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In "Aus deutschen Spielhöllen" entfaltet der anonyme Autor eine packende Erzählung, die tief in die düstere Welt der Spielhallen und ihrer sozialen Implikationen eintaucht. Der literarische Stil ist geprägt von einer beeindruckenden Mischung aus präziser Beobachtung und emotionaler Intensität, während die Prosa oft im Stile eines dokumentarischen Berichts daherkommt. Der Leser wird in die komplexen Lebensrealitäten der Charaktere eingeführt, die in diesen Räumen verstrickt sind, zwischen der Flucht vor der Realität und der verführerischen Anziehungskraft des Glücksspiels. Themen wie Abhängigkeit, soziale Isolation und die Schattenseiten der Gesellschaft werden eindringlich beleuchtet und bieten einen kritischen Blick auf die Glücksspielkultur im zeitgenössischen Deutschland. Der anonyme Autor, dessen Identität bewusst verborgen bleibt, ist ein leidenschaftlicher Chronist der urbanen Lebenswelten und zeichnet sich durch ein feines Gespür für die Schicksale der Menschen aus, die von der Gesellschaft oft übersehen werden. Mit einem Hintergrund in Sozialwissenschaften und Literatur hat der Autor aus eigenem Erleben und intensiven Beobachtungen heraus diese eindringliche Darstellung verfasst, um die Leser zum Nachdenken über die Gefahren der Spielsucht und die damit verbundenen sozialen Dynamiken anzuregen. "Aus deutschen Spielhöllen" ist nicht nur eine fesselnde Lektüre, sondern auch eine essentielle Auseinandersetzung mit einem Thema, das in der heutigen Gesellschaft oft tabuisiert wird. Der Leser ist eingeladen, sich in die Abgründe dieser Welt hinabzulassen und dabei das Verständnis für die Lebensrealitäten der Betroffenen zu vertiefen. Dieses Buch ist für alle, die einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Herausforderungen von Abhängigkeiten gewinnen möchten – ein unverzichtbarer Beitrag zur aktuellen Debatte über Glücksspiele.
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Ich war, von Paris kommend, in Frankfurt a. M. im Hotel de Ruffie abgestiegen und speiste an der table d’hôte um 5 Uhr. In meiner Nähe saßen mehrere Mitglieder der fremden, in der freien Reichsstadt residirenden Gesandtschaften. Sie sprachen zuerst von einer Bundestagssitzung, worin die holsteinsche Frage verhandelt worden war, moquirten sich ganz laut über die langen Protokolle, über die immer wiederkehrenden Phrasen, über die großen Anläufe und kleinen Sprünge des Bundestags, und ein französischer Diplomat, der den Ton am Tische anzugeben schien und sich in Reden und Anspielungen gefiel, die ich zum ersten Male an einem Tische, wo Damen saßen, aus dem Munde eines der „höhern Gesellschaft“ angehörigen Mannes vernahm, meinte ganz laut: Die Verhandlungen des Bundestags glichen der Cur des Bandwurms, wo man immer Glieder des Leibes, aber keinen Kopf zu sehen bekommt. Plötzlich veränderte sich die Conversation und wurde ernst: man sprach vom Spiele und von dem glücklichen Spanier Garcia, der seit einigen Tagen wieder in Homburg angekommen war. Er hatte in der verflossenen Saison fast anderthalb Millionen Franken gewonnen, und es schien als ob ihn das Glück neuerdings begünstigen wollte. Die verschiedensten Erläuterungen über die Art seines Spieles wurden vorgebracht. Jeder der am Gespräch Betheiligten wollte die genauesten Beobachtungen über das „System“, welches jener große Mann befolgte, angestellt haben. Eine wichtige politische Angelegenheit, die römische Frage, ein neuer Krieg in Italien, die Stellung des Kaisers Napoleon zu Oesterreich konnte nicht mit größerem Ernste besprochen und nach allen Richtungen hin erörtert werden, als das Spiel des Herrn Garcia, die Summen, die er bisher gewonnen hatte, und die Frage, ob er seine großen Gewinnste der Verfolgung eines voraus entworfenen Planes, eines „Systems“, oder blos dem glücklichen, ihn immer begünstigenden Zufalle verdanke. Die Herren gingen zuletzt zu mathematischen Berechnungen über, nahmen Papier und Bleistift zur Hand und entwarfen die Figuren, nach denen man am sichersten gewinnen könnte. Das Diner war zu Ende, der Kaffee wurde herumgereicht, die meisten Gäste verließen den Saal, auch ich entfernte mich, nur die Herrn Diplomaten blieben zurück, im ernstesten Gespräche über die obenerwähnte Angelegenheit vertieft.
Ich ging ins Theater, man gab ein Lustspiel; als ich eintrat, fiel gerade der Vorhang; der erste Act war zu Ende. Ich begab mich ins Büffet: dort wurde von Homburg, Wiesbaden und von Monsieur Garcia gesprochen; ich flüchtete auf die Straße, gegenüber dem Theatergebäude befindet sich ein Kaffeehaus, ich ließ mir eine Tasse Eis reichen und nahm das „Intelligenz-Blatt der freien Stadt Frankfurt“ zur Hand: die erste Localnotiz, auf die mein Auge fiel, handelte von Homburg und Garcia; das nächst vor mir liegende Blatt war der französische Figaro: der Leitartikel war ein Brief des M. de Villemessaut über die deutschen Bäder, über Garcia und andere Spieler. Alle Frankfurter Blätter waren überdies noch gefüllt mit Ankündigungen von Bällen, Concerten, Festivals in den Spielbänken und den Vortheilen, welche diese oder jene Bank den Spielern gewährt; das System der Anlockung war so vollständig organisirt, daß ich mich entschloß, es in der unmittelbaren Nähe, so zu sagen an der Quelle, zu prüfen. Ich war zwar nicht das erste Mal an jenen Orten, hatte aber immer nur einige Tage in dem einen oder dem anderen verbracht. Ohne Zweck und Ziel für die nächsten Wochen nahm ich mir vor, endlich den Wünschen des Herausgebers der Gartenlaube nachzugeben, diese Spielorte behufs einer ausführlichen Schilderung nach einander zu besuchen, und den Kelch ihrer Genüsse bis auf die Neige zu leeren.
Ich fuhr zuerst nach Homburg. Der Ort bietet an und für sich, d. h. als Landaufenthalt, nicht den mindesten Reiz. Er besteht aus einer langen Gasse; jedes Haus ist entweder ein Gasthof oder ein Hotel garni; kein einziges – factisch– wird von seinem Eigenthümer allein bewohnt. Hinter dem „Curhause“ sind jetzt einige neue Häuser gebaut worden, die den Anfang einer schönen Straße bilden. Gegen das Ende der Hauptstraße tauchen einige von Handwerkern und Kleinbürgern bewohnte Nebengäßchen auf; sie führen nach dem landgräflichen Schlosse, dessen langweiliger und von den Fremden fast nie besuchter Garten der einzige nahe Spaziergang ist; jeder andere liegt schon in solcher Entfernung, daß er einen längern Ausflug fordert. Das ganze gesellschaftliche Leben Homburgs ist also in dem Curhause concentrirt, und dieses ist auch mit einer Pracht gebaut und ausgestattet, daß zehn Landgrafen von Homburg, wenn sie es auf ihre Kosten herstellen wollten, sich daran arm gebaut hätten.