registratur eingeflossen. Die dazugehörigen Einzelschicksale bieten Stoff für Generationen.

Die Autoren betrachten ihr Werk als Vermächtnis an die gegenwärtige Generation, Kinder und Enkel. Mögen sie sich ihren Wurzeln bewusst werden, ihren Vorfahren gedenken und die Sammlung eines Tages weiterführen. Es ist in höchstem Maße interessant zu sehen, woher wir kommen, wie die Geschichte das Wohl und Wehe von Personen beeinflusste sowie Menschen schon immer versuchten, ihr Leben aufzuschreiben und zu dokumentieren.

Nicht die Suche nach LUCA (Last Universal Common Ancestor) trieb uns, sondern die Neugier nach den Wurzeln der Vielzahl von Lengsfelder Bürgern, ihren Familien sowie deren Rolle in der Geschichte. Dabei wird sichtbar wie sich lokale menschliche Populationen vermischen, wie geographische sowie gesellschaftlichen Grenzen überschritten werden, wie Kriege Familien auslöschen, wie Stammbäume enden und andere wachsen oder wie sich Berufe und Namen historisch wandeln. Deutlich wird zugleich, dass die Mobilität in der Neuzeit immer größer wird und die Familien immer kleiner.

Der neunte Band der Serie von „Lengsfelder Geschichten“ ist wiederum eine Auswahl von Artikeln, die entweder bereits anderswo veröffentlicht oder neu erstellt wurden. Es war nicht beabsichtigt, eine exakte geschichtliche Abfolge der Beiträge zu schaffen.

Die Zusammenstellung wurde so arrangiert, dass sie eine möglichst große Aufmerksamkeit erzielt. Viele Details sind nicht in die Artikel eingeflossen, weil diese das Leseerlebnis gestört hätten. Diese können aber jederzeit bei den Autoren nachgefragt werden. Abbildungen, Schemata und Fotos dienen einem ähnlichen Zweck. Fußnoten und Quellenangaben wurden auf ein Minimum reduziert. Die Referenzen finden sich in einer an das Ende des Buches verlegten Bibliographie.

Die Autoren

Danksagung

Die Autoren danken Claudia Greifzu (Kaltennordheim), Manfred Wolfram und Helmut Baum (Stadtlengsfeld), Dr. Wulf Xylander (Tissa) sowie Babara Rodeck † (Weilar) für die Anregungen sowie Unterstützung.

Frau Dr. Gisela Schlegel sind wir sehr für die kritische Durchsicht des Manuskripts verbunden.

Bildnachweis Cover: Traktor Pionier, Mehrzweckschlepper IFA RS01 Pionier, erster in der DDR gebaute Radschlepper. Quelle: Ralf Christian Kunkel (Luckau), modifiziert

Von der MAS zum KfL – Geschichte eines Betriebes

Rolf Leimbach

Vorgeschichte

Die MAS (Maschinen-Ausleih-Station), die MTS (Maschinen- und Traktoren-Station) und der KfL (Kreisbetrieb für Landtechnik) sind seit Jahren Teil der Geschichte von Stadtlengsfeld. Und doch werden MAS, MTS und KfL besonders unter den älteren Einwohnern noch immer als Flurbezeichnungen im Ort geführt.

Das hat Gründe: Sie waren über Jahrzehnte Arbeitsstätte vieler Einwohner. Sie prägten zudem die Entwicklung von Stadtlengsfeld zu einem industriellen Standort im Feldatal (vgl. Lengsfelder Geschichten IV, Karg ist der Boden, hart die Arbeit).

Weniger bekannt ist, dass ein Teil der Gebäude des KfL schon während des Zweiten Weltkriegs vom Kabelwerk1 Vacha gebaut wurden. Das betrifft die Gebäude 1, 3 und 4 (Abb. 1). In diesen Betriebsteilen wurden Kabel für die Luftwaffe der Wehrmacht hergestellt. Wie groß der Bedarf dieser Kabel war, belegt die Tatsache, dass schon vor Fertigstellung der Gebäude in der Gaststätte „Schützenburg“ Frauen damit beschäftigt waren, diese Kabel zu produzieren (Abb. 2).

Rhönwerkstätten

Nach dem Ende des Krieges bewarben sich die Gebrüder Kramer aus Berlin um den Ausbau der Fabrikgebäude des Kabel-Werkes Vacha in der Eisenacher Straße. Sie planten die Herstellung von Holzgegenständen verschiedener Art und später auch eine Glasveredelung. Eine solche Produktionsstätte kam besonders den zahlreichen Umsiedlern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in Stadtlengsfeld zugute. Am 31. Juni 1946 wurde die Produktion mit 20 Arbeitern begonnen. Der Betrieb wurde unter dem Namen „Rhönwerkstätten“ weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt:

Abbildung 1: Gelände und Gebäude des ehemaligen Kreisbetriebes für Landtechnik Stadtlengsfeld, 2010. Nr. 1: Verwaltungsgebäude, Nr. 2: Sozialtrakt, Nr. 3: Lager, Nr. 4: Werkstatt, Nr. 5: Werkstatt, Nr. 6: Garagen, Nr. 7: Diagnose- und Reparaturstation. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2010

Abbildung 2: Arbeiterinnen des Kabelwerkes Vacha vor der Schützenburg in Stadtlengsfeld. Sie isolierten Kabel für die Luftwaffe Deutschlands, um 1939, vor der Fertigstellung der Gebäude in der Eisenacher Straße. Quelle: H. Hampel, Archiv R. Leimbach, 2018

„Bei dem VEB/K Rhönwerkstätten handelt es sich um einen Spezialbetrieb zur Herstellung von kunstgewerblichen Gegenständen, die aus Holzabfällen (örtl. Reserven) hergestellt werden… Die produzierten Gegenstände tragen die Güteklasse S und 1 und sind vertraglich gebunden. Der Absatz und die Nachfrage sind groß und erstrecken sich in alle Teile der DDR. Die Produktion beläuft sich für das Jahr 1952 auf planmäßig 285. TDM.“ [1]

Die Inhaber der „Rhönwerkstätten“, die Brüder Kramer, setzten sich im April 1953 in den Westen von Deutschland ab. Im Betrieb arbeiteten inzwischen 42 Beschäftigte. Er wird nun in Volkseigentum umgewandelt. Herr Döring war neuer Betriebsleiter, gefolgt von Willy Freund (Abb. 3).

Abbildung 3: Willy Freund, zeitweise Betriebsleiter der Rhönwerkstätten. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Schon bald zeigte sich, dass der Standort für die MAS in der Eisenacher Straße mehr Platz für die Geräte und Werkstätten benötigte. Deshalb wurde 1953 bei der Kreisstaatsanwaltschaft beantragt, die Rhönwerkstätten schnellstens auszulagern. Doch es gab Schwierigkeiten:

„Der Betrieb beschäftigt zur Zeit rund 40 Leute und zwar handelt es sich hier in der Hauptsache um Schwerbeschädigte, Umsiedler und ältere Leute, die nicht ohne weiteres anderweitig eingesetzt werden können …Es wird anerkannt, daß den Wünschen der MTS in dieser Richtung Rechnung zu tragen ist. Von der anderen Seite muss jedoch auch der Betrieb der Rhönwerkstätten als solcher auf eine Verlagerung hingewiesen werden. Eine in der Nähe sich befindende Baracke könnte als neue Betriebsstätte für die Rhönwerkstätten in Anspruch genommen werden. Es entstehen jedoch durch die Umsetzung Kosten, die nach eingeholten Kostenvoranschlägen mit rund 10.000 DM eingesetzt sind. Der Betrieb Rhönwerkstätten selbst hat keine Möglichkeit, diesen Aufwand decken zu können.“ [1]

Abbildung 4: Das neue Produktionsgebäude des VEB/K Rhönwerkstätten Stadtlengsfeld. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Für den Betrieb wurde schließlich neben der Porzellanfabrik ein neues Gebäude gebaut (vgl. Abb. 4).

MAS

Schon im Jahr 1948 gründeten sich in der sowjetisch besetzten Zone die ersten Verwaltungen der Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS). Im Jahr 1949 wurden sie der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe angegliedert und somit eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der erste Maschinenpark setzte sich aus Geräten der enteigneten Großgrundbesitzer und Lieferungen aus der damaligen Sowjetunion zusammen.

Abbildung 5: Sowjetischer Raupenschlepper aus der MAS Stadtlengsfeld bei der Feldbestellung. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Abbildung 6: Belegschaftsmitglieder der MAS Stadtlengsfeld. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Abbildung 7: Ausfahrt der Mähdrescher E175 aus der MAS Stadtlengsfeld. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Abbildung 8: Die Werkstattgebäude der RTS Stadtlengsfeld, 1958. Im Bild rechts der Anbau von 1954. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Sie lieferte bereits 1949 Traktoren, Lastkraftwagen, Scheibeneggen, Kultivatoren und Schälpflüge. Im Jahr 1952 wurde damit begonnen in Stadtlengsfeld eine MAS zu gründen. Sie war eine der drei ersten Betriebe dieser Art im damaligen BezirkSuhl. Sie sollten der Landwirtschaft vor allem die dringend benötigten landwirtschaftlichen Maschinen zur Verfügung stellen. Allerdings war dieser Anfang sehr beschwerlich und für die meisten Bauern nicht überzeugend. Von 12 vorhandenen Traktoren in Stadtlengsfeld waren zum Beispiel nur sechs einsatzbereit. [2]

Der erste Direktor der MAS Stadtlengsfeld war Heinrich Thielken. [3] Im Jahr 1953 entstanden Schuppen und Garagen für 21 Boxen (vgl. Abb. 1). Im Maschinenbestand befanden sich drei Mähdrescher E175 (Abb. 7).

Abbildung 9: Teilansicht der MTS Stadtlengsfeld. In der Bildmitte die Verwaltung, dahinter der Sozialtrakt. Quelle: W. Oschmann, Archiv R. Leimbach, 2018

Sie waren die ersten selbstfahrenden Mähdrescher und ermöglichten den Drusch aller Getreidearten, auch den Schwaddrusch. Die Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands führte dazu, dass eine große Anzahl neuer Einzelbauern entstand, die aber zunächst vielmals ohne die erforderlichen Maschinen für die Feldbestellung und Ernte waren.

Gab es vor 1945 nur sieben bis acht nennenswerte Einzelbauern in Stadtlengsfeld, so waren es nach der Bodenreform 50 ablieferungspflichtige Betriebe mit einer Größe von mindestens einem Hektar. Diese sog. Neubauern waren gegenüber den alteingesessenen Bauern im Nachteil, was die Ausrüstung mit dem erforderlichen Gerät für die landwirtschaftliche Produktion betraf.

Abbildung 10: Eingang zur RTS Stadtlengsfeld, um 1965. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Die MAS sollten den aus der Bodenreform hervorgegangenen Neubauern materielle Hilfe leisten, indem sie ihnen die landwirtschaftlichen Maschinen zu besonders günstigen Tarifen anboten.

Abbildung 11a, b: (a) Traktor „Brockenhexe“ mit Mähwerk. Quelle: Wikipedia, 2018;(b) Traktor „Pionier“ in der MAS von Stadtlengsfeld, um 1955. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Im Mai 1953 gründete sich in Stadtlengsfeld die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Typ III. Sie erhielt den Namen „Feldatal“. Der erste Vorsitzende war Josef Schrenk. Die LPG bewirtschaftete rd. 44 ha. Das entsprach etwa 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Ortes. Die meisten und die größten Bauern waren trotz teilweiser massiver Auseinandersetzungen vorerst nicht bereit, sich zu einer Genossenschaft zusammenzuschließen. Die Arbeit der bisherigen LPG konnte sie nicht überzeugen. Die Erträge auf dem Feld wie auch im Stall überzeugten sie nicht.

Zum Maschinenbestand der MAS gehörten damals unter anderem die „Brockenhexe“. Dieser Traktor wurde von 1949 bis 1952 im VEB Schlepperwerk Nordhausen hergestellt. Vielen Stadtlengsfeldern ist der „Pionier“ in Erinnerung – der erste in der DDR gebaute Traktor Abb. 11).

Er wurde zunächst im VEB HORCH Kraftfahrzeug- und Motorenwerk Zwickau und später im VEB Schlepperwerk Nordhausen gebaut. Der Geräteträger GT124 war einer der meistgebrauchten Traktoren in der DDR (Abb. 12). Er wurde zunächst im VEB Traktorenwerk Schönebeck und später im VEB Landmaschinenbau Haldensleben gefertigt.

Abbildung 12: Hans Bohn (1936-2013) (l.) und Ernst Garkisch (1931-1996) (r.) am Geräteträger GT124 der MTS Stadtlengsfeld, um 1960. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Die MAS arbeiteten jedoch nicht kostendeckend. So mussten im Jahr 1952 fast 170 Millionen Mark als Zuschuss gewährt werden. Im Jahr 1955 betrug diese Subvention sogar 420 Millionen Mark. Mit der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft „Feldatal“ wurde im Jahr 1953 die MAS in MTS (Maschinen-Traktoren-Station) umgewandelt.

MTS

Diesen Betrieb leiteten Herr Milde, später Karl Koop, Hans Mels und Erhard Hilpert. [1] Schon 1953/54 wurde geplant, dem Stadtlengsfelder Betrieb eine neue Station in Geisa anzugliedern.

Dieser Schritt schien notwendig, um die ganze Fläche des zu betreuenden Gebietes wirtschaftlich abzusichern.

Der gewachsene Maschinenpark erforderte ein größeres Werkstattgebäude. Zu seiner Errichtung wurden 1954 die notwendigen Mittel bereitgestellt (vgl. Abb. 1 und 9). Im gleichen Jahr erfolgte der Umbau des Hauptgebäudes zum Sozialtrakt und zur Verwaltung.

Es waren zwei Mähdrescher im Einsatz, 46 Traktoren und 34 Mähbinder. Der Betrieb beschäftigte 39 Traktoristen und drei Dreschmaschinisten. Die Mähbinder bedienten 11 Kollegen. Im Jahr 1957 arbeiteten im Betrieb 208 Angestellte, davon 135 in der Produktion. Im Jahr 1958 erhöhte sich die Anzahl der Traktoren auf 67.

Abbildung 13: Gerätestellplatz für Landmaschinen (Feldhäcksler) in der Eisenacher Straße. Quelle: W. Oschmann, Archiv R. Leimbach, 2018

Es gab 67 Stammtraktoristen, 13 Schichttraktoristen, fünf LKW-Fahrer, vier Druschmaschinisten und 13 Werkstattarbeiter.

Abbildung 14: Von links nach rechts Traktoren der MTS Stadtlengsfeld „ ZT300“, „Pionier“, „GT124“, „Famulus“ vor dem Betriebsgelände. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

In Stadtlengsfeld traten im April 1960 auch die letzten Einzelbauern in eine LPG ein. Nun wurden die Geräte und Maschinen den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften übergeben (Abb. 13). Die MTS wurden für kurze Zeit in reparaturtechnische Stationen umbenannt (RTS, Abb. 8 und 10). Ihre Aufgabe bestand darin, die landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte zu warten und nötigenfalls zu reparieren (Abb. 15 und 16).

KfL

Der Kreisbetrieb für Landtechnik entstand in Stadtlengsfeld 1964. [4] Im Bezirk Suhl gab es fünf Kreisbetriebe für Landtechnik, die sich auf Grundinstandsetzungen und Neufertigungen landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte spezialisierten:

Abbildung 15: Getreideernte mit dem Mähdrescher E512 (hier ohne Kabine) vom damaligen Kombinat Fortschritt Landmaschinen Neustadt/Sachsen beim Drusch am Krämer‘ Stück von Stadtlengsfeld. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Kfl Bad Salzungen, Sitz Stadtlengsfeld,

KfL Hildburghausen, Sitz Hildburghausen,

KfL Meiningen/Suhl, Sitz Obermaßfeld,

KfL Schmalkalden, Sitz Breitungen/Werra,

KfL Sonneberg/Neuhaus, Sitz Sonneberg.

Dem KfL Stadtlengsfeld (Station Geisa) oblag z. B. die Neufertigung mobiler Selbsttränken, währen in Stadtlengsfeld u. a. die Grundinstandsetzung von Dämpfanlagen stattfand (Abb. 20).

Zum Direktor wurde Karl Walter berufen (Abb. 17).

Abbildung 16: Industriemäßige Getreideernte mit dem Mähdrescher E512 und Abtransport des Erntegutes mit dem Lastkraftwagen W50 des IFA Automobilwerkes Ludwigsfelde. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

„Ernennungsurkunde zum Direktor des Kreisbetriebes für Landtechnik. Herr Karl Walter wird entsprechend des Beschlusses des Ministerrates vom 30. Januar 1964 und der Anweisung Nr. 2/64 des Vorsitzenden des Staatlichen Komitees für Landtechnik mit Wirkung vom 1.6.1967 zum Direktor des Kreisbetriebes für Landtechnik Bad Salzungen, Sitz Stadtlengsfeld berufen.

(Dienststempel) Mirringamt. Vorsitzender des Bezirkskomitees für Landtechnik

Suhl“ [1]

Der Kreisbetrieb für Landtechnik entwickelte Rationalisierungsmittel für die Landwirtschaft (vgl. Abb. 20). Um 1980 entstand nahe dem Gelände des KfL eine neue Produktionshalle an der Hämbacher Straße, die das Ortsbild von Stadtlengsfeld maßgeblich prägte (vgl. Abb. 19). Hier sollte die Grundinstandsetzung des Lastkraftwagens W50 für die Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft erfolgen.

Abbildung 17: In der Bildmitte – Karl Walter, Direktor des KfL Stadtlengsfeld anlässlich einer Feier zum Internationalen Frauentag. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Diese Arbeiten wurden bisher im Werkstattgebäude an der Eisenacher Straße durchgeführt.

Mit dem Herbst 1989 kam auch für den Kreisbetrieb Stadtlengsfeld das Aus.

Den Betrieb leitete in dieser Zeit Herr Hess. Die Auflösung des Betriebes oblag dem Geschäftsführer Karl Joachim. Der VEB Kreisbetrieb Stadtlengsfeld wurde am 24.09.1990 im Handelsregister gelöscht. Rechtsnachfolger wurde 1990 die „Metallbau GmbH Stadtlengsfeld“. Auf einem Teil des KfL – Geländes entstand das Autohaus Stadtlengsfeld und ein Gartencenter (Leitung Albrecht Nozicka, Abb. 19). [3]

Abbildung 18: Der Haupteingang zum Kreisbetrieb für Landtechnik in Stadtlengsfeld, um 1985. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Abbildung 19: Neue Produktionshalle des Kreisbetriebes für Landtechnik an der Hämbacher Straße. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

Abbildung 20: Rationalisierungsmittelbau im Kreisbetrieb für Landtechnik Stadtlengsfeld nach 1990. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2018

1 Das Kabelwerk Vacha wurde 1919 gegründet.

Die letzten Prellsteine von Lengsfeld

Rolf Schlegel & Manfred Wolfram

Abbildung 1a: Gebäude in der Dermbacher Straße/ Ecke Gartenstraße von Stadtlengsfeld, um 2018, früher die Finkelsgasse. Um Kollisionen mit den Fuhrwerken der Bauern zu vermeiden, wurde die Hausecke gleich abgeschrägt (roter Pfeil). Dort fuhren häufig die Leiterwagen hoch bepackt mit Heu und Mist vorbei. Quelle: R. Schlegel, 2018

„Wenn der Hund mit der Wurst übern Eckstein springt,

und der Furz in der Luft sein Liedl singt, hei das ist ne lustge Zeit, wenn‘s Gauner regnet und Spitzbub‘n schneit“.

(Für Stadtlengsfeld adaptierte Volksweise.)

So wie das kleine Liedchen, hat auch die Redensart „Die Kurve kratzen“ ihren Ursprung im Mittelalter. Vor allem in den Städten waren damals die Gassen sehr eng.

Viele Hausbesitzer fürchteten bei all den sperrigen Kutschen und Wagen um ihre Hausecken, denn es kam häufig vor, dass Kutscher ihre Gefährte mit hohem Tempo arg eng um die Ecken trieben.

Hausratsversicherungen gab es noch nicht. Daher ersannen findige Hausbesitzer unterschiedliche Methoden, um ihr Hab und Gut zu schützen. Sie versahen die Hausecken mit Steinblöcken, hier und da waren auch ausgediente kleine Kanonen oder massive Eisenstäbe zu sehen (vgl. Abb. 2).

Manchmal ließ man die Hausecke ganz weg, so wie auch in Stadtlengsfeld am Eingang zur Gartenstraße auf der linken Seite (vgl. Abb. 1a) oder am Obertor beim „Türmchen“ (Abb. 1b).

Abbildung 1b: Gebäude am Obertor von Stadtlengsfeld, um 2018, gen. Türmchen. Um die Gebäude-Ecke an der Hauptstraße zu schützen, wurde sie gleich abgeschrägt. Quelle: R. Schlegel, 2018

Der Prellstein – manchmal auch Radabweiser, Eckstein, Abweichstein, Abweiser, Abläufer, Klemstein, Radstößer oder Kratzstein genannt – ist oft ein halbrunder oder abgeschrägter Stein an bzw. in Hausecken, Toreinfahrten oder engen Gassen zum Schutz vor anstoßenden Fahrzeugen (vgl. Abb. 2 bis 7).

Abbildung 2: Kanonenrohr als Radabweiser am Brandenburger Tor von Berlin. Quelle: Wikipedia, 2018

Da es Karren und Wagen schon vor der Zeitenwende gab, finden sich Prellsteine schon in den antiken Städten. So sind mehr als zweitausend Jahre alte Prellsteine in dem ausgegrabenen Pompeji (Italien) im Originalzustand zu sehen.

Gelegentlich dienten Prellsteine auch zum Schutz vor dicken Eisschollen, die bei Hochwasser mit Eisgang gegen Häuser schlugen und sie dabei zerstörten, z. B. an der Elbe.

Bevorzugt wurden als Material harte Gesteine verwendet, da Steine mit geringerer Festigkeit wie Sandsteine zu schnell von den eisernen Radreifen der Pferdewagen verschlissen wurden.

Abbildung 3: Prellstein in Kitzingen. Quelle: Wikipedia, 2018

Sogar unbearbeitete Findlinge, Relikte der Eiszeit, wurden genutzt, wenn sie ein geeignetes Format hatten.

Aber nicht nur die Häuser sollten geschützt werden, sondern auch die Radnaben der Wagen. Da sie gewöhnlich aus dem Rad herausstanden und bei Eckenberührung das ganze Rad und die Achse beschädigt worden wäre, vermied man durch den Prellstein eine kostspielige und aufwendige Reparatur.

Abbildung 4: Prellstein in Dilsberg am Neckar. Quelle: Wikipedia, 2018

Die Prellsteine mussten somit niedriger als die Radnaben und vorn geneigt sein, um die zu nahe heranfahrenden Räder nicht zu hemmen, sondern nur abgleiten zu lassen. Dennoch ging am Prellstein so manches Wagenrad entzwei.

Auch besonders schützenswerte Einzelobjekte waren mit den Ecksteinen ausgestattet. Dieses architektonische Schutzelement findet mindestens seit der römischen Zeit Anwendung, beispielsweise an Distanzsäulen und an Bögen antiker Denkmäler.

Die Radabweiser aus der Zeit der Romanik und Gotik sind überwiegend unverziert, wie sie auch in späteren Bauepochen in der ländlichen Architektur üblich geblieben sind (siehe Stadtlengsfeld). Seit der Renaissance sind an städtischen oder herrschaftlichen Bauwerken zunehmend verzierte Objekte verwendet worden (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5: Prellstein in Form einer Figur aus Granit in Waldkirchen („Da ewige Hochzeiter“). Quelle: Wikipedia, 2018

Heutzutage werden Prellsteine aus Beton gefertigt. Häufig sind sie dann vor den Flügeltoren von LKW-Garagen eingebaut, um eine Beschädigung der Tore zu verhindern. Mitunter dienen auch spezielle Stahlkonstruktionen oder einfache Poller als Radabweiser.

Prellsteine als Wegbegrenzer

Prellsteine dienten auch als Wegbegrenzungen. In alten Zeiten mussten sie eine Ruthe2 auseinander und ein Fuß über dem Weg stehen. Sie waren notwendig, um die Sommerwege vom Banquet zu trennen oder um den Fußweg und die Bäume zu schützen. Solche Angaben waren schon im 18. Jahrhundert Bestandteil der Richtlinien zum Chausseebau. [1]

Mord mit einem Prellstein

Selbst ein Mord wird in der Literatur beschrieben, der mit einem Prellstein ausgeführt wurde: