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Aufmerksamkeit ist zu einer der wichtigsten Ressourcen in der informationsgetriebenen Gesellschaft geworden. Es geht nicht nur um die Aufmerksamkeit für sich selbst und in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch um Aufmerksamkeit als Rohstoff der individuellen ökonomischen Position. Durch zunehmende Kommunikation in der digitalen Ära wird Aufmerksamkeit zu einer Währung, die Zeit und Geld überstrahlen und neben sich erblassen lassen kann. Auf dieser medialisierten Stufe der Ökonomie der Aufmerksamkeit nimmt der Kampf um Aufmerksamkeit Formen eines mentalen Kapitalismus an. Mithilfe von Rousseau, Mead, Sartre, Adorno, Horkheimer, Foucault, Honneth, Sloterdijk, Habermas und Nussbaum führt Jörg Bernardy in die einzelnen Ebenen und Dimensionen der zugespitzten Ökonomie der Aufmerksamkeit ein. Er liest den kultur- und medienwissenschaftlichen Entwurf von Georg Franck auf seine philosophischen Grundlagen hin und erweitert ihn. Damit macht er die Entwicklung der Aufmerksamkeit als Kapital aus zeitgenössischer Perspektive und mit Blick auf die nächsten Jahre greifbar.
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Seitenzahl: 249
Jörg Bernardy
Aufmerksamkeit als Kapital. Formen des mentalen Kapitalismus
© Tectum Verlag Marburg, 2014
ISBN 978-3-8288-6175-6
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-3413-2 im Tectum Verlag erschienen.)
Umschlagabbildung: © Ralf Höpfner
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
"Das Ganze war gedacht als Essay, und meinem Verständnis nach ist ein Essay ein Stück Argumentation ohne Fußnoten, das definiert ihn, gut, ich habe das nicht durchgehalten, aber ich wollte kein wissenschaftliches Werk im üblichen Sinne schreiben,
I. Einführung in die Ökonomie der Aufmerksamkeit
1. Einleitung
„Ist der Finanzkapitalismus am Ende?“1 – diese kontroverse Frage steht im September 2008 an der Spitze der öffentlichen Agenda in Deutschland und verweist auf eine drohende Weltwirtschaftskrise. Zugleich steht die Frage nach dem Ende des Finanzkapitalismus im Zeichen eines wachsenden Trends, den Kapitalismus als unmenschliches System und Wurzel sozialer Ungerechtigkeit anzuprangern. Eine solche Kapitalismuskritik ist ein Topos sowohl genuin wissenschaftlicher Diskurse, wie etwa in der philosophischen Tradition des Marxismus, als auch populärwissenschaftlicher und öffentlicher Diskurse in Politik und Medien. In öffentlichen Diskursen wird oftmals die inhumane Seite des Kapitalismus kritisiert oder aber die Kritik verweist auf dessen utopischen Charakter.2
Mit einer ähnlichen Fragestellung provoziert am Ende des 20. Jahrhunderts unter gänzlich anderen Vorzeichen ein Diskurs die Öffentlichkeit, der unter dem Stichwort „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ oder „Aufmerksamkeitsökonomie“ zusammengefasst wird. Georg Franck, einer der wichtigsten Vertreter des Aufmerksamkeitsdiskurses im deutschsprachigen Raum, veröffentlicht Anfang der 90er Jahre einen Artikel mit dem Untertitel „Das Zeitalter der Geldökonomie geht zu Ende“3. Nicht nur ein mögliches Ende des Geldkapitalismus wird suggeriert, ebenso steht die utopische Vision einer neuen Ökonomie im Zentrum der Bewegung und sorgt für viel Aufsehen und Aufmerksamkeit. Mit Blick auf die Entmaterialisierung der Wirtschaftsprozesse durch die Massenmedien und das Internet behaupten die Diskursanhänger in den 90er Jahren, dass sich die traditionelle Ökonomie grundlegend verändern würde. Der Begriff der Aufmerksamkeit rückt in das Zentrum ihrer Analyse und soll in der massenmedialen Gesellschaft mit der Leitwährung Geld als wichtigstes Rationierungsmittel konkurrieren. Georg Franck behauptet, dass in absehbarer Zukunft eine Ökonomie der Beachtung die Geldökonomie ablöse und dadurch ein grundlegender, gesellschaftlicher Wandel in Gang gesetzt werde. Mit Thesen dieser Art avanciert die Ökonomie der Aufmerksamkeit zu einer „Metatheorie der postindustriellen Gesellschaft“ und erfährt eine hohe Popularität in Öffentlichkeit und Feuilleton. In seiner Bekanntheit sprengt das Buch die Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur, da sogar Dieter Bohlen die Publikation zu seinen Lieblingsbüchern zählt.
Dies muss bei dem ansprechenden Thema und dem verständlichen Stil auch gar nicht verwundern. Zu Beginn seiner Überlegungen bezeichnet Franck die Aufmerksamkeit anderer Menschen als die „unwiderstehlichste aller Drogen“. (ÖdA, 10) So kommt er zum anthropologischen Verlangen nach Aufmerksamkeit auf der einen und zum Kult „um die Attraktivität der eigenen Person“ (ÖdA, 11) auf der anderen Seite. Letzterer dient dazu, genügend Zuwendung und Beachtung von Anderen zu erlangen. Von dieser Hypothese ausgehend behauptet Franck, dass Eitelkeit und gesellschaftlicher Ehrgeiz stärker ins Zentrum der Lebensinhalte rücken, je reicher und offener eine Gesellschaft ist. Die kreist damit um ein Thema, das wahrscheinlich so alt ist wie die menschliche Gesellschaft selbst: die Betrachtung der Gesellschaft als Jahrmarkt der Eitelkeiten.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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