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Ein Jahrzehnt lang habe ich die Übernatürlichen gehasst, denen meine Welt gehört. Ich habe sie gejagt. Ich habe sie getötet. Und jetzt – dank einer Wendung des Schicksals bin ich mit einem von ihnen verbunden. Welche Ironie! Eine Kopfgeldjägerin der Übernatürlichen zu sein, ist nicht gerade ein populärer Job. Aber nach den magischen Kriegen gibt es nicht mehr viele Dinge, die ein Mensch tun kann, um das Essen auf den Tisch zu bringen. Was mein rechter Haken nicht erledigt, schaffen zum Glück meine Waffen. Zumindest dachte ich das. Denn bei einer misslungenen Dämonenbeschwörung verändert das Wesen, das in diese Welt kommt, einfach alles. Ich bin mir nicht sicher, ob er ein Dämon oder ein Gott ist, aber ich weiß, dass er hinter mir her ist. Soll er doch! Ich habe ein Versprechen zu erfüllen und werde nicht aufgeben. Der einzige Ausweg wäre sein Tod – oder meiner. Und ich werde alles tun, um zu überleben. Selbst wenn es bedeutet, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen.
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Seitenzahl: 489
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DÄMONEN VON NEW CHICAGO
BUCH VIER
1. Nathalie
Kapitel 2
Kapitel 3
4. Ronan
Kapitel 5
Kapitel 6
7. Nathalie
Kapitel 8
9. Ronan
Kapitel 10
Kapitel 11
12. Nathalie
Kapitel 13
14. Ronan
15. Bree
Kapitel 16
17. Ronan
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
23. Nathalie
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
27. Nathalie
28. Bree
Kapitel 29
30. Ronan
Kapitel 31
32. Nathalie
Kapitel 33
34. Bree
Kapitel 35
36. Ronan
37. Piper und Ronan
38. Nat
39. Bree
40. Einen Monat später …
Bücher von Kel Carpenter
Danksagung
Kel Carpenter
Veröffentlicht von Kel Carpenter
Urheberrecht © 2022, Kel Carpenter LLC
Titelbild von Covers by Juan
Bearbeitet von Tatjana Becijos
Übersetzt von Ariana Lambert für Literary Queens
Korrektur durch Literary Queens
Alle Rechte gemäß den internationalen und panamerikanischen Urheberrechtskonventionen vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, elektronisch oder mechanisch, einschließlich Fotokopie, Aufzeichnung oder durch ein Informationsspeicher- und -abrufsystem, reproduziert oder übertragen werden. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Orte, Personen und Ereignisse sind entweder der Fantasie des Autors entsprungen oder werden fiktiv verwendet, und jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen, Organisationen, Ereignissen oder Orten ist rein zufällig. Warnung: Die unbefugte Vervielfältigung oder Verbreitung dieses urheberrechtlich geschützten Werks ist illegal. Kriminelle Verstöße gegen das Urheberrecht, einschließlich Verstöße ohne finanziellen Gewinn, werden vom FBI untersucht und können mit bis zu 5 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 250.000 $ geahndet werden.
Erstellt mit Vellum
Für Jude
Du bist die Liebe, von der ich nicht wusste, dass sie möglich ist.
»Wir alle haben unsere Grenzen, Auren. Eines Tages wirst du herausfinden, wo deine liegt.« Die Dunkelheit seiner Essenz streift meine Haut wie eine flüsternde Liebkosung. »Du wirst herausfinden, wie weit du dich treiben lassen kannst, bevor du fällst. Und wenn das passiert, wenn du deine Grenze gefunden hast, versprich mir nur eine Sache.«
Meine Stimme kratzt, eine einzelne Träne rinnt herunter. »Was?«
»Fall nicht!« Die Zeit steht still, als er sich zu mir beugt und mir einen Kuss auf die Schläfe drückt, während er mir ins Ohr flüstert. »Flieg!«
Raven Kennedy, Gleam
Willkommen zurück in New Chicago, liebe Leser. Es ist schon eine Weile her, dass wir uns gesehen haben. Falls ihr die Geschichte noch nicht kennt, weil ihr nicht wusstet, dass der heutige Tag kommen würde, fasse ich kurz zusammen, was passiert ist.
Ronan und ich halfen Piper, ihre Schwester zurückzuholen. Doch Bree war nicht gerade erfreut, Piper zu sehen. Das kann ich euch sagen. Der hasserfüllte Blick, den sie aufsetzte, war heftig. Das war definitiv nicht die Schwester, an die Piper sich erinnerte.
Bree ließ uns wissen, dass sie nicht mehr die Alte war. Sie wollte sofort zurückkehren. Sie hatte sich ein Leben in der Anderswelt aufgebaut. Die Hölle war ihr Zuhause – seit zehn Jahren. Sie hatte einen eigenen Atman. Piper weigerte sich natürlich. Ich war nur bei der letzten Etappe ihrer Reise dabei, aber meine beste Freundin hatte nicht ein Jahrzehnt lang dafür gekämpft, ihre Schwester auf die Erde zurückzubringen, um sie dann einfach gehen zu lassen. Doch das hielt Bree nicht auf. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging einfach zur Tür hinaus.
Ich kann nicht sagen, dass ich traurig war, sie gehen zu sehen.
Aber Piper war es.
Was hatte Piper also getan, um mit dieser Zurückweisung und der Achterbahn der Gefühle, die sie durchlebte, fertigzuwerden? Überraschenderweise machte sie ihre Drohung, mich zu erschießen, nicht wahr. Aber sie ertränkte ihren Kummer in Alkohol. In vielen Flaschen. Sehr vielen. Sie ließ sich in Kneipenschlägereien und alle möglichen anderen verrückten Dinge ein. Ronan und ich zogen ihr schließlich den Kopf aus dem Arsch. Ihr Lebensinhalt war Bree gewesen. Das war die Hölle. Wortspiel beabsichtigt. Sie brauchte etwas anderes, als sich totzusaufen.
Ich brachte sie dazu, sich ihren Unterhalt zu verdienen. Wenn sie mit mir zusammenleben wollte, musste sie lernen, wie man arbeitet. In der Zwischenzeit stritten sie und Ronan viel, weil – Überraschung – sie immer noch in ihrem Selbsthass vergraben war, und er nicht der beste Partner zum Reden ist. Schließlich fanden sie heraus, wie sie es ein wenig besser machen konnten.
Ich hatte schon immer meine Finger in vielen Dingen, die in unserer Stadt passieren, und ich versuche, das Beste für die Menschen zu tun. Während Piper dabei war, sich mit Alkohol zu vergiften, stieg ich in den magischen Waffenhandel ein.
Warum?
Nun, New Chicago wurde irgendwie immer schlimmer. Kaum zu glauben, ich weiß. Wie das passieren konnte?
Weil Luzifer starb.
Die Menschen dachten, sie hätten eine Chance, die Kontrolle wiederzuerlangen. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Sie hatten so viel durchgemacht seit dem Beginn der Magischen Kriege. Aber es waren mehr als nur Ausschreitungen. Es ging darum, unschuldige Menschen zu verletzen. Unruhen und Bombenanschläge. Sie arbeiteten mit einer Gruppe zusammen, die sich die Illuminati nannte. Eine Gruppe, die die Magie auslöschen wollte, und jeden, der sie besaß.
Erinnert ihr euch an Sasha und Sienna? Die Zwillings-Sukkubus-Wandlerinnen. Sie hatten für Luzifer gearbeitet. Sienna wurde bei einem Bombenanschlag verletzt. Sie war im Begriff zu sterben. Sasha brachte sie in meine Wohnung und flehte Piper an, sie zu retten. Piper weigerte sich, weil es bedeutet hätte, dass Sienna ohne Zustimmung einen Blutschwur leisten musste. Sasha stimmte zu, den Eid freiwillig zu leisten, damit ihre Schwester nicht allein dastehen würde. Sie wollte nur, dass ihre Schwester lebt. Ich werde nie erfahren, was Piper an diesem Tag durch den Kopf ging, aber sie gab ihr Blut, um Sienna zu retten, und verband die Zwillinge für immer mit sich.
Die beiden gehören jetzt also zu unserer kleinen Gruppe und leben in meiner Wohnung. Jeder, der bei mir wohnt, muss arbeiten, anstatt nur ein Klotz am Bein zu sein. Das sind die Regeln. Also durften sie bleiben. Es tut nicht weh, zusätzliche Unterstützung zu haben, und die Zwillinge sind gut in dem, was sie tun. Piper nicht so sehr, aber sie lernt dazu.
Die Illuminati wollten die Übernatürlichen auslöschen, richtig? Aber um die Magie zu bekämpfen, brauchten sie Magie. Gerüchten zufolge gab es eine Waffe, mit der man Magie stehlen konnte, um sie gegen Übernatürliche einzusetzen und sie zu töten. Das war nicht gut. Ich arrangierte es so, dass Piper Sasha – ihre angebliche Gefangene – gegen diese magische Waffe »eintauschen« wollte. Und wer tauchte auf?
Flint.
Pipers unglaublich dummer Ex-Freund. Er schoss auf sie, weil er dachte, er könnte ihre Kraft stehlen. Stattdessen wurde er von der Kraft getötet. Das war kein großer Verlust. Aber die Waffe verschwand, und das war ein Problem.
Piper war immer noch verwirrt wegen dem, was mit Bree passiert war, und so ging sie einen Deal mit ihr ein. Wenn Bree einen Monat mit ihr verbringe, würde Piper am Ende ihrer gemeinsamen Zeit ein Portal für sie öffnen, damit sie in die Anderswelt zurückkehren könne. Bree willigte widerwillig ein. Piper wusste nicht einmal, was sie mit ihr machen sollte – keiner von uns wusste das. Es war ja nicht so, dass sie viel miteinander anfangen konnten, da sie ihre Schwester nicht sehen wollte. Also nahm Piper sie mit zur Arbeit. Ich versuchte, in der Stadt Gutes zu tun, und dann hatten wir noch Bree dabei, die – seien wir ehrlich – ein ziemliches Miststück ist, vor allem Piper gegenüber. Aber das Gute an der ganzen Sache war, dass die Menschen in New Chicago Piper sahen. Sie erkannten sie da draußen, wie sie mit Menschen und Übernatürlichen redete, die ja unverändert litten. Sie erfuhren von deren Notlage. Sie hatten Mitgefühl, als sie ihre Geschichten hörten.
Auch wenn sie es nicht wusste, aber sie war dabei, eine Königin zu werden.
Bree verfügte über eine wirklich überraschende Magie. Es war beeindruckend, was sie mit Metallen anstellte und wie viel Kontrolle sie darüber hat. Natürlich stachelte sie Piper an, dass sie ihre Kräfte nicht gut einsetzen könnte, was dazu führte, dass Piper Unterricht bei Bree nahm. Nicht das Schlimmste, was passieren konnte. Die beiden Schwestern verbrachten eine schöne gemeinsame Zeit, auch wenn sie es nicht merkten. Ihre Beziehung verbesserte sich, und das war es, was Piper brauchte. Bree auch, wenn ich ehrlich bin.
Jetzt kommen wir zu Brees Abreise. Es wäre ein bittersüßer Abschied gewesen, wenn es nicht eine weitere Wendung gegeben hätte. Die Illuminati schickten einen jugendlichen Selbstmordattentäter, der Brees Magie in einer Bombe eingeschlossen hatte. Bree schwor, nichts davon gewusst zu haben, als sie mit den Leuten zusammengearbeitet hatte. Sie hatte Piper nur dazu bringen wollen, ihr zu helfen, nach Hause zu gehen. Als sie erfahren hatte, dass die Leute, mit denen sie abgehangen hatte, verrückte Arschlöcher waren, wandte sie sich von denen ab.
Piper stimmte schließlich zu, dass es das Beste wäre, Bree in dieser Nacht zurück in die Anderswelt zu schicken.
Ronan überraschte sie, indem er ihr sagte, dass sie das Portal nicht öffnen könne. Und warum?
Weil sie schwanger war. Ich meine, ich wusste es. Ich konnte es spüren. Ich dachte nur, sie würde es zunächst verarbeiten müssen und es mir erst sagen, wenn sie so weit war. Es stellte sich heraus, dass sie keine Ahnung hatte. Aber Ronan wollte ihr nicht erlauben, das Portal zu öffnen. Es war zu gefährlich.
Also öffneten Ronan und ich das Portal. Bree und Piper verabschiedeten sich liebevoll, wobei Bree für einen kurzen Moment untypisch weich wurde. Sie sagte ihrer Schwester, dass sie sie liebte, und verzieh ihr. Dass sie, auch wenn sie Welten trennten, immer Schwestern sein würden. Sie flüsterte ihr zu, dass sie alles für sie getan hatte, obwohl sie wusste, dass sie nie verstehen würde, was es bedeutete.
Dann schritt Lorcan, ihr Atman, durch das Portal, und alles in unserer Welt erstarrte, während Bree ihn entsetzt ansah.
Das war der Punkt, an dem wir aufhörten, und das ist der Punkt, an dem wir jetzt starten werden.
Was mich betrifft? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den Verstand verliere. Wenn sie nicht an ihren Gefährten gebunden sind, tun Hexen das irgendwann. Mein Moment ist gekommen. Ich werde von Phantomschatten verfolgt. Ich höre Stimmen.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit.
Es donnerte.
Das Echo war laut genug, um die Wände zum Wackeln zu bringen. Staub fiel vom Ventilator. Kein einziger Mensch bewegte sich. Nicht ein Zucken. Nicht ein Blinzeln.
Eine unerträgliche Spannung lag in der Luft, die das Atmen erschwerte.
»Lorcan.« Erstaunt wiederholte ich den Namen, den Bree gesagt hatte. Meine Worte kamen in einem atemlosen Ton heraus. »Dein Atman«, fügte ich hinzu, weil ich es aussprechen musste. Ich musste es für mich selbst klarstellen. Die Art und Weise, wie sie ihn anstarrte, war nicht die, die ich von der Frau erwartet hätte, die in den letzten Wochen nur von der großen Liebe gesprochen hatte. Sie waren immerhin füreinander bestimmt. Ihre Bindung war der meinen zu Ronan ähnlich …
Das dachte ich zumindest.
»Ich kann sehen, dass das verwirrend für dich ist«, sagte Lorcan und kam weiter in das kleine Wohnzimmer. Er ging mit einer Leichtigkeit, als gehöre ihm der Raum. »Ich werde es einfach machen, da es meiner Atma in meiner Gegenwart die Sprache verschlagen hat.« Seine blutroten Augen blitzten kurz in Richtung Bree, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Er schaute sie nicht mit Ehrfurcht an. Auch nicht mit Liebe oder Verehrung.
Er betrachtete sie, als wäre sie ein bockiges Kind. Eines, das ihn eindeutig enttäuscht hatte.
Meine Schwester starrte ihren vermeintlichen Gefährten mit nichts weniger als Angst an. Ihre Maske war auseinandergerissen, zerfetzt von der Erkenntnis, dass er hier war – und das schon seit einiger Zeit.
»Bree ist meine seelenverwandte Gefährtin. Wir sind uns vor einiger Zeit begegnet, aber als ich erkannte, was sie war, hatte ich«, er neigte den Kopf zur Seite, die Augen musterten langsam ihre Gestalt und ein Flackern von sexuellem Interesse war zu erkennen, »Vorbehalte.« Lorcan machte einen weiteren Schritt nach vorne, diesmal in unsere Richtung. Ich ergriff Brees Hand und hielt sie fest, aber ihre Finger blieben locker. Teilnahmslos und kalt. »Bree war nicht aus meiner Welt. Sie wurde gemacht, nicht geboren. Ihre Bräuche waren menschlich. Ihre Lebensweise war so anders, und ich musste sicher sein, dass sie sich mir und der Anderswelt verpflichtet fühlte. Dass sie sie wirklich annehmen würde, wenn sie in jeder Hinsicht meine Atma sein sollte.«
»Was hast du getan?« Die Worte kamen als entsetztes Flüstern aus meinem Mund.
»Ich habe ihr eine Aufgabe gestellt. Eine Herausforderung«, antwortete er völlig unbeeindruckt von meinem Tonfall. »Nachdem sie in der Anderswelt gelebt hat, versteht sie die Bedeutung von Kultur. Von Tradition. Unsere Welt existierte so lange in einem prekären Machtgefüge, dass nach dem Weggang des Harvesters das Chaos ausbrach. Unkontrolliertes Chaos führt in den Ruin.«
Sein Blick wanderte von mir zu Ronan. Mein Herz polterte in meiner Brust wie ein Vollblutpferd, das zum Ende des Rennens noch schneller galoppierte. Ich begann gerade erst zu begreifen, was nach der Ziellinie käme.
»Ich hatte den Auftrag, den Harvester zu finden«, sagte Bree plötzlich und leise; ihre Stimme war stark, obwohl sie sanft war. »Ihn zu finden, damit ein neuer ihn herausfordern und die Welt so weiterleben könnte wie bisher.«
Mein Herz krampfte sich zusammen. Ich drehte mich um und starrte sie an, aber die Angst, die ich gesehen hatte, war verschwunden. Ihr Entsetzen verflüchtigte sich. Apathie und vorsichtige Berechnung waren alles, was ich hinter den Absperrungen sah, die sie um sich herum aufgebaut hatte – ihre wahren Gefühle tief begraben.
»Du hast nach Ronan gesucht, als ich dich nach Hause gerufen habe.«
Die Wahrheit setzte sich durch, aber sie passte nicht. Ich konnte es nicht ertragen, dass ich sie nach so langer Zeit zurückgebracht hatte, nur um herauszufinden, dass ihr Auftrag darin bestand, meinen Atman zu finden.
»Wenn es dich tröstet, ich war an diesem Tag mit ihr im Hof in der Anderswelt. Als du das Portal geöffnet hast, wusste sie nicht, dass er hier war. Ich spürte es. Und was Bree angeht …« Er machte einen weiteren Schritt in unsere Richtung. »Ihre schwachen menschlichen Sinne waren nicht so verwässert, wie sie mir weismachen wollte. Du hast sie gerufen, und sie ist direkt in das Portal gelaufen. Sie hat sich nicht einmal umgedreht, um zu sehen, ob ich ihr folgte.«
Er streckte die Hand aus und strich mit einer einzelnen Fingerspitze über ihre Wange. Die Geste war nicht süß. Sie war besitzergreifend. Aggressiv. Kontrollierend.
»Aber ich wollte sie nicht einfach ohne mich in eine andere Welt gehen lassen. Schon gar nicht in die Welt, in der sich der Harvester befand, den ich gesucht hatte. Also folgte ich ihr und maskierte meine Magie mit der ihren. Ich blieb versteckt und beobachtete sie. Ich wartete darauf, was sie tun würde, wenn sie herausfand, dass der Dämon, den sie aufspüren sollte, mit niemand anderem verbunden war als mit ihrer Schwester, der berüchtigten Piper Fallon. Hexenjägerin. Wutdämonin. Königin von New Chicago.« Er lachte, als er den letzten Titel aussprach, um sich über mich lustig zu machen und sich über die Namen zu amüsieren.
Bleiche Finger schlossen sich um die Kehle meiner Schwester. Lorcan zuckte einmal, und ihre Hand entglitt meiner, während sie sich vorwärts bewegte und zu ihm trat. Ihre stahlblauen Augen starrten intensiv in die seinen.
»Du hättest fast versagt«, sagte er leise, während seine Lippen über ihre strichen. »Ich habe es im Dunkel der Nacht gesehen, als du um sie geweint hast. Wegen deines Verlustes. Wegen dem, was du tun musstest.« Sein Daumen streichelte ihre Wange, während sein anderer Arm sich um ihre Taille legte. »Aber als die Zeit kam, warst du bereit, zu mir zurückzukehren. Trotz deiner Zeit hier auf der Erde. Du wolltest zurückkehren und das Wissen des alten Harvesters mitbringen.«
Ich atmete scharf ein. »Nein«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Sie würde nicht …
»Doch«, schnauzte Lorcan. »Am Ende hat sie eine Entscheidung getroffen und bewiesen, dass sie würdig ist. Jetzt werden wir uns verbinden, und dann werde ich meinen Platz als Harvester einnehmen und in die Hölle zurückkehren als rechtmäßiger Herrscher und mächtigster Dämon, der je in den Gefilden gewandelt ist.«
In seinem Gesichtsausdruck lag ein wahnsinniges Glühen. Machthungrig. Blutdürstig.
Seine Lippen wanderten von ihrem Mund weiter zum Hals. Er verharrte einen kurzen Moment, bevor sich seine Reißzähne senkten und auf ihr Fleisch trafen. Ein erschrockener Blick überzog ihre Züge.
Dann biss er wie wild in ihre Haut.
Rot tropfte über ihren Hals und ein leises Stöhnen entwich ihren Lippen.
Ihr Kopf neigte sich nach hinten und ermöglichte ihm einen besseren Zugang, als die Wirkung des Blutaustauschs einsetzte. Ich wusste besser als jeder andere, wie wenig Kontrolle sie haben würde, sobald er anfing, von ihr zu trinken.
Ob sie es wollte oder nicht, sie würde so lange in seinem Bann stehen, bis jemand sie entweder gewaltsam trennte oder die Blutlust ihren Lauf nahm.
Jemand neben mir packte mich mit seinem starken Arm an der Taille. Ich spürte Ronans vertraute Wärme, als er mich zurück an seine Brust zog, sein leises Lachen dröhnte gegen mich.
Lorcan hörte auf, gierig zu trinken. Seine Hand glitt an der Taille meiner Schwester hinunter zu ihrem Hintern und drückte ihn fest, bevor er von ihrem Hals abließ.
Rot verschmierte seinen Mund und lief über sein Kinn.
Ein wahres Ungeheuer.
»Du lachst«, kommentierte er und betrachtete Ronan kühl.
»Weil du dummerweise glaubst, dass du mich in einem Wettkampf besiegen kannst.« Ronans Hand mit den Krallen blieb schützend über meinem Bauch liegen. »Du vergisst dich selbst. Es ist tausend Jahre her, aber ich erinnere mich an dich. Chaosdämonen sind so selten, dass ich mir die Mühe machte, jeden einzelnen von euch zu treffen und auf sein Potenzial zu prüfen. Ihr hattet Macht, aber ihr wart hungrig nach mehr. Ich sah den Schrecken, den ihr auslösen würdet, wenn ihr auf unsere Welt losgelassen würdet. Ich schickte euch zurück nach Nephilania und habe seitdem nicht mehr an euch gedacht. Das zeigt, wie unwürdig du wärst, der Harvester zu sein.«
Lorcan lächelte, und das Blut gefror in meinen Adern. »Ja. Du hast mich nach nur wenigen Stunden nach Hause geschickt. Ich habe über fünfhundert Jahre lang auf den Tag hingearbeitet, an dem ich dich endlich kennenlernen würde, und du hast mich entlassen, ohne mich jemals in die Nähe der Quelle zu lassen, – obwohl die Quelle die einzig wahre Entscheidung darüber ist, wer würdig ist.« Er griff an den Kragen seines Hemdes und zog daran. Die Knöpfe fielen klackernd ab und schlugen mit leisem Klicken auf dem Holzboden auf, während er den Stoff weiter nach unten zog – und einen Kragen ganz anderer Art zum Vorschein brachte.
Ein dunkelrotes Brandzeichen schlängelte sich um seinen Hals. Es war eine exakte Nachbildung des Brandzeichens, das Ronan trug.
Mein Atman erstarrte, obwohl man es ihm nicht ansah.
»Du warst also bei der Quelle«, sagte Ronan feierlich.
»Nachdem du gegangen warst, war der Rat verzweifelt. Sie ließen jeden Chaosdämon an sich heran, aber ich war derjenige, den sie für den nächsten Harvester auswählten. Und jetzt, da ich dich gefunden habe, fordere ich …«
»Nein«, rief Bree.
Bei ihrem Ausruf klappten meine Lippen auseinander. Der lüsterne Bann, in den Lorcan sie gezogen hatte, hatte sich gelöst.
Sie drückte gegen seine Brust. Hart genug, dass sich sein Griff um sie lockerte.
»Ich werde das nicht tun, Lorcan …«
»Doch«, zischte er. »Wirst du!« Dunkle Wut überzog sein Gesicht. Er verengte seine Augen auf sie. »Du gehörst mir, Bree, und du wirst tun, was ich dir sage, und den Bund mit mir vollenden, damit ich mir nehmen kann, was mir gehört.«
»Nein«, wiederholte sie entschlossen. »Werde ich nicht. Du wirst es nicht. Wenn du mich willst, dann kehren wir in die Hölle zurück und vollenden den Bund dort, aber ich werde das nicht hier tun. Du kannst ihn nicht herausfordern …« Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich ihm zu entziehen. Sein Griff um sie wurde fester und gerechtfertigte Wut stieg in mir auf.
»Du hast Glück, dass ich ein wohlwollender Dämon bin und du mir über die Jahre ans Herz gewachsen bist«, sagte Lorcan säuerlich. »Du würdest gut daran tun, mein Blut zu akzeptieren und dich von mir ficken zu lassen, wie es mir gefällt …«
»Ich will dich nicht.«
Ich konnte die Worte nicht glauben, die ich hörte. Lorcan anscheinend auch nicht, denn zum ersten Mal wurde sein Gesichtsausdruck unruhig. So etwas wie Besorgnis machte sich breit.
»Ich akzeptiere deine Ablehnung nicht …«
»Ich, Bree Fallon, Tochter von niemandem, weise deinen Anspruch zurück, wie es mein Recht ist.« Die Worte kamen ihr leise, aber tödlich über die Lippen. Nach allem, was sie getan hatte, um zu ihm zurückzukehren, begann ich zu verstehen.
Seine Augen verfinsterten sich und wurden schwarz, als sie ihre Bindung ablehnte. »Das wirst du bereuen«, sagte er leise. Er erinnerte mich an Ronan, wenn dessen gedämpfte Wut lauter war als sein Schreien.
Er quetschte den Hals meiner Schwester, und meine Hand hob sich, weißes Feuer loderte in meiner Handfläche auf – bereit, ihn lebendig zu verbrennen. Aber als Lorcan wieder sprach, änderten seine Worte alles.
»Ich, Lorcan, Sohn von Eris und Anhur, fordere dich heraus, Bree Fallon, meine Atma, meine Seele, um das Band zwischen uns einzufordern, wie es mein Recht ist. Entweder du unterwirfst dich mir hier und jetzt, oder ich werde dich mit Vergnügen dazu zwingen.«
Ich starrte ihn an – und sie. Ihn zu verleugnen, bedeutete, dass sie kämpfen würden. Wenn er gewann, würde er sich nehmen, was er glaubte, dass es ihm gehörte, und sie versklaven, anstatt sich zu binden. Wenn sie gewann, würde sie keine andere Wahl haben, als ihn zu töten. Liebe oder nicht, er war ihr seelenverwandter Gefährte.
Es war eine furchtbare Situation, in die er sie gezwungen hatte, was ich nicht glauben konnte.
Aber meine Schwester war aus Stahl und Eisen. In ihrem tiefsten Inneren war sie die Stärke selbst. Gehärtete Entschlossenheit und kalte Berechnung.
Unbeirrt schaute sie ihm in die Augen und sagte: »Ich akzeptiere.«
Ihre Worte besiegelten einen unsichtbaren Vertrag.
Lorcan ließ meine Schwester los und trat einen Schritt zurück. Er richtete das Revers seines Jacketts und richtete seinen hasserfüllten Blick auf mich und Ronan.
»Nachdem ich meine Hündin in die Schranken gewiesen habe, werde ich dich und deine Königin holen kommen.« Er konzentrierte sich auf mich und meine Feuerhand, die ich ihm am liebsten an den Kopf geschleudert hätte. »Glückwunsch zu dem Baby. Es ist eine Schande, dass es nicht überleben wird.«
»Raus aus meinem Haus!«, knurrte Nathalie und erinnerte mich daran, dass sie die ganze Zeit hier gewesen war. Ihr Athame segelte durch die Luft und kratzte über seine Wange, bevor es in die Trockenmauer hinter ihm einschlug. Er lächelte grausam und verschwand dann.
Es herrschte Schweigen.
Nur das vibrierende Summen von Nats Athame, das hin und her schwang, unterbrach es. Es musste beim Wurf gegen einen Balken gestoßen sein.
»Du musst nicht gegen ihn kämpfen«, sagte ich leise. Die Erste, die sprach. »Ronan kann es mit ihm aufnehmen …«
»Nein.« Bree hatte sich noch immer nicht umgedreht, um einen von uns anzusehen. Ihre Schultern waren zurückgezogen, stark und steif. Sie hielt ihren Kopf hoch, trotz der Emotionen, die an ihr gezehrt haben mussten. »Ich muss das tun.«
Ich seufzte, und Verzweiflung sickerte aus mir heraus. »Wer ist jetzt der Sturkopf?«
»Du kannst mich nicht vor allem retten, Piper.« Sie neigte ihr Kinn zur Seite und blickte über ihre Schulter zu mir zurück. »Lorcan ist mein Atman, und er glaubt, er sei dazu bestimmt, der nächste Harvester zu sein. Vielleicht ist er das auch …« Ihr Blick senkte sich ein wenig. »Aber so oder so, es kann nur einen geben. Ihn oder Ronan. Ich bin noch nicht an ihn gebunden. Ich habe kein Baby, das auf dem Weg ist. Ich … ich kann diesen Verlust überleben.« Ihre elektrisierenden Augen hoben sich wieder zu meinem Gesicht. »Du würdest es nicht.«
»Ronan wird nicht verlieren …«
»Das weißt du nicht«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Und wenn wir uns verbinden und Ronan gewinnt, würde ich entweder sterben oder durch seinen Verlust verkrüppelt werden. Das werde ich mir nicht antun. Ich werde mich auch nicht binden und das Risiko eingehen, dass Ronan verlieren könnte. Ich könnte nicht mit mir selbst leben, wenn ich Lorcan hierher zurückbringen und direkt zu dir führen würde, um ihn dann deinen Atman abschlachten zu lassen und dein Kind zu gefährden.«
Ihre blauen Augen starrten auf meinen Bauch und ihre Unterlippe spannte sich an.
Meine Schultern sanken, das Feuer in meiner Handfläche erlosch. Hilflos.
Obwohl ich alle Macht der Welt hatte, konnte ich nichts tun, um das zu ändern.
»Ich kann dich nicht verlieren«, gab ich zu. »Ich war bereit, dich gehen zu lassen, als ich dachte, du würdest auf etwas zugehen, aber das …« Ich winkte mit der Hand zu der Stelle, wo Lorcan verschwunden war. »So kann ich dich nicht verlieren. Wenn es für Ronan ein zu großes Risiko ist, gegen ihn zu kämpfen, wie kannst du dann denken, dass es für dich sicherer ist?«, fragte ich. »Wenn du Ronan nicht kämpfen lässt, musst du entweder deinen Atman töten oder du wirst gezwungen, dich mit diesem Monster zu verbinden. Du bist ein Wutdämon. Kein Chaosdämon. Wenn er wirklich von der Quelle auserwählt worden ist, könnte er deine Magie verschlingen …«
»Das wird er nicht.« Sie klang sicherer, als ich es gewesen wäre. »Lorcan will mich auf seine eigene verdrehte Art. Der Bund würde ihn mich nicht töten lassen, es sei denn, er glaubt, dass es keine andere Wahl gäbe.«
»Gibt es nicht«, schnauzte ich. »Nicht, wenn du nicht bereit bist, dich zu binden.«
»Entweder zwingt er mich zum Aufgeben, dann habe ich alles getan, um das zu verhindern, oder er tut es nicht und ich gewinne. Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern, Piper. Die Herausforderung wurde gestellt und ich habe sie angenommen. Deshalb wollte ich sofort zurückkehren, als ich merkte, wo ich war … und dass er hier war.« Sie nickte in Richtung Ronan. »Ich wollte dir das ersparen. Vor Lorcan. Aber er ist mir gefolgt, und ich bin ihm nicht wichtig genug, um es nicht durchzuziehen.«
»Du bist gegangen, um uns zu beschützen«, sagte ich, bevor sie sich abwenden konnte. »Aber du hättest ihm nicht die Wahrheit gesagt. Du wolltest zurückkehren und riskieren, dass er seine Aufgabe nicht zu Ende bringt, dass er sich nicht bindet, nicht wahr?«
Bree blieb so lange still, dass mich ein Anflug von Angst durchfuhr. Hätte sie nicht so gedacht, hätte ich sie infrage gestellt. Aber sie wollte nicht …
»Ich war zuversichtlich, dass ich ihn überreden könnte. Dass er mit genügend Zeit seinen niederen Trieben nachgeben und mich trotzdem für sich beanspruchen würde, selbst wenn er Ronan nicht finden könnte und deshalb nie der Harvester werden würde.« Ihre Finger zitterten, der einzige äußere Hinweis darauf, dass sie nicht so gefasst war, wie sie mich glauben machen wollte. »Ich habe ihn unterschätzt. Seine Gier nach Macht. Seinen Drang, mehr zu werden.«
»Du verdienst Besseres.«
Sie lachte einmal. »Das Schicksal hat ihn für mich ausgewählt.«
»Das Schicksal hat falsch entschieden«, sagte ich.
Sie neigte zustimmend den Kopf. »Von allen Menschen im Universum ist Lorcan die andere Hälfte meiner Seele. Der einzige Mensch, der mich und meine Magie stabilisieren kann. Ohne dieses Band werde ich verrotten. Es wird nicht sofort geschehen, aber im Laufe der Jahrhunderte und Äonen wird meine Macht wachsen und damit auch mein eigener Wahnsinn.« Ihre Augen schlossen sich und ihre Hand ballte sich zu einer Faust, um das Zittern zu stoppen. »Nicht alle von uns bekommen ein Happy End. Ich bin froh, dass du deines gefunden hast, auch wenn ich neidisch bin. Ich werde es dir nicht wegnehmen, nur um meins zu finden.«
»Lorcan ist nicht dein Happy End«, widersprach ich.
»Vielleicht nicht, aber er ist derjenige, der mir gegeben wurde – und er hat sich selbst gewählt. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich mich für mich entscheide.«
Ohne weitere Verzögerung löste sie sich in nichts auf – eine astrale Form ihrer selbst. Ich spürte, wie Brees Magie noch einen Moment lang anhielt, bevor sie verschwand, der einzige Weg, um festzustellen, dass sie nicht mehr hier war.
Ich seufzte und wollte ihr mit allem, was ich hatte, folgen – auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte, wo ich suchen sollte.
»Kannst du sie verfolgen?«, fragte ich Nat, ohne mich umzudrehen.
»Ja«, antwortete sie, schritt vorwärts, um ihr Athame aus der Wand zu reißen und die Klinge zu untersuchen. »Aber ich werde es nicht tun.«
Ich kniff die Augen zusammen, und sie zog beide Brauen hoch. »Sieh mich nicht so an! Der heutige Abend war beim besten Willen eine scheiß Show. Jeder konnte sehen, dass sie sich zwar gegen ihn gewehrt hat, aber das ist eine Menge zu verarbeiten. Ich werde dir nicht helfen, sie zur Strecke zu bringen, wenn sie nicht in unmittelbarer Gefahr ist.«
»Das wissen wir nicht«, wollte ich argumentieren.
»Das ist sie nicht«, stimmte Ronan zu. »Wenn sie herausgefordert wird, hat sie sechshundertsechsundsechzig Stunden Zeit, um ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen – das gilt für sie beide.« Man könnte meinen, das Universum hätte einen kranken Sinn für Humor, aber sechs-sechs-sechs wurde nur wegen Luzifer mit Dämonen in Verbindung gebracht. Ich fragte mich, ob er ein persönliches Problem mit dieser Zahl hatte oder mit der Herausforderung, die damit verbunden war. Nicht, dass wir das je erfahren würden. »Das sind ungefähr achtundzwanzig Tage. Vorher wird er sie nicht holen.«
»Und wenn er es doch tut?«
»Das kann er nicht.« Ronan schüttelte den Kopf. »Seine Magie lässt es nicht zu. So hat sie ihm den Weg abgeschnitten. Hätte er mich herausgefordert, hätte ich keine andere Wahl gehabt, als anzunehmen. Es gibt keinen Weg daran vorbei. Wie dem auch sei, unsere Magie setzt das Dämonengesetz durch.«
Ich nahm an, dass es im Moment ein Segen war, denn ich hatte Zweifel, dass Lorcan sie in Ruhe lassen würde, wenn das nicht der Fall wäre.
»Das heißt nicht, dass er nicht auch andere Wege finden wird, um an sie heranzukommen«, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Draußen hatte sich der Sturm zwar beruhigt, aber nicht aufgelöst. Eine schwere Wolke hing mit unheilvoller Absicht über New Chicago.
»Oder an uns«, fügte Nathalie hinzu. »Darüber würde ich mir ehrlich gesagt mehr Sorgen machen. Wenn Ronan recht hat, sollte ihre Magie sie bis zur Herausforderung davon abhalten, miteinander zu interagieren, oder?« Sie blickte ihn an und Ronan nickte. »Das wird ihn jedoch nicht davon abhalten, in der Zwischenzeit einen von uns anzugreifen. Könnte er dich trotzdem herausfordern? Und würde es auch so lange dauern, bis sie stattfindet?«
Ronan blieb einen Moment lang still und dachte über ihre Frage nach.
»Er könnte … Aber die Tatsache, dass er sich nicht mit Bree verbunden hat und es auch nicht vorhat, führt mich zu der Annahme, dass er ihre Kraft braucht, bevor er es mit mir aufnehmen kann. Er ist noch nicht stark genug, und das weiß er.«
»Und Bree?«, fragte ich. »Würde ihre Kraft ihn stark genug machen?«
Die Lippen meines Atman wurden schmaler.
Das war Antwort genug.
»Es besteht eine Chance, dass ich überlebe, aber deine Schwester ist unnatürlich stark. Nicht ganz so stark wie du, aber sie nähert sich dir stetig an.«
»Wird sie eine Chance gegen ihn haben?«, fragte ich. Das war die Frage, die mich am meisten belastete, denn wenn sie keine hätte … Ich konnte nicht an dieses Ergebnis denken. Ich wollte nicht!
»Ich weiß es nicht«, sagte Ronan ehrlich. »Normalerweise würde ich Nein sagen. Sie ist ein Wutdämon, wie du gesagt hast, und er wurde von der Quelle auserwählt. Lorcans Fähigkeit, die Magie anderer zu imitieren, ist zwar clever, aber hier nicht besonders nützlich. Er ist ihr allerdings ein paar tausend Jahre voraus und hat vielleicht mehr Fähigkeiten entwickelt, als mir bekannt ist.« Er fuhr sich mit einer blutverkrusteten Hand durch sein dunkles Haar.
»Ich kann sie nicht verlieren«, sagte ich und wusste, dass ich wie eine kaputte Schallplatte klang, aber ich konnte nicht aufhören, mich zu wiederholen. »Nicht an ihn. Nicht auf diese Weise.« Ich schüttelte den Kopf und ballte meine Hände zu Fäusten.
»Hab ein bisschen Vertrauen!«, sagte Nat. Ihre Hand legte sich um meine Schulter und drückte sie sanft. »Deine Schwester ist ein zähes Miststück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das alles tut, wenn sie weiß, dass sie sterben wird. So aufopferungsvoll ist sie nicht.«
Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht gelacht oder zumindest ein Schnauben von mir gegeben, aber die Sorge nagte an meinem unerschütterlichen Sarkasmus. In meinem Magen kochte die Säure.
Durch sie hindurch bahnte sich eine kalte Entschlossenheit ihren Weg zu meinem Verstand.
Angetrieben von etwas, das stärker war als Hass und weniger wankelmütig als Liebe.
Es fühlte sich an wie ein Brennen in meiner Brust, das mein Gesicht erwärmte und das ganze Gebäude in Flammen gesetzt hätte, wenn ich es zulassen würde.
»Ich hoffe, er kommt uns holen«, murmelte ich. »Ich hoffe, er hält mich für schwach. Verwundbar.«
»Piper«, sagte Ronan, und ich war mir nicht sicher, ob es eine Ermahnung oder eine Warnung oder ein Flehen war. Vielleicht war es alles drei. Ich wusste nur, dass es mir scheißegal war.
»Er glaubt, dass er es verdiene, deine Position, das Leben meiner Schwester, die Macht und ein ganzes Reich zu kontrollieren … aber er hat nicht die geringste Ahnung davon, was es bedeutet, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Er versteht weder Liebe noch Familie. Er weiß nicht, was es wirklich bedeutet, das zu schützen, was einem gehört. Dass die Tiefe dieser Liebe bedeutet, dass man alles riskiert. Denn wenn man sie verliert, verliert man alles.«
»Du kannst ihn nicht jagen«, begann Ronan.
»Oder besser gesagt, du könntest es, aber das wäre nicht klug«, fügte Nat mit einer Grimasse hinzu.
»Das muss ich nicht«, antwortete ich und hob mein Kinn, um die beiden anzustarren. Wut brannte in mir, aber dieses Mal hatte ich einen Grund dafür. Eine Mission. »Er wird mich holen kommen.« Dessen war ich mir sicher. Nach der kleinen Unterhaltung, die ich mit ihm im Sin geführt hatte, würde er es auf jeden Fall tun. Es lag nicht in seiner Natur, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Genauso wenig wie es in meiner Natur lag, Bree diesem Monster zu überlassen. »Und ich werde bereit sein. Wenn ich Luzifer aufhalten konnte, ohne es zu versuchen, kann ich auch dieses Arschloch vernichten. Er wird nur noch die Schale eines Dämons sein. Ein Splitter der Magie. Ich werde dafür sorgen, dass er sich wünscht, nie auf die Erde gekommen zu sein, damit er keine Chance hat, wenn seine Herausforderung kommt.«
»Ich will dich nicht unterbrechen – ich bin voll und ganz damit einverstanden, beleidigende Schwänze zu verstümmeln –, aber du greifst hier vielleicht ein bisschen zu weit vor. Du bist zwar ein harter Kerl, aber du hast deine Magie noch nicht lange.« Nat zeigte mir ein entschuldigendes Lächeln mit zusammengekniffenen Lippen. »Und wir wissen nur sehr wenig über Lorcan – einschließlich der Frage, wie er an den Mauern vorbeikam, ohne dass es jemand mitbekam.«
»Seine Nachahmungsfähigkeit«, seufzte Ronan. »Er kann sich selbst und seine Magie als einen von uns tarnen, weil er im Chaos steckt. Die Mauern werden völlig unwirksam sein, um ihn fernzuhalten.«
Nat zog eine Augenbraue hoch. »Es gibt nichts, was man tun kann? Überhaupt nichts?«
»Abgesehen davon, ihn an Brees Seite zu wissen – nein. Sie können sich im Moment nicht gegenseitig schaden, aber alle anderen sind Freiwild.«
Er sah nicht glücklicher über dieses Ergebnis aus als sie.
»Nun, in diesem Fall heißt es: Vorbereiten und bereit sein, ihm die Hölle auf Erden zu bereiten.«
Die Kälte ließ sich wie Morgennebel nieder. Sie sickerte ein und ließ mich schließlich so stark frieren, dass ich aus dem Schlaf gerissen wurde.
Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass die rechte Seite des Bettes leer war.
Pipers Magie hing immer noch die Luft, aber dünner. Weniger dicht. Meine eigene suchte sie instinktiv auf, und ich atmete erleichtert auf, als ich sie im Flur spürte. Ich stand auf, zog mir eine Jogginghose an und trat durch das Nichts in mein Wohnzimmer.
Sie saß auf dem Boden, ein Bein angewinkelt, das andere gerade, während sie sich vorbeugte. Ihr blondes Haar war nicht wie üblich zurückgebunden, sondern lag in dicken Strähnen um ihre Schultern und über ihren Rücken. Sie trug ein Tank-Top und ein einfaches Baumwollhöschen, was ihr ein verletzliches Aussehen verlieh – wenn da nicht die Schusswaffe vor ihr gewesen wäre. Ihre Hände arbeiteten in fiebrigen Bewegungen, nahmen die Pistole auseinander, setzten sie wieder zusammen, peilten an und zielten. Die Waffe klackte, als sie den Abzug betätigte.
Sie tat es wieder. Dann noch einmal und noch einmal.
Ihre Finger waren rot und wären wahrscheinlich geschunden gewesen, wenn sie nicht heilen würden. Aber sie würde nicht aufhören. Nicht ohne eine andere Möglichkeit.
Wenn der Stress oder die Angst oder die Sorgen sie aus dem Schlaf rissen, tat sie immer genau das.
Es war eine Art Zwang. Ein Bewältigungsmechanismus, der sich entwickelte, wenn man in einer vom Krieg gezeichneten Welt aufwuchs, in der jeder Tag ein Kampf war. Manche Menschen zählten oder wiederholten ihre Handlungen. Manche taten Dinge nach einem bestimmten Muster. Manche putzen, bis ihre Finger wund waren.
Meine Atma baute ihre Waffen auseinander und wieder zusammen.
»Hast du überhaupt geschlafen?«, fragte ich, halb in der Erwartung, keine Antwort zu erhalten. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie sich so tief in ihre Gedanken zurückzog, dass sie mich in diesem Zustand nicht bemerkte.
»Nein.«
Sie war sich der Nacht bewusst. Aufmerksamer, als es ihre Antwort vermuten ließ.
Ich nahm auf der Couch hinter ihr Platz und hob mein Bein auf die andere Seite, sodass sie zwischen ihnen saß. Piper fuhr mit dem fort, was sie tat, ohne eine Sekunde zu verlieren.
»Ist es Lorcan?«, fragte ich, und meine Stimme verfinsterte sich bei den Silben seines Namens. Ich hätte ihn vor all den Jahrhunderten töten sollen. Ich hatte gewusst, dass er machthungrig war. Ich hatte die Grausamkeit gespürt, die nur darauf wartete, aufzublühen. Aber in der Anderswelt hatte ich die Angewohnheit, Dämonen erst dann zu töten, wenn ihre Taten es erforderten.
Hätte ich gewusst, was passieren würde, dass ich eines Tages hier in dieser Situation sitzen würde, hätte ich nicht gezögert – stattdessen hätte ich ihm auf der Stelle seine Magie entzogen.
»Ja«, antwortete sie nach einem Moment. »Aber nicht aus den Gründen, die du glaubst.«
Ich griff nach ihr und fuhr mit den Fingern durch ihr Haar, bis ich es in einer Hand hielt. Ihr Kopf neigte sich nach hinten, ihre Hände bewegten sich immer noch in rasender Geschwindigkeit.
»Dann erklär’s mir!«
»Ich habe keine Angst vor ihm. Vielleicht ist das töricht …« Ihr Blick wanderte nach unten, und ich zerrte erneut an ihrem Haar, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. »Aber ich habe keine. Ich fürchte, was er für Bree bedeutet. Diese Herausforderung. Das Ende …«
»Ich würde sie nicht so schnell abschreiben. Ich bin vielleicht kein Fan von Bree, aber sie ist nicht dumm – und ihre Zuversicht bei dieser Herausforderung lässt mich fragen, woher die kommt.«
»Es ist nicht nur das«, sagte sie. »Selbst wenn sie gewinnt, wird sie ihn töten müssen. Ich weiß, dass sie das als ihr Problem ansieht, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass wir vielleicht eine Lösung gefunden hätten, wenn sie es mir früher gesagt hätte – überhaupt etwas gesagt hätte.«
Die Waffe klickte, als noch einmal abdrückte, und mit einem schweren Seufzer legte sie sie beiseite und lehnte sich gegen die Couch zurück. Ihr Kopf lehnte an der Sitzfläche und sie schaute abwechselnd zu mir und zur Decke.
»Aber sie hat es für sich behalten, und jetzt lässt sich das nicht mehr ändern«, sagte sie.
»Darüber zu grübeln, was hätte sein können, hilft dir jetzt nicht weiter«, sagte ich. Sie machte ein saures Gesicht und presste verärgert die Lippen zusammen.
»Ich bin wütend auf sie«, sagte Piper nach einem Moment. »Sie hat die Bindung um deinetwillen abgelehnt – um unseretwillen –, aber das macht mich wütend. Wenn ich auch nur eine Sekunde denken würde, dass sie es für sich selbst getan hat, wäre ich das nicht – aber sie hat diese Entscheidung getroffen und will, dass ich sie respektiere, obwohl es ihren Tod bedeuten könnte oder dass Lorcan sie missbraucht, solange sie zusammen sind. Wie kann sie das tun und erwarten, dass ich einfach daneben stehe?«
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie starrte finster an die Decke.
»Hast du mal darüber nachgedacht, dass du so lange die Verantwortung für sie übernommen hast, dich immer wieder für sie aufgeopfert hast, und jetzt tut sie auf ihre Weise das Gleiche?« Vor gestern Abend hätte ich das nicht gedacht, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass Bree so gut lügen konnte, dass nicht einmal ich merkte, was in den letzten Monaten wirklich mit ihr los war.
Der Hass auf Piper war vorgetäuscht. Unecht.
Vielleicht war ein Teil von ihr immer noch wütend, ähnlich wie Piper es jetzt war, aber die Art und Weise, wie sie sie behandelte … Es sollte ihr am Ende helfen. Sie dachte, sie müsste zurückkehren, um Lorcan das Wissen über meinen Aufenthaltsort vorzuenthalten, damit er mich nicht herausfordern könnte.
Aber das war ihr nicht gelungen, und statt es auf sich beruhen zu lassen, setzte sie ihn unter Druck.
Sie oder sein Begehren, der Harvester zu sein.
Auf ihre Weise hatte sie sich um Piper gekümmert, während sie hier war, weil sie dachte, dass es für meine Atma einfacher wäre, sie gehen zu lassen, wenn die Zeit gekommen war, wenn sie grausam ihrer Schwester gegenüber wäre. Sie hatte sie weggestoßen, in dem vergeblichen Versuch, ihr zu helfen. Aber sie hatte Pipers Liebe zu ihr unterschätzt.
Genauso wie ich Brees Liebe zu ihrer Schwester unterschätzt hatte.
Trotz allem, was sie durchgemacht hatten, würden sie sich gegenseitig bis zum bitteren Ende beschützen – auch auf ihre eigenen Kosten.
»Ich weiß, dass sie das tut«, sagte Piper und kniff die Augen zusammen. »Ich wünschte nur, sie würde es nicht tun. Die ganze Zeit über wollte ich, dass sie mich ihm vorzieht, und jetzt, nachdem sie es getan hat, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Diese Schuldgefühle …«
»Sind fehl am Platz«, beharrte ich und zerrte erneut an ihren langen Locken. Das Haar an ihrer Kopfhaut zog sich straff. »Das ist Brees Entscheidung und nur ihre. Du hast keinen Grund, dich schuldig zu fühlen, wenn sie sich so entschieden hat, nicht du.«
»Ich weiß«, seufzte sie. »Aber das zu wissen, macht es auch nicht einfacher.«
»Würdest du wollen, dass sie sich deswegen selbst fertigmachte, wenn die Situation umgekehrt wäre?«, fragte ich und versuchte eine andere Taktik. »Oder würdest du dich schuldig fühlen, weil du dich entschieden hast, sie zu beschützen, zum Beispiel, indem du in einen Beschwörungskreis getreten bist und fast daran gestorben wärst?«
Ein stählernes Funkeln trat in ihren violetten Blick. »Nein …«
»Dann konzentriere dich nicht darauf! Die Entscheidungen wurden getroffen. Es gibt keine Möglichkeit, sie zu ändern. Wir müssen alle nach vorne blicken. Außerdem gibt es wichtigere Dinge, um die du dich kümmern musst.« Ich schaute auf ihren Bauch, wo die Magie vor Leben pulsierte. Piper schüttelte den Kopf.
»Nein, ich gehe trotzdem nicht mit dir.«
»Du kannst es nicht ewig ignorieren.«
»Das tue ich nicht«, sagte sie abwehrend. »Ich nehme mir Zeit, es zu verarbeiten, da mein Atman mir nicht die Höflichkeit erwiesen hat, es mir schon vor Wochen zu sagen, wie er es hätte tun sollen.«
Ich seufzte. »Das haben wir doch schon besprochen …«
»Gute Gründe hin oder her, ich brauche noch Zeit und muss mit Señora Rosara sprechen. Nat sagte, sie wüsste vielleicht, wie man mit einem Dämonenbaby umgeht.«
»Da möchte ich dabei sein«, sagte ich und strich mit meinen Händen über ihre Kopfhaut und ihren Nacken, um die verspannten Muskeln in ihren Schultern zu massieren. Piper stöhnte, dann warf sie mir einen Blick zu, der mir stillschweigend sagte, dass sie wusste, was ich tat. »Ich habe schon viele Dämonenbabys auf die Welt kommen sehen und weiß, was mich erwartet. Ich will sicher sein, dass sie nichts tut, was dir oder dem Baby schaden könnte, egal ob aus Versehen oder nicht.«
Ihre Lippen verzogen sich, als sie sich langsam meiner Berührung hingab.
»Du kannst unter einer Bedingung dabei sein«, sagte sie nach einem Moment. Ich hob eine Augenbraue und wartete darauf, dass sie fortfuhr. »Wir trainieren weiter. Ich habe es vorhin ernst gemeint. Ich weiß, dass er hinter mir her sein wird, und ich will vorbereitet sein. Das muss ich auch sein. Bree wird vielleicht nicht glücklich bis an ihr Lebensende, aber ich werde es diesem Arschloch ganz sicher nicht leicht machen.«
Ich beugte mich vor und atmete jeden Atemzug ein, den sie von sich gab. Unsere Lippen trafen sich und mein Schwanz wurde hart. Nichts machte mich mehr an als dieses Feuer in ihr. Diese Stärke, sich durchzusetzen und alles, was ihr im Weg stand, zu Asche zu verbrennen.
»Ich mache dich zum tödlichsten Wesen, das je auf dieser Erde wandelte, und kein Dämon diesseits des Portals wird dir in die Quere kommen, wenn wir fertig sind.«
»Du sagst den süßesten Scheiß«, murmelte sie und lächelte gegen meine Lippen.
»Für dich?«, hauchte ich. »Immer!«
Sonnenlicht wärmte meine Haut. Ich rollte mich auf die Seite und das Satinlaken glitt von meinen Schultern, als der Duft von Magie meine Nase kitzelte. Wacholder und Zimt. Chaos und Verlangen.
Nat war hier. Und die Zwillinge auch.
»Es ist fast zwei Uhr nachmittags«, hörte ich Nat schimpfen. »Wenn wir etwas unternehmen wollen, brauchen wir das Überraschungsmoment.«
»Ich sagte doch, ich schaffe das schon.«
»Ich will nicht, dass du dich darum kümmerst, Ronan. Ich will, dass Piper es tut. Du weißt so gut wie ich, dass sie diese Dinge vorantreiben muss, wenn sie eine Chance haben will, die Menschen zu beeinflussen …«
»Ich bin mir dessen bewusst«, antwortete er mit kiesiger Stimme.
»Dann weck sie auf!«, sagte Nat. »Wir verschwenden brennendes Tageslicht.«
Ich musste nicht im selben Raum sein, um zu wissen, dass sie ihm Kopfschmerzen bereitete. Ich spürte den Druck, der sich durch die Verbindung aufbaute.
Ich setzte mich auf, streckte die Arme über den Kopf und stöhnte. Die Gelenke in meinen Schultern knackten und lösten einen Teil der Verspannung. Ich schlüpfte aus dem Bett und zog mir eine Jeans und ein Tanktop an – das mit dem eingearbeiteten BH. Ich fuhr mit den Fingern durch mein Haar und steckte es zu einem lockeren Dutt zusammen, wobei ich die Spitzen nutzte, um ihn zu fixieren. Nat und Ronan stritten sich immer noch im Wohnzimmer. Von den Zwillingen hatte ich noch keinen Pieps gehört, aber das war nur eine Frage der Zeit.
Seufzend trat ich aus unserem Schlafzimmer und schloss die Tür hinter mir. Am Ende des Flurs grunzte Nathalie: »Endlich!«
»Was soll das mit dem brennenden Tageslicht?« Ich schritt vorwärts, nahm einen Apfel vom Küchentisch und biss hinein. Saft tropfte von meinen Lippen, als der leicht süße, aber nicht ganz reife Geschmack meine Zunge berührte. Aber das war mir egal. Er war frisch und saftig und linderte die Trockenheit in meiner Kehle vom Schlaf.
»Sasha.« Nat nickte und kippte ihr Kinn in ihre Richtung.
»Als wir gestern Abend unterwegs waren«, sie deutete auf ihre Schwester, die auf einem Barhocker am Ende des Tresens saß und etwas trank, das wie ein Fruchtsmoothie in einem Kaffeebecher aussah, »haben wir beobachtet, wie eine Frau von der Straße geholt wurde. Anders hat uns bezirzt, ihnen unbemerkt zu folgen, und sie haben uns direkt zu einer Fresshöhle geführt, die gleichzeitig ein Bordell ist. Angesichts der Reaktion dieser Frau und der Schreie, die ich von drinnen gehört habe, würde ich sagen, dass es dort nicht einvernehmlich zugeht.«
Kälte überflutete mich und ließ meine Haut kribbeln. Mein Magen drehte sich um, und ich musste den halb gegessenen Apfel beiseitelegen, weil ich keinen weiteren Bissen zu mir nehmen konnte.
»Du hast dich selbst zur Königin erklärt«, sagte Nat und sprang damit für den Sukkubus ein, der mich scharfsinnig musterte. »Du hast versprochen, dass sich die Dinge ändern würden und du sie beschützen würdest. Was hast du also vor?«
Ich schaute Ronan an, nicht um Erlaubnis zu bitten, sondern um ihm meine Gedanken mitzuteilen.
Ich kann sie nicht im Stich lassen.
Ich würde nichts anderes von dir erwarten, sowohl als meiner Atma als auch als meiner Königin.
Ich blinzelte und erwartete mehr Gegenwehr. Ronan schüttelte den Kopf.
Aber du hattest ein Problem damit, als ich das Portal öffnen wollte.
Die Magie, die für das Portal benötigt wird, ist um ein Vielfaches größer als die, die für eine abtrünnige Vampirbande benötigt wird, erklärte er. Du brauchst nicht einmal deine Magie, um das zu bewältigen, obwohl es eine gute Übung wäre.
Mein Herz machte einen Sprung, als sich etwas Warmes in meiner Brust ausbreitete.
Das hier. Das ist es, was ich von ihm wollte. Nicht das knallharte Alphatier, das mich zu meinem eigenen Besten wegsperren wollte, sondern jemanden, der mich ich selbst sein ließ.
Ich würde nie eine Hausfrau sein. Ich würde niemals die Ehefrau von jemandem sein, da dieser antiquierte und religiöse Akt in unserer Zeit nichts für mich bedeutete. Ich würde nie eine Hausfrau sein, auch wenn ich die Vorzüge darin sah. Allein die Vorstellung, eine Mutter zu sein, war mir immer noch so fremd, dass ich Mühe hatte, mich damit zu arrangieren.
Aber ich würde immer Piper sein.
Mit Waffen ausgerüstet und von meinem eigenen Moralkodex getrieben. Zehn Jahre lang hatte ich mich um eine Schwester gekümmert, von der ich nicht gewusst hatte, ob sie jemals zurückkehren würde, und ich hatte daran gearbeitet, meine Stadt zu einer besseren zu machen – zumindest in gewisser Weise. Das tat ich immer noch, aber jetzt tat ich es für mich selbst. Weil ich es satthatte zuzusehen, wie sich die Menschen auf den Straßen gegenseitig umbrachten und andere für ihren persönlichen Vorteil ausnutzten.
Ich hatte genug für ein ganzes Leben gesehen, sogar für ein dämonisches unsterbliches.
»Ich hasse es, wenn sie das tun«, beschwerte sich Nat. »Würde es sie umbringen, zu sprechen?«
»Ja«, antworteten Ronan und ich gleichzeitig.
Ein schiefes Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus.
Nat schnaufte und ließ sich auf die Couch fallen.
»Wenn ihr beide ficken und es hinter euch bringen wollt, dann macht es schnell, denn ich möchte heute noch etwas wegen dieser Höhle unternehmen.«
Ich verdrehte die Augen, löste mich von Ronan und setzte mich ihr gegenüber. »Gebt mir einen Überblick darüber, wo diese Höhle ist und was uns dort erwartet.«
Zwanzig Minuten lang erzählten sie mir jedes Detail, das sie mir mitteilen konnten, von der Anzahl der Fenster bis hin zur geschätzten Anzahl der Personen, die sich dort aufhielten.
Ihre Vermutung? Dutzende. Mindestens.
Bei einem zweistöckigen Gebäude, von dem man nicht wusste, wie viel davon bewohnt war, könnten es einige hundert sein. Die Vorstellung, dass so viele Männer und Frauen gefangen gehalten und gefoltert würden … Ich würde in nächster Zeit nichts mehr essen.
»Braucht ihr meine Hilfe?«, fragte Ronan, als wir mit den Details durch waren.
Ich hob eine Augenbraue. »Brauchen?«
Ronan legte den Kopf schief und wirkte nicht amüsiert, auch wenn das Band zwischen uns eine Ahnung davon vermittelte. »Ich werte das als ein Nein. Nun gut. Ich muss mich um einige Angelegenheiten mit Anders kümmern, aber wenn du mich aus irgendeinem Grund brauchst …«
»Rufe ich nach dir«, sagte Nat, ohne ihn anzusehen. »Sie ist in guten Händen. Geh und kümmere dich um Anders und schau, ob er etwas gefunden hat, das uns bei unserem anderen Dilemma hilft.«
Ich sah zwischen den beiden hin und her. Es war klar, dass ich nicht die Einzige war, die stille Gespräche mit Ronan führte, wenn man darauf achtete, wie sie es formuliert hatte. Ich wusste, dass sie Lorcan meinte, und ein bisschen auch Bree. Ich vertraute den beiden jedoch vorbehaltlos, dass sie mir berichten würden, wenn es mehr zu diesem Thema gäbe, und ließ es dabei bewenden, als Ronan einmal nickte und im Nichts verschwand.
»Ich glaube nicht, dass wir zu der Höhle fahren sollten«, sagte Sasha keinen Augenblick später.
»Hm?«, fragte ich und scrollte durch Siennas Handy, wo sie so viel wie möglich von dem Gebäude von außen fotografiert hatte.
»Nats Auto ist auffällig«, sagte sie. »Davon gibt es nicht mehr viele in New Chicago, jedenfalls nicht so schöne wie ihres.«
Ich nickte anerkennend. Das war wahr.
»Irgendwann müssen wir einen Zauber dafür herstellen lassen«, überlegte ich und zoomte auf ein Fenster im Erdgeschoss. »Nicht, dass es uns diesmal helfen würde, aber für die Zukunft. Mir wäre es lieber, wir würden nicht die Chicago L nehmen, wenn es eine andere Alternative gibt.«
Mein Hass auf alles, was mit Magie zu tun hatte, war zwar nicht mehr aktuell, aber meine Meinung über die öffentlichen Verkehrsmittel in New Chicago hatte sich nicht geändert. Ich mochte die Vorstellung nicht, dass man mich stechen würde, während eine Maschine einen Tropfen meines Blutes als Bezahlung beanspruchte – selbst wenn es für den Antrieb des Zuges war. Wissen mochte Macht sein, aber Blut war es auch, und seit ich ein vollwertiger Dämon geworden war, wie Nat es nannte, war mein Blut viel wertvoller.
»Ich kann uns dorthin bringen«, sagte Sasha. »Durch das Nichts.«
Ich sah vom Telefon auf und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.
»Hast du genug Kontrolle, um uns alle in einem Stück dorthinzubringen?«
Die Sukkubus-Wandlerin verengte ihren goldenen Blick auf mich. »Ja. Ich habe trainiert.«
»Ich kann für sie bürgen«, meldete sich Sienna von ihrem Platz neben Nat aus zu Wort, den sie eingenommen hatte, als wir mit der Planung begonnen hatten.
»Ich brauche keine Fürsprecher. Ich kann sie ohnehin nicht anlügen«, sagte Sasha und beobachtete mich kühl.
»Das kannst du nicht«, murmelte ich, während sich die Räder in meinem Kopf drehten und ich wieder auf ein Fenster des Gebäudes starrte. »Dann können wir durch das Nichts gehen. Wie stehen die Chancen, dass du uns in diesen Raum auf der anderen Seite bringen kannst?« Ich hob das Telefon und zeigte ihr den Bildschirm.
Sasha kam zu mir und entriss es mir, ihre langen Finger strichen und wischten, während sie die Lippen schürzte, als wäre sie in Gedanken versunken.
»Wenn es keine Zaubersprüche auf dem Gebäude gibt, sollte ich es schaffen«, sagte sie nach einer Minute. »Wenn es welche gibt, prallen wir gegen sie und stehen draußen vor dem Fenster, was schlimmer wäre, als wenn wir durch die Vordertür gingen, je nachdem, wie lange man braucht, um sie zu überwinden.«
»Meine Lösung für die Zauber ist, die Tür zu zerschmettern und die Fenster zu zertrümmern. Wenn das nicht funktioniert, reiße ich die Vorderwand des Gebäudes ein.«
Nat schnaubte. »Sehr subtil.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Zaubersprüche sind kompliziert, wenn man die Magie darin entschlüsseln will. Ich habe weder die Zeit noch die Übung dafür. Normalerweise reicht es, die Barriere zu beseitigen, um sie zu schwächen oder zu vernichten. Oder hast du eine bessere Idee?«
»Leider nein. Und jemanden zu finden, der sich an ihnen zu schaffen macht, wird länger dauern, als mir lieb ist. Ich denke, deine Einbruchsstrategie ist wirklich unsere beste Option.«
Ich nickte. »Lass uns einen Gang zulegen!«
Ich nahm die Kälte des Nichts dank des Adrenalins, das mich durchströmte, kaum wahr. Magie wickelte sich um meine Finger, meine Arme hinauf und bildete Bänder um meine Brust, während sowohl ich als auch die Wut in mir auf das Unvermeidliche warteten.
»Haltet euch fest!«, flüsterte Sasha, deren Stimme von überall um uns herum zu hören war.
Licht durchdrang die Dunkelheit, und das Nichts wich zurück und verwandelte sich an unseren Fersen in Rauch.
Ich trat einen Schritt zurück, die rissige Ziegelwand vor mir wurde schärfer, als das Gefühl der Orientierungslosigkeit nachließ.
»Wachen«, grunzte Sasha.
Das stimmte.
Ich beobachtete die Fassade des Gebäudes, während ich Wind und Feuer zu uns rief. Funken schossen aus meinen Fingerspitzen, während sich mein Haar aufstellte. Ich bündelte die Magie zu einem einzigen Blitz, der die Höhle direkt treffen würde.
Meine Macht verdickte die Luft, Wut floss in Strömen aus mir heraus.
Dann legte sich Nathalies Hand auf meine.
Sie stoppte mich mit einem einzigen Wort. »Warte!«
Also tat ich es. Ich hielt die ganze aggressive Magie an und bremste sie mit einem schraubstockartigen Griff, während sie sich langsam dem Gebäude näherte.
Sie berührte es mit den Fingerspitzen, fast sanft. Als ob sie die Ziegel streicheln würde.
»Es ist Katherines Magie«, sagte sie mit leiser Stimme. »Sie hat die Schutzzauber gelegt.«
Ich hob die Augenbrauen. »Ich wusste nicht, dass deine Schwester Luzifer überlebt hat …«
»Ich auch nicht«, sagte Nat, ohne dass ihre Stimme etwas verriet. Sie starrte noch einen Moment lang vor sich hin, bevor sie mich wieder ansah. »Ich kann sie rückgängig machen.«
»Jetzt?«, fragte ich und schaute zum Fenster, um zu sehen, ob sich etwas bewegte. Da war niemand, aber das bedeutete nicht viel.
»Jetzt«, sagte sie mit einem Nicken.
Nat wich zurück und hob ihre Hände. Ihre Handflächen begannen zu glühen, während sie einen Entbindungszauber sprach. Im Handumdrehen sprudelte Gold aus ihr heraus.
Es breitete sich am Gebäude und an den Fenstern aus und bildete dichte Ranken. Ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es keine Ranken waren, sondern die Mauern selbst.
Nathalie streckte die Hand aus und zupfte es auseinander wie Grashalme.
Sie riss es in Stücke, und eines nach dem anderen fiel ab, bis nur noch die von ihr ausgehenden Zauberfäden übrig waren.
Sie hörte auf zu singen, und der Zauber erlosch, während der Duft von Wacholder und Himbeeren langsamer verblasste.
»Wegen dieses Fensters …«, begann ich. Ein Klicken ließ meinen Kopf zu Sienna herumwirbeln, die an der Backsteinmauer lehnte und eine ihrer langen Katzennägel unter dem Rand des Verschlusses krümmte.
Langsam schob sie ihn nach oben, wobei sich die Scheibe sanft anhob, bis es an etwas hängenblieb und ein Quietschen von sich gab. Sienna zuckte zusammen. Ihre Lippen formten leise das Wort »Ups!«
Ich seufzte. »So viel zu einem ›subtilen‹ Einbruch.«
»Du wolltest die Mauer einreißen«, sagte Nat.
Ich zuckte mit den Schultern, ohne auf ihren Standpunkt einzugehen, dann nahm ich eine Bewegung im Inneren wahr.
Ich zog meine Waffe, als ich mich dem Fenster näherte. Blinzelnd versuchte ich, die Gestalt in der Ecke zu erkennen, aber sie war in Schatten gehüllt.
Ein Vampir oder ein Opfer?
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
Ich schwang mein Bein durch die Öffnung und duckte mich unter der fast vollständig geöffneten Fensterscheibe. Meine Augen gewöhnten sich schnell an das Innere, meine Waffe war bereits auf die Person gerichtet, noch bevor ich mein zweites Bein hindurchgezogen hatte.