Aus tiefster Seele - Samantha Hayes - E-Book

Aus tiefster Seele E-Book

Samantha Hayes

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Beschreibung

Claudias Leben scheint perfekt. Sie hat einen liebvollen Ehemann, lebt in ihrem Traumhaus, und auch ihr Wunsch nach einer richtigen Familie wird sich in Kürze erfüllen, denn Claudia ist hochschwanger. Dann tritt Zoe in ihr Leben. Die junge Frau soll Claudia helfen, sobald das Baby auf der Welt ist. Doch irgendetwas an Zoe gefällt Claudia nicht. Als sie sie eines Tages in ihrem Schlafzimmer ertappt, ist ihr Misstrauen vollends geweckt – und es soll schon bald in blanke Angst umschlagen …

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Seitenzahl: 516

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Buch

Schon in wenigen Wochen wird sich Claudia Morgan-Browns größter Wunsch erfüllen: Sie ist im achten Monat schwanger mit einem Mädchen, und obwohl sie ihre Stiefsöhne, die vier Jahre alten Zwillinge Noah und Oscar, von Herzen liebt, sehnt sie sich doch danach, endlich ihr eigenes Baby in den Armen zu halten. Da ihr Mann James, ein Navy-Offizier, oft auf Auslandseinsätzen unterwegs ist, hat das Paar die junge Zoe Harper als Haushaltshilfe und zukünftige Nanny engagiert. Claudia ist nicht gerade glücklich über die Aussicht, jemand Fremden im Haus zu haben; noch dazu kommt ihr irgendetwas an der zurückhaltenden Zoe merkwürdig vor. Doch da James und Claudias beste Freundin Pip Zoe sympathisch finden und die Zwillinge sie sofort in ihr Herz schließen, schiebt sie ihre eigenen Zweifel beiseite – bis sie Zoe eines Tages in ihrem Schlafzimmer erwischt und ihr Misstrauen neu erwacht …

Zur gleichen Zeit muss die Kommissarin Lorraine Fisher in einem besonders grausamen Mordfall ermitteln: Eine Schwangere und ihr ungeborener Sohn sind tot; der Täter hat Mutter und Kind schwer verletzt und verblutend zurückgelassen. Bald darauf wird eine zweite Frau angegriffen – die achtzehnjährige werdende Mutter Carla überlebt, ihr Kind nicht. Claudia, die als Sozialarbeiterin für Carla zuständig war und von der Polizei befragt wird, ist ebenso schockiert über die brutalen Morde wie Lorraine. Ein psychopathischer Killer scheint Jagd auf Schwangere zu machen … Wer ist sein nächstes Opfer?

Autorin

Samantha Hayes wuchs in den englischen Midlands auf und wünschte sich schon mit zehn Jahren sehnlichst eine Schreibmaschine. Doch erst nach vielen Reisen und beruflichen Umwegen erfüllte sie sich ihren Traum und verfasste ihren ersten Roman. Während eines Australienaufenthalts lernte sie ihren Ehemann kennen. Mit ihm und ihren Kindern lebte Samantha Hayes für einige Zeit in den USA, bevor sie schließlich in ihre Heimat England zurückkehrte, wo sie, wenn sie nicht gerade schreibt, alte Häuser renoviert.

Samantha Hayes

Aus tiefster Seele

Psychothriller

Aus dem Englischen

von Sabine Schilasky

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel Until You’re Mine bei Century, London

Deutsche Erstausgabe Juni 2014 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © Samantha Hayes 2013

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 by Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Johannes Frick, Neusäß/Augsburg,

unter Verwendung von Motiven von Shutterstock

Redaktion: Ulrike Nikel

AF · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-12416-8V002

www.blanvalet.de

In Liebe für Lucy, mein strahlendes Licht

Prolog

Ich habe mir seit jeher ein Baby gewünscht, schon als ich klein war und keine Ahnung hatte, woher die Kinder kommen. Diese tiefe Sehnsucht trage ich mit mir herum, solange ich denken kann. Man könnte auch von einer Krankheit sprechen, einem bösartigen Verlangen, das durch meinen Leib kriecht, sich um meine Adern legt, sich an Milliarden Nervenbahnen anheftet und mein Gehirn mit einem hormongesteuerten Sehnen benebelt. Alles, was ich jemals wollte, war ein Baby.

Ein kleines Mädchen. Ist das denn zu viel verlangt?

Ich weiß noch, wie ich als Kind die Augen fest zusammengekniffen habe und mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen versuchte, eine Art Magie heraufzubeschwören. Dabei nahm ich ein Zauberpulver zu Hilfe, das ich aus dem duftenden rosa Puder meiner Mutter und einer Tube Silberglitzer mischte und auf meine Tiny-Tears-Puppe streute. Dann hielt ich den Atem an und wartete, dass sie lebendig wurde. Meine schmerzfreien, jungfräulichen Wehen dauerten ganze drei Minuten.

Heute kann ich darüber lachen und finde das Ganze ein bisschen peinlich. Aber gleichzeitig möchte ich etwas an die Wand werfen.

Damals konnte ich es nicht begreifen. Ich erinnere mich daran, wie ich die leblose Plastikpuppe, die da in ihrem Glitzerpuderkranz auf dem Teppich lag, sanft mit dem Finger anstupste. Warum atmete sie nicht? Warum wurde sie nicht lebendig? Warum hatte das Zauberpulver– oder der liebe Gott oder meine besonderen Kräfte oder irgendwas– die Puppe nicht zum Leben erweckt? Warum war sie immer noch bloß kaltes, totes Plastik? Heulend saß ich da, hielt die in ihre Strickdecke gewickelte Puppe in meinen Armen und beweinte die vergebliche Liebesmüh, mit der ich sie über die Jahre bedacht hatte– für mich die längste Schwangerschaft aller Zeiten. Galt das alles denn gar nichts? Ich wünschte es mir so sehnlich, die Puppe aus ihrem Spielzeugland ins reale Leben zu holen und ihre Mummy zu werden. Wollte sie nicht mein Baby sein? Wollte sie nicht geliebt und gefüttert, gewiegt und verhätschelt, bestaunt und verwöhnt werden? Erwiderte sie meine Liebe nicht?

Bestimmt habe ich es an die hundert Male mit dem Zauberpulver probiert. Jeder Versuch scheiterte ähnlich einer teuren, aber nutzlosen künstlichen Befruchtung– obwohl ich damals natürlich diese Methode nicht kannte. Frustriert riss ich der Puppe, als ich zwölf Jahre alt war, den Kopf ab und steckte sie in den glühenden Ofen im Wohnzimmer, als gerade keiner hinschaute. Beobachtete durch das Glasfenster, wie ihr Plastikkörper in die Aschenschale tropfte. Die Augen hielten sich am längsten– jedes starrte himmelblau aus einer anderen Richtung zu mir herauf.

Blödes geschmolzenes Baby.

»Wenn mir jemand Enkelkinder schenkt, dann bist du das sicher«, pflegte meine Mutter stets zu sagen, wobei ihre rechte Wange wie zur Bestätigung heftig zuckte. Ich betete, dass ich diesem Anspruch gerecht würde. Mum war nämlich kein Mensch, der Enttäuschungen gut aufnahm. Sie hatte schon zu viele erlebt, um weitere gelassen hinzunehmen.

Sissy– so nannte mich meine ältere Schwester anfangs, und dabei blieb es auch, als sie meinen richtigen Namen längst aussprechen konnte. Zwischen uns lagen nur achtzehn Monate, und da wir die einzig überlebenden Kinder in der Familie waren, schweißte uns das dauernde mütterliche Herzen und Drücken noch enger zusammen. Unsere Mum hatte acht Fehl- und drei Totgeburten hinter sich, und ein kleiner Bruder starb mit zwei Jahren an einer Meningitis. In dieser langen Reihe war ich die Jüngste– die Letzte, die so eben noch mal Glück gehabt hatte.

»Dich hätten wir beinahe auch verloren«, lamentierte meine Mutter ständig. Oft saß sie dann auf der alten Bank, umrahmt von einer roten Rankpflanze, kaute ihre Tabletten und rauchte Kette. Es sah aus, als würde sie brennen.

Eigentlich hätte mir das Wunder, gegen alle Widrigkeiten überlebt zu haben, das Gefühl verleihen müssen, etwas Besonderes zu sein. Ein gewitztes Kind, dem es irgendwie gelang, den Fluch zu brechen. Dessen Existenz unter einem Glücksstern stand. Ein Wesen, über das eine gewaltige Menge Zauberpulver verstreut worden war und das dank einer geheimnisvollen Magie lebte und atmete.

Aber so war es nicht. Im Gegenteil. Mich plagte das schlechte Gewissen, und ich trauerte um all meine toten Brüder und Schwestern. Es kam mir vor, als hätte ich mich vorgedrängelt und ihren Platz eingenommen.

Mein Vater, ein stiller, bescheidener Mann mit Kohlestaubstreifen am Hals, versuchte meinen Kummer zu besänftigen. Beim Essen lehnte er immer an der Küchenspüle, aß meist Kartoffelbrei, und hinter seinem Ohr klemmte bereits die Zigarette für hinterher. Dad liebte mich, strich mir übers Haar, wenn Mum nicht hinsah. Sein Sterben begann schon in meiner frühen Kindheit, so habe ich es jedenfalls in Erinnerung.

Die schmutzigen Linien blieben ihm bis zu seinem Tod erhalten. Er starb, wie meine Mutter bedeutungsvoll erzählte, an Lungenkrebs und einem Emphysem, Folgen eines harten Arbeitslebens in der Kohlengrube. Die tätowierte Kette war das Einzige, was ich an ihm wiedererkannte, als er im Sarg lag. Ich war damals fünfzehn und stand seinem Tod sprachlos gegenüber.

Bei der Totenwache hörte ich meine Mutter mit Tante Diane darüber reden, ob Dad in den Himmel gekommen sei und wieder als Baby auf die Erde zurückkehren werde. Mum fuhr auf diesen ganzen verrückten spirituellen Kram ab und rannte schon zu einem Medium, ehe Dads Leiche richtig kalt war. Gewöhnlich ging Diane auf diesen Unsinn ein, auf diese »weniger normalen Momente« meiner Mutter, wie sie es nannte. Damals wunderten wir uns darüber, doch inzwischen denke ich, sie tat es für meine Schwester und mich. Um uns das Gefühl zu geben, dass alles in Ordnung sei, obwohl es das nicht war. »Eure Mutter ist verrückt wie ein zweiköpfiges Huhn«, sagte sie einmal zu uns. Danach wünschte ich mir, meine Tante zur Mutter zu haben.

Später im Badezimmer schüttete ich die Reste meiner alten magischen Pudermischung über meinem Bauch aus, redete mir ein, es sei die Asche meines armen Daddys, und betete, dass sie von meinem Schoß absorbiert würde, damit mein Vater in mir zum Baby heranwachsen und weiterleben konnte. Es würde mich glücklich machen, weil ich mir so dringend jemanden zum Umsorgen wünschte. Und meine Mutter bestimmt ebenfalls, selbst wenn ihr verstorbener Ehemann jetzt in Gestalt eines kleinen Mädchens daherkäme.

Von diesem Moment an betrachtete ich es als meine Lebensaufgabe, ein Baby zu kriegen.

1

»Jemand hat auf unsere Anzeige geantwortet.«

Ich blicke über meinen Laptopdeckel hinweg und verziehe das Gesicht ein bisschen. Insgeheim habe ich gehofft, dass sich niemand meldet und ich es irgendwie alleine schaffe.

»Es ist nicht gut, wenn du zu dicht vor dem Ding sitzt.« James tippt auf den Bildschirm, als er an mir vorbei zum Küchenschrank geht und den Wok herausholt. »Strahlung und so.« Ich liebe es, dass er kocht und mich verwöhnt.

»Laut Ultraschall hat sie Arme und Beine und alles, was dazugehört. Hör auf, dir Sorgen zu machen.« Ich habe ihm die Ultraschallbilder Dutzende Male gezeigt, weil er bei Untersuchungsterminen nicht dabei war. »Wir erwarten ein gesundes kleines Mädchen.« Ich setze mich schwerfällig anders hin und stelle den Laptop neben mich auf das alte Sofa. »Willst du gar nicht wissen, wer auf die Anzeige geantwortet hat?«

»Doch, klar will ich. Erzähl schon.« James schüttet Öl in den Wok. Er ist ein chaotischer Koch. Der blaue Flammenring schießt nach oben, als James das Gas auf höchste Stufe stellt. Er nagt an seiner Unterlippe und wirft Hühnchenteile in den Wok. Der Rauch wird von der Abzugshaube aufgesaugt.

»Eine Zoe Harper«, sage ich über das Brutzeln hinweg und lese noch einmal die E-Mail. »Hier steht, dass sie über jede Menge Erfahrung und alle erforderlichen fachlichen Qualifikationen verfügt.«

Ich werde sie später anrufen, um mir anzuhören, wie sie klingt. Außerdem muss ich so tun, als würde ich es ernst meinen, wenngleich mir die Vorstellung, eine Fremde im Haus zu haben, nicht sonderlich gefällt. Allerdings hat James Angst, ich könnte in den Zeiten seiner Abwesenheit alleine nicht klarkommen. Sicher nicht zu Unrecht, denn bestimmt werde ich Hilfe brauchen.

Unser Gespräch wird abrupt von Lärm, Gepolter und Geschrei aus dem Wohnzimmer unterbrochen. Ich stemme mich vom Sofa hoch, die Beine gespreizt und die Hände im Rücken, um meine Wirbelsäule zu stützen. James will gleich losstürzen, doch ich gebe ihm ein Zeichen. »Ist schon okay, ich gehe.« Er scheint zu denken, dass ich nichts mehr hinkriege, seit er zu Hause ist. Was wohl daran liegt, dass ich das letzte Mal, als er mich gesehen hat, nicht unbedingt wie eine ideale Hausfrau wirkte.

»Oscar, Noah, was ist hier los?« Ich stehe in der Wohnzimmertür. Die Jungen schauen zu mir hoch. Sie befinden sich im Frühstadium eines Krieges. Oscar klebt etwas krustig Gelbes im Mundwinkel. Noah hält das Spielzeuggewehr seines Bruders in der Hand.

Mit solchen Sachen lasse ich sie nur spielen, wenn James zu Hause ist. Sonst sind die Spielzeugwaffen im Schrank eingeschlossen. Das Thema löste vor Jahren einen heftigen Streit bei einer schrecklichen Dinnerparty aus, kurz nachdem ich James kennengelernt hatte. Damals hoffte ich so sehr, dass seine Freunde mich mögen, keine Vergleiche anstellen und mir zutrauen würden, über hinreichend Mutterinstinkt zu verfügen, um zwei geerbte Söhne großzuziehen.

»Wie hältst du es mit solchen Sachen bei den Zwillingen, Claudia?«, fragte mich eine Bekannte.

Es ging um die Frage, ob Schwerter und andere Waffen geeignetes Spielzeug seien. In meinem Job sehe ich weiß Gott genug verkorkste Kinder und finde, dass sie mit ihrer Zeit Besseres anfangen könnten.

»Es muss schwer sein, Mutter zu sein, wenn man es nicht wirklich ist«, fügte die Fragestellerin hinzu. Ich hätte ihr eine knallen können.

»Komm her, Oscar«, sage ich und lecke ein Papiertuch an, um ihm den Mund zu wischen. Er strampelt sich von mir los. Dann sehe ich zu dem Gewehr in Noahs Hand. Es ihm wegzunehmen würde eine Katastrophe auslösen.

Damals bei der Dinnerparty erklärte ich leise, dass ich mich durchaus in der Lage sähe, bei den beiden Jungen die Mutterrolle auszufüllen, aber keiner hörte mehr hin oder interessierte sich für mich. Trotzdem wollte ich das Thema beenden. »James ist in der Navy«, sagte ich, »also sind die Jungs naturgemäß von militärischen Dingen fasziniert… Die sind nicht tabu bei uns, obwohl…« Inzwischen war ich krebsrot im Gesicht und wünschte mir nur noch, nach Hause gehen zu können.

»Gib deinem Bruder das Gewehr zurück, Noah. Hast du es ihm weggenommen?«

Das Kind antwortet nicht, hebt stattdessen die Plastikwaffe, zielt auf meinen Bauch und drückt den Abzug. Ein schwächliches Klicken ist zu hören. »Peng. Das Baby ist tot«, sagt Noah mit einem Zahnlückengrinsen.

»Sie schlafen. Halbwegs zumindest.« James trägt seinen Lieblingspullover, von dem er nicht weiß, dass ich ihn mit ins Bett nehme, wenn er fort ist. Und er hat ein Glas Wein mitgebracht. Der Glückliche. Immerhin ist Freitagabend. Ich trinke Pfefferminztee und habe ein schmerzendes Steißbein. Außerdem könnte ich schwören, dass meine Knöchel geschwollen aussehen.

James setzt sich zu mir aufs Sofa. »Und wie klang diese Mary Poppins?« Er legt einen Arm um meine Schultern und spielt mit meinem Haar.

Während er die Jungen ins Bett brachte– und dabei ein bisschen beschwipst Janie’s Got a Gun von Aerosmith sang, dabei anstelle von Janie Oscar und Noah einsetzte–, habe ich Zoe Harper angerufen, die sich auf unsere Anzeige gemeldet hat.

»Sie klang… gut.« Ich sage das ein bisschen gereizt, weil ich sie eigentlich nicht sympathisch finden wollte. »Nett sogar. Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dass sie sich wie ein Zimtziege anhört oder lallt.«

Meine Abwehrhaltung hat ihren Grund. Zwei Nannys habe ich bereits ausprobiert, und beide entsprachen auf die eine oder andere Art weder meinen Erwartungen noch ihren Selbstdarstellungen. Außerdem mochten es die Jungen nicht, sie dauernd um sich zu haben. Deshalb jonglieren wir derzeit mit hilfsbereiten Freunden, Hort und neuerdings Schulfrühstück und Nachmittagsbetreuung und kommen so einigermaßen zurecht. Für James jedoch stellt das keine Dauerlösung dar– vor allem nicht, weil das Baby bald kommt. Da will er alles geregelt wissen.

»Leider klang Zoe Harper ganz und gar nicht komisch«, füge ich hinzu und beobachte, wie seine Miene hoffnungsvoller wird. »Nicht wie eine Zimtziege, meine ich.«

James ist meist Wochen oder Monate weg, und ich habe einen anstrengenden Job, der bisweilen absurde Arbeitszeiten verlangt. Entsprechend plagt mich dauernd das schlechte Gewissen. Ich will einerseits die beste Mutter der Welt sein, andererseits meinen Beruf nicht aufgeben. Das hatte ich mir geschworen, als ich in diese Familie einheiratete. Ich liebe meinen Job, denn er definiert, wer ich bin– vermutlich zahle ich jetzt den Preis dafür, alles auf einmal zu wollen.

Einen Moment lang schweigen wir beide und denken über die Situation nach. Allein um die Anzeige zu formulieren, haben wir mehrere Abende gebraucht. Dennoch glaube ich nicht, dass wir uns das Ganze richtig überlegt haben– was es bedeutet, einen fremden Menschen dauerhaft ins Haus zu nehmen.

»O Gott, was ist, wenn sie wie die letzten beiden ist?«, sage ich nach einer Weile. »Das wäre den Jungen gegenüber unfair. Oder dem Baby. Oder mir.« Ich hieve meinen Bauch höher, damit ich die Beine angewinkelt aufs Sofa legen kann.

»Nanny-Cam?«, schlägt James vor und gießt sich noch ein Glas Wein ein.

»Lass mich mal schnuppern«, sage ich und beuge mich rüber. Zu gerne würde ich einen Schluck trinken.

»Alkoholdämpfe«, erwidert er, hält das Glas weg von mir und bedeckt es mit der freien Hand. Grinsend gebe ich ihm einen Klaps auf die Schulter. Er sorgt sich ja nur um mich und das Baby.

»Gönn mir wenigstens die Dämpfe«, gebe ich zurück. »Und das mit der Nanny-Cam ist wohl nicht dein Ernst, oder?«

»Doch, natürlich. Das macht inzwischen jeder.«

»Quatsch! Eine Kameraüberwachung verstößt gegen ihre Persönlichkeitsrechte als Nanny oder so. Und wie soll das gehen? Ich starre den ganzen Tag auf meinen Computer und beobachte, wie die Jungs Lego spielen und die Nanny das Baby füttert? Da macht es wenig Sinn, überhaupt eine einzustellen.«

»Dann hör auf zu arbeiten«, antwortet er resigniert, aber durchaus ernst.

»Ich bitte dich, James, lass uns nicht erneut damit anfangen.« Es ist mir unbegreiflich, dass er es schon wieder versucht. Zum Glück reicht meine Hand auf seinem Schenkel als Warnung, denn er zuckt mit der Schulter und dreht den Fernseher lauter. Es läuft gerade Children’s Hospital, und das Letzte, was ich zur Zeit sehen möchte, sind kranke Kinder. Bloß kommt leider sonst nichts Gutes.

Während ich noch über die Sache mit der Nanny-Cam nachdenke, steht plötzlich Oscar wie angewurzelt in der Tür. Diese Auftritte beherrscht er glänzend: ein winziger Junge mit blutender Nase. Er versucht nicht einmal, den Blutfluss aufzuhalten, und entsprechend dramatisch sieht sein Ben-10-Pyjama inzwischen aus.

»Ossy, mein Süßer«, sage ich und versuche mich hochzurappeln. Doch inzwischen ist James schon aufgesprungen und hat sich eine Handvoll Papiertaschentücher aus der Schachtel auf dem Tisch geschnappt.

»Nicht schon wieder.« James hebt seinen Sohn hoch und setzt ihn zu mir auf das Sofa. Dann geht er Eis holen, während Oscar sich an mich kuschelt. Er legt seinen Kopf auf meinen Kugelbauch, sodass Blut auf mein altes T-Shirt tropft.

»Das Baby sagt, dass es dich mag, Ossy«, sage ich, und er sieht mich mit großen blauen Augen über einer gruselig blutigen Nase an. James kommt mit einer Packung Tiefkühlerbsen zurück, hat aber ein Tuch zum Umwickeln der Plastiktüte vergessen und läuft wieder in die Küche zurück.

»Wie kann das Baby mich mögen?«, will Oscar wissen. »Das kennt mich ja gar nicht.« Er hört sich an, als sei seine Nase komplett verstopft.

»Na ja…«

Als James das Tuch bringt, wickle ich es um die Erbsentüte und drücke das kalte Päckchen auf Oscars kleine Nase. Es ist nicht das erste Mal– der Arzt meint, dass vielleicht die Gefäße irgendwann verödet werden müssen.

»Sie mag dich, ganz bestimmt«, erkläre ich ihm. »Das ist angeboren. Babys kommen mit diesem Wissen, dass man sie gernhat, zur Welt. Auch dieses kleine Mädchen.«

»Noah mag das Baby nicht«, antwortet Oscar hinter der Erbsenpackung. »Er sagt, dass er sie hasst und sie vom Planeten schießen will.«

Noah, mein kleiner Stiefsohn. Obwohl ich innerlich zusammenzucke, bemühe ich mich, gelassen zu bleiben. »Vielleicht ist er ein bisschen eifersüchtig, weiter nichts. Du wirst sehen, dass es anders aussieht, wenn sie erst geboren ist.« Ich schaue über Oscars Kopf hinweg zu James, und beide verziehen wir das Gesicht, fragen uns, welche Freuden uns mit drei Kindern unter fünf Jahren erwarten. Eine neue Nanny wird es mit den Zwillingen nicht leichter machen. Vielleicht sollte ich wirklich meine Arbeit aufgeben.

Ich hebe die eingewickelte Erbsentüte von Oscars Gesicht und nehme die durchweichten Papiertücher weg. Die Blutung scheint aufgehört zu haben, und der Junge kann zurück in sein Bett, während James und ich uns erneut dem Thema »Nanny« zuwenden.

»Wie gesagt«, knüpfe ich an das vorher Gesagte an. »Diese Zoe Harper klang nett. Nein, wirklich«, beteuere ich kichernd, als James eine Grimasse schneidet, und streiche mit beiden Händen über meinen Bauch. »Anscheinend hat sie schon in Dubai und in London gearbeitet.«

»Wie alt?« James’ Atem riecht nach Wein, und ich möchte ihn küssen.

»In den Dreißigern, schätze ich. Ich habe nicht gefragt.«

»Wie überaus klug von dir. Sie könnte also genauso gut zwölf sein.«

»Jetzt mach mal halblang, James! Ich werde sie bestimmt noch nach allen Regeln der Kunst durchleuchten und am Ende mehr über sie wissen als sie selbst.«

»Ja, ich kapiere bloß nicht, warum du überhaupt wieder arbeiten willst. Es ist ja nicht so, als seien wir auf das Geld angewiesen.«

Ich muss lachen, ganz warm und ganz liebevoll aus dem Bauch heraus. »Ach James!« Ich rutsche zur Seite, lehne mich an ihn und küsse ihn auf den Hals. »Du hast von Anfang an gewusst, wie es läuft. Wir wollten ein Baby, aber ich liebe auch meinen Job. Bin ich zu egoistisch, weil ich beides will?« Wieder küsse ich ihn, und diesmal dreht er den Kopf zu mir und erwidert den Kuss. Es ist für uns beide sehr schwierig. Natürlich weiß er Bescheid und hält sich brav an die Anweisungen des Arztes.

»Nicht zu vergessen, dass in der Abteilung alles den Bach runtergeht, wenn ich ganz aufhöre. Wir sind sowieso bereits gefährlich unterbesetzt.«

»Hast du nicht gesagt, dass Tina übernimmt, solange du weg bist?«

Ich schüttle den Kopf und merke, dass ich mich gestresst fühle. »Die anderen teilen meine Fälle unter sich auf, während ich im Mutterschutz bin, aber sobald das Baby und die Jungs sich eingewöhnt haben, will ich wieder arbeiten. Und je länger ich vor der Geburt arbeite, desto mehr Zeit habe ich anschließend zu Hause.«

James spürt meine Angst, legt beide Hände an meine Wangen und küsst mich auf den Mund. Es ist ein Versprechen: das Thema Berufstätigkeit nicht mehr ständig aufs Tapet zu bringen und mich auch nicht zum Sex zu drängen.

»Jedenfalls kommt Supernanny Zoe Harper morgen um elf zum Kaffee.« Ich grinse ihn schief an.

»Gut«, sagt James und schaltet auf einen Nachrichtensender um. Er saugt den ganzen Börsenkram in sich hinein und stöhnt wegen seiner Pension und seiner Anlagen. Mir ist es unmöglich, so weit vorauszudenken. Ich kann mir schlicht noch nicht vorstellen, alt zu sein, in den Ruhestand zu gehen und meinen Lebensabend mit den Erträgen aus James’ Erbe zu bestreiten. Meine Perspektive reicht nur bis zum Ende dieser Schwangerschaft, wenn das Baby da ist und unsere Familie komplettiert.

Endlich werde ich eine richtige Mutter sein.

2

Ich komme zu spät. Spüre, wie sich ein Stirnrunzeln in mein Gesicht gräbt, das durch die eisige Luft wie erfroren wirkt. Zu spät zu kommen, das kann ich mir nicht leisten. Ich brauche diesen Job dringend und um jeden Preis. Gott, keiner ahnt, wie sehr ich auf diese Stelle bei James und Claudia Morgan-Brown angewiesen bin!

Typisch dieser Doppelname, genau wie das große Haus in Edgbaston, dem wohlhabendsten Stadtviertel von Birmingham. Ich trete fester in die Pedale. Sicher werde ich dort rot vor Kälte und verschwitzt vor lauter Anstrengung eintreffen. Wie bin ich bloß auf die Idee gekommen, dass Radfahren eine gute Idee ist? Wollte ich die Leute mit meiner Liebe zur frischen Luft, zur ökologisch korrekten Fortbewegung und zum Sport überzeugen, dass ich ohne Zweifel die richtige Nanny für ihre Sprösslinge bin? Möglicherweise halten sie mich schlicht für bescheuert, dass ich auf dem Rad zu einem Vorstellungsgespräch fahre.

»St. Hilda’s Road«, murmle ich wieder und wieder vor mich hin und blinzle zu den Straßenschildern hinüber. Ich schwanke ein bisschen, als ich den Arm ausstrecke, um rechts abzubiegen, und ein Auto hupt gleich wegen dieser Schlangenlinien. »Entschuldigung!«, brülle ich, auch wenn das hier bestimmt keine Gegend ist, in der man lautstark herumschreit. Völlig anders als das Viertel, wo ich zuletzt gewohnt habe.

Ich fahre an den Straßenrand und hole einen Zettel aus meiner Tasche. Nachdem ich die Adresse noch einmal überprüft habe, radle ich weiter und biege an der dritten Querstraße links ab. Waren die Häuser bislang schon groß, so sind sie in der St. Hilda’s Road riesig. Imposante georgianische Bauten, die auf gigantischen Grundstücken rechts und links der Allee stehen. Makler würden von »Herrenhäusern« sprechen.

Auch bei dem Haus von James und Claudia handelt es sich um eine solch noble Villa. Am Sockel rankt wilder Wein. Ich kenne die Sorte aus meinem früheren Zuhause, das übrigens locker zwanzigmal in dieses Gebäude passen würde. Obwohl es bereits Mitte November ist, hängen noch einige scharlachrote Blätter an den Ranken. Nachdem ich ein gewaltiges Eisentor passiert habe, schiebe ich mein Rad knirschend über die bekieste Auffahrt. Nie zuvor habe ich mich so deplatziert gefühlt wie in diesem Moment.

Das Haus der Morgan-Browns ist symmetrisch angelegt und rot verklinkert. Der Eingang, eine leuchtend grün gestrichene Tür, befindet sich unter einem eindrucksvollen Säulenvorbau mit großen Buntglasfenstern zu beiden Seiten.

Ich weiß nicht, was ich mit meinem Rad anfangen soll. Es einfach vor der Treppe in den Kies zu legen kommt mir unangemessen vor. Und es auf dem gepflegten Rasen mit den rautenförmigen Rosenbeeten abzulegen, scheint mir genauso abwegig.

Suchend schaue ich mich um und entdecke vor dem Eingangstor einen Baum. Eilig gehe ich zurück auf die Straße, doch der Baumstamm ist zu dick für meine Fahrradkette. Ich schiebe das Rad ein Stück weiter und entdecke eine zweite, schmalere Einfahrt seitlich des Hauses, die zu einer Dreiergarage führt. Unsicher betrete ich erneut das Grundstück und fühle mich, als würden mich Dutzende Augenpaare aus den Fenstern beobachten und sich über meine alberne Hilflosigkeit mokieren.

Ich weiß immer noch nicht, was ich mit meinem Rad anfangen soll, und lehne es schließlich an die Seitenwand der Garage, wo es weder vom Haus noch von der Straße aus zu sehen ist. Das muss gehen. Zuvor habe ich es vorsichtig an dem großen Geländewagen und dem BMW vorbeigeschoben, die nebeneinander vor der Garage parken.

Dann hole ich tief Luft und zupfe mein Haar ein bisschen zurecht, wische mir mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht, bevor ich zum Vordereingang gehe und dreimal mit dem großen Messingklopfer gegen die grüne Eingangstür schlage. Er stellt einen auf dem Kopf stehenden Fisch dar, und mir scheint, als würde er mich mit offenem Maul erstaunt anglotzen.

Lange muss ich nicht warten. Ein kleiner Junge zieht die Tür unter Aufbietung aller seiner Kräfte auf. Er sieht fast durchsichtig blass aus, geht mir ungefähr bis zur Hüfte und hat zotteliges aschblondes Haar. Einer meiner Schützlinge, nehme ich an.

»Was ist?«, fragt er unhöflich.

»Hallo.« Ich hocke mich hin, wie es Nannys tun, und lächele. »Ich bin Zoe und möchte deine Mutter besuchen. Ist sie zu Hause?«

»Meine Mummy ist im Himmel«, antwortet er und will mir die Tür vor der Nase zuschlagen. Ich hätte Süßigkeiten oder Ähnliches mitbringen sollen.

Bevor ich entscheiden kann, ob ich die Tür festhalte und eine Rangelei mit dem Kind riskiere oder wieder den Klopfer betätige, taucht eine attraktive Frau hinter ihm auf. Ihr Bauch unter dem schwarzen Stretchtop ist riesengroß und befindet sich direkt vor meinem Gesicht, sodass ich ihn unweigerlich anstarren muss.

»Zoe, nicht wahr«, sagt sie. Ihre Stimme, die genauso hübsch ist wie alles an ihr, reißt mich jäh in die Wirklichkeit zurück. Als sie lächelt, bilden sich winzige Fältchen in ihren Augenwinkeln und Grübchen auf ihren Wangen. Sie sieht aus wie die netteste Frau auf der Welt.

Ich richte mich auf und reiche ihr die Hand. »Ja, und Sie müssen Mrs. Morgan-Brown sein.«

»Ach, nenn mich bitte Claudia. Komm herein.« Sie tritt zur Seite und lässt mich ins Haus. Drinnen riecht es nach Lilien, die in einer Vase auf dem Dielentisch stehen, aber vor allem nach verbranntem Toast.

»Machen wir es uns in der Küche gemütlich. Ich habe Kaffee aufgebrüht.« Claudia dirigiert mich lächelnd weiter, vor sich den Jungen, der mehrmals zu mir aufschaut, als wir über den Fliesenboden mit dem schwarz-weißen Schachbrettmuster gehen. Hinten in seinem Hosenbund steckt eine Spielzeugpistole.

»Schatz, Zoe ist da«, sagt sie, als wir die riesige Küche betreten.

Ein Mann lugt hinter der Times vor. Gut aussehend wie offenbar alles hier. »Hallo«, sage ich so munter wie möglich. Einen Moment zögern wir beide.

»Hi, ich bin James. Freut mich.« Er steht kurz auf und reicht mir die Hand.

Claudia gibt mir einen Kaffee aus einer Maschine, wie ich sie noch nie gesehen habe. Die werde ich bedienen lernen müssen, falls ich den Job kriege. Während ich einen Schluck trinke, sehe ich mich in dem Raum um und versuche, nicht zu verblüfft zu wirken. Aber beeindruckt bin ich schon. Kein Wunder, denn dort, wo ich derzeit noch wohne, ist die Küche so groß wie eine Besenkammer. Platz für einen Geschirrspüler oder für irgendwelche anderen schicken Geräte gibt es nicht. Allerdings fand ich das nicht so schlimm. Wir waren ja nur zu zweit, und es dauert wahrlich nicht lange, ein paar Teller und einen Topf von Hand zu spülen.

Trotzdem kann ich meine Bewunderung nicht verhehlen. Hohe Fenster erheben sich hinter der Doppelspüle aus Keramik und eröffnen einen weiten Blick ins Grüne, wie man ihn in der Stadt nicht erwartet. Drei Wände sind mit cremefarbenen Schränken zugebaut, und ein luxuriöser roter Herd im Landhausstil wurde geschickt in den alten offenen Kamin integriert. Die hölzernen Arbeitsflächen sind im selben Honigton gehalten wie die alten Bodendielen. An der vierten Wand, nahe dem Kieferntisch, steht ein altes, durchgesessenes Sofa mit einem ziemlich schmuddeligen Überwurf und einer Menge Zierkissen. Ein Haufen Legosteine liegt darauf.

James faltet seine Zeitung zusammen und rückt auf dem Sofa zur Seite. Als ich mich neben ihn setze, rieche ich seine Seife. Claudia nimmt auf einem der Stühle Platz. »Hier sitze ich sowieso besser«, sagt sie. »Um von dem alten Sofa aufzustehen, brauche ich bald einen Kran.«

Für einen Augenblick herrscht Stille, bis die beiden kleinen Jungen schreiend angerannt kommen, weil sie sich um ein Plastikspielzeug zanken. Ich kann die Zwillinge nicht auseinanderhalten.

»Oscar«, sagt James genervt, »gib es ihm.«

Warum sollte er?, denke ich. Schließlich hatte er das Ding zuerst, doch ich enthalte mich eines Kommentars. Beginne stattdessen über mich zu reden, sobald es ruhiger wird.

»Also«, sage ich, »ihr wollt sicher alles über meine Berufserfahrung wissen.« Ich bin bestens vorbereitet, habe in- und auswendig gelernt, was man gefragt werden könnte bis hin zur Augenfarbe meines letzten Arbeitgebers und der Motorstärke des Familienautos: grünbraun und zwei Komma fünf Liter. Ja, ich habe wirklich sämtliche Informationen auf Abruf parat.

»Für wie viele Familien hast du bisher gearbeitet?«, fragt Claudia.

»Für vier insgesamt«, antworte ich prompt. »Die kürzeste Anstellung dauerte drei Jahre, dann zog die Familie nach Texas. Ich hätte mit ihnen gehen können, aber ich wollte lieber in England bleiben.«

Gut. Sie sieht zufrieden aus.

»Warum hast du deine letzte Stelle aufgegeben?«, mischt sich James ein. Zum ersten Mal zeigt er Interesse. Wahrscheinlich überlässt er seiner Frau die Entscheidung, damit er keinen Ärger kriegt, wenn sie am Ende mit einer schrecklichen Nanny dasitzen.

»Na ja«, antworte ich mit einem selbstbewussten Lächeln, »Nannys werden normalerweise überflüssig, sobald die Kinder ein gewisses Alter erreicht haben.«

Claudia lacht. James nicht.

Ich habe mich bewusst schlicht gekleidet: eine praktische Hose mit schmalem Bein zum Radfahren, beinahe rostrot, und ein graues T-Shirt mit hohem Kragen unter einer hübschen primelgelben Strickjacke. Mein Haar ist eher kurz und sieht ein klein wenig zerzaust aus, wie man es gerade trägt, ohne unordentlich zu wirken. Keine Ringe, nur meine Halskette mit dem silbernen Herzen. Ein besonderes Geschenk. Ich sehe aus wie eine freundliche, erfahrene, nette Nanny.

»Ich bin fünf Jahre bei den Kingsleys gewesen. Beth und Tilly waren zehn und acht, als ich anfing. Als die Jüngste mit dreizehn ins Internat kam, brauchten sie mich nicht mehr. Mrs. Kingsley, Maggie, meinte, allein meinetwegen würde es sich lohnen, noch ein Baby zu bekommen.« Ich füge bewusst den Vornamen ein, weil Claudia familiäre Anreden offensichtlich schätzt.

Wie ihre Hände auf dem geschwollenen Bauch liegen– das bringt mich um.

»Und seit wann bist du arbeitslos?«, fragt James reichlich unverblümt.

»Ich betrachte mich eigentlich nicht als arbeitslos. Den Haushalt der Kingsleys habe ich zum Ende des Sommers verlassen, nachdem ich sie noch in ihr Haus in Südfrankreich begleiten durfte. Ein Abschiedsgeschenk sozusagen. Danach habe ich einen kurzen, aber sehr lernintensiven Kurs in einem Montessori-Zentrum in Italien belegt«, schließe ich und warte auf eine Reaktion.

»Oh James, ich habe doch schon immer gesagt, dass wir die Jungen auf eine Montessori-Schule schicken sollten.«

»Der Kurs war fantastisch«, füge ich hinzu. »Ich kann es gar nicht erwarten, praktisch umzusetzen, was ich gelernt habe.« Im Stillen nehme ich mir vor, die Montessori-Informationen noch einmal nachzulesen.

»Hilft das bei vierjährigen Frühkriminellen?«, fragt James spöttisch.

Ich muss lachen. »Auf jeden Fall!« Wie aufs Stichwort werde ich mit einem Bündel Buntstifte beworfen und schaffe es zum Glück, mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen. »Hey, wollt ihr mich anmalen?« Der Zwilling von der Haustür– den ich nur an seinem grünen Pulli erkenne– faucht mich an, greift sich ein paar Stifte vom Boden und schleudert sie mir aus kurzer Distanz entgegen.

»Lass das, Noah«, sagt sein Vater, was der Junge jedoch nicht beachtet.

»Hast du auch Papier?«, frage ich und ignoriere das Brennen auf meiner Wange.

»Tut mir leid«, sagt Claudia. »Normalerweise würde ich sie als lebhaft, aber nicht bösartig bezeichnen– nur ist Noah hin und wieder schwierig.«

»Probleme bei der Entbindung«, ergänzt James leise, während sich die Jungen streiten, wer das Papier holt.

Ich sehe zu Claudia hinüber und warte, dass sie es näher erklärt, obwohl ich sowieso Bescheid weiß.

»Nicht meine Entbindung«, sagt sie und streicht sich liebevoll über den Bauch. Dann flüstert sie: »Die Zwillinge gehören nicht wirklich zu mir. Natürlich sind sie meine Kinder, aber ich bin nicht die biologische Mutter, wie du lieber gleich wissen solltest.«

»Aha, kein Problem.«

»Meine erste Frau starb an Krebs, als die Jungen zwei Monate alt waren. Er kam aus dem Nichts und nahm ihr das Leben.« Er hebt beide Hände, als ich ein mitleidiges Gesicht ziehe und betreten den Blick senke. »Nein, ist schon okay.«

»Hey, gut gemacht«, sage ich zu Noah, der mit einem Malblock auf mich zugerannt kommt. »Wie wäre es, wenn ihr mal wetteifert, wer die meisten Buntstifte vom Boden aufheben kann? Und danach schauen wir, wer mir das schönste Bild malt. Einverstanden?«

»Einverstanden«, lispelt Oscar und hüpft aufgeregt auf der Stelle, sodass sich seine Wangen rosig färben.

Noah hingegen steht da und starrt mich skeptisch an, bevor er ein Blatt von dem Block reißt. »Für dich, Oscar«, sagt er und reicht es seinem Bruder.

»Prima«, lobe ich ihn. »Jetzt geht malen, und ich will die Bilder sehen, sobald sie fertig sind.«

Die Zwillinge schlurfen in ihren Hausschuhen, die irgendwelche Comicfiguren darstellen, los und setzen sich mit den Buntstiften an den Tisch. Oscar bittet seinen Bruder um das Blau. Noah gibt es ihm.

»Ich staune«, sagt James mit unverhohlener Verwunderung.

»Bloß Ablenkung und dazu eine Prise gesunde Geschwisterkonkurrenz.«

»Wir suchen jemanden, der von Montag bis Freitag bei uns wohnt, Zoe. Wäre das ein Problem?« Claudias Wangen sind gerötet, als habe sie reichlich Rouge aufgetragen. Aber es ist vermutlich bloß die Hitze der Schwangerschaft.

»Nein, überhaupt nicht.« Ich denke an das Haus, die Möbel und wie es ist, hier zu wohnen. Mein Herz flattert, und ich hole tief Luft. »Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie jemanden brauchen, der in der Woche rund um die Uhr da ist.« Dass dieser Job auch für mich ideal ist, behalte ich für mich.

»An den Wochenende kannst du nach Hause«, sagt Claudia.

Obwohl ich mir das anders vorgestellt habe, lasse ich mir meine Enttäuschung nicht anmerken. »Wenn ihr es so wollt, kann ich am Freitagabend verschwinden und wie von Zauberhand am Montagmorgen wieder erscheinen. Allerdings bleibe ich auch gerne an den Wochenenden, falls meine Hilfe gebraucht wird«, füge ich hinzu und hoffe, dass meine Antwort sie vorerst zufriedenstellt. Später muss ich sehen, wie es sich anders regeln lässt.

»Guck«, ruft Noah und wirft ein Blatt Papier in meine Richtung.

»Oh, du darfst es nicht zeigen, bevor du fertig bist«, sage ich und wende mich wieder den Eltern zu. »Bei einem Job wie diesem finde ich es gut, zum einen zur Familie zu gehören und zum anderen einen gewissen Abstand zu wahren. Falls ihr versteht, was ich meine. Ich stehe zur Verfügung, wann immer es gewünscht wird, und mache mich ansonsten unsichtbar.«

Claudia nickt zustimmend.

»Ich bin viel auf See«, erklärt James. Er kann ja nicht wissen, dass ich im Bilde bin. »Als Marineoffizier. U-Boot. Du wirst hauptsächlich mit Claudia zu tun haben.«

Du wirst hauptsächlich… Das klingt, als hätte ich den Job schon.

»Möchtest du dir das Haus ansehen? Damit du weißt, worauf du dich einlässt.« Claudia steht auf, die Hände in der typischen Schwangerenpose hinten gegen die Hüften gestemmt. Ich muss mich zusammenreißen, nicht immerzu ihren Babybauch anzuglotzen.

»Gerne.«

Wir fangen unten an. Claudia führt mich von Zimmer zu Zimmer. Sie sind alle prächtig, teilweise jedoch unpersönlich. »Dieses Zimmer nutzen wir nicht oft«, sagt Claudia prompt, als wir das Esszimmer betreten. »Nur an Weihnachten oder bei besonderen Anlässen. Wenn Freunde zum Abendessen kommen, sitzen wir meistens in der Küche.«

Ich schaue mich um. Der Raum ist kalt und mit einem langen, blank polierten Tisch möbliert, um den zwölf edle Stühle stehen. Es gibt einen aufwendig verzierten Kamin, hübschen Stuck an der Decke, und in der Mitte hängt ein Kronleuchter in matten Violetttönen. Ein ebenso repräsentatives wie ungemütliches Zimmer.

Wir gehen wieder in die Diele mit dem Schachbrettmuster.

»Und hier halten wir uns ebenfalls nicht oft auf«, sagt sie und zeigt mir einen Salon mit ausladenden Sofas in Cremeweiß. Kein Fernseher, nur haufenweise alte Gemälde an den Wänden und antike Tische, auf denen Glasschälchen und Lampen stehen. Ich male mir aus, wie die Zwillinge mit schmutzigen Schuhen von Sofa zu Sofa springen und große Stöcke schwenken, Nippes von den Tischchen fegen und Gemälde zerfetzen. Nur mühsam verkneife ich mir ein Grinsen.

»Und hier ist das Wohnzimmer«, sagt Claudia und öffnet eine weitere Tür. »Der Raum wird wunderbar warm und kuschelig, wenn der Kamin brennt.« Ich spähe hinein und sehe große lila Sofas und einen dicken, langflorigen Teppich. Eine Wand besteht vollständig aus Bücherregalen, die überquellen. Unwillkürlich stelle ich mir vor, wie ich hier mit den Jungen lese oder fernsehe und darauf warte, dass Claudia nach Hause kommt. Ja, ich werde die ideale Nanny sein.

»Und dann gibt es noch das Spielzimmer.« Sie zögert, obwohl sie schon eine Hand am Türknauf hat. »Vielleicht willst du dir das vorerst lieber ersparen.«

»Nein, nein«, sage ich und gehe gleich an Claudia vorbei. Hier muss ich glänzen. »Hervorragend! Ihr habt jede Menge Lego, das gefällt mir. Und die vielen Kinderbücher! Ich lese meinen Schützlingen mindestens dreimal täglich vor.« Hoppla, jetzt sollte ich lieber aufpassen. Claudia sieht mich an, als sei ich fast zu vollkommen.

Dann ist das Obergeschoss dran, wo mehrere Schlafzimmer von einer offenen Galerie abgehen. Ich werfe einen kurzen Blick ins Gästezimmer, bevor Claudia mir das Reich der Zwillinge zeigt. Die beiden teilen sich ein Zimmer, das recht aufgeräumt aussieht. Rot-blaue Überwürfe bedecken die beiden Einzelbetten, dazwischen liegt ein großer Teppich mit aufgedruckten grauen Straßen und bunten Häusern. In einer Zimmerecke stehen ein paar Käfige, vermutlich mit Hamstern oder Mäusen.

»Wir haben eine Putzfrau, die dreimal die Woche kommt. Sauber machen musst du also nicht.«

Ich nicke. »Ein bisschen Hausarbeit hier und da wäre schon okay, aber ich verbringe meine Zeit natürlich lieber mit den Kindern.«

»Komm mit nach oben, damit du deine Zimmer sehen kannst«, sagt sie und führt mich eine weitere Treppe hoch. Deine Zimmer.

Es ist kein staubiger Dachboden, den ich sehe, sondern ein ausgebautes Geschoss mit Dachschrägen, Deckenbalken und alten Möbeln im Landhausstil. Eine angestoßene weiße Kommode steht auf dem kleinen Flur. Der Boden ist mit Sisal ausgelegt, und Patchworkherzen hängen an den Türen, die vom Flur abgehen.

»Hier oben gibt es drei Räume– ein kleines Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und ein Bad. Essen darfst du gerne mit uns in der Küche– betrachte sie ganz als deine eigene.« Deine eigene.

»Es ist wundervoll«, sage ich. »Sehr heimelig.« Genau genommen sieht alles aus wie aus einem Schöner-wohnen-Heft und ist nicht gerade mein Stil.

»In diesem Stockwerk wirst du ein bisschen Ruhe haben. Ich erkläre den Bereich zur Flugverbotszone für die Jungs.«

»Ach, das ist nicht nötig. Wir können hier oben auch Spaß haben.« Ich sehe mir die Zimmer nochmals an, gehe wie ein aufgeregtes Kind in jedes hinein. Das Schlafzimmer hat eine Dachschräge und ein kleines Fenster zum Garten. Im Bad stehen eine altmodische Wanne mit Klauenfüßen und ein genauso altmodisches Klo. »Ich finde es reizend«, sage ich mit Nachdruck, damit sie mir meine Begeisterung abnimmt. Gleichzeitig aber darf ich nicht versehentlich durchblicken lassen, dass ich den Job unbedingt brauche, weil ich derzeit praktisch obdachlos bin.

Als wir in die Küche zurückkehren, sitzt James wieder hinter seiner Zeitung. Claudia reicht mir eine zwei Seiten lange Liste. »Nimm die mit und überleg es dir«, sagt sie. »Es ist eine Aufstellung von Aufgaben und Pflichten, die wir erwarten. Plus solchen, die wir nicht erwarten.« Sie lacht.

»Eine tolle Idee«, sage ich. »So entstehen zumindest keine Missverständnisse«, füge ich hinzu und denke mir, dass sie so viele Listen schreiben, Regeln aufstellen oder Jobbeschreibungen verfassen kann, wie sie will. Langfristig sind sie sowieso nutzlos. »Ich bin jederzeit offen für Vorschläge seitens meiner Familien«, lüge ich. »Und ich halte viel davon, einmal die Woche mit den Eltern zu besprechen, wie alles läuft, was die Kinder machen und so.«

In diesem Moment beginnen die Zwillinge um mich herumzuhüpfen wie ein Paar kläffende Terrier.

»Guck mal meins an, guck mal!«

»Nein, meins zuerst!«

»Da siehst du, was du ausgelöst hast«, sagt Claudia lachend, bevor sie sich mit beiden Händen wieder in den Rücken greift, sich an die Arbeitsplatte lehnt und das Gesicht verzieht.

»Alles in Ordnung, Schatz?« James will aufstehen, doch Claudia winkt ab. Alles bestens.

Ich ignoriere die beiden und wende mich den Kindern zu. »Na, dann lasst mich mal sehen. Hm. Auf diesem Bild sehe ich wie ein Alien mit riesigen rosa Lippen und Glatze aus. Und auf diesem bin ich anscheinend halb Mensch, halb Pferd mit einer Mähne bis zum Boden.«

»Neeeiiin!«, schreien die Jungen im Chor. Sie kichern und schubsen einander. »Welches ist das beste?«

»Mir gefallen beide gleich gut. Ihr seid begabte Künstler und beide Sieger. Darf ich die behalten?«

Die Jungen nicken ehrfürchtig mit offenem Mund, sodass man ihre winzigen Zähne sieht. Fröhlich rennen sie weg, und ich höre, wie sie im Spielzimmer die Kiste mit den Legos auskippen.

»Ich glaube, du bist ein Volltreffer«, sagt Claudia. »Hast du noch irgendwelche Fragen?«

»Ja«, antworte ich und kann nun doch nicht anders, als auf ihren Bauch zu sehen. Es ist, als würde jemand bei meinem Herzen aufs Gaspedal drücken. »Wann soll das Baby kommen?«

Eine Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Seele brennt.

3

Noch nie zuvor hatte sich Detective Inspector Lorraine Fisher bei der Arbeit übergeben. Jetzt aber lehnte sie an der Wand und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, weil sie kein Papiertaschentuch dabeihatte.

»Wer sind Sie?«, fragte sie einen Mann, der in dem winzigen Flur stand. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und ihre Miene entsprechend reserviert.

»Kriege ich einen Exklusivkommentar von Ihnen, Detective? Was meinen Sie? Wird das eine Mordermittlung?«

»Schafft ihn verdammt noch mal hier raus, ihr Idioten! Das ist ein Tatort«, fuhr sie ihre Kollegen in den weißen Schutzanzügen an, und binnen Minuten war der Journalist verschwunden.

Lorraine fühlte ein neues Würgen in der Kehle aufsteigen, nur gab es nichts mehr, was sie ausspucken konnte, mochte der Ekel auch noch so groß sein. Fürs Frühstück hatte sie keine Zeit gehabt und statt eines Mittagessens nur eine Tüte Chips in sich hineingestopft.

»So etwas habe ich bislang noch nie zu sehen bekommen«, sagte sie und hob unwillkürlich eine Hand an ihre Stirn. Zwanzig Jahre bei der Polizei, doch etwas derart Grauenhaftes und unsagbar Trauriges war ihr in dieser langen Zeit nicht begegnet. Und als Frau und Mutter überkam sie zudem eine sagenhafte Wut. Sie zog die weiße Maske wieder vors Gesicht und atmete tief ein– teils um sich zu wappnen gegen den Anblick, teils um den Verwesungsgeruch in dem kleinen Bad weniger zu spüren.

Alles hatte sich hier drinnen abgespielt, denn nirgendwo sonst in der Wohnung gab es Blut. Die Fliesen, ehedem weiß mit einem dünnen Schimmelrand entlang der Wanne, waren über und über bespritzt und beschmiert in einer Farbe, die von Dunkelrosa über Bordeaux bis hin zu einem rötlichen Braun reichte. Auch wenn es unpassend war, musste Lorraine an ein abgedrehtes Kunstwerk aus der Tate-Galerie für moderne Kunst denken.

Oh Mann, was war hier passiert?

Im Waschbecken lagen ein Hammer und ein Küchenmesser, beides blutig. In der Wanne tropfte der Wasserhahn, sodass sich eine weiße Spur durch das vorherrschende Rot zog. Im Abfluss steckte der Stöpsel. Die Frau in der Wanne war halb nackt, das Baby blau und leblos, die zarte Haut marmoriert. An den winzigen Schultern hatte jemand Fingerabdrücke in Form von Blutergüssen hinterlassen. Vermutlich als das Kind aus dem Mutterleib gezogen worden war.

Lorraine schaute genauer hin. Es war ein kleiner Junge, kein Neutrum, kein Gegenstand. Sie dachte an ihre eigenen Kinder, konzentrierte ihren Verstand auf das Normale, Alltägliche und Banale, um sich abzulenken. Stella hatte morgen früh ihre Klavierprüfung, und das Üben zählte bei ihr in letzter Zeit nicht direkt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Dann war da Grace mit ihren verfluchten A-Levels. Nach Weihnachten musste sie mehrere Prüfungen ablegen, und Lorraine hatte keinen Schimmer, wie gut sie vorbereitet war. Sie musste sich unbedingt darum kümmern, dachte sie, während sie die Szene im Bad betrachtete. Bilder ihrer Töchter als Babys huschten ihr durch den Kopf. Es ist okay, redete sie sich gut zu. Mir geht es gut… Ich brauche lediglich einen Halt in dieser beschissenen Welt.

Doch nicht einmal der Gedanke an ihre Familie vermochte das Grauen zu löschen, mit dem sie sich konfrontiert sah. Die Frau war jung, Anfang bis Mitte zwanzig, schätzte Lorraine. Ihr bis vor Kurzem schwangerer Bauch war vom Brustbein bis zum Schambein aufgeschnitten worden– ziemlich sauber, irgendwie fachkundig– und wirkte nun beulig flach. Ein leicht süßlicher Duft von Fruchtwasser hing in der Luft, der sich mit dem metallischen Blutgeruch vermischte, aber am dominantesten roch es nach Verwesung. In der Wanne befand sich vielleicht ein Achtelliter Blut, das hoffentlich im Labor wichtige Erkenntnisse preisgeben würde.

»Im Medizinstudium wäre er durch die praktische Prüfung gerauscht«, konstatierte Lorraine durch ihre Maske, den Kopf halb nach hinten gewandt. Sie hatte DC Ainsley bemerkt, der schwankend in der Tür stand und sich eine Hand vor den Mund hielt. »Falsche Stelle«, sagte sie und malte über der Leiche eine Linie in die Luft. »Meine Narbe ist weiter unten.« Beinahe hätte sie bei sich jene Stelle berührt, durch die Stella und Grace per Kaiserschnitt zappelnd und schreiend ans Licht der Welt gezogen worden waren.

Stattdessen betrachtete sie das Gesicht der Toten. Es war schmerzverzerrt, und die zerbissene Zunge hing halb heraus. Die Finger krallten sich noch im Tod um unter Qualen ausgerissene Haare, und Kratzspuren bedeckten die Wangen. Diese Frau war in einem Albtraum aus Horror und Panik aus dem Leben geschieden.

»Was wissen wir über sie?«, fragte Lorraine und drehte sich weg. Sie musste hier raus.

»Sally-Ann Frith«, antwortete DC Ainsley. »Alleinstehende Mutter. Na ja, wäre sie bald gewesen«, korrigierte er sich. »Wir wissen nichts über einen Partner oder Kindsvater. Die Nachbarn sagen, sie hatte gelegentlich Herrenbesuche, und manchmal sei es zu lautstarkem Streit gekommen.«

»Hört euch weiter um. Ich möchte, dass jeder in diesem Haus noch heute befragt wird«, sagte Lorraine und zog sich ein Paar Latexhandschuhe an. Langsam ging sie durch das kleine Wohnzimmer, nahm alles in sich auf: ein gemustertes Sofa, einen alten Fernseher, eine Lampe, einen Kamin mit gerahmten Fotos auf dem Sims. Der beigefarbene Teppichboden wies einige Flecken auf. Alles normal. In einer Ecke stand ein kleiner Schreibtisch, auf dem sich ein Laptop, Papiere und Lehrbücher befanden. »Sie hat für irgendwas gelernt, wie es aussieht.« Sie überflog die Bücher. »Grundlagen der Buchhaltung«, las sie vor.

»Ray«, ertönte eine aufgeregte Stimme. »Ich bin hergekommen, so schnell ich konnte.«

Lorraine erstarrte für eine Sekunde. Sie wandte sich um und begrüßte den Ankömmling. »Hallo, Adam«, sagte sie gereizt. Insgeheim hatte sie gehofft, jemand anders bekäme diesen Fall zugeteilt. Dass ausgerechnet ihr Mann die Ermittlungen leitete, machte es grundsätzlich nicht leichter. »Nenn mich bitte nicht so.«

»Entschuldige, Lorraine«, sagte er. Natürlich wusste er, dass sie es hasste, Ray genannt zu werden, ob im Dienst oder privat. »Wissen wir, was passiert ist?« Er kam geradewegs auf sie zu, ohne auf ihre Abwehrhaltung zu achten. Dass er ihr neues Duschbad benutzt hatte, verbesserte ihre Laune nicht gerade.

»In der Badewanne liegt eine weibliche Leiche. Sie war schwanger.«

Während Adam den Tatort inspizierte, nahm Lorraine die Unterlagen auf dem Schreibtisch in Augenschein. Zumeist handelte es sich um typische Skripte, nur eine Mappe war anders. Der hellgraue Hefter trug den Aufdruck des Willow Park Medical Center einschließlich des Logos der Klinik, einer marineblauen Weide. Im Bad hörte sie Adam würgen.

Die erste Seite des Hefters enthielt allgemeine Informationen über Sally-Ann: Geburtsdatum, Telefonnummer, nächster Angehöriger– jemand namens Russ Goodall–, wobei Lorraine auffiel, dass zuerst ein anderer Name dort gestanden hatte. Er war jedoch so gründlich mit schwarzem Marker übermalt worden, dass sie ihn nicht entziffern konnte. Ein ehemaliger Partner? Der Vater des Kindes?

Auf den nächsten Seiten folgten Tabellen, die den Verlauf der Schwangerschaft dokumentierten: Gewicht, Blutdruck, Laborwerte. Alles schien völlig durchschnittlich. Die Einträge begannen im April, anscheinend mit dem ersten Besuch bei ihrem Gynäkologen, und der Stichtag für die Geburt wäre in zwei Wochen gewesen.

Adam kam extrem blass und grün um die Nase zurück. »Mein Gott!«

»Ich weiß«, sagte Lorraine mit halb geschlossenen Augen und verdrängte die Erinnerung. Sie hatten ihre Mädchen, ihr Zuhause, ihre Jobs. Ihnen ging es gut, oder nicht?

»Tut mir leid wegen vorhin«, sagte Adam. Sie hörte, wie er angestrengt schluckte.

»Ja«, antwortete sie, wohl wissend, dass es mehr zu der Szene am Frühstückstisch nicht zu sagen gab. Es war ein sinnloser Streit gewesen, der sich an banalen Familienproblemen und lächerlicher Eifersucht entzündet hatte. Einfach albern angesichts des Schreckensszenarios in dieser Wohnung. »Sie hat Kurse in Buchhaltung gemacht«, fuhr sie fort. »Vierundzwanzig Jahre alt. Der nächste Angehörige ist ein Typ namens Russ Goodall. Ich nehme mir die Klinik vor.« Sie hielt den Hefter in die Höhe.

»Warum tut jemand einer Schwangeren so was an?«, fragte Adam kopfschüttelnd und blickte aus dem Fenster.

Im Haus gegenüber stand eine Frau im oberen Stockwerk, faltete Laken und tat, als würde sie nicht rüberschauen zu dem halben Dutzend Polizeiwagen vor der Tür und dem von gelbem Polizeiband abgesperrten Gebäude. Mit ihr mussten sie sprechen, dachte Lorraine. Sie konnte genau in die Wohnung schauen.

»Jemand hat versucht, die Nabelschnur zu durchtrennen. Ist dir das aufgefallen?«

Adam nickte. Sie merkte ihm seine anhaltende Übelkeit deutlich an und wusste, dass er mindestens fünf Meilen laufen musste, um diesen Anblick aus dem Kopf zu kriegen.

»Vielleicht bekam sie Wehen, es gab Probleme, und derjenige, der gerade bei ihr war, dachte, er könnte den Helden spielen und einen Notkaiserschnitt machen«, mutmaßte sie. »Das ging dann schief, der Typ geriet in Panik und ist weggelaufen.«

Adam nahm eine der drei Karten in die Hand, die auf dem Kaminsims standen. »Sieh dir das an.«

»Viel Glück! Alles Liebe, Russ.« Lorraine seufzte. »Zweifellos der Russ aus der Klinikakte.«

»Keine der Karten sagt allerdings, wofür sie Glück braucht«, sagte Adam und stellte die Karte zu den anderen zurück. Auch er trug Handschuhe. »Eine ist von einer Amanda, die andere von Sally-Anns Mutter.«

»Die könnten für die bevorstehende Entbindung gewesen sein, aber genauso gut für etwas anderes. Eine Fahrprüfung oder ein Examen vielleicht.«

»Kriegt man solche Karten nicht normalerweise nach der Geburt eines Babys?«, fragte Adam.

»Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«, erwiderte Lorraine. »Na ja, du bist ja sowieso nicht der Größte im Kartenschreiben, oder? Besonders für…«

»Hör auf!« Adam hob abwehrend eine Hand.

Er hatte recht. Lorraine hätte ihn gerne beim Arm genommen, aber in den langen Jahren, die sie inzwischen zusammenarbeiteten, war es ihnen zur Gewohnheit geworden, Körperkontakt oder Zuneigungsbekundungen im Dienst zu vermeiden. Oft war es für Kollegen, die sie weniger gut kannten, eine echte Überraschung, dass Lorraine und Adam verheiratet waren. Sie hatten unterschiedliche Nachnamen und sparten nicht mit Kritik aneinander. Folglich wies nichts auf Gemeinsamkeiten außerhalb der Arbeit hin. Und selbst da setzten sie alles daran, getrennte Wege zu gehen. Einzig bei großen Fällen, solchen wie diesem, traten sie häufig gemeinsam in Erscheinung, weil sie beide als ausgewählt gute Kriminalisten galten.

»Die Karten könnten ihr alles Gute für die Operation wünschen«, sagte Lorraine, die in der Krankenakte einen Eintrag entdeckte, den sie beim ersten Durchblättern übersehen hatte.

»Welche Operation?«, fragte Adam. Er kam zu ihr an den Schreibtisch, und jetzt roch sie es ganz deutlich. Ja, er hatte eindeutig ihr verdammtes Acqua-di-Parma-Duschbad benutzt, das fast dreißig Pfund pro Spritzer kostete! Als Nächstes würde er damit noch den Teppich shampoonieren.

»Diese hier«, antwortete sie und nahm sich fest vor, das Duschbad künftig zu verstecken. Sie hatte sich etwas Extravagantes gönnen wollen– etwas, das ihr das Gefühl gab, ein kleines bisschen besonders zu sein. Fünfzehn Milliliter Luxus, um genau zu sein. Nun deutete sie auf die ordentliche Handschrift oben auf der Seite. Es war dieselbe Schrift wie in den Skriptmappen, also wahrscheinlich die von Sally-Ann.

Adam las die Notizen laut vor. »Kaiserschnitt. 18. November. Eintreffen vor acht Uhr morgens. Dr. Lamb. Bradley-Station. Tasche packen.«

»Das ist morgen«, sagte Lorraine und sah ihren Mann an. »Nur dass jemand schneller war.«

4

Ihr Schlafzimmer ist endlich fertig. Ich habe es so gemütlich hergerichtet wie eben möglich. Oscar und Noah streiten, wessen Teddy sie im Bett haben will. »Ich denke, dass sie für einen Teddy erheblich zu alt ist«, sage ich zu ihnen, doch sie glauben mir nicht.

Ich bin erschlagen. Schon ein Bett zu beziehen schafft mich inzwischen. So langsam frage ich mich, ob ich je meine alte Energie zurückbekomme. Natürlich hat James mir Hilfe beim Herrichten der Zimmer für die Nanny angeboten, aber ich bat ihn, mir stattdessen die Zwillinge vom Hals zu halten. Was ihm nicht wirklich gelungen ist, denn die Jungs schwirren seit einer Stunde um mich herum, hopsen kichernd auf dem Bett auf und ab und zerknittern den hübschen Bezug mit den rosa- und cremefarbenen Blumen.

Trotzdem bin ich zufrieden mit meinem Werk. Beide Zimmer wirken sehr gemütlich, und ich will ja, dass sie sich wohlfühlt, obwohl ich nach wie vor ein bisschen nervös bin und mich frage, ob es die richtige Entscheidung war, wieder eine Nanny ins Haus zu holen.

»Wie kommst du voran, Schatz?« Gerade als ich an ihn und das unerbittlich näher rückende Datum seiner neuerlichen Abreise denke, kommt James die Treppe herauf, nimmt eilig zwei Stufen auf einmal. »Sieht super aus! Zoe wird begeistert sein.« Diesmal war er nur zwei Wochen zu Hause.

»Das hoffe ich«, sage ich nachdenklich. Er legt die Arme um mich und versucht mich zu küssen. Doch selbst für Umarmungen bin ich viel zu erledigt. Erschöpft lasse ich mich in den Schaukelstuhl fallen. »Autsch«, sage ich und fasse nach meinem Bauch.

»Sei vorsichtig mit ihr.« Er streicht sanft über die gewaltige Babykugel. Seit er von der Schwangerschaft erfahren hat, macht er ein Riesentheater um mich. Was vermutlich daran liegt, dass er das Ganze nur sporadisch mitbekommt und nicht miterlebt hat, wie ich langsam von Tag zu Tag immer runder wurde, sondern sich nach Wochen der Abwesenheit über die dramatische Veränderung meiner Figur wunderte. Ihm fehlt das Zeitgefühl für die Dauer einer Schwangerschaft. Auch wenn er kein Wort darüber verliert, verwirrt es ihn vermutlich, dass ich plötzlich unfähig bin, vorher selbstverständliche Dinge zu tun. James behandelt mich wie ein rohes Ei und ist sehr darauf bedacht, dass ich nur ja sämtliche ärztlichen Anweisungen penibel beachte. Allerdings weiß ich, dass ihm der Verzicht auf Sex bisweilen schwerfällt. Mir auch, denn ich vermisse das intime Zusammensein mit ihm ebenfalls.

»Ich zähle schon die Tage, bis wir wieder dürfen«, sage ich und hauche ihm über die Köpfe der Jungen hinweg einen Kuss zu. Die beiden kicken den Teddy durchs Zimmer. James versteht, was ich meine. »Oh, ich habe die Handtücher vergessen«, sage ich und will nach unten gehen, um sie zu holen.

»Mach mal eine Pause. Ich bin gekommen, um euch zum Abendessen zu holen.«

»Hast du gekocht?« Deshalb toben die Jungs offenbar oben herum. James liebt es zu kochen und sich im Haus nützlich zu machen, was man einem Marineoffizier, der auf seinem Schiff das Kommando hat, nicht unbedingt zutrauen würde. Diese beiden Seiten an ihm könnten widersprüchlicher nicht sein. »Ja, Lieutenant Commander«, sage ich und salutiere. Seine Uniform hasse ich übrigens, obwohl er darin umwerfend verführerisch aussieht. Dennoch stimmt sie mich traurig, weil sie mich daran erinnert, dass er bald wieder auf See muss.

Auch für ihn ist die Situation nicht einfach, denn er lässt in meiner Obhut immerhin seine beiden Söhne zurück. Ich wusste, worauf ich mich einließ, als ich ihn trotz Warnungen von allen Seiten heiratete. Sich an einen Mann mit zwei mutterlosen Kleinkindern zu binden, fanden meine Freundinnen schlimm genug, aber dann noch einen Marineoffizier, der zwei Drittel des Jahres auf den Weltmeeren unterwegs sein würde…

»Tja, ich hoffe ehrlich, dass Zoe die Arbeit bei uns gefällt«, sage ich und schalte die Lampen aus, bevor wir nach unten gehen. Es war unsere gemeinsame Entscheidung, sie einzustellen, und dennoch habe ich das Gefühl, allein für das Gelingen dieses Experiments verantwortlich zu sein.

»Warten wir es ab.« James führt mich die Treppe hinunter, wo mir bereits ein köstlicher Duft entgegenschlägt. Hühnchen in einer Sauce aus Weißwein mit frischem Thymian.

Gähnend wache ich auf. Es ist früh, und ich habe die Nacht schlecht geschlafen. So langsam stört mich der dicke Bauch, und weil auch James jedes Mal aufwachte, wenn ich mich hin und her wälzte, bin ich irgendwann ins Gästezimmer umgezogen. Nach Mitternacht klopfte er an und meinte, er würde mir lieber hier Gesellschaft leisten. »Nur kuscheln«, versprach er. »Ganz bestimmt.«

»Ach James«, antwortete ich, und die nachfolgende Stille trieb ihn allein in unser Bett zurück.

Als er vor zwei Wochen von seinem letzten Einsatz kam, habe ich ihm noch einmal die Liste mit allen Vorschriften und Empfehlungen meines Gynäkologen gezeigt. »Kein Sex« steht an oberster Stelle.

»Das ist ernst gemeint«, sagte ich ihm. »Du kennst meine Vorgeschichte. Ich tue nichts, was dieses Baby gefährden könnte.« Sein trauriger Gesichtsausdruck brachte mich fast um, zumal ich es hasse, ihn zu belügen. Bisher habe ich ihm nämlich nicht völlig reinen Wein eingeschenkt, weil es so schwer ist, darüber zu reden. »Landgang oder nicht, wir dürfen nichts riskieren«, beharrte ich. »Es dauert ja nicht mehr lange.«

Um Punkt acht Uhr klingelt es an der Tür, und die Jungen rennen mit wildem Gepolter los, während ich ihnen langsam folge.

Zweifel und Bedenken plagen mich. Nach wie vor gefällt mir der Gedanke nicht, eine Fremde im Haus zu haben, aber zugleich weiß ich, dass ich alleine kaum zurechtkomme. Schon gar nicht, wenn das Baby da ist. Die ganze Situation vermittelt mir das Gefühl, irgendwie ein Versager zu sein.