Konfliktlösung in Gemeinden - Hugo Kopanitsak - E-Book

Konfliktlösung in Gemeinden E-Book

Hugo Kopanitsak

0,0
39,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Fachbuch aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Theologie - Sonstiges, , Veranstaltung: Organisationsentwicklung, Kirche und Gemeinde, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Buch beleuchtet Gemeinde Jesu und die Konflikte in Gemeinden aus systemischer Sicht. Es ist biblisch orientiert und biblisch ausgerichtet und darf von daher auch als eine Art Nachschlagewerk zu verschiedenen gemeindlichen Themen verstanden werden. Der Hauptfokus ist die Analyse von Konflikten, Kämpfen und Spaltungen in christlichen Gemeinden. Es schlägt Wege und Instrumente zur Bewältigung dieser Konflikte vor. Dabei wählt es kommunikative Ansätze aus der OE Organisationsentwicklung. Thema ist die Frage, wie die Einheit der Gemeinde bewahrt werden kann. Die Kapitel 02 bis 06 beleuchten Gemeinde stärker in ihrem prozessartigen Werden und gehen der Frage nach, welche äußeren Einflüsse auf die Gemeinde einwirken. Die Kapitel 07 bis 15 beschäftigen sich mehr mit den wichtigen Begriffen des inneren Gemeindebaus: Gemeinde verstehen, Herz Gottes, gebunden im Geist leben, Gerechtigkeit, Grenze und Freiheit, Vision und Auftrag einer versöhnten Gemeinde, Weisheit Gottes. Kapitel 16 will ganz konkrete und praktische Hilfen zur Hand geben; hier geht es um einen gemeinsamen Prozess der Gestaltung von Gemeinde. In den Kapitel 17, 18 und 19 geht es um Hören – Kampf – Glauben, also um die Motivation für den Gemeindebau. Kapitel 21 zeigt die Verantwortung auf, in der jeder Christ steht. Das Buch gibt Ansätze zu einem Agilen Gemeindebau und zeigt auf, wie wir Gemeinde in schwierigen Zeiten entwickeln, bewahren und stärken können. Es geht um das Erkennen geistlicher Erneuerungsprozesse und um die Frage, wie Gefahren, Fehlentwicklungen, krisenhafte Verläufe und ähnliches in der Gemeinde entdeckt und behoben werden können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
H. Karl Kopanitsak, Konfliktlösung in Gemeinden. Betrachtungen aus systemischer Sicht,
01 Einleitung
02 Warum überhaupt Gemeindebau?
03 Was wir von der Systemtheorie lernen können
04 Exkurs: Sekundäre Systeme und ihre Relevanz
05 Gemeindebau in der Vergangenheit
06 Die Qualität der Gemeinde
07 Gemeindesituationen verstehen lernen
08 Nach dem Herzen Gottes fragen
09 Agiler Gemeindebau und die Einheit der Gemeinde
10 Gebunden im Geist vorwärtsgehen
11 Die Enthüllung der Gerechtigkeit Gottes
12 Echter Dialog: Zwischen Grenze und Freiheit
14 Vision und Auftrag
15 Weisheit im Gemeindebau ist notwendig
16 Praktische Hilfen und Lösungsmöglichkeiten
17 Die hörende Gemeinde
18 Neu zur Ordnung der Gemeinde zurückkehren
19 Unser Kampf und die Bewahrung des Glaubens
20 Radikaler Umbau - ein Kraftakt der Gemeinde
21 Schlussbemerkung: Verantwortung und Gnade
Wortlaut der sechs Barmer Thesen (1934)
Berliner Erklärung von 1909

Page 2

Page 3

Page 4

Alle Rechte vorbehalten.

Der Inhalt des Buches einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Rücksprache des Autors (H. Karl Kopanitsak). Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

Page 7

Vorwort

»Aber der Herr ist der Geist.

Wo aber der Geist des Herrn ist, dort ist Freiheit«.2. Korinther 3, 17

Die Gedanken des vorliegenden Buches sind aus einem langjährigen Prozess des Verstehens und des eigenen Werdens entstanden. DaseineWort, das den Ausführungen zu Grunde liegt, heißt:Einheit.Die Frage, die ich mir nach jahrzehntelangen persönlichen und auch gemeindlichen Kämpfen immer wieder gestellt habe, ist diese: Wie kann die von Gott geschenkte Einheit Seines Leibesbewahrtbleiben?

Zweifelsohne ist die Gemeinde Jesu Christi durch die vielen Jahrhunderte der Konflikte, Kämpfe und Spaltungen zu einem nur mehrschwachenLeibatrophiert.Aus eigener Schuld. Wohlgemerkt. Nicht Gott hat das bewirkt, sondern der Mensch selbst in seiner Auseinandersetzung mit dem Bruder und der Schwester. In seinem Egoismus, in seiner Selbstzentriertheit, in seiner Ablehnung des anderen hat er sich eigene Wege gesucht, Gemeinde zu verstehen und zu bauen. Auf Kosten der Einheit der Gemeinde. Inzwischen ist allerdings die Vielfalt des Leibes schon unübersichtlich geworden. Vielfalt ist aberan sichnicht das Problem; sie wird nur zum Problem, wenn einzelne sich von anderen bewusst absetzen, abschotten und andere der Nähe einesGeistes von untenbezichtigen. Dann wird es nicht nur gefährlich; es ist auch die Einheit des Leibes gefährdet. Und mehr noch: Dort, wo dem anderen die echte Gottesbeziehung weitestgehend abgesprochen wird, kommt die uns schnell umstrickende Sünde ins Spiel. Der Apostel Paulus schreibt den Hebräern: »Lasstuns abgelegt haben alles Beschwerende und die gern umstrickende Sünde« (Hebr 12,1).Es geht ihm um diese Sünde, die uns gern umstrickt und an uns haften bleibt - wie ein Kleidungsstück, das zu eng ist und unsere Bewegung behindern will. Es gibtnicht nurBeschwerendes; es gibtauchSünde. Es geht um Zielverfehlung in Bezug auf die Gemeinde Jesu Christi. Hier muss sichjederselbst fragen lassen, inwieweiterdie Einheit des Leibes durch sein Denken und Handeln gefährdet oder bereits zerstört hat. Es geht damit auch umVerantwortungundSelbstverantwortung.

Page 8

Wie kann aber die Gemeinde Jesu Christi ihren Lauf erfolgreich vollenden? Gott hat sie jaindiese Welt gestellt und wird sie - am Ende des Zeitlaufeszu sichentrücken.Wie ist sie darauf vorbereitet?

Persönlich habe ich in all den Jahren die herausfordernde Erfahrung gemacht, dass man viel Erkenntnis über das Wort Gottes haben kann, dennoch aber Sünde ständig beim anderen sucht. Den Balken im eigenen Auge sieht man nicht. Daher glaube ich, dass sich unser Denken, besser unserDenksinn,ändern muss. Und dann unser Handeln. Dann wird sich auch die Situation ändern. Gemeindlich, wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich. Doch keiner ist dazu in der Lage. Nur der Heilige Geist. Er möchte uns heute in Deutschland anrühren, führen und in Gottes Richtung lenken.

Propheten sind dabei Sprecher Gottes, die in einer lebendigen Beziehung zu Ihm stehen, von Ihm gesandt sind und Seinen Willen verkünden. Jesus selbst ist uns hier das Vorbild (Joh 14,19; LK 7,16; 24,19; Mt 21,46). Er ist der Prophet, der sich in unserem Reden offenbart und uns das Herz des Vaters zeigen will und auch zeigt. In diesem Licht möchte man das Buch lesen. Am Widerspruch wird jeder die Gewissheit erlangen, dass Gemeinde und Gemeindebau ausschließlich Werk Gottes sind. Dem Leser möchten die Augen geöffnet werden, die Gemeinde in »neuem« undanderenLicht zu sehen, als wir dies in den letzten Jahren erlebt haben.

Möge dieses Buch ein ernstes und ernsthaftes geistliches Suchen und Ringen auslösen, Gemeinde nach Gottes Bild zu bauen. Mit der Schrift hat Er uns den Bauplan gegeben. Aber wir müssen wieder neu lernen, auf Seine Stimme zu hören und ins Gebet gehen. Lasst uns diesenAufbruch zu Veränderungenwagen. Globalisierung verändert mehr und mehr die Welt. Aberwirmüssen Gemeinde wieder neu und lebendiggestalten.

Der Autor hat selbst während seines mehr als 20-jährigen Glaubenslebens in den verschiedensten Gemeinden und Denominationen diese Kämpfe unter den Geschwistern leidvoll miterlebt. Ob Landeskirche, charismatische, pfingstlerische oder evangelikale Gemeinde; immer wieder gab es Trennung, Spaltung, Leid und Unversöhnlichkeit. Gott hat der Gemeinde Ämter und Gaben gegeben, damit sie nichthilflosundmutlosbleiben muss.

H. Karl Kopanitsak, im April 2011

Page 9

TEIL 1

01 Einleitung

Die Tatsache, dass wir uns alle nachmehr von Jesussehnen und damit auch nachmehran Gemeinde, bleibt sicherlich unwidersprochen. Aber wie erfahren wir diese Nähe zu Jesus und diese Nähe in der Gemeinde? Indem wirmehrin der Schrift studieren? Indem wirintensiverins Gebet gehen? Indem wiroffenersind für das Wirken des Heiligen Geistes?

Sicherlich gibt es viele Möglichkeiten, die Nähe zu Gott und die Nähe zum nächsten zu suchen und zu fördern. Nicht zu vergessen die Nähe zu denen, die Jesus noch gar nicht kennen. Angesprochen ist damit unser Evangelisationseifer, der bei all derGemeinschaft nach innennicht fehlen darf und durch den die Gemeinde auch erstbiblischwächst. Dennoch können wir bei vielen Christen feststellen, dass die ursprüngliche Euphorie, Reich Gottes zu bauen, zwar noch nicht verflogen ist, aber der geistliche Anspruch dem Pragmatismus mehr oder wenigergewichenist. Zunehmend wird erkannt, dass wir als Christen anderen Zeitströmungen (Esoterik, Individualismus, Vergnügungen, u.a.) die Oberhand gelassen haben. Die Kraft und die Dynamik der Gemeinde sind verloren gegangen.

Wiereagiertdie Gemeinde darauf? Oder - mutiger formuliert: Wie wird sie wiederaktiv,die ihr von Gott in der Welt zukommende Rolle als »Himmel-fahrtskommando«stärkerwahrzunehmen? Viele Gemeindekonzepte haben in den letzten Jahren dazu ihren Beitrag geleistet. Nicht alle sind gleichermaßen akzeptiert worden. Manchen Konzepten wird gar dasEtikettdes Marketings angeheftet. Von daher sind in den letzten Jahren zahlreicheGrabenkämpfeentstanden, die auch noch beeinflusst sind durch die Auseinandersetzung zwischenEvangelikalenundCharismatikern.Das hat dem Leib Christi enorm geschadet. Noch ist nicht offensichtlich, wohin die Gemeinde des 21. Jahrhunderts tendiert. Gleichwohl sehen wirauchin der Gemeinde enormeIndividualisierungstendenzen;manche sprechen sogar davon, dass sich die Gemeinde in Deutschland in Richtung Hauskirche entwickeln könnte. Dieses Entstehen von kleinen Zellen birgt sicherlich Chancen, aber zugleich auch Gefahren.

Häufig entstehen andere Gemeinden aus Enttäuschung, Trennung oder gar Spaltungen. Auf beiden Seiten bleiben Geschwister manchmal frustriert zurück, ohne wirklich Heilung erlebt zu haben. Das Thema »Heiligung« ist in vielen Gemeinden fast schon zum Fremdwort geworden. Viel mehr wird nach neuen Konzepten, nach neuen Methoden und nach neuen Ansätzen gesucht, Gemeinde nach der »eigenen« Vorstellung zu bauen.

Page 10

Kann aber die Gemeinde Jesu aus diesem Kreislauf des »Immer-wieder-Neuen« aussteigen? Kann sie sich frei machen vom Hang nach »Neuem«, nach »Spek-takulärem«?Wirdsie dieSpaltungaufgeben können, in die sie durch dieses Handeln hineingeraten ist? Wir leben in einer Zeit, die durch ungeheure Veränderungen geprägt ist. In keiner Epoche erlebte die Welt eine so rasante Umwälzung von Staaten, Regierungen, Technik und Erfindungen, gesellschaftlichen Veränderungen, gewalttätigen Auseinandersetzungen, wirtschaftlichen Zusammenbrüchen. Aber auch zu keiner Zeit ist die Welt sogefährdet,wie gerade heute. Der moderne Terrorismus ist nureinBeispiel. Wir sehen den Planeten Erde »vonoben«.Und wir erkennen, wie klein, unscheinbar und zerbrechlich dieses Stück »Erde« tatsächlich ist. Gemeinde braucht wohl »Heilung«. Der Heiland ist da, wird aber auch ausgeschlossen. Gemeindeexistiert,hat aber aufgehört zuleben.Sie »zerbröckelt«, »zerfällt« und wird wieder »neu« aufgebaut. Haben wir diese »Wiederkehrdes Gleichen«,über die der PhilosophFriedrich Nietzscheso leidvoll nachgesonnen hatte? Oder können wir uns von sog. Gemeindekonzepten, -Modellen und -Theorien endlichlösenund verabschieden? Brauchen wir sie noch?

Wir erleben andererseits, wie die Welt scheinbar zusammenwächst. Moderne Technologie, Internet und Web 2.0 haben es möglich gemacht. Aber Gemeinde Jesu »implodiert« auseinander. Zumindest steht sie in dieser Gefahr. Können wir es sehen? Können wir es fühlen? Können wir da noch Zuschauer bleiben? Oder gibt es jemand, der die »Bremse« zieht? Wenn ich mir die Apostelgeschichte veranschauliche, dann finde ich so vielDynamik,so viel Kraft, so viele Impulse. Demgegenüber scheint Gemeinde in der heutigen Zeit an einem gewissen Scheideweg. Sie befindet sich in einer Situation, in der eineRichtungsentscheidungnotwendig wird.

Kein Wunder, es hat in den letzten Jahrzehnten so vielgegenseitigeAbneigung und Ablehnung, Verachtung und sogar »Verteufelung« (vgl. Berliner Erklärung) gegeben. Jesu Bitte im »HohepriesterlichenGebet«geht in eine andere Richtung. Er stellt uns die Vision des Himmlischen Vaters vor Augen:

»Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns ein seien, damit die Welt glaube, dass du mich ge-sandt hast«(Joh. 17, 20-21).Während die Gemeinde Jesu also mehr und mehr »auseinanderdriftet« und so der Bitte Jesu und der Vision des Vaters entgegenarbeitet, macht sich der Feind auf, Verwirrung und Unruhe zu stiften. Spätestens seit dem 11.09.2001 ist die Welt nicht mehr, wie sie vorher war. DerTsunamiin Süd-Ost-Asien (2004), dieErdbebenin Haiti (2010) und Japan (2011) mit der

Page 11

Atomkatastrophe, die Weltfinanzkrise (2009) und die damit zusammenhängenden Finanzhilfen fürganzeStaaten (Irland, Griechenland, Portugal) haben uns vor Augen geführt, dass der Mensch und die Menschheit an ihre natürlichen Grenzen gekommen sind. Auch die Gemeinde Jesu Christi ist heute mehr oder weniger an den Punkt angelangt, wo ihr zumindest Grenzen aufgezeigt werden.Hartmut Steeb,Generalsekretär der Evangelischen Allianz, spricht daher von einem »Anstoßzu neuer Entschlossenheit«und formuliert: »Nichtdie Erstarkung anderer Religionen ist unser Problem, sondern eine schwächelnde und verunsicherte Christenheit«(vgl. EiNS!, 4/2010, Vorwort). Sein Tenor: Die Wahrheit des Evangeliums ist uns nicht als Waffe gegen andere Christen gegeben. DennWahrheit ohne Liebeist wieLiebe ohne Wahrheitbedeutungslos - keine biblische Wahrheit, keine biblische Liebe. Bereits 1997 setzten sich die beiden ProfessorenPhilip D. KennesonundJames L. Street(Selling out the church - The Dangers of Church Marketing, Nashville 1997; ISBN 0 -68701044-6) »vorsichtigund gründlich«,wie es in einer Rezension heißt, mit der Übernahme westlicher Marketingkonzepte durch eine zunehmende Anzahl christlicher Gemeinden auseinander. Auch hierzulande (vgl.Georg Walter,Der Angriff auf die Wahrheit, 2009) fehlt es nicht an kritischen oder warnenden Stimmen, wenn es darum geht, Stellung zu gegenwärtigenBewegungenzu beziehen. Dennoch ist die berechtigte Frage, ob nicht die Liebe bei all den Auseinandersetzungen schlichtwegauf der Streckebleibt.

In jüngster Zeit wird die NotwendigkeitinnererAnalysen der Gemeinde durchaus erkannt (Kanwischer/Spincke, Das Gemeinde-Comeback, 2010). Die Feststellung, dass viele Gemeinden ihre rückläufigen Entwicklungen einfachignorierenund sogar die Augen vor dem Ernst der Lage verschliessen, ist allerdings noch nicht bei allen angekommen. Noch traut man den gebeutelten Gemeinden ein sog.Comebackzu; aber es wird nur zum Teil berücksichtigt, dass vor allem erneut Strukturen, Prozesse und Organisation im Fokus der Betrachtung stehen. Es geht auch hiermehrumäußerenGemeindebau. Fataler noch: Der Blick geht stärker auf die Gemeinde; dasHerz Gottesund die Frage, wieGottSeine Gemeinde sieht und bauenwill,stehen dagegenwenigerim Vordergrund. Wir sehen aber vor allem dieGefahr,dassmentaleEinflüsse auf die Gemeinde zukommen bzw. schon lange auf sie einwirken. Die Schrift spricht vonWölfenund vonfalschenPropheten; von Menschen, die sich in die Gemeinde einschleichen, um sie zu verwirren. Dagegen möchten wir aufstehen.

Das Ziel des Buches ist daher die Betonung des »innerenGemeindebaus«,ohne allerdings das Wesentliche der Evangelisation und der Mission vergessen zu wollen. Diese Betrachtung zieht sich durch alle Kapitel und Begriffs- definitionen hindurch. Dabei sind uns Beziehungenuntereinandervorrangig.

Page 12

Der Gemeinde von heutefehlenaber ganz offensichtlich praktische Ansätze, auf Veränderungen, Probleme, Auseinandersetzungen und vor allemKrisenzu reagieren. Gemeindebau in der Vergangenheit war mehr ein »Entwurf«, Gemeinde aus »geordneten« Zuständen zu entwickeln. Nicht oder weniger berücksichtigt wurde, dass die Gemeinde - wie Organisationen, Institutionen der Welt - ebenso inkrisenhafteVerläufe gerät. Daher will derAgile GemeindebauGemeinde überhaupt und stärker nochaus systemischer Sichtbeleuchten. Das Buch istbiblischorientiert undbiblischausgerichtet; von daher darf es auch als eine Art Nachschlagewerk zu bestimmten Themen verstanden werden. Es hat nicht den üblichen Verlauf in bestimmte Teile oder Abschnitte; vielmehr kann man sich die einzelnen Kapitelwie konzentrische Kreisevorstellen, die den Blick der Betrachtungvon außen nach innenführenzum Herzen Gottes. Damit ist zugleich die Intention des Buches beschrieben.Kapitel 02 bis 06beleuchten Gemeinde stärker in ihremprozessartigen Werdenund gehen der Frage nach, welcheäußeren Einflüsseauf die Gemeinde einwirken. AbKapitel 07 bis 15beschäftigen wir uns mehr mit den wichtigen Begriffen desinnerenGemeindebaus: Gemeindeverstehen, HerzGottes, gebundenim Geistleben, Gerechtigkeit, Grenze und Freiheit, Vision und Auftrag einerversöhntenGemeinde,WeisheitGottes. Wir möchten dazu einladen, mehr und mehr die Perspektive Gottes zu sehen und von daher Gemeinde zu bauen.Kapitel 16will daher ganz konkrete und praktischeHilfenzur Hand geben; hier geht es um einengemeinsamenProzess der Gestaltung von Gemeinde. In denKapitel 17, 18 und 19geht es umHören-Kampf-Glauben,alsoum dieMotivationfür den Gemeindebau.Kapitel 21nimmt uns schließlich in die Pflicht, unseren Auftrag alskönigliche Priesterernst zu nehmen.

DerAgile Gemeindebauist einAnsatz,Gemeinde in schwierigen Zeiten zu entwickeln, zu bewahren und zu stärken. Es geht um das Erkennen geistlicher Erneuerungsprozesse und um die Frage, wie Gefahren, Fehlentwicklungen, krisenhafte Verläufe und ähnliches in der Gemeinde entdeckt und behoben werden können. Welche Umgangsformen und Werkzeuge sind dabei notwendig? Und wie reagiert Gemeinde darauf? Jede Gemeinde ist anders; sie hat ihre ganzindividuelleEntstehungsgeschichte, ihre ganzindividuelleEntwicklung, ihreindividuelleStruktur. Welche ganzindividuellenHilfen und Strategien findet jede Gemeinde für sich, um die Einheit zu bewahren? Es gehtnichtum Modelle und Konzeptevon außen,sondern darum, dass»… wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit der sie zum Irrtum verführen, sondern, wahrhaftig in der Liebe, heranwachsen in allen Stücken zu ihm hin [oder: in ihn hinein], der das Haupt ist, der Christus. Von ihm aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander

Page 13

Handreichung tun nach dem Maß der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes, das Wachstum des Leibes zur Auferbauungseiner selbstin Liebe«(Eph 4,14-16). Erneuerung geschiehtvon oben her,von Gottes Geist her. Gott selbst ist der Handelnde. Aber wir dürfen umErneuerungbitten. In unseren Herzen, in unseren Familien, in unseren Gemeinden. Von oben her fließt Gottes Gnade auf uns; der Mensch und die Gemeinde werdenim Innerenerneuert. Und von da bricht Erneuerung nach außen, in unser Land. Nicht Angst, sondern Gottes Liebe ist die treibende Kraft.

Page 14

Page 15

02 Warum überhaupt Gemeindebau?

Jesus hatte sehr deutlich gesagt: »Ichwill meine Gemeinde bauen«(Mt 16,18). AlsoEr selbstwill sie bauen. Stören wir da nicht vielleicht manchmal eher? Sind wirIhmnicht häufig genug ein Hindernis? Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass wir die »Dinge« oft selbst in die Hand nehmen wollen und Ihn dabei außen vor lassen. Ich muss mich ja nur selbst anschauen! Und dabei wünschen wir uns noch, dass Er unsere Arbeit doch bitte segnen möchte. Was für ein fataler Irrtum an Gemeindebauverständnis. Wie viele haben nach einer bewussten Gemeindespaltung oder ihrem Weggang versucht,selbstGemeinde zu bauen. Und sind dann häufig genug ganz kläglich gescheitert. Vielleicht auch erst Jahre später.

Nirgendwo sonst aber wächst Gemeinde so radikal, so schnell und sonachhaltig,wie in Gegenden und mit Menschen, die sich scheinbar so wenig Gedanken über »Gemeindebau«, überMethoden, Konzepte, Strukturen, FunktionenundPrinzipienmachen. China ist ein viel zitiertes Beispiel. Überall da, wo sich Menschen ernsthaft engagieren, wächst Gemeinde. Sie wächst ganz einfach; und wie von selbst. Und eines wird dabei offensichtlich: Die Welt hat sich verändert, die Gemeinde hat sich bewegt - und also muss sich auch derEinzelneändern!

Um Gemeinde zu bauen (oder vielleicht auch bauen zu können), erscheint es mir notwendig, Gemeinde aber überhaupt erst zu »verstehen«. Also Fragen zu klären, wie die folgenden:Was ist Gemeinde? Was macht Gemeinde aus? Wie »funktioniert« Gemeinde? Was sind klar zu bestimmendesozialeProzesse im Gemeindeleben? Wie sind diese »gestrickt«? Wie bilden sich Meinungen, Strukturen und Festlegungen?Und jetztnicht nurvom biblischen Standpunkt her - alsovergeistlicht;denn Gemeinde ist jaindie Welt hineingestellt (worden). Der HERR baut Seine Gemeinde; aber Er baut sie ebenmitund auchdurchMenschen.

Gemeinde und Gemeindebau sind zwar immer »biblisch« gewollt - also davon gehe ich in jedem Fall aus -, aber wir haben es immer auch mitkulturellenundgesellschaftlichenwie auch mitsozialenEinflüssen zu tun. Insofern entsteht Gemeinde nicht in einem »biblisch-autarken« Raum. Die »Gemeinde-Typen« in der Offenbarung des Johannes zeigen das zu deutlich. Auch hier werden nicht alle Gemeinden gelobt, sondern laufen mehr oder weniger »aus der Spur«. Gleichwohl dürfen wir bei unserer Betrachtung nicht die Dimension des »ReichesGottes«außer acht lassen. Die Schrift lehrt uns ja eindeutig, dass wir die »Einheit« der Gemeinde nicht erstnochherstellen müssen. Im Gegenteil: Wir sindschon jetztgeistlich eins! Das ist auch keine Frage mehr - und wird von den allermeisten so verstanden. Aber daseigentlicheProblem ist

Page 16

doch die Frage,wiewir diese Einheit auch tatsächlichbewahrenkönnen.Dasist die besondere Aufgabe und Kunst der Gemeinde vor Ort. Hierzu möchte der »agile Gemeindebau« mithelfen und dazu beitragen. Die wichtige und entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist dann aber: »Wastun wir konkret, um die Einheit der Gemeinde zu bewahren«?Also, anders ausgedrückt:Wie können Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen, mit unterschiedlichen Denkstrukturen und Meinungen zu echter »Einheit« finden?Nach demAnsatz derSystemtheorie(LUHMANN)1scheint »Einheit« nur auf derBasisselbstreferentieller Handlungen möglich zu sein. D.h.: Eine Gemeinde beziehtnurihreeigenenDenkweisen und -strukturen in den Gemeindebau ein und gestaltet sich daraus. Das scheint sie vordergründig dann auch vorSpaltungenundTrennungenund »Auseinandersetzungen« innerhalb der Gemeinde zu bewahren. Aber tatsächlich nurscheinbar,wie wir noch im nächsten Kapitel sehen werden.

Ich denke also, dasssoziologisches Denkenbeim biblischen Gemeindebaunichteinfachausgeschlossenwerden darf. Wir haben von der Schrift (logos) her Gottes Vorstellung von biblischem Gemeindebau. Der Heilige Geist öffnet uns in jedem Fall das Verständnis (rhema) und leitet uns (an) beim Gemeindebau. Und doch ist immer wieder die Frage,wiewir das Reden des Heiligen Geistes verstehen, aufnehmen, verarbeiten und umsetzen. Da haben viele dochandereVorstellungen, woraus sich auch Denominationen, Strömungen und Bewegungen ergeben.

Gemeindebau nach »traditioneller« Weise hat es vordergründig mitunterschiedlichenDenkweisen und Bewusstseinsvorstellungen zu tun. Daraus entwickeln sich dann diese verschiedenenFormendes Gemeindebaus. Dies »widerspricht« aber im Grunde genommen dem biblischen Verständnis von Gemeindebau und läuft derVision der Einheitentgegen. Von daher sehe ich »AgilenGemeindebau«,wie ich ihn verstehe, zwischen demneutestamentlichenLogos von Gemeindebau und denbestehendenGemeindebaukonzepten angesiedelt. Es geht mirnichtum konkreteFormen, StrukturenundFunktionen,sondern um dasVerstehen von Gemeinde und -bau;Gemeindebau wird so eher möglich oder doch einfacher. Wir müssen Gemeindemitbauen;dazu hat uns der HERR den Auftrag gegeben. Aber dieAusformungder jeweiligen Gemeinde steht ideal-typischerweisenicht im Widerspruch zu anderen Gemeinden,sondern spiegelt nur ihre jeweiligeIndividualitätundIdentitätwider.

1Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie, 1993

Page 17

Gott hat dazuApostelundPropheten(Eph 4,11 ff) eingesetzt, auf deren Grundlage Gemeinde entstanden ist und auch immer wieder entsteht. Sicherlich haben wir heute nicht mehr diese »Über/Ur-Apostel«, wie wir sie von der Schrift her kennen. Aber immerhin - sie habenauch heute nochIhren Auftrag. Auch denke ich, dass sie in der Lage und dazu bestimmt sind,Versöhner im Leib Christizu sein; alsoEinheitim Leib Christiwiederherzustellenund auch zu bewahren. Gleichzeitig ist es die Aufgabe der Gemeinde, auf jemandanderen,nämlich auf Jesus, ihren HERRN, und alsonicht auf sich selbst,zu verweisen!

Weltweit erleben wir heute, wieunvorhergeseheneEreignisse - etwa Terroranschläge, Naturkatastrophen, Finanz- und Wirtschaftskrise - zur Wirklichkeit geworden sind. Organisationen und sogar ganze Nationen müssen sich mehr denn je auf diese Extremsituationen einstellen. Das gilt in gleicherweise auch für die Gemeinde Jesu, die immer mehr unter Beschuss von unterschiedlichen Zeitströmungen kommt.ÄußerlicheVeränderungen, so wirksam sie auch sein mögen, helfen kaum wirklich. Es bedarfinnererVeränderungen im Gemein- debau.

Page 18

Page 19

03 Was wir von der Systemtheorie lernen können

Um Gemeinde überhaupt zuverstehenund um zu begreifen, wie eine Gemeinde »funktioniert“, wie sie sich »verändert« bzw. mehr noch »verfestigt“, wie sie sich entwickelt und wie siekommuniziertoder sich auch nach außen hin »abschottet“, um damit ihre Identität und/oder Individualität zu bewahren, erscheint mir das Reflektieren über LUHMANNsSystemtheoriebrauchbar und sinnvoll. Wir können damit gut erfassen, wasGemeinde als soziales Gebildein ihrem Innersten ausmacht und zusammenhält. Auch können wir dabei eher lernen, welchekonkretenProbleme beim Gemeindebau entstehen können bzw. überhauptexistieren.Nicht dass man mich falsch versteht: EinbiblischesGemeindeverständnis schenkt letztlichnurder Heilige Geist. Und doch müssen wir Gemeinde - wie überhaupt das Haupt, nämlich Jesus - auch erst »sehen“, »anschauen« und (im wahrsten Sinne des Wortes) »begreifen« sowie »betasten“, um tatsächlich Gemeinde leben zu können. Das ist unseremenschlicheAufgabe am Gemeindebau.

Ist die Gemeinde eins?

Ich gehe bei meinen Überlegungen davon aus, dass »Einheit« nichts Statisches ist, sondern etwas höchst »Dynamisches“. Einheit des Geistes und Einheit des Leibes ist sogar etwas sehr Bewegliches. Sie istspannende Vielfalt.Einheit ist geistlich zwarvorgegeben(durch die Bekehrung zu Jesus und die Eingliederung in die Gemeinde); aber sie vollzieht sich erst in derkonkreten Begegnungmit dem anderen. Insofern ist Einheit nicht »einfach“. Sie ist immer wiedergefährdet.Es geht auch nicht umGleichklang,sondern umZusammenklang.LUHMANNs Systemtheorie macht das, wie wir noch sehen werden, sehr deutlich. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang zu betonen, dass »Einheit« immer auchgewolltsein muss. Das ist quasi die Voraussetzung für biblischen Gemeindebau.Es gibt keine fruchtbare Zusammenarbeit ohne wirkliche Einheit.Auch gibt es keine wirkliche Einheit ohneechtes Bemühendarum. Dazu aber istjederin der Gemeinde unwiderruflich aufgefordert. Und das macht überhaupt nur verständlich, warum Jesus um diese Einheit gebetet hatte. »Einheit« entsteht tatsächlich - und mehr noch -immer wieder»neu“. Das klingt zunächst widersprüchlich zu dem Gesagten. Und ist doch kein Widerspruch in sich. Denn wenn sie echt sein will, dann darf sie kein »Dogma« sein, sondern muss sich in Gegenwart und Zukunft immer neu »beweisen“ bzw. bestätigen. Dadurch erst wird Gemeinde nach außen hin »offen« - nicht im Sinne vonBeliebigkeit,sondern im Sinne von »Freiheit«. Paulus ist ja doch dem Griechen ein Grieche geworden, dem Juden ein Jude ..., »damiter möglichst viele gewinne»(1. Kor. 9). Anders ist Gemeinde, meines Erachtens, auch gar nicht möglich. Sie

Page 20

ist - um es bildlich zu sagen - eine »Bewegung« des Heiligen Geistes. Sie ist nichtunserEigentum,unserBesitz,unsereIdentität! Wir gehören Christus und unsereeinzigeIdentität istin Ihm.

Wenn aber »Einheit« immer wieder »neuentsteht«bzw. sich immer erst wieder neu finden (soziale vs.geistlicheEinheit) und/oder konstituieren muss, dann ist auch klar, dass Gemeinde offen seinmussfür Veränderung. Ohne Veränderung, können wir daher sagen, gibt es keine echte Einheit. Auch bedingt und (er-)fordert Einheit geradezu Veränderung. So verstehe ich die Schrift. Und damit rede ich jetzt keiner Philosophie und auch keinem Gnostizismus Bahn. ImHohenpriesterlichen Gebet(Joh. 17,21-23) betet Jesus ja geradezu diese äußerst komplizierten »Dinge«, die uns zur Einheit ermutigen wollen:

»...damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst«.Jesus ging und geht es also um »vollkommeneEinheit“,nicht um »ge-spielte«,erzwungeneoder (ein-)geforderte Einheit, sondern um Einheit »inFreiheit«.Einheit wird »vonoben«gegeben (geistlicheEinheit);aber sie wird »vonunten«(soziale Einheit) auchbestätigtbzw. mehr noch: »Vollkommene Einheit« erfordert sogar diesegegenseitige Bestätigung.Damit ist Gemeinde zugleich immer auch »unterwegs«. Und in diesem Unterwegssein erwartet sie ihren HERRN. Das Problem, das ich daher sehe, ist: dass »Einheit«einerseitshäufig »nur«rein geistlichverstanden wird, ohne aber den Prozess,wieEinheit immer wieder bewahrt wird oder bewahrt bleiben muss, zu beachten oder zu betrachten.Andererseitswird »Einheit« quasi »selbst« definiert und (fast) alle Einflüsse von außen »abgewehrt«.Man versteht also Gemeinde nur »von oben« heroderbaut sie sich selbst.In Wirklichkeit baut aber der HERR die Gemeinde - und Er hat Seinen Schatz ganz bewusst »inirdene Gefäße«(2. Kor. 4,7) gelegt. »Einheit« ist daher mitnichten ein »stilles Einverständnis« untereinander, sondern vollzieht sich imProzess der Kommunikation.Menschen sprechen, reden, kritisieren und argumentieren miteinander - und in diesem Prozess eben »ereignet« sich Gemeinde und auch »Einheit“. Daher istKommunikationimmer wiederwichtig.Ein Handeln in und aus Liebe lässt dabei die Herzen gleich schlagen.Gemeinde als System

Der Begriff »System«, den ich kurz in die Diskussion einführen möchte, kommt aus dem Griechischen und meint so viel wie »Zusammenstellung«. Ein System ist also durch einGeflecht von Beziehungen und Wechselbeziehungendefiniert, das sich von seiner Umweltabgrenzt.Diese Bezie- hungen bilden quasi dieStruktureines Systems. Für das Verständnis der

Page 21

Dynamik eines Systems ist dasErkennendieser Strukturen von grundle-gender Bedeutung. Erst dadurch sind auch praktikable Veränderungen möglich, ohne dass das System in sich zusammenfällt. Aber auch nur so kann esbewahrtbleiben vor allzu starken Einflüssen von außen.

Auf dieGemeindebezogen bedeutet dies, dass die Mitglieder einer Ge-meinde und das Netz ihrer Beziehungen eine bestimmte Gemeindestruktur repräsentieren. Je nach demwiediese Beziehungen zueinander sind, welche Meinungen und Vorstellungen, religiöse Überzeugungen und Grundeinstellungen vorherrschen, lässt sich Gemeinde als »evangelikal“, »charismatisch«, »pfingstlerisch« odersonst wieeinstufen. Das ist zunächst nicht negativ zu verstehen, sondern umschreibt wertneutral nur ihreinnereStruktur, die sie von anderen - zum Teilfundamentalbzw. sogarradikal- unterscheidet.Diese Struktur ist es aber auch, die ihr Wachsen, Schrumpfen oder ihren Rhythmus bestimmt.Darin eingebunden sind »alle« Mitglieder des Systems, woraus sich ein bestimmtes Maß vonIntegrationundGeschlossenheitzueinander ergibt. Entsprechend ist die Beziehung nachaußen.Jedes System, und also auch jede Gemeinde, ist darauf be-dacht, alles sie »verneinende« auszuschließen - seien es jetzt andersartige Überzeugungen, religiöse Anschauungen oder theologische Differenzen. Das ist dieStärkeeiner Gemeinde; abergleichzeitigauch ihreSchwäche,wenn nämlich notwendige und/oder erforderliche Veränderungen abge-lehnt und - bewusst oder unbewusst - nicht angegangen werden. DieWahl der Diakonein APG 6 ist ein beredtes Beispiel dafür, wie auf eine bestimmte Situation aber passend reagiert worden war. Normalerweise kennen wir im Gemeindebau die Begriffe wie »Leib« (Röm 12,3-8; 1 Kor 12,4-30; Eph 4,11-16) als Organisation in Vielfalt und Einheit, »Tempel« (1. Kor. 3,16; 2. Kor 6,16-17; Eph 2,19-22; 1. Petr 2,4-5) als Gegenwart GOTTES und Anbetung in Heiligkeit und Gehorsam, »Herde« (Joh 10,1-16; Lk 12,32; APG 20,28-29; 1. Petr 5,2-4) als geleitete und geschützte Gemeinschaft oder auch »Weinstock« (1. Kor 3,6-9; Joh 15,1-8; Gal 5,22) als Erwählung zu Wachstum und Fruchtbarkeit. Daneben aber auch Begriffe wie »Braut« (Eph 5,25-32; Mt 25,1-13; Off 19,7-9; 21, 2-4.9-10) als Betonung der ausschließlichen Liebe zu JESUS und der Vorbereitung auf sein Kommen, »HeiligesVolk«(1. Petr 2,9; Off 1,6) als Herausstellung der Erwählung, Heiligkeit und Zusammengehörigkeit unter Gottes Leitung sowie »Licht« (Mt 5,14-16; Phil 2,15) als Orientierung und Hinweis auf Gott. Damit sind die biblischen Vorstellungen der Einheit des Leibes Christi definiert. Es sindgeistlicheBegriffe, die Gottes Sehnsucht nach Einheit (Joh 17,21) ausdrücken. Und doch sehen wir, dass schon in der neutestamentlichen Gemeinde das Problem der Uneinigkeit oder fehlenden Einheit (vgl. 1. Korinther; Epheser) gegeben war. Die Frage, die sich damit für den Gemeindebau stellt, ist:Wie können Menschen Gottes Absichten und Plänen mit

Page 22

Seiner Gemeinde gerecht werden und also Gemeinde entsprechend bauen?Genau das aber führt uns zumSystem-Gedanken!Systeme, und also auch Gemeinden, haben nämlich eine bestimmte »Grenze« gegenüber ihrem Umfeld, ihrer Umwelt. Diese Systemgrenze definiert alles, was zum System/zur Gemeinde gehört, passt und (gerade) noch angenommen wird; alles andere liegtaußerhalbund kann nur Einfluss ausüben, Druck verursachen oder Veränderung bewirken wollen. DieStabilitätder Gemeinde ist davon abhängig,wiesie darauf reagiert. Biblisch gesehen bildet die »Welt« (Mt 18,7; Joh 15,18; 16,33; 18,36; Röm 12,2; 1. Kor 2,12; 3,19; 6,2; 7,31; 2. Kor 4,4; Gal 1,4; 6,14: 1. Joh 3,1; Jak 1,27; 4,4) oder das »fleischlicheWesen«(Röm 8,5; 1. Kor 3,3; 2. Kor 1,12; 1. Petr 2,11-12) diese Grenze. Tatsächlich aber ziehen Gemeindenuntereinandersolche (nicht-biblischen) Grenzen. Im Extremfall führt dies zurSpaltungoder sogar zumTodeiner Gemeinde, wenn sie nämlich nicht mehr in der Lage ist, die Beziehungen in Einheit zu bewahren.

LUHMANN (1993)2hat nun in seinerSystemtheorieklar gemacht, dass Systeme eineDifferenzzwischen sich und der Umwelt, zwischen Innen und Außenstabilisieren.Sie formen sich also quasi ein »Regulativ« (Gemeindeidentität), das alle auf sie einströmenden Einflüsse in einer für sie inhärenten Weise verarbeitet. Mit anderen Worten: Eine Gemeinde nimmt nur die »Impulse« von außen auf, die auch systemimmanent sind; alles andere wird »herausgefiltert«. Eine Gemeindeverfestigtdamit ihre eigenen Anschauungen und Einstellungen; d.h.: sie tut dies »bewusst«. So entsteht ihre (Pseudo)Identität und »Ordnung«. Das Wissen um diese Prozesse und Strukturen berührt aber unmittelbar die Frage nachStabilisierungs- und/oder Veränderungschancen.Denn heutige Gemeinde baut sich zum Teil tatsächlich so aufwieweltliche Institutionen und Organisationen - mit der vermeintlichenLegitimationdes Wortes Gottes. Aber Jesu Ansinnen ist es nicht. Er willechteEinheit, d.h. »geistlicheEinheit“,die über jede Form von Denomination oder Richtung hinausreicht.

Jedes entwickeltesoziale System(Gemeinde) muss dabei nach Talcott PARSONS, einem der bekanntesten amerikanischen Soziologen,vier Grundfunktionenerfüllen:

-Anpassung an die Umwelt (adaptation) i.S.v. »Differenz«, »Grenze«

-Zielverwirklichung (goal-attainment)

-Integration (integration)

Page 24

dieKultur einer Gemeindeselbst bestimmt. Das macht es dann häufig schwierig, als »Neuer« in die Gemeinde zu finden. Der Begriff erinnert in seiner Bedeutung an die »Selbtsauferbauungdes Leibes in Liebe«,wie wir ihn aus Eph 4,16 kennen. Dort heisst es: »Vonihm (Christus) aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander Handreichung tun nach dem Maß der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes, das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe«(SCHLA). Dort ist es das »System« alsäußereForm,hier ist es dieLiebealsinnererAntrieb des Heiligen Geistes (Röm 5,5; 15,30; 2. Kor 5,14; Gal 5,22). Die Gefahr in der heutigen Gemeinde besteht jedoch darin, dass sie nicht nur die »Welt« und das »fleischliche Wesen« zur Erhaltung ihrer vermeintlichen Einheit aus-schliesst, sondern ebenauch gläubige Christen,die unterschiedliche geistliche Erkenntnisse haben.

Gemeinde denken und entwerfen?

»Systeme« wie eine Gemeinde sind nun normalerweise durchZweckeundZielebestimmt. Die Gemeinde hat auch tatsächlich diesen Auftrag, »Lichtund Salz«in dieser Welt (Mt 5,13-14) zu sein, das Evangelium in die Welt hineinzutragen und so Jünger zu »machen« (Mt 28,19). Sie erfüllt diese Aufgabe nunmehr seit über 2000 Jahren - mehr oder weniger - »erfolg-reich« bzw. fruchtbringend. Die Frage ist aber, ob sich Gemeinde auf diese nur reinfunktionaleArt reduzieren lässt und ob nicht dieBeziehung der Menschen untereinanderin einensehr viel stärkeren Bezugzueinander gestellt werden muss, um Einheit zubewahren.Immerhin will der HERR Jesus seine Gemeinde »herrlich« und »ohneFlecken und Runzeln«(Eph 5, 27; Off 19,7-8) dargestellt wissen, wenn Er wiederkommt.

Gemeinde existiert daher mitnichten in einem »umgebungsfreienRaum«,so dass ihre Entwicklung problemlos verlaufen könnte. Immer sind es Einflüsse von außen, die auf sie einwirken, sie berühren und manchmal sogar in Frage stellen. Wiereagiertsie darauf? Was tut sie, wennunterschiedlicheMeinungen und Vorstellungen über konkrete Zwecke und Ziele auftauchen? Kann sie diese divergierenden Impulse ernsthaft »versöhnen«? Sie ist ja doch hineingestellt in diesesSpannungsfeldzwischen Gemeinde und (Um-) Welt. Und darin hat sie sich auch zu bewähren. Es gibt damit quasi diese permanente Notwendigkeit, auch »Stellung« gegenüber Menschen, Meinungen und deren Absichten zu beziehen - undnicht nurgegen dieWelt.Das aber erfordert einen Prozess der »Selbstfindung« der Gemeinde - und zwarimmer wiederund auch auf neue Weise.

Wir können zwar Gemeinde »denken« und »bauen«; aber wir brauchen auchgemeinsameVorstellungen von dem,wasundwiesieistund was sie konkret

Page 25

ausmacht. Dies ist ihr nicht automatisch und wie »von selbst gegeben«. Immer wieder verstehen ja Menschen ihre Gemeinde »anders« als der Bruder oder die Schwester in der Nachbarreihe. Veränderungen aber erfordern diese Art von »Selbstreflexion«. Einer der Gründe für das Scheitern von Gemeinden oder für krisenhafte Entwicklungen ist daher auch in derfehlenden Bereitschaftzu sehen, die Dynamik des Umfeldes als für sie »konstitutiv« anzuerkennen und positiv damit umzugehen.Wenn wir uns aber in der Gemeinde dieses Defizits stärker bewusst wären, könnte Kommunikation eine viel größere Rolle spielen.In Japan z.B. wird über ein Problem so lange gesprochen, bis ein Konsens gefunden ist. Das erfordert selbstverständlich Geduld, gegenseitiges Vertrauen und ein gewisses Aufeinanderzugehen. Aber auch nur so kann Gemeinde »attraktiv« sein und wachsen. Nur so wird sie auch ihrer Rolle in der Welt gerecht. Aber wie weit sind wir doch heute in unseren Gemeinden davon entfernt. Echte Kommunikation, Wissen um die Bekehrungsgeschichte des Bruders oder der Schwester, Anteilnahme an den Nöten des anderen - all das finden wirnur noch selten!Die Gemeinde hat ihrenformalenCharakter gefunden, von dem sie sich nur schwer lösen kann. Echtekoinoniasucht man in ihr häufig vergeblich. DerProzess des Kommunizierensmiteinander darf aber nicht nur etwas Institutionalisiertes sein, sondern muss mehr noch eineBereitschaftund eineBewusstseinseinstellungwerden. Er kann ein regelmäßiges »Warm-up« über die Gemeindeatmosphäre sein, wie das beispielsweise imWörnersberger Anker,einer christlichen Lebensgemeinschaft, geschieht; da werden oder wurdenzweimal im Jahrregelmäßige Treffen abgehalten, bei denen über die gegenseitigenBeziehungenund dieAktivitätengesprochen wurde. Es gehörte sozusagen zum »Lebenselixier« der Gemeinschaft, solche Treffen zu haben. Entsprechend können in einem solchen ProzessFragen der Zukunft der Gemeinde,der Innovation, des effektiven Handelns, des Beziehungsgefüges, u.a.m. abgeklärt werden.

Ich habe selbst immer wieder die Erfahrung gemacht, dass häufig überziel-orientierteHandlungen (Evangelisation, Lobpreis, u.ä.) gesprochen wird; aber eine allgemeine und gemeinsameAbschätzung der Gemeindesituationgab es nicht. Und wenn schon, dann erst bei krisenhaften Situationen. Einen echtenFreiheitsspielraum,über Gemeinde zu sprechen, nicht nur, wie sie ist, sondern wie siesein könnteund wie der einzelne sie sich vorstellt bzw. auch erlebt, gibt es nur selten.

Es ist dies ein dauernder »Prozess der Versöhnung« in der Gemeinde, wie ich ihn mir aber vorstelle. Versöhnung findet allzu häufig erstzu spätstatt. Dann nämlich, wennSchuldundSchuldeingeständnisda sind. Aber die Schrift sagt uns, dass wir schon »vorher« versöhnt wurden durch das Werk Jesu Christi. Versöhnung ist also vorgelagert, sie ist nicht eine Reaktion Gottes auf den Menschen, sondern Seine Aktion auf die Freiheit des Menschen hin. Insofern

Page 26

können wir immer »Versöhner« sein -Versöhner nach innen,und dannselbstverständlich -Versöhner nach außen.

Page 27

nach meinen Vorstellungen, sondernnach Gottes Vorstellungen.Aber wie lange muss Er warten, bis Er wieder kommen »kann«. Allzu häufig wird auch die Frage gestellt: »Was ist Gemeinde«? Und dann werden Bibelstellen - z.T. zu Recht - als Belege angeführt, um die eigene Gemeinde(philosophie) zu »begründen«. Meines Erachtens ist es aber genauso wichtig zu fragen: »Wie ist Gemeinde möglich«? Wir bleiben damit nicht beim Problem der »Selbstreferenz« stehen, sondern sehen auch die Notwendigkeit der »Fremdreferenz«. Gemeinde muss nämlich offen sein für das, was Gott immer auch konkret neu wirken will. Das heißt dann, dass wir den Heiligen Geist nicht dämpfen! »Offenheit« ist also etwas, was keine Angst machen sollte, sondern - im Gegenteil - Chancen für fruchtbaren Gemeindebau eröffnet. Insofern widersprechen sich »Geschlossenheit« und »Offenheit« keineswegs - und schließen sich auch nicht gegenseitig aus.

Strategieentwicklung in der Gemeinde?

Wir haben gesehen, dass jede Gemeinde ein bestimmtes Maß an Inte-gration und Geschlossenheit besitzt. Die Beziehungen innerhalb einer Gemeinde folgen einer gewissen Ordnung, haben eine gewisse Kontinuität und Regelmäßigkeit. Und doch istOffenheit,wie es auch einem system-theoretischen Postulat entspricht,notwendig.Von daher muss Gemeindeumdenken.FürstrategischeÜberlegungen in der Gemeinde bedeutet dies, den Grundsatz der Bewahrung von Flexibilität ernst zu nehmen. Beim Gemeindebau gibt es nämlich immer gleichzeitig unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. In einem (mehr oder weniger)geschlossenenSystem werden jedoch von vornherein bestimmte Möglichkeiten - quasisystemimmanentausgeschlossen. Dadurch entstehen »einspurige« Strategien, die sich auf die jeweilige Gemeinde verengen. Über den eigenen Tellerrand hinaus wird nicht oder kaum geschaut.

Wenn wir für Gemeinde »Strategien« entwickeln, dann meinen wir - wie auch immer wir es jetzt konkret formulieren oder denken - häufig u.a. an folgendes:Leitbild-Verständnis(Was ist unser Selbstverständnis als Gemeinde?),Positionierung(Wie sehen wir uns? Wie wollen wir von anderen gesehen werden?),Kompetenzen(Gabe, Fähigkeiten, Fertigkeiten) sowie konkreteAktionen(Konsequenzen daraus, Aktivitäten). Das ist entweder schriftlich formuliert oder zumindest doch allgemeiner Gemeindekonsenz, d.h. das Verständnis: So undgenausobauenwirGemeinde. Im Sinne der Flexibilität kommt dabei denKompetenzeneine besondere Bedeutung zu. Sie sind es immerhin, die darüber entscheiden,wasundwieetwas in der Gemeinde angegangen oder nicht angegangen wird. In der Praxis sieht es allerdings häufig so aus, dass nichtalleGaben und Fähigkeitenbe-

Page 28

bzw.geachtetwerden. Es gibt quasi eine geistliche »Auslese« - ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt -, die häufig zu Unfrieden und Unzufriedenheit in der Gemeinde führt. Nicht selten verlassen Geschwister die Gemeinde oder haben innerlich bereits gekündigt. Die Frage, die sich dabei für den Agilen Gemeindebau stellt, ist folgende:Wie kommt ein gemeinsames Handeln zustande, das alle Möglichkeiten der Gemeinde einschließt?Wenn wir die letzten Jahre betrachten, dann sehen wir, dass immer wieder Versuche da sind, aus diesem »begrenzten« oder »begrenzenden« Rahmen eines althergebrachten Gemeindeverständnisses herauszukommen oder gar auszubrechen. Ob nunViynard-Bewegung, Hauskirchen-Bewegungoderemerging church- häufig sind es die systemimmanenten Zwänge, die zum »Aussteigen« bewegen. Mit der Konsequenz der weiteren Schwächung des Leibes Christi.Nicht notwendigerweise; aber immer häufiger.Und immer sind es einzelne Menschen (Geschwister!), die verletzen und/oder verletzt werden. Gerade das scheint mir das Dilemma der heutigen Zeit.Wir erleben eine »Multi-Kulti-Gemeinde«, die kaum noch ein echtes Zeugnis für die Welt ist.Alles oder vieles ist - wie in der Welt selbst -austauschbargeworden. Von daher bleibt tatsächlich zu fragen, was wir ernsthaft voneinanderler-nenkönnen und lernenwollen,ohne uns »abzuschotten« oder gar eigene Wege zu gehen. Scheinbar biblisch in den meisten Fällen, aber doch allzu oft auf Kosten der Einheit des Leibes. Es ist schon eine berechtigte Frage: »Management« - oder »Versöhnung« in der Gemeinde? Und doch denke ich, dass wir nicht unbedingt beides gegeneinander ausspielen können. Beides hat seine Berechtigung und auch seinen Stellenwert in der Ge-meinde. Jeder Kontakt, sagt schon der Soziologe Niklas L. LUHMANN, ist bereits ein »System«. Das bedeutet dann auch, dass jeder »Nicht-Kontakt« sich zu einem »System« verfestigt. Genauer gefragt:Wiesind dieBeziehungenund Kontakte innerhalb der Gemeinde strukturiert? Wo bilden sichGruppenund/oderGegengruppen?Wo werden Menschen, ob bewusst oder unbewusst, aus sozialen Beziehungen ausgeschlossen? Wieentwickelnsich »Gegenbewegungen«? Oder auch »Gegenströmungen«? Wo regt sich Widerstand? Was geschieht, wenn andere in die Gemeinde kommen? Mit anderen Vorstellungen, anderem geistlichen Hintergrund? Dann erleben wir das, was Niklas A. LUHMANN von der »Selbstreferenz« im Allgemeinen sagt:Sie entfaltet ihre eigene Geschlossenheitüber den »kontrolliertenUmgang mit der Negation«!Gerade hierin liegt das Problem, wenn Gemeinde »sichselbst auferbauen soll in Liebe«.Wie gehe ich nämlich mit dem anderen um, der neu in die Gemeinde kommt und auch neue Impulse in die Gemeinde einbringt oder einbringenmöchte?Wir stehen hier vor dem Dilemma, dass Gemeinde nach ihren bisherigen Konzepten wenig bis kaum in der Lage ist, ihre Einheit zu bewahren. Und von daher die vielen Abspaltungen, »Alleingänge« und»Auflösungen«.

Page 29

Was können wir von der Systemtheorie lernen?Angesichts der rasanten Veränderung der gemeindlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre durch ein schier unüberschaubares Aufkommen von gedanklichen Einflüssen und Gemeindekonzepten stellt sich die Frage nach derÜberlebensfähigkeitfür viele freie Gemeinden und auch für die Landeskirchen in einer noch nicht gekannten Radikalität. Lokale Gemeinden müssen ihr Überleben in einer Zeit sichern, deren Eigendynamik und Einflussnahme die gewohnte gemeindliche Stabilität in Frage stellt. Dazu bedarf es eineserneuerten Denkens,wie es der Agile Gemeindebau beabsichtigt. Vor diesem Hintergrund hilft systemisches Denken, richtige Fragen in der Gemeinde/Kirche zu stellen und Wege zur Problembewältigung zu gehen:

-Diagnosedes bisherigen Umgangs untereinander und in der Vergangenheit (Was ist los? Warum ist das so? Was ist zu tun?)

-Verständnis für dieHerausforderungenim Gemeindeleben gewinnen

-WichtigeEntwicklungenim Gemeindeleben entdecken

-SozialeGruppierungenund Zusammenschlüsse in der Gemeinde herauskristallisieren und in Liebe darauf reagieren

-Gabenentdecken lernen und freisetzen

-StändigerAustauschuntereinander

-Entwicklung einer »offenen« Kultur

-Entwicklung einerwertschätzenden Haltunggegenüber Denomina-tionen, Gemeinden im Leib Christi

-Anpassung derOrganisationsstrukturen

-Entwicklung neuer Formen derZusammenarbeit

-Integrationsprozesse(Menschen, Gedanken)

-Optimierunggemeindlicher Prozesse

-Auffinden vonProblemlösungsprozessen

-Schärfung der Wahrnehmungfür geistliche Unterschiede und deren Wirkungen

-Wissen umProzesse der Veränderung

-u.a.m.

Jede Einflussnahme hilft der Gemeinde dabei, sich mehr und mehr in das Bild einer neutestamentlichen Gemeinde zu entwickeln, in der Einmütigkeit, Wirken des Heiligen Geistes und Verantwortung gegeneinander möglich sind. Dies betrifft - aus systemischer Sicht - dann unmittelbar die Probleme derFunktionalitätder Gemeinde (Wie »funktioniert« Gemeinde?), der Weiterentwicklung ihresSelbstverständnisses(das nicht statisch sein darf) sowie die Überprüfung und Optimierung derGemeindeprozesse(Wie vollziehen sich Entscheidungen? Was läuft gut? Was läuft schlecht?).

Page 30

Es sind also letztlichvier Faktoren,die das Gemeindeleben und den Gemeindebau prägen und damit auch die »Gesundheit« einer Gemeinde aus-

2. DerEinzelne/dieEinzelne (Erfahrung/Wissen, persönliche Ziele, Bedürfnisse, Ängste/Befürchtungen)

3. DieBeziehung aller(Entscheidungen, Kommunikation, Konflikte/ Umgang damit, Beziehungen, Hierarchie - formell/ informell) 4.Sachebene(Thema, Auftrag, Aufgabe, Ziele, Strukturen, Werkzeu-ge, Prozesse, Ressourcen, Rahmenbedingunen)

Jede gesellschaftliche Veränderung mutet der Gemeinde eine Veränderung zu. Nicht aber das biblische Vorbild muss verändert werden; vielmehr bedarf die jeweiligesoziale Ausprägungder Gemeinde der ständigen »Überprüfung« und ggfs. der Korrektur. Es sind nicht wenige Stimmen, die der Gemeinde in Deutschland eine Entwicklung in Richtung Hauskirche bescheinigen! Gemeinde ist alsonicht statisch;sie ist unterwegs auf ihrem Weg zum HERRN. Dem müssen Ausbildungsstätten (z.B. Bibelschulen, Hochschulen, Jüngerschaftsschulung) in jedem Fall Rechnung tragen, damit Gemeinde gesund wachsen kann. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass vollmächtige apostolische Teams für den Aufbau der Gemeinde zukünftignotwendigsein können. Insofern ist Eph 4,11-16 dringlicher als je zuvor.Gemeinden brauchen- wie wir es aus der Schrift wissen -Begleitung.Eine Gemeinde oder eine Leiterschaft, die sich isoliert und auf Hilfe von außen verzichtet, vor allem wenn es Konflikte in der Gemeinde gibt, geht am Ziel der Selbsterbauung des Leibes vorbei.Selbsterbauung geschieht durch den ganzen Leib, nicht durch einzelne.Ein einzelner oder eine einzelne Gruppe ist nicht in der Lage, alle Sozial-, Prozess- und Inhaltsebenen im Blick zu haben. Aber wenn alle Gelenke einander Handreichung geben, kann es gelingen. Zu jeder fruchtbaren Entwicklung gehören: Können, Wollen und Dürfen. Das müssen Gemeinden und vor allem Leiter wieder neu lernen und »durchbuchstabieren«.

Page 31

04 Exkurs: Sekundäre Systeme und ihre Relevanz

Mit seiner Schrift „Theoriedes gegenwärtigen Zeitalters“(erschienen 1955) versucht der Soziologe Hans FREYER den - vor allem technischen, aber auch gesellschaftlichen - Wandel zu beschreiben. Er skizziert dieIndustriegesellschaftim Gegensatz zu älteren Gesellschaften als sogenanntes „sekundäresSystem“.Diese Denkweise findet auch heute ihren Widerhall in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, in der sich die Finanzmärkte verselbständigten. Aber auch im Bereich des Gemeindebaus sind solche sekundären Systeme für die Erklärung bestimmter Phänomene, z.B. „geistlicherMissbrauch“,überaus interessant zu studieren.

„SekundäreSysteme“sind - nach FREYER - dadurch charakterisiert, dass sie Handlungsabläufe entwerfen, die nicht an vorgefundenen Ordnungen - wie etwa die Kultur einer Gemeinde - anknüpfen, sondern von wenigenzweckrationalenSetzungen ausgehen, von denen her sie konstruiert sind und ihre Rationalität erhalten. »SolcheHandlungsabläufe beziehen die Menschen nicht als Person in ihrer Ganzheit, sondern nur mit den Antriebskräften und Funktionen in sich ein, die von den Setzungen und deren Realisierung gefordert sind«.6Das klingt zunächst sehr soziologisch und schwer verständlich. Aber wenn wir die »Antriebskräfte« beispielsweise als einanderes theologisches Verständnisund die »Setzungen« alstheologische AusbildungundAusbildungsstättebegreifen - oder auch umgekehrt, dann verstehen wir, warum es in vielen Gemeinden zu derartigen Problemen wie Spaltung, Parteienzwist oder Machtmissbrauch kommen kann. Gerade bei Pastoren, dievon außenin eine Gemeinde kommen, besteht die Gefahr, dass sich solche sekundären Systemeetablieren.Sie bringen oftmals eine andere theologische Prägung, Erfahrung oder Intention mit, die sich von denen der Gemeinde - manchmal sogargravierendunterscheiden. Wenn sie da keine Geduld und Demut aufbringen, kann es für eine Gemeinde gefährlich werden und zu einer Spaltung kommen, im schlimmsten Fall sogar zu einer Katastrophe, wenn sich eine Gemeinde sogar ganz auflöst. Beides habe ich schon erlebt!

Ein Beispiel aus der Schrift …

In einem solchen »sekundärenSystem«bleibt grundsätzlich außen vor, was die Menschensindoder seinsollen.Die Befriedigung ihrer (berechtigten) Bedürfnisse ist nicht Ausgangspunkt der Handlungsabläufe, sondern das,was das System vorgibt.Die Dynamik und verhaltensprägende Kraft eines solchen Systems darf dabei nicht unterschätzt werden. Es wird und ist selbstErnst-Wolfgang Böckenförde, Woran der Kapitalismus krankt, Süddeutsche Zeitung, Nr.694, S. 8

Page 32

Subjekt des Handelns. Ein gutes Beispiel finden wir in derjüdischen Tradition,die mit ihrer Regelung nach Gesetzen verknüpft ist. Als die neutestamentliche Gemeinde entstanden war, gab es nach wie vor Probleme mit der Gesetzlichkeit. Obwohl Christus das »Endedes Gesetzes«(Röm 10,4) bedeutete, musste Paulus selbst eine so etablierte Persönlichkeit wie Petrus öffentlich zurechtweisen. Wir finden diese Auseinandersetzung des Paulus mit Petrus in Antiochia in Galater 2,11f:

»Alsaber Kephas nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht; denn es war Grund zur Klage gegen ihn. Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judentum fürchtete. Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden, so dass selbst Barnabas verführt wurde, mit ihnen zu heucheln«.Wir haben also hier die - zunächst umgekehrte - Problematik, dassvon außendie jüdische Tradition auf dieneu entstandeneGemeinde Einfluss nahm, indem sich ein neues System bildetete, das beides -FreiheitundGesetzlichkeittollerierte, und das Verhalten bestimmte. Dank dem Wirken des Heiligen Geistes und des Paulus konnte dieses Problem aber bewältigt werden. Ein Petrus ließ sich sogar von dem Heidenapostel Paulus etwas sagen! Dennoch sehen wir, wie späterhin die Gemeindestreitigkeiten im Apostelkonzil (APG 15) noch zum Thema wurden. In diesem Fall also war nicht nur die neutestamentliche Gemeinde entstanden, sondern ein sekündäres System aus FreiheitundGesetzlichkeit, das sich mit Petrus´ Verhalten etabliert hatte. Dieses nahm von außen Einfluss auf die neu entstandene Gemeinde - mit ihrer vom Heiligen Geist gewirkten Erkenntnis von Gnade und Freiheit. Nicht die Gnade allein sollte ausschlaggebend für das Heil sein, sondern Gnadeundgesetzliche Handlung - und zwar zugleich. Das aber hebelte das Evangelium aus. Und dagegen stand Paulus - zu Recht - auf.

Die Negation des Systems

Ein »sekundäresSystem«ist daher eine weitgehend voraussetzungslose Konstruktion. Es entwickelt sich nicht auf einem gewachsenen Boden (hier: die neutestamentliche Gemeinde). Es nimmtkeinevorgefundene Ordnung (Freiheit, Gnade) in sich auf, anerkennt auchkeinhergebrachtes Eigenrecht und vertrautkeinervorausliegenden Gültigkeit. Mit anderen Worten:Ein solches System negiert das vorhandene!Es ignoriert und »entrümpelt«, was im bisherigen System als verbindlich gegolten hat.

Wenn wir das auf die Gemeinde übertragen, dann verstehen wir, wie Gemeinden eines Tages ihre Identität verlieren können und sogar manch-mal ihre Berufung. Wie es im Industriezeitalter zur »Entfremdung« des Arbeiters von seiner Arbeit gekommen ist, so geht in einer Gemeinde die Brüderlichkeit

Page 33

und (äußere) Einheit verloren. Die Gemeinde hat dann nur noch den Namen, aber ist geistlich tot (Off 3, 14 ff., Laodizea).

Abb. 1:Sekundäres System im Neuen Testament

Dassekundäre Systemnegiert nicht nur die althergebrachte Tradition der jüdischen Kultur mit ihrer Vielfalt an Gesetzen und Regeln; es negiert auch die neutestamentlich Gemeinde mit ihrer von Gott geschenkten Gnade und Freiheit (vgl. Kol 2,16-23; Gal 4,1-11.19; Röm 7; 1. Tim 4,1-4). Theologie und genormte Verhaltensweisen definieren also oftmals ein System, das den Menschen willig und angepasst macht oder machen will. Das Besondere an »sekundärenSystemen«ist, dass sie sich hinsichtlich ihrer Funktion und Legitimation auch grundsätzlichunabhängigvon früheren und gewachsenen Strukturen machen.7Dennoch benötigen sie für ihreStabilisierungtatsächlich die Unterstützung von Institutionen und Traditionen (z,B. jüdische Tradition), die ihnen zeitlich vorausgehen und die außerhalb dieser liegen.8Im Falle der Gemeinde und ihrer internen Problematik können dies auch theologische Vorstellungen sein - wie etwa die Einstellung zurcharismatischen Bewegungoder zurPfingstbewegung(vgl. Berliner Erklärung, 1909, Anhang) bzw. die Einschätzung derRolle des Heiligen Geistes- und dahinterstehende Bibelschulen oder Ausbildungsstätten und Autoritätspersonen. Diese Einstellungen und Einschätzungen nehmen dann Einfluss auf die vorgefundene Gemeinde.

Page 34

jedem Fall »geistlicherMissbrauch«im Spiel sein; wo es von Seiten der Leiterschaft jedoch zu »Entgleisungen« kommt, kann dies nicht allein mit dem Vorhandensein eines sekundären Systems erklärt werden. Dann liegt es häufig in der Persönlichkeit des Betreffenden begründet.

Die Dynamik eines sekundären Systems

»Sekundäre Systeme« tendieren dazu, ein sich immer weiter steigendes Tempo zu produzieren. D.h.: In einer Gemeinde kommt es zur Konfliktverschärfung und seltener, falls die »Weisheitvon oben«(Jak 3) fehlt, zu einer Vermeidung weiterer Konflikte. Es entstehen Parteiungen, die das sekundäre System notwendigerweise gebiert, bis es schließlichalleGlieder, diewiderstehenund sichwidersetzen,ausgeschlossen hat. Man kann das mit einem Luftballon - als sekundärem System - vergleichen, der sich in einem Eimer mit Wasser befindet. Je mehr sich dieser aufbläht, desto mehr Wasser verdrängt er, bis schließlich kein Wasser mehr im Eimer ist.

In einem »sekundären System« geht es von daher um Unbeschränktheit bzw. Unbeschränkbarkeit und Dominanz. Es geht nicht mehr um den Nutzen einer Gemeinde, sondern um Macht. Subjekt, der maßgebende Bestimmungsfaktor, ist das System bzw. die bestimmende Denkweise selbst. Für ein solches System gilt, was Thomas BERNHARD schreibt:9

»Wasein Mensch sonst noch ist oder sein könnte, was ihn einmalig und unverwechselbar machen würde: Charakter, Empfindungsreichtum, jegliche Differenzierung, Herkunft, Geschichte, alles Qualitative, im Unterschied zu dem, was quantifizierbar ist, wird als störendes Beiwerk ignoriert, unterdrückt und schließlich zum Verschwinden gebracht. Die Vermittlung eines Besonderen mit einem Allgemeinen, auch Voraussetzung von Bildung und Entwicklung statt Dressur und Anpassung, findet nicht mehr statt«.Letztlich wird der Mensch in einem »sekundärem System« einer Gemeinde auf ein ausführendes Individuum reduziert, ohne eigene Freiheit oder Kreativität. Man kann deshalb bei einem »sekundären System« von »Bedrohungder individuellen Freiheit«(Werner CONZE, 1957) sprechen. Im Falle der Gemeinde ist dann zu befürchten, dass sich »Gesetzlichkeit« breit macht - und das Wirken des Heiligen Geistes gedämpft wird. Der Galater-Brief warnt ausdrücklich davor: »Sounverständig seid ihr? Nachdem ihr im Geist anfingt, werdet ihr nun im Fleisch ans Ziel gebracht«(3,3, JAN-Übs.)?

Die Gefährlichkeit sekundärer Systeme

Page 35

System angepasstwird. Der Einzelne wird - wie FREYER sich ausdrückte»genommen«, »gelebt« und »ergriffen«.Der Mensch als Subjekt wird zum Objekt des Systems, der Gemeinde.Letztlich entfremdet sich der Mensch dabeimehr und mehr - von den Geschwistern und von Gott. Mehrmals spricht die Schrift davon, wie sich Menschen in die Gemeindeeingeschlichenhaben. Das macht die Wichtigkeit des Themas umso deutlicher. Im Folgenden die biblischen Belege:

»Dennes hatten sich einigefalscheBrüder eingedrängt und neben eingeschlichen, um unsereFreiheitauszukundschaften, die wir in Christus Jesus haben, und uns zu knechten«(Gal 2, 4)

»Dennes haben sich einige Menschen eingeschlichen, über die schon längst das Urteil geschrieben ist; Gottlose sind sie,missbrauchen die Gnadeunseres Gottes für ihre Ausschweifung und verleugnen unsern alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus«(Jud 4).

Aber auch APG 20, 29: »Denndas weiß ich, dass nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden,die die Herde nicht schonen;und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, dieverkehrte Dingereden, um die Jünger wegzuziehen in ihre Gefolgschaft«.Joh 10, 11-13: »Ichbin der gute Hirte, der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht; und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe. Der Mietling aber flieht, weil er ein Mietling ist undsich nicht um die Schafe kümmert«.

Dass es sich bei »sekundären Systemen« in der Gemeinde aber nicht immer umlehrmäßigeStrukturen handeln muss, macht die Schriftstelle aus 2. Tim 3 deutlich. Auch christlich-ethische Fragen können ein solches System verfestigen und eine Gemeinde beeinträchtigen. Aber immer kommen die Angriffevon außen,schleichen sich Menschen ein und kommenneben her.Deshalb ermutigt uns Paulus zum Glaubenskampf. Die heutige Gemeinde muss auf der Hut sein, wenn sie ihrem HERRN entgegengerückt werden wird. Jesus warnte ausdrücklich davor, dass nicht alle, die ihn HERR nennen, auch tatsächlich mit Ihm verbunden sind. Sekundäre Systeme, wie ich sie hier vorgestellt habe, sind wiegedankliche Festungen,die die Gemeinde angreifen und zerstören wollen. Ihr Vorhandensein (vgl. Gal 1,6-7; Eph 6,10-17; Hebr 10,29) zu erkennen, war Anliegen dieser Ausführungen.

Page 36

Page 37

05 Gemeindebau in der Vergangenheit

In der Vergangenheit hat es niemals an Gedanken gefehlt, Gemeinde zuformen,zubauenund zuentwickeln.Seit der Entstehung der neutestamentlichen Gemeinde gab es immer wiederneue Anläufe.Häufig genug aber waren esReaktionenauf Unzufriedenheit, Unzulänglichkeit, Besserwisserei und Rebellion. Das unterscheidet die heutige Gemeindegrundsätzlichvon der neutestamentlichen Gemeinde. Letztere war eine Antwort auf dieBerufungdes HERRN gewesen und wurdeeindeutigvom Heiligen Geist ins Leben gerufen und angeleitet.Daraufhinfinden wir auch entscheidende Merkmale des Gemeindebaus in der Schrift. Von daher habenalleKriterien im Gemeindebauvon der Schriftauszugehen.