39,99 €
Fachbuch aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Theologie - Praktische Theologie, , Sprache: Deutsch, Abstract: Leid ist sowohl eine individuelle Erfahrung des Einzelnen als auch ein kollektives Erlebnis der Gemeinde. Nicht selten entsteht das Leid in oder sogar durch die Gemeinde selbst. Die Ursachen für das individuelle und kollektive Leid sind vielseitig und nicht immer ergründbar. Das Buch macht deutlich, dass Leid ein ständiger Begleiter des Einzelnen und der Gemeinde, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, war. Es zeigt auch auf, dass es eine unübersehbare Realität jedes Christen und jeder christlichen Gemeinde der Gegenwart ist, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Daher können wir uns der Beschäftigung mit diesem Thema nicht entziehen. Das vorliegende Buch ist hierfür ein hilfreicher und wertvoller Begleiter. Das Buch listet zahlreiche Zeugen des Leids als Vorbilder im Umgang mit Leid auf. Gleichzeitig spricht der Autor aus eigener Erfahrung. Das Buch beleuchtet das Leiden der Gemeinde aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In den Kapiteln 2 und 3 problematisiert es das Phänomen in der Gemeinde und versucht mögliche Ursachen aufzudecken. Die Kapitel 5 - 7 zeigen, dass Gott uns bei allen Schwierigkeiten nicht allein gelassen hat, sondern an und mit der Gemeinde arbeitet. Er hat ihr den Heiligen Geist, den Tröster, gegeben, so dass sie nicht ohne Beistand und Hilfe sei. Er sucht geistliche Leiter, die sich senden und gebrauchen (Kapitel 8, 9) lassen. Dass aber die Angriffe immer häufiger innerhalb der Gemeinde (Kapitel 10) zu finden sind, macht die besondere Dramatik aus. Breiten Raum nimmt deshalb die Auseinandersetzung mit dem Teuflischen und Dämonischen ein (Kapitel 11, 14 und 15), weil der besiegte Feind sich aufmacht, sich gegen das Kommen Christi aufzulehnen. Hier möchte der Autor aufzeigen, wie dieser das Ziel Gottes mit der Gemeinde zu zerstören trachtet. Mit dem Begriff der »Emergenz« und der Einordnung in heilsgeschichtliche Zusammenhänge (vgl. Kapitel 16) möchte er die Sinnhaftigkeit des Leidens für die Gemeinde und den Einzelnen herausstellen. Leiden wirkt Herrlichkeit. Dass aber Gottes Liebe nicht nur aus Schwachheit (Kapitel 17) herausführt, sondern auch der Gemeinde Richtung in bezug auf ihre Berufung gibt, zeigen die Kapitel 18-19. Wir sollen Brückenbauer (Kapitel 20) werden für das Evangelium Christi und als Überwinder (Kapitel 21, 22) anderen dienen. Gott will, dass Seine Gemeinde heilig, rein, herrlich sei – ohne Flecken und Runzeln, wenn Er wiederkommt. Die Gemeinde darauf vorzubereiten, ist das besondere Anliegen des Buches.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Page 3
H. Karl KopanitsakAufs Überwinden kommt es an
Page 4
Page 5
Page 6
©2011 Alle Rechte vorbehalten.
Der Inhalt des Buches einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Rücksprache des Autors (H. Karl Kopanitsak). Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.Foto:H.K. Kopanitsak
Page 8
Page 9
Geleitwort
Das Thema, mit dem sich der Autor in diesem Buch beschäftigt, ist immer wieder von vielen Autoren der Vergangenheit und der Gegenwart ausführlich behandelt worden. Es wirft sich daher die Frage auf: Noch ein Buch zum Thema »Leid«? Ist das nötig? Ja, ist meine spontane Antwort. Und warum ist das so?Erstens,weil dieses Thema nie völlig ausgeschöpft werden kann.Zweitens,weil diese Ausarbeitung eine Betrachtungsweise des Themas darstellt, dieeinzigartigist. Das liegt am Autor selbst und an der Art und Weise, wie er dieses Thema behandelt. Auch wenn der Autor im Verlaufe seiner Gedankenentwicklung auf andere Quellen verweist, ist diese Arbeit eine sehr selbständige und kreative Abhandlung des Themas.
Leid ist laut dem Autor sowohl eineindividuelle Erfahrungdes Einzelnen als auch einkollektives Erlebnisder Gemeinde. Nicht selten entsteht das Leid in oder sogar durch die Gemeinde selbst. Die Ursachen für das individuelle und kollektive Leid sind vielseitig und nicht immer ergründbar, auch wenn der Au-tor in den Schriften des Alten und Neuen Testaments fündig wird. Ähnlich verhält es sich mit der Frage nach dem Sinn des Leids, um die der Autor auch bemüht ist.Er stellt fest, dass Leid einen Sinn macht, auch wenn wir ihn nicht sofort erkennen und verstehen können.Es bringt uns näher zu Gott, lässt uns wachsen und verwandelt uns mehr in das Ebenbild Jesu Christi, dessen Leben auch von Leid gekennzeichnet war und seinen Höhepunkt am Kreuz von Golgatha fand. Neben Jesus Christus erwähnt der Autor viele andere Personen der Bibel als Zeugen des Leids und als Vorbilder vom Umgang mit Leid.
Es entgeht dem Leser nicht, dass der Autor dieses Thema nicht vom grünen Tisch aus behandelt. Die praktischen Anwendungen lassen erkennen, dass der Autor sehr genau weiß, wie sich individuelles und kooperatives Leid anfühlt und was es im Leben des Einzelnen und der Gemeinde bewirkt. Dieser Aspekt des Buches macht es authentisch und glaubwürdig. Das Buch ist daher keine theoretisch-theologische Reflexion des Themas, sondern eine praktische Betrachtungsweise von Leid im Lichte der biblischen Befunde.
Das Buch macht sehr deutlich, dass Leid ein ständiger Begleiter des Einzelnen und der Gemeinde, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, war. Es zeigt auch auf, dass es eine unübersehbare Realität jedes Christen und jeder christlichen Gemeinde der Gegenwart ist, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Daher können wir uns der Beschäftigung mit diesem Thema nicht entziehen. Das vorliegende Buch ist hierfür ein hilfreicher und wertvoller Begleiter. Es ist mein Wunsch und Gebet, dass dieses Buch für viele zum Segen wird.
Dr. theol. Heinrich Löwen, Theologe, Autor und Trainer
Page 10
Page 11
Vorwort
Leiden zum Thema eines Buches zu machen, erscheint vordergründig etwas gewagt. Aber es ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Gerade als Christen sind wir mit dem Leiden Jesu Christi konfrontiert. Es berührt jeden von uns, ob wir es wollen oder nicht. Lieber möchten wir wie ein Petrus davon Abstand nehmen, als uns damit ernsthaft auseinandersetzen. Vor allem mit demeigenenLeid, das auch uns in einer Dimension erreicht, wie wir es uns nicht vorzustellen vermochten. So alltäglich das persönliche Leiden und das Leiden in bzw. an der Gemeinde auch sein mögen, es wird vielfach verdrängt. Es soll uns nicht angreifen, nicht in Nöte stürzen und schon gar nicht überwältigen. Dabei bringen wir das Leid der anderen, wie die Geschichte um Hiob zeigt, allzu schnell mit Sünde in Verbindung. Vom eigenen Leid wollen wir dagegen so schnell wie möglich fortkommen. Wir sind da durchaus kreativ. Der Markt an Lösungen verschiedenster Art ist auch schon unüberschaubar; selbst in christlichen Kreisen. Jede Denkschule oder Denkrichtung hat, wie damals auf dem Areopag zu Zeiten eines Paulus, Hochkonjunktur. Nur dass der Versammlungsplatz heute nicht mehr Athen heißt, sondern Internet, das uns den ungefilterten Zugang zur Fülle an Wissen öffnet. Wissen ist heute so für jedermann zum Machtfaktor geworden. Gab es früher den Weisen, so dünkt sich heute jeder weise. Paulus predigte aber schon damals den Athenern den unbekannten Gott.
Wie wenig denken wir darüber nach, welche Auswirkungen scheinbares Wissen mit sich bringt. Weise ist allein Gott. Bei Ihm ist die Quelle der Weisheit. Undnurbei Ihm. Schon das Buch Hiob wusste: »Erfängt die Weisen in ihrer Klugheit«(Hiob 5,13). Die Welt aber suggeriert uns eine Wirklichkeit ohne Ohnmacht; ein Leben, aus dem wir selbst mittels unseres Wissens aussteigen könnten. Und doch: Je mehr wir zu wissen glauben, desto weniger wissen wir tatsächlich. Weltliches Wissen wird so mehr zu einem Surrogat, das unserer Hilflosigkeit und Abhängigkeit abhelfen soll. Der Glaube an einen Lebendigen Gott ist längst obsolet geworden. Auch in christlichen Kreisen zimmert man sich erneut einen Gott, den die Schrift so gar nicht kennt. Dasgoldene Kalb des Wissensfindet immer mehr Zugang auch in unsere Gemeinden und Herzen.
Die Gemeinde ist auf dieseAngriffe von innenwenig vorbereitet. Jahrhunderte lang stand der Feind mehr außen vor. Die böse Welt auf der einen Seite; die Gemeinde auf der anderen Seite. Dass heuteinder Gemeinde selbst mehr und mehr Konflikte auf- und ausbrechen, zeigt diese Dimension des Teuflischen deutlich. Wie reagiert sie darauf? Darauf möchte das vorliegende Buch Ant-worten geben. Es ist im Kontext eines ersten Buches mit dem Titel »Konflikt-
Page 12
lösung in Gemeinden. Betrachtungen aus systemischer Sicht«,2011, grin-Verlag, ISBN 978-3-640-93406-5, entstanden und war ursprünglich als Teil dieses Buches gedacht. Die Bedeutsamkeit der Aussagen und die Fülle an geistlichen Inhalten haben aber ein eigenständiges Buch erforderlich gemacht. Es ist keine Ergänzung zum ersten Buch, wohl aber eineGrundlage,was den Umgang mit Konflikten in der Gemeinde angeht. Hier beschäftigen wir uns weniger mit den institutionellen Rahmenbedingungen der Gemeinde, als viel mehr mit den mentalen Ursachen ihrer Konflikte.
Wo liegen für uns als gläubige Christen die Quellen unseres Heils? In unseremGlauben- oder in unseremWissen?In unserem WissenüberJesus - oder in unsererBeziehung zu Ihm?Das vorliegende Buch will uns erneut zu Jesu Füße führen. Es will uns klar machen, dass wir uns nicht selbst helfen können, sondern dass wir einen Helfer nötig haben. Es beschreibt die Extremsituation eines einzelnen Menschen und die der Gemeinde. Im Leid entdecken sie ihren Schöpfer und Heiland. Auch wieder neu. Dass wir das Problem des Leidens also nicht lösen können, gereicht uns aber zum Segen. Wir legen nicht selbst Hand an. Aber der HERR selbst legt Maß an uns. Aus der Tiefe schreien wir zu Ihm; aus der Tiefe vertrauen wir - nicht auf menschliche Weisheit, sondern auf Den, der die Welt überwunden hat. Es ist das Werk des Heiligen Geistes, das unseren Blick auf Jesus lenkt und von uns weg. Es braucht Mut,im Glaubenzu überwinden.
H. Karl Kopanitsak,
im Juni 2011
Page 13
Vier Fragen gibt der Apostel Paulus - nach derHoffnung für Alle- den Philippern mit auf den Weg. In Phil 2,1 heißt es: »Helftund ermutigt ihr euch als Christen gegenseitig? Seid ihr zu liebevollem Trost bereit? Spürt man bei euch etwas von der Gemeinschaft, die der Heilige Geist schafft? Verbindet euch herzliche und mitfühlende Liebe«?Gewiss war der Apostel selbst durch einen langen Prozess der Erziehung gegangen, so dass er durch den Heiligen Geist inspiriert solche Worte für die Gemeinde finden konnte. Der Brief an die Philipper gilt vielen zweifelsfrei als der letzte vonsiebenGemeindebriefen, die Paulus geschrieben hat. Er ist zeitlich eingebunden in den Philemon-Brief und den späteren, auch persönlichen Briefen an Timotheus und Titus. So ist der Brief an die Philipper in das persönliche Verhältnis zu Einzelnen eingerahmt.
Es ist nicht zufällig, dass Paulus an sieben Gemeinden schreibt (vgl. dazu auch die sieben Sendschreiben an die Gemeinden in der Offenbarung). Immerhin gilt die Zahl sieben alsSymbolik der Vollendung.Selbst Gott ruhte am siebten Tag von Seinen Werken (1. Mo 2,2). Ganz unterschiedlich sind die Briefe und ihre Thematik; man spürt ihnen die Individualität der jeweiligen Gemeinde ab. So macht Paulus im Philipper-Brief dieGemeindeund dieGlaubensgemeinschaftzum Mittelpunkt seines Anliegens. Es geht ihm, wie LANGENBERG in seinem Kommentar feststellt, um die »Nach-oben-Berufung Gottes« in Christus Jesus. Er meint damit diese Synthese zwischen Himmel und Erde und die himmlische Berufung, wie sie sich hier auf Erden auswirkt. Leid und Gefangenschaft waren für Paulus keine bloß abstrakten Begriffe. Er kannte sie aus persönlicher Erfahrung. In seinen ebenfallssiebenGefangenenbriefen macht er deutlich, dass es gerade diese Notlagen und Kämpfe sind, die die Verbreitung des Evangeliums Christi besonders förderten. Ihn verband besondere Herzlichkeit mit der Gemeinde in Philippi. Nicht nur weil sie die erste Gemeinde auf europäischem Boden war, sondern weil Leiden und gemeinsamer Kampf ein enges Band zwischen ihnen knüpften (Phil 1,30). »DerKampf, den Paulus zu bestehen hatte«,schlussfolgert LANGENBERG, »warnicht so sehr das äußere Leiden um Christi willen, sondern der innere Wettkampf für Christus«.Damit umschreibt er exakt die Anliegen des Agilen Gemeindebaus, den wir mit dieser Schrift fortsetzen wollen. Das Werden des Paulus auf dem Zerbruchsweg und das Werden der Gemeinden werden wir damit besser verstehen lernen. Auf diesem Weg folgten ihm die Philipper; und wir selbst dürfen ihm auf diesem Weg ebenfalls folgen. Wir verstehen das Leiden Christi gerade imeigenenHören und Sehen - mehr noch als durch eine übernatürliche Offenbarung oder durch altkluge Worte. Nicht zuletzt ist dieser Zerbruchsweg Gottes Mittel, uns Seine ganze Gnadenherrlichkeit zu offenbaren. Wir
Page 14
sind Ihm nirgendwo näher als im eigenen Leiden, das wir mit Seiner Hilfe überwinden. Es schafft eininneres Wachsen,das zur Gleichheit und Einheit mit Ihm und miteinander führt. Das ist das eigentliche Geheimnis dieses Weges. Die vorliegende Schrift will aber keine Auslegung des Philipper-Briefes sein; aber sie ist der Versuch, eine Hilfe zum Verständnis des Zerbruchsweges zu geben, auf den Gott uns und die Gemeinde stellt. Nicht umsonst steht die Freude am HERRN als Grundtenor des Briefes so zentral im Mittelpunkt. Trotz all des Leides. Gnade kann mich zwar aus der Welt und zu Gott rufen. Aber wie bleibe ich noch Jahrzehnte danach bei Gott? Gnade begegnet mir in Christus Jesus. Aber wie nah bin ich wirklich an Ihm? Erkennt man in uns etwas von dem Wesen Jesu? Wir sind - als Gemeinde - Herausgerufene, also Heilige. Aber leben wir auch ein heiliges Leben? Leben wir so, dass es Ausstrahlung für andere hat?
Der Feind unserer Seele will nicht, dass wir die Herrlichkeit Christi nach außen tragen. Es ist ihm ein Dorn im Auge, wenn Menschen seinem Machtbereich entrissen werden. Ähnlich ist es mit der Heiligung, die Christi Krone und Herrlichkeit ist. Wie gelingt es aber mir und der Gemeinde, in diese Dimension des göttlichen Segens hineinzukommen? Tagtäglich sind wir angefochten - von außen, aber zunehmend auch von innen, aus der Gemeinde selbst. Die Liebe untereinander bleibt auf der Strecke. Fast hat man schon den Eindruck, aus der Not der Weltlichkeit herausgerufen worden zu sein, um dann in der Not der Gemeinde zu enden. Unter anderen Vorzeichen. Woher kommt dieser Eindruck? Und warum ist die Gemeinde nur mehr zu einem schwachen Zeugnis in der Welt fähig?
Auf der anderen Seite dürfen wir Gottes Wege mit uns und Seiner Gemeinde nicht verkennen. In der Schrift erfahren wir von den Wegen einzelner Personen; von deren Nöten, Schwierigkeiten, Konflikten und Kämpfen. Bis hin zum Zerrbruch also. Und durchweg spüren wir, dass ein inneres Wachstum stattfindet. Ob Abraham, Mose, Jakob, Hiob, Petrus, Paulus. Alle gehen durch Schwierigkeiten; aber sie gehen auch siegreich hervor. Sie hatten das, was man heute vielleicht mit dem Begriff »Resilienz« umschreiben würde. Also die Fähigkeit, trotz widriger Umstände zu wachsen und aus Krisen gestärkt her-vorzugehen. Sie verstanden es weiterzugehen statt liegenzubleiben. Der Apostel Paulus beschreibt in diesem Sinne sein eigenes Werden immer wieder im Kontext des Werdens der Gemeinden, die er gründete oder betreute. Er nimmt uns mit hinein in seine Glaubenskämpfe und lässt uns teilhaben an seinem Werden und den von Gottes Geist gewirkten geistlichen Erkenntnissen. Nirgendwo sonst kam er seinem HERRN näher als gerade in solchen Zeiten. Seine Schwachheit war kein Hindernis; Gottes Kraft kam in ihr zur Vollendung. Wir müssen also nicht meinen, dass es Gottes Herr-
Page 15
lichkeit zum Nulltarif gibt. Vielmehr eröffnet sich in unserem eigenen Leiden das Verständnis für die Größe und das Kreuz Christi. Wir werden mithineingenommen in die Gemeinschaft Seiner Leiden (Phil 3,10; 2. Tim 2,3; 1.Petr 4,13), aber auch in die Herrlichkeit des Lichtes Christi. Das muss die Gemeinde lernen, wenn sie unterwegs zu Ihrem HERRN ist und Er wiederkommt, um sie zu sich zu holen.
Der Gott, den wir suchten, begegnete uns heilbringend am Kreuz von Golgatha, im Leid und im Tod. Nicht der verklärte Christus kam, um uns zu erlösen, sondern das Lamm Gottes, das die Sünden der ganzen Welt trug. So sind wir im Leid mit Ihm verbunden, aber auch mit Ihm verherrlicht (Röm 8,17). Die Tiefen Gottes erforschen wir nicht so sehr in der Schrift, sondern im täglichen Alltag, der uns so viele Mühen abverlangt. Sie formen uns und schaffen in uns ein über alle Maßen gewichtiges Werk, die Enthüllung des Wesens und des Charakters Christi. Solche Wege sind uns aber fremd, unbekannt, manchmal sogar unbequem. Wir stoßen uns daran, weil sie nicht in unser Denken und unsere Vorstellung passen. Wenn in Christus alle Schätze der Weisheit verborgen liegen (Kol 2,3) und wenn ich um ChristusimBruder weiß, dann werde ich doch alles unterlassen, um ihm mit klugen und weisen Sprüchen zu kommen und ihm die Würde als Mensch und seine Freiheit in Christus abzusprechen und zu rauben.
Dass wir zu dieser Dimension des Denkens überhaupt kommen müssen, macht die ganze Tragweite des Leidens deutlich. Es formt uns nicht nur; es brennt auch alles weg, was dem Wesen und Charakter Christi fremd ist. In Markus 9,49 sagt daher der HERR Jesus: »Dennjeder muss mit Feuer gesalzen werden, wie jedes Opfer mit Salz gesalzen wird«.Er selbst wird uns »mitHeiligem Geist und Feuer taufen«(Mt 3,11). Und in Lk 12,49-50 verheißt Er uns: »Ichbin gekommen Feuer auf die Erde zu bringen, und wie wünschte ich, es wäre schon entzündet. Aber ich muss mich taufen lassen mit einer Taufe, und wie drängt es mich [andereÜbersetzung.:wie bin ich bedrängt], bis sie vollbracht ist«.Diese Taufe erlebt heute auch die Gemeinde. Sie ist angegriffen; sie ist bedrängt; sie leidet. Aber das ist nicht ihr eigentlicher Zustand. Denn Feuer reinigt; es brennt nicht nur nieder. Genau so verwirklicht Gott Seine Gedanken, Pläne und Ziele mit uns und mit Seiner Gemeinde.
Im Leiden und im Tod Jesu wird uns Gottes Liebe am sichtbarsten. Mehr noch als in all Seinen Worten, Werken, Wundern, Machtdemonstrationen oder Kraftwirkungen. Dass der Tod Jesu also Gottes Liebe demonstriert, ist die gewaltigste Aussage, die wir kennen. Er ist einehistorische Tat- für alle Zeit und Ewigkeit, die über aller Erkenntnis steht. Wir können über geistliche Erkenntnisse streiten; aber diese Tat können wir nicht leugnen. Wir glauben -oder glauben nicht. Danach entscheidet sich unsere Wirklichkeit.
Page 16
Das Buch beleuchtet das Leiden der Gemeinde aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In den Kapiteln 2 und 3 problematisiert es dasPhänomenin der Gemeinde und versucht mögliche Ursachen aufzudecken. Die Kapitel 5 - 7 zeigen, dass Gott uns bei allen Schwierigkeiten nicht allein gelassen hat, sondernanundmitder Gemeinde arbeitet. Er hat ihr denHeiligen Geist,den Tröster, gegeben, so dass sie nicht ohne Beistand und Hilfe sei. Er sucht geistlicheLeiter,die sich senden und gebrauchen (Kapitel 8, 9) lassen. Dass aber die Angriffe immer häufiger innerhalb der Gemeinde (Kapitel 10) zu finden sind, macht die besondere Dramatik aus.
Breiten Raum nimmt deshalb die Auseinandersetzung mit demTeuflischenundDämonischenein (Kapitel 11, 14 und 15), weil der besiegte Feind sich aufmacht, sich gegen das Kommen Christi aufzulehnen. Hier möchten wir aufzeigen, wie dieser das Ziel Gottes mit der Gemeinde zu zerstören trachtet. Mit dem Begriff der »Emergenz« und der Einordnung in heilsgeschichtliche Zusammenhänge (vgl. Kapitel 16) möchten wir die Sinnhaftigkeit des Leidens für die Gemeinde und den Einzelnen herausstellen. Leiden wirkt Herrlichkeit. Dass aber Gottes Liebe nicht nur aus Schwachheit (Kapitel 17) herausführt, sondern auch der Gemeinde Richtung in bezug auf ihreBerufunggibt, zeigen die Kapitel 18-19. Wir sollenBrückenbauer(Kapitel 20) werden für das Evangelium Christi und alsÜberwinder(Kapitel 21, 22) anderen dienen. Gott will, dass Seine Gemeinde heilig, rein, herrlich sei - ohne Flecken und Runzeln, wenn Er wiederkommt. Die Gemeinde darauf vorzubereiten, ist das besondere Anliegen des Buches.
Gott muss Absichten mit uns haben, wenn Er die Wüste, den Sturm, die Wellen und all das Leid zulässt. Er hat sie dem Volk Israel nicht erspart und hätte es direkt durch die Wüste ins Verheißene Land führen können. Aber er »ließsie einen Umweg machen, den Wüstenweg zum Schilfmeer«(2. Mo 13,17-18). Offensichtlich führt uns Gott in Situationen, in denen wir lernen, Vertrauen zu wagen, zu lernen und zu üben. Es ist meine feste Überzeugung und tiefe Gewissheit, dass Einer, nämlich Jesus, da ist, der die Not sieht, kennt und bereit ist zu helfen (vgl. Jes 41, 18-20; 43,18-19). »DerHöchste hat Macht«,schreibt LAMPERTER, »dasBestehende völlig umzukehren. Weil ihm diese Allmacht zu Gebote steht, darum gibt es keine Gewalt der Natur, keine Ungunst der Verhältnisse, keinen Widerstand menschlicher oder übermenschlicher Mächte, die ihn daran hindern können, an denen, die seine Hilfe begehren, Wunder der Rettung zu vollbringen«.1
1H. Lamperter, zitiert nach Zeit mit Gott, Diakonissen Mutterhaus, 2/2011, S. 56
Page 17
In der Begrüßung zu einem „etwas ganz anderen Gottesdienst“ hieß es vor einigen Jahren: »Ichfrage dich, Gott: Wo warst du im September letzten Jahres, als fünf junge Menschen, meine Enkelin und ihr Mann mit ihren Freunden, fröhlich von einer Feier kamen? Wo innerhalb von Sekunden zwei kleine Kinder keine Eltern mehr hatten und zwei ihre geliebte Mutti verloren«?Eine Anklage an Gott? Oder doch nur - eine Klage vor Gott?
Was lösen solche Worte ins uns aus? Wie eindringlich sind diese Bilder? Wir kennen Gott als liebenden, gütlichen Vater. Er ist der Gott, der aus Liebe zur Welt (Joh 3,16) Seinen Sohn, Jesus, zu uns sandte. Aber warum lässt Er auch Not, Kummer und Leid - ja sogar Tod - zu? Warum versteht Hiob bis zum Schluss immer noch nichts vom »Warum« seines Leidens? In Psalm 130,1 lesen wir, wie einer tiefstes Leid erfahren hat: »Ausder Tiefe rufe ich, HERR, zu dir«.So bringen auch wir oft vor Gott, was uns auf der Seele brennt. Doch in dem erwähnten Psalm, wird uns in Vers 4 auch schon eine zweifache Botschaft geschenkt: 1.)Bei Dir ist Vergebung!2.)Damit man Dich fürchte!Die erste Aussage ist eine klareVerheißung,die zweite schon eher eineWarnung.Gottvergibtuns nicht die Sünde, damit wir fröhlich weiter sündigen; wir sollen vielmehr Ehrfurcht vor Ihm bekommen und die Sünde - endgültiglassen! Denn sie ist »Feindschaftgegen Gott«(Röm 8,7; vgl. auch Jak 4,4). Aber wie oft kommen wir uns hilflos angesichts des Leids vor. DempersönlichenLeid, aber auch dem Leidanderer.Es scheint so, dass Leid und Schmerz irgendwie zum Leben dazu gehören… und die Menschen überfallen ohne jede Schuld. Unsere Versuche, dem Leid irgendeinen Sinn abzugewinnen, dürften aber wenig erfolgreich sein. Wir erfahren Leiden alsStrafe Gottes,die man nicht abwenden darf. Ein anderes Mal alsZüchtigung Gottes,bei der man still halten muss. Ist es das, was uns Zufriedenheit gibt? Was uns tröstet? Was uns mit einem Gott, den wir nicht immer gleich verstehen, ins Reine bringt? Kann Gott uns überhaupt darauf eine Antwort geben? Und vor allem: Hat Er sie uns nicht schon längst gegeben? Gleichwohl herrscht bei manch einem die Vorstellung, Gott sei nur für das Gute zuständig; für das Leid sei der Teufel,Satan,verantwortlich. Aber auch das überzeugt uns nicht wirklich, wenn wir uns die Allmacht Gottes wirklich vor Augen führen. Manch anderer meint sogar, Gott habe mit der Schöpfung des Menschen seine eigene Macht sozusagenfreiwilligbeschränkt. Und da ist es nicht verwunderlich, dass Leid und Tod in die Welt eingebrochen sind. Weder die Vorstellung, in der Ewigkeit würdenalle Tränen abgewischt(Off 21,4), tröstetalleMenschen; noch kann sichjederauf seinen schwachen oder starken
Page 18
Glauben berufen. Gott ist zwar in den Schwachen mächtig; aber wie lange dauert die Schwachheit?
Von dem Schriftsteller und Spötter Oskar Wilde stammt die bemerkenswerte Erkenntnis: »WoLeid ist, da ist geweihte Erde. Eines Tages wird die Menschheit begreifen, was das heißt. Vorher weiß sie nichts vom Leben«.Offensichtlich gehören Leben und Leid zusammen - wie siamesische Zwillinge. Man könnte meinen: Ohne Leid - kein Leben. Gerade deshalb hat Jesusfür unsgelitten und hatein-für-allemal - die Lösung des Leidens und des Todes gegeben: in Seinem eigenen Sterben am Kreuz. Für unser aller Sünde. Im Leid begegnen wir daher dem Gekreuzigten, im Tod werden wir Ihm gleichgestaltet. So meint es auch Paulus: »Ihnmöchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden«(Phil 3,10; THOMPSONÜbs.).
Paulus spricht hier von einer »vierfachen« Quelle: Jesus selbst, Kraft der Auferstehung, Gemeinschaft der Leiden, Tod - und er bezieht sie jeweils auf den Erretter und Erlöser. In Epheser 1,18-21 schreibt Paulus ebenfalls von dieser gewaltigen Kraftentfaltung Gottes in Christus. Er führt aus: »Under gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben,weildie Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat. Durch sie hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen«.In der Philipper-Stelle spricht Paulus von »Auferstehung«; hier von »Auferweckung«.
DieKraft der AuferstehungJesu werden wir jedoch auf Erden nicht in der ganzen Fülle erfahren, erst wenn wir gleichgeworden sind in seinem Tod (vgl. Röm 6,5). Trotzdem wirkt sie schon jetzt in uns, da unser alter Mensch mit Ihm gekreuzigt (6,6) ist. Das Erkennen dieser Auferstehungskraft korrespondiert mit dem Erkennen der Gemeinschaft Seiner Leiden. Gemeint ist damit der Weg des Zerrbruchs unseres Egos, der schon hier zum Erleben der vollen Freude führt.
Gibt es das aber? Völlige Freude - trotz Schmerz und Leid? Manerkenntmit dem Herzen, manfühltmit dem Herzen und manliebtmit dem Herzen. Nur so können wir Gottes Herz schauen und uns in Seine Ziele und Pläne hineinnehmen lassen. Jesu Leid und Tod brachte daherfür unsdie größte Freude - die Freude des ewigen Lebens. Wir erkennen, dass es auf Erden keinerlei Spielraum gibt; wohl aber eine Wahlmöglichkeit. Denn allein im Mann von Golgatha liegen das Heil und die persönliche Errettung. Darum: Wo Leid ist, da geschieht etwas, vielleicht sogar Entscheidendes zwischen
Page 19
Gott und den Menschen. Wo Leid ist, da bleiben wir nicht, wie wir waren. Da kommen wir vielleicht in eine neue Beziehung zu Ihm. Und auf die Gemeinde übertragen: Da kommen wirauchin Beziehung zueinander und lernen den anderen achten, schätzen und lieben.
Manche sagen deshalb:Gott leidet mit.In Seiner Gemeinde, in Seinem Geschöpf. Er ist nicht einfach nur teilnahmslos. Er will auch uns zum Mitleiden bewegen, damit wir andere trösten und anderen helfen können. Jesu Tod am Kreuz war somit nicht nur eineweltgeschichtlicheTatsache (Zeitrechnung), sondern mehr noch eineheilsgeschichtliche.Die Entscheidung, die wir hier auf Erden treffen -fürodergegenJesus, bestimmt die Qualität der Ewigkeit (Joh 3,36).
Gemeinschaft Seiner Leiden ist aber nicht zu verwechseln mit dem Leiden um Christi willen. Gleichwohl erlebte Paulus beides. LANGENBERG führt dazu aus: Ersteres »istGegenstand des Erkennens. Gemeinschaft (koinonia) ist Streben um ein Gemeinsames (koinon)«.2Im Hohepriesterlichen Gebet (Joh 17) betet Jesus um diese Einheit Seiner Gemeinde. Wie bedroht die soziale Ausprägung, die einzelne bzw. lokale Gemeinde ist, darauf sind wir bereits in einem früheren Buch eingegangen.3Deutlich wurde in diesem Zusammenhang, dass es Menschen gibt, die die Gemeinschaft der Leiden Jesu teilen, wohingegen andere eher um Seines Namens willen leiden. Und vermutlich trifft dies auch auf die ganze Gemeinde zu. Dass dabei Sünde mit im Spiel ist, sollte klar sein. Es muss aber nicht eigene Sünde sein, wenn wir leiden bzw. leiden müssen. Vielleicht leiden wir - mangels offensichtlicher Verfolgung - in Deutschland nicht so sehr um des Namens Jesu willen; aber wir können Leid in den Gemeinden ausmachen. Nicht nur persönliches Leid. Es gibt auch Leiden, das durch die Gemeinden hindurchgeht und vielleicht selbst verursacht ist, wobei die kausale Ursache individuell hinterfragbar ist (vgl. spätere Kapitel zuTeufel, Dämonen, WölfeundMietlinge).Dennoch ist die Unterscheidung zwischen »GemeinschaftSeiner Leiden«und »Leidenum Christi willen«sehr bedeutsam. Wir vermuten, dass ersteres Seine Gemeinde eher bewahrt, während letzteres diese eher aufbaut.
Von daher ist Epheser 4,11 auchanderszu lesen, als manche das vielleicht bislang getan haben.Propheten(2. Stelle) haben - im Neuen Testament und nach meinem Verständnis - mehr eine seelsorgerliche Berufung in Bezug auf die Bewahrung der Einheit der Gemeinde;Evangelistenstehen eher für den Aufbau der Gemeinde - durch Bekehrung und Wiedergeburt von Einzelnen. Ist es hier mehr diepersonaleFunktion, so zielt das Amt des neutestamentlichen Propheten - aber fern von heilsgeschichtlicher Prophetie - eher
2Heinrich Langenberg, Der Philipperbrief, 1965, S. 62
3H. Karl Kopanitsak, Konfliktlösung in Gemeinden. Betrachtungen aus systemischer Sicht, 2011