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Willkommen im Hadrian Hotel, dem Inbegriff von Luxus und Eleganz. Hier bieten Marta und Tristan ihren Gästen einen Aufenthalt jenseits aller Vorstellungskraft. Doch hinter der schillernden Fassade lauert das Unvorstellbare. Während einer exklusiven Veranstaltung wird das Hotel zum Schauplatz eines grausamen Verbrechens. Ein Mörder geht umher, getarnt in den Schatten der Pracht und mit einem perfiden Plan. In einem fesselnden Katz-und-Maus-Spiel kommen die Geheimnisse der Gäste und Mitarbeiter ans Licht, während Tristan verzweifelt versucht, die Wahrheit zu enthüllen. Jeder hat eine Verbindung zum Opfer, doch wer von ihnen ist der Mörder? Seien Sie eingeladen zu einem Aufenthalt, den Sie niemals vergessen werden.
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Seitenzahl: 190
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Willkommen im Hadrian Hotel, dem Inbegriff von Luxus und Eleganz. Hier bieten Marta und Tristan ihren Gästen einen Aufenthalt jenseits aller Vorstellungskraft. Doch hinter der schillernden Fassade lauert das Unvorstellbare.
Während einer exklusiven Veranstaltung wird das Hotel zum Schauplatz eines grausamen Verbrechens. Ein Mörder geht umher, getarnt in den Schatten der Pracht und mit einem perfiden Plan.
In einem fesselnden Katz- und-Maus-Spiel kommen die Geheimnisse der Gäste und Mitarbeiter ans Licht, während Tristan verzweifelt versucht, die Wahrheit zu enthüllen. Jeder hat eine Verbindung zum Opfer, doch wer von ihnen ist der Mörder?
Seien Sie eingeladen zu einem Aufenthalt, den Sie niemals vergessen werden.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Epilog
Check out, lieber Leser
Der Autor
Das Sezierbesteck war teuer gewesen, aber wenigstens konnte er es online beschaffen. Anonym.
Skalpell, Schädelspalter, Knorpelmesser, Knochenschere, Kopfsonde. Alles da. Sein Unterleib füllte sich mit Wärme und seine Fingerspitzen kribbelten, als er die Werkzeuge auspackte. Der Stahl fühlte sich kalt an, als er darüberstrich.
Doch er würde noch warten müssen. Er wusste, dass man heutzutage nie wirklich anonym war. Das Netz sieht alles und vergisst nichts. Jemand könnte auf seine Bestellung aufmerksam werden, ihn genauer unter die Lupe nehmen und die Polizei alarmieren. Die Beamten würden ihn vielleicht beschatten und ihm Fragen stellen.
Paranoid? Vielleicht. Aber lieber wahnhaft und unauffällig, als unaufmerksam und dingfest.
Nichts sollte sein Fest verderben. Er hatte alles genau geplant.
Diesmal würde sich niemand über ihn lustig machen, auch sie nicht. Sie würde tun, was er wollte. Und sie würde dabei Angst haben.
Er kannte es von den Tieren, die er bisher getötet hatte. Sie rochen anders, wenn sie Angst hatten. Sie wussten instinktiv, wenn sie gleich sterben würden und das aktivierte irgendeine Drüse in ihrem Körper, welche einen eigenen Geruch verströmte. Nicht unangenehm, eher süßlich, so wie Mandelhonig. Vermutlich eine letzte chemische Reaktion des Körpers, bevor das Leben aus ihm wich. Verließ hier schon die Seele den Körper? Das hatte er sich oft gefragt.
Das Problem bei Tieren war jedoch, dass sie nicht sprechen konnten. Sein Verlangen, nein, sein Durst war unstillbar. Kein Vieh vermochte ihm mehr Befriedigung zu verschaffen.
Aber sie ... Sie konnte sprechen. Und sie würde sprechen. Um Vergebung betteln, um Gnade flehen.
Er musste nur aufpassen, dass er es nicht zu schnell machte. Bei Tieren verlor er zuletzt immer schneller die Geduld. Bei den ersten Amputationen geriet er in einen Rausch und stach wahllos auf das Viech ein. Danach war er frustriert. Unbefriedigt. Ein Mensch war die Königsdisziplin. Er würde neue Welten erschließen. Andere Ebenen erforschen. Er hatte den Anatomieatlas auswendig gelernt. Er wusste, wie vorzugehen war. Zumindest in der Theorie. Noch.
Sie würde den Auftakt machen. Er hatte heimlich Fotos von ihr gemacht und ihren Kopf auf Bildern von Tieren geklebt.
Der Morgen brach an. Er spazierte am Rheinufer entlang, sah die Sonne ihre ersten Strahlen über den Kölner Dom werfen. Er ging den schlangenliniengeformten Weg lang, der von der Rheinuferpromenade hoch auf den Vorplatz des Museums Ludwig führte. Die Terrassenmöbel der Restaurants und Cafés reihten sich endlos aneinander, ein paar Obdachlose prüften die umliegenden Mülltonnen nach Verwertbarem. Sie nahmen ihn nicht wahr und er sie auch nicht.
Er ging weiter auf die Südseite der Hohenzollernbrücke. Als er sie betrat, sah er auf dem Geländer gegenüber vom Zaun, wo die ganzen Liebesschlösser hingen, wie sich von der einen bis zur anderen Rheinseite eine Möwe neben der nächsten anreihte, was ihre Zahl in die Hunderte schießen ließ. Alle standen auf einem Bein und schienen mit dem Brückengeländer verwurzelt zu sein. Früher hätte dieser Anblick sein Herz höherschlagen lassen. Doch diese Zeit war vorbei. Unnützes Federvieh. Hielten nichts aus.
Das Objekt seiner Begierde nahm er auf der anderen Rheinseite in Augenschein. Es erhob sich auf sechs Etagen, hatte die Form eines überdimensionalen Schuhkartons und von allen Seiten verspiegelte Fenster. Es war auf Luftlinie direkt gegenüber vom Kölner Dom und man konnte schon über den Rhein hinweg den Prunk und den Protz erahnen, den man dort sah. Er konnte es kaum abwarten, dort anzukommen. Beim Hadrian Hotel.
Donnerstag
Es würde kein schönes Gespräch werden. Das war ihr klar, als sie in ihrem E-Mail-Kalender die Notiz »Preff Meeting 9 Uhr« las. Es gab nicht viel, was sie positiv mit Heinz Preff in Verbindung brachte. Marta überlegte, während sie um 8:55 Uhr den Aufzug in den sechsten Stock des Hadrian Hotels nahm. Dort befand sich die VIP-Lounge; ein exklusiver Bereich mit eigener Rezeption, Bistro, Meetingräumen sowie Zimmer und Suiten mit der besten Aussicht auf das Kölner Rheinufer und den alles überstrahlenden Kölner Dom.
Marta nutzte den blank polierten Spiegel im Aufzug und zupfte sich ihren Hosenanzug zurecht, atmete tief durch und schloss die Augen.
Nein, viel Positives konnte man tatsächlich nicht über Heinz Preff sagen.
Vorsitzender einer Privatbank, Baulöwe und politisches Schwergewicht im Rheinland.
Aalglatter Geschäftsmann, intoleranter Macho und aufgeblasener Fatzke, fügte Marta in Gedanken hinzu. Einmal im Jahr hielt Preff im Hadrian Hotel die Mitgliederhauptversammlung seiner Bank ab. Drei Tage lang würde das Hotel alle Kapazitäten aufwenden, um diese Veranstaltung zu betreuen. Über hundert Zimmer wurden gebucht, praktisch alle Veranstaltungsräume genutzt, die Restaurants exklusiv gebucht und bis spät in die Nacht die Hotelbar besucht. In dieser Zeit galt für alle Mitarbeiter ein generelles Urlaubsverbot.
All das in einem 5-Sterne-Tempel zu veranstalten, konnten sich nicht viele leisten. Heinz Preff allerdings schon. Marta wusste, dass dieses Event ihrem Hotel den Löwenanteil des Jahreshauptumsatzes bringen würde. Was sie jedes Mal dazu nötigte, sich von Preff wie ein Schulmädchen behandeln zu lassen, wenn dieser wieder seine Liste mit Anforderungen vorlegte. Diese sah jedes Jahr mehr oder weniger gleich aus. Es sollte immer das Teuerste und Beste aufgetischt, ausgeschenkt und präsentiert werden.
Ob es dieses Mal auch so kommen wird?, fragte sie sich. Sie hatte mitbekommen, dass Preffs Bank dieses Jahr das erste Mal seit acht Jahren negative Zahlen schrieb. Und für jemanden, der es gewohnt war, alles nach eigenen Wünschen zu gestalten, musste diese Tatsache wie ein Stachel im Fleisch sein.
Das Ergebnis erwartete Marta nun in der VIP-Lounge. Der Aufzug öffnete sich und sie betrat den schwarz-weiß gekachelten Marmorboden, auf dem man praktisch essen konnte. Sie kam an einem mit Blumen und Obst dekorierten, langen Mahagonitisch vorbei. Er befand sich im Empfangsbereich, auf dessen rechter Seite sich eine kleine Rezeption befand. Sie grüßte freundlich ihre beiden Mitarbeiterinnen, die sich hier oben um ihre goldenen Kälber kümmerten. So nannte sie die Gäste, die sich regelmäßig hier einbuchten.
Links befand sich eine kleine Cafébar, auf der das Frühstücksbuffet aufgebaut war.
Marta ging weiter in den hinteren Loungebereich, wo sich einzelne Sitzgruppen befanden. Jede mit teuren Sesseln und Tischen ausgestattet. Hier konnten die Gäste unter sich sein, wenn sie es wünschten. An den Wänden rechts und links lief auf großen Flatscreens lautlos CNN. Die hintere Abgrenzung bestand aus einer einzigen Fensterfront, durch die man einen atemberaubenden Ausblick auf die Rheinuferpromenaden mit dem Kölner Dom als dominantem Blickfang erhielt. Von hier aus konnte man auf die Kölner Innenstadt bis hinunter zum Rheinauhafen mit seinen drei Kranhäusern blicken. Gäste, die zum ersten Mal hier oben waren, blieben nicht selten mit offenem Mund mitten in der Lounge stehen.
Normalerweise genossen die Gäste ihre Ruhe in der Lounge, doch ruhig war es dieses Mal nicht. Dafür sorgte ein in seiner Stammecke sitzender und lautstark telefonierender Heinz Preff. Marta war froh, dass zurzeit nur zwei weitere Gäste anwesend waren. Diese schienen sich an Preff wenig zu stören, wofür Marta sehr dankbar war. Nicht selten musste sie andere Gäste beruhigen, wenn Preff sich benahm wie der Platzhirsch, für den er sich hielt.
Marta nickte den beiden Gästen – ein Mann und eine Frau aus China – höflich zu und positionierte sich in Preffs Sichtfeld, allerdings mit einigen Schritten Abstand, sodass er sie wahrnehmen, sich aber nicht in seiner Privatsphäre verletzt fühlen konnte.
»Es ist mir egal, wie Sie das anstellen, verstehen Sie? Ich zahle Ihnen nicht ein mittleres Vermögen, um mir anzuhören, was Sie nicht können. Mich interessieren diese Klimachaoten nicht und jetzt finden Sie eine Lösung oder ich finde eine für Sie, ist das klar?«
Er knallte sein Smartphone auf den Tisch und murmelte etwas vor sich hin. Marta widerstrebte es, sich ihm zu nähern, da sie befürchtete, den Restfrust abzubekommen, der Preff immer noch einen roten Kopf bescherte. Auf seiner Halbglatze spiegelte sich die Deckenbeleuchtung wider.
»Ferger, wollen Sie da Wurzeln schlagen?«, bellte Preff Marta an.
»Setzen Sie sich, wir haben einiges zu besprechen und ich muss gleich weg.«
Preff zeigte mit dem Finger auf den Sessel gegenüber. Marta rieb sich kurz die Hände und nahm Platz.
»Guten Morgen, Herr Preff. Freut mich, Sie wieder bei uns ...«
»Hören Sie, Ferger, ich brauche dieses Jahr etwas Besonderes.«
»Gern. Was können wir für Sie tun?«
»Ich will dieses Jahr die Mitglieder, insbesondere den Vorstand, wegblasen, verstehen Sie?
Ich will, dass sie während des gesamten Aufenthalts quasi wie im Rausch verbringen. Kriegen Sie das hin?«
Marta verstand, dass das keine Frage war. Ihr schwante nichts Gutes.
»Darf ich fragen, an was Sie ungefähr gedacht haben?«
»Sagen Sie es mir. Ist doch Ihr Schuppen hier.«
»Nun, darf ich Ihnen kulinarisch etwas vorschlagen, möchten Sie die Willkommensgeschenke auf den Zimmern ändern oder soll die Ausstattung in den Konferenzräumen ausgebaut werden? In welchem Bereich wünschen Sie eine Veränderung?«
Preff sah sie das erste Mal direkt an und legte seinen Kopf schief.
»Sagen Sie, haben Sie heute Morgen schlecht gefrühstückt? Ich rede vom Wegblasen. Davon, dass meine Gäste sich im Dauerdelirium befinden und Sie kommen mir mit leckeren Häppchen und besseren Mikrofonen.«
Marta erwiderte seinen Blick. Sie war zu lange im Geschäft, um sich einschüchtern zu lassen.
»Herr Preff, verzeihen Sie, aber wenn Sie mir keinen Anhaltspunkt geben, fällt es mir schwer, Ihre Erwartungen zu erfüllen.«
Preffs Augen wurden zu Schlitzen.
»Nun, wie soll ich sagen? Ich dachte eher an so was wie ... Unterhaltung.«
Bei dem Wort schnalzte er mit der Zunge und rieb sich die Fingerkuppen, was bei Marta augenblicklich ein Stechen in der Magengegend verursachte.
»Herr Preff, ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe, ...«
»Doch, das tun Sie.«
Preff wollte gar nicht erst den Anflug einer Negation zulassen.
»Meine liebe Ferger«, sein Grinsen hatte etwas Diabolisches, »haben Sie schon einmal was von monetärer Logik gehört?«
Bevor Marta die Reißleine zog, wollte sie Klarheit haben.
»Herr Preff, wenn ich Sie recht verstehe, möchten Sie, dass wir zu Ihrer Veranstaltung Damen«, sie beugte sich in seine Richtung und senkte die Stimme, »von schwereloser Tugend einladen.«
Preff gab keinen Pfifferling darauf, ob er belauscht wurde.
»Nennen Sie sie, wie Sie wollen. Ich will, dass die beste Ware anwesend ist. Jeden Abend, ab 19:00 Uhr. Und nicht weniger als sechs an der Zahl. So, dass mindestens jedes Vorstandsmitglied bedient ist. Wenn Sie mehr ranschaffen können, umso besser. Schön, dass wir uns verstehen. Ich muss jetzt gehen.«
Preff packte sein Smartphone und seine Unterlagen zusammen und wollte gerade aufstehen.
Jetzt oder nie, dachte Marta.
»Herr Preff, bitte bleiben Sie sitzen.«
Preff nagelte seinen Blick in Martas Augen.
»Ich sagte, ich muss weg.«
Innerlich sah Marta ihre Felle davonschwimmen. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Gästen jeden Wunsch zu erfüllen. Dabei nahm sie in Kauf, dass es hin und wieder Leute gab, die ihr Arbeitsethos nur zu gerne ausnutzten. Ihr ging es jedoch um die Gäste, die ihr bei Abreise ehrliche Wertschätzung und Dankbarkeit entgegenbrachten.
Als sie das Hotel von ihrem Großvater übernahm, gab sie ihm das Versprechen, das Haus gewissenhaft und einem Luxushotel würdig zu führen. Sie fühlte sich ihm so sehr verpflichtet und verbunden, dass sie sich fortan zu 110 % in den Dienst des Hotels stellte. Da sie alleinstehend und kinderlos war und auch sonst keine nennenswerten Interessen hatte, war Marta das Gesicht, Herz und die Seele des Hotels. Und das seit mittlerweile über 20 Jahren.
Menschen wie Preff widerten sie an. Sie verstand jedoch, dass es Gäste wie ihn benötigte, um auf der Gegenseite den anderen Gästen eben jene Atmosphäre bieten zu können.
»Eine Wissenschaft des Unsichtbaren«, hatte ihr Großvater immer gesagt. Das war es, was die Etikette eines Luxushotels ausmachte. Marta verinnerlichte dieses Credo mit den Jahren. Und auch wenn es Situationen gab, wo sie sich moralisch strecken musste, wenn sich beispielsweise jemand eine Beschwerde zusammenstrickte, um eine Erstattung oder einen Nachlass zu ergeiern, blieb sie bisher immer in ihrer Spur.
Das, was Preff nun verlangte, war des Guten zu viel. Und das musste sie ihm irgendwie klarmachen.
»Ich habe eine bessere Idee. Bitte, setzen Sie sich.«
Sie nickte auf den Sessel, von dem Preff sich gerade erhob. Dieser blieb jedoch stehen und starrte Marta wortlos an. Sie musste ihn nicht ansehen, um zu merken, dass Preff bereit war, Marta wie eine Lawine zu überrollen. Er würde nur auf den richtigen Augenblick warten und dann den ersten Stein lostreten. Wenn sie es falsch anpackte, würde Marta anschließend ihre eigenen Überreste von dem teuren Boden aufsammeln können.
Daher durfte sie ihm keine Möglichkeit dazu geben und beschloss, in die Offensive zu gehen.
»Ich kenne ein Etablissement, welches Ihre Erwartungen weit besser erfüllen kann als wir. Die Mitarbeiterinnen dort sind auf Kundschaft spezialisiert, die Ihren Bedürfnissen entsprechen. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass all Ihre Wünsche dort erfüllt werden. Und als freundliche Geste unseres Hauses wäre es mir ein Vergnügen, Sie und Ihre Gäste mit unserem Limousinenservice auf den Weg dorthin einzuladen.«
Nun schaute sie Preff direkt an. Dieser kniff wieder seine Augen zusammen und streckte seine Unterlippe hervor. Seine Kaumuskeln bewegten sich. Von Lawine bis Schulterklopfen war nun alles möglich. Endlose Sekunden verstrichen.
»Wie gesagt, ich muss jetzt weg. Arrangieren Sie alles. Morgen Mittag reisen die ersten Gäste an. Um neun Uhr treffen wir uns wieder hier und dann will ich gute Nachrichten hören, verstanden?«
Marta zögerte mit der Antwort und stand ebenfalls auf. Sie wusste nicht, ob sie Preff überzeugen konnte oder ob dieser nur auf Zeit spielte. Spätestens morgen würde sie es erfahren, was ihr jetzt schon Kopfschmerzen bereitete. Der Tag fing gut an. Sie knöpfte sich ihr Jackett zu und deutete eine Verbeugung an.
»Ich freue mich schon darauf.«
Man betrat das Hadrian durch eine mächtige Drehtür. Ältere oder gehandicapte Menschen wurden von einem freundlichen Doorman empfangen, der bereitwillig, aber zurückhaltend vor dem Haupteingang stand. Ankommenden Gästen wurde hier auf Wunsch das Gepäck abgenommen und das Auto geparkt. Bei Taxen und Limousinen wurden die Türen geöffnet. Generell gab der asphaltierte Vorplatz mit der Größe eines halben Tennisplatzes ein adrettes Erscheinungsbild ab. Neben zwei Bänken für Raucher, die sich jeweils außerhalb seitlich dem Eingang befanden, waren eigens gepflanzte baumhohe Euonymus Sträucher unter dem verglasten Vordach, das von vier mächtigen Säulen gehalten wurde und so ein wenig Privatsphäre schuf. Im Sommer spendeten das Grün dankbaren Schatten. Da die hoteleigene Zufahrt eine Schranke besaß, hielt sich das Verkehrsaufkommen meistens in Grenzen.
Einen dezenten Oleanderduft nahm man wahr, sobald man die Lobby betrat. Man schaute auf ein Atrium, dessen Mittelpunkt ein Wasserfall war, der aus der darüber liegenden Etage mitten in ein Bassin in der Lobby plätscherte. Das Becken, in dem das Wasser kniehoch stand, hatte die Form einer geöffneten Muschel, von der aus jeweils links und rechts gewundene Treppen auf die Empore führten, wo sich die Restaurants, Konferenzräume und der Ballsaal befanden.
Der runterströmende Wasserfall verbarg vom Eingang aus den Blick auf drei Fahrstühle, die man nur erreichte, wenn man einmal um das Becken herum ging.
Einzelne Sitzgruppen, einige mit einladenden Sofas, andere mit Sesseln, die einen erwachsenen Menschen verschlucken konnten, füllten das Bild. Komplettiert wurde es durch die Rezeption, die sich links neben dem Eingang befand und dem Conciergetresen, kurz »Desk« genannt, direkt gegenüber. Der Bereich dazwischen wurde von dem unverwechselbaren Hotellogo geteilt, auf welchem das gewundene »H« auf blauem norwegischen Granitboden eingearbeitet war und das quadratische Volumen eines Wals hatte.
Der Betrieb in der Lobby war - gemessen an den über 300 Zimmern, die das Hotel hatte – verhältnismäßig ruhig. Einige Messegäste standen in Grüppchen beisammen und warteten, bis sie vollzählig waren, um dann gemütlich in die nahegelegenen Messehallen zu wandern. Jeder von ihnen trug ein Umhängebändchen um den Hals, welches Namen, Titel und Firma verriet und den Eindruck erwecken ließ, man befände sich auf einem Schulausflug. Aber das gehörte zum Messegeschäft dazu. Man schuf Transparenz, indem man zeigte, wer man war und für wen man arbeitete. Datenschutz konnte hier getrost ausgeklammert werden, es legte auch niemand Wert darauf.
Andere Gäste liefen mit dem Handy am Ohr auf und ab und hier und da flitzten ein paar Mädchen mit Hijab um die Sofas und ärgerten ihre älteren Geschwister.
Tristan genoss das rege, aber dezente Treiben. Es verlieh ihm eine Art Anonymität, sich auf dieses Potpourri an Menschen und Kulturen einzulassen und demjenigen, der seine Dienste als Concierge in Anspruch nahm, sich entsprechend anzupassen. Sei es sprachlich oder kulturell, er musste in der Lage sein, mit einem König sowie Bettler auf Augenhöhe kommunizieren zu können.
Eine angeborene Menschenkenntnis, die sich mit den Jahren verfeinerte, erleichterte ihm oft den Alltag. Er merkte schnell, was für eine Art Mensch er vor sich und wie er mit ihm umzugehen hatte. Körpersprache war hier das Schlüsselwort. Jemand, der beispielsweise wild gestikulierte, laut wurde oder beides, war in der Regel lediglich verunsichert. Daher überspielte diese Person es oft mit übertrieben dominantem Auftreten. Solche Gäste konnte Tristan meistens recht schnell auffangen.
Er ging die Anreiselisten durch, als eine Frau, er schätzte sie auf Mitte vierzig, an ihn herantrat.
»Bina Berg vom Worringer Wochenblatt, guten Tag«. Sie hielt ihren Presseausweis vor, auf dem ihr Haar schulterlang und blond war. Graue Strähnchen kamen nun hinzu, dafür wich die Länge einem Kurzhaarschnitt.
»Ich habe einen Termin mit einem Gast von Ihnen, Darko Simić«, fügte sie hinzu.
Tristan kannte den Schauspieler aus seiner Anfangszeit, während er als Page im Hadrian arbeitete. Damals wohnte er in Köln und war Stammgast im hoteleigenen Gourmetrestaurant. Er gab Tristan immer ein gutes Trinkgeld, damit dieser sich um sein Auto kümmerte. Solche Gäste vergaß man nicht.
Das war über 15 Jahre her. Darko Simić wohnte mittlerweile in Berlin und zählte zum Who-is-who der deutschen Schauspielszene. Sein neuer Film würde demnächst Premiere im Cinedom feiern und da gehörten Pressetermine, wie dieser, dazu.
»Einen Augenblick bitte.« Tristan lächelte Bina zu. Weder bestätigte noch dementierte er, ob ein Gast mit diesem Namen anwesend war. Gerade bei Filmprominenz wurden Fans und solche, die sich dafür hielten, kreativ, nur um sich eine Möglichkeit zu verschaffen, an Tristan vorbei auf die Gästeetagen zu kommen oder zumindest herauszufinden, ob das Ziel ihrer Begierde überhaupt im Hotel war.
Er tippte eine Nummer auf dem Festnetztelefon auf seinem Tresen. Den Laptop klappte er zu, nachdem er die Zimmernummer herausgefunden hatte.
Am anderen Ende meldete sich eine Stimme. »Ja?«
»Guten Morgen, Herr Simić, der Concierge am Apparat. Verzeihen Sie die Störung, aber Bina Berg ist für Sie da. Dürfen wir sie zu Ihnen hoch lassen?«
Kurzes Schweigen. Tristan nahm eine Dame wahr, die mit einem Jungen und zwei Rollkoffern die Lobby betrat. Er sah, wie der Page auf sie zukam und ihr seine Hilfe anbot.
»Ja, schicken Sie sie hoch, danke.«
Tristan legte auf und schloss seinen Tresen ab.
»Folgen Sie mir bitte, Frau Berg. Ich begleite Sie zum Aufzug.«
»Ach, das geht schon. Ich finde den Weg, wenn Sie mir die Zimmernummer verraten.«
Tristan lächelte, während er sich im Gehen die Krawatte richtete.
»Es ist die 438, eine Suite. Ich muss Sie trotzdem begleiten, um Ihnen den Aufzug freizuschalten. Ohne Zimmerkarte kommen Sie nicht hoch.«
»Oh, okay.«
Nachdem Tristan die Journalistin zur Suite von Darko Simić begleitet hatte, kehrte er wieder an seinen Platz in der Lobby zurück. Er fragte den Pagen, was mit der Dame und deren Gepäck war.
»Die war voll komisch. Sie wollte keine Hilfe und hatte schon fast Panik, als ich ihr die Koffer abnehmen wollte.«
Tristan runzelte die Stirn.
»Weißt du, wie sie heißt?«
»Nein. Wie gesagt, die hat mich regelrecht weggescheucht.«
»Okay, ich find das schon raus. Kümmere dich bitte wieder um die Lobby.«
Der Page nickte und richtete seine Uniform zurecht. Tristan beobachtete die Dame, die dabei war, einzuchecken. Der Junge - Tristan tippte auf den Sohn und schätzte ihn auf 15 Jahre – hatte Kopfhörer auf und war in sein Handy vertieft.
Die Dame, blond, attraktiv, Anfang 30 trug einen beigen Zweiteiler und Birkenstock-Sandalen.
Komische Combo, dachte er sich.
Als sie eingecheckt hatte, erkundigte er sich bei der Schichtleiterin an der Rezeption nach dem Namen und der Zimmernummer.
»Jana Jablonska, Zimmer 148, mit ihrem Sohn Marek«, verriet sie ihm.
Tristan bedankte sich und schaute sich ihr Profil im Computer an. Adresse, Kreditkarteninformationen, vergangene Aufenthalte, Notizen, Vorlieben und allerlei sonstige Informationen konnte man hier einsehen. Sofern ein solches Profil existierte. In diesem Fall waren bis auf eine Bergheimer Adresse alle Felder leer.
»Für drei Tage die niedrigste Zimmerkategorie gebucht und alles bar im Voraus bezahlt«, flüsterte er vor sich hin.
Mindestens auffallend. Er würde sie im Auge behalten.
Tristan wollte sich wieder seinen Listen widmen, als er Preff aus dem Aufzug kommen sah. Dieser visierte ihn umgehend an und Tristan legte im Wissen seine Unterlagen beiseite, dass das kein freundschaftliches Gespräch werden würde.
Er beobachtete, wie Preff seinen wuchtigen Körper um das Wasserbecken herum manövrierte. Den Blick starr geradeaus, das Kinn vorgeschoben, das Doppelkinn rhythmisch zum Gang wackelnd, sah er aus, als würde er zubeißen, wenn man es wagte, ihn anzusprechen. Ein Bluthund, wie er im Buche steht.
»Tillmann!«
Preff brüllte durch die halbe Lobby und schob seinen Zeigefinger in Tristans Richtung. Das Grüppchen Messegäste drehte sich erschrocken in Preffs Richtung, was dieser gar nicht wahrnahm.
Tristan musste tief durchatmen.
Was für ein Bauer ...
»Guten Morgen, Herr Preff, wie geht es Ihnen heute?«
»Hören Sie, Tillmann, Sie müssen mir einen Gefallen tun! Sie müssen mir ein paar leichte Mädchen für morgen Abend besorgen. Güteklasse eins, so was, was Sie mir letztes Mal organisiert hatten, die Kleine war spitze. Mindestens sechs davon.«
Kein Vorgeplänkel, keine Scham, direkt zur Sache, das war Preff, dachte sich Tristan. Während er über eine Antwort nachdachte, schob Preff ihm unauffällig einen Umschlag über den Tresen. Er konnte ein Bündel grüner Scheine durch die Falz erkennen. Man konnte über Preff sagen, was man wollte, aber geizig war er nicht.