Ausgerechnet mit dem Ex - Louise Fuller - E-Book

Ausgerechnet mit dem Ex E-Book

Louise Fuller

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Beschreibung

Ausgerechnet Gabriel Silva! Schockiert erkennt Anwältin Dove, wer ihr neuer Auftraggeber ist. Dass der vermögende Unternehmer einst ihre Liebe verriet, schmerzt immer noch wie ein Dorn in ihrem Herzen. Am liebsten würde sie den Job auf der Stelle absagen! Doch leider braucht sie dringend Geld, um die traditionsreiche Kanzlei ihrer Familie zu retten. Wäre Gabriel bloß nicht immer noch so atemberaubend attraktiv! Als er sie auf seine Luxusjacht im Mittelmeer entführt, sehnt sie sich ungewollt immer mehr nach seinen erregenden Berührungen …

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2023 by Louise Fuller Originaltitel: „Returning for His Ruthless Revenge“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe 2023 in der Reihe JULIA, Band 2628 Übersetzung: Tina Beckmann

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 122023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751519007

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Guten Morgen, Miss Cavendish. Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Urlaub.“

Ohne in ihrem zügigen Schritt innezuhalten, warf Dove ihrer Assistentin, die im Foyer der Kanzlei Cavendish & Cox auf sie zugeeilt kam, ein kurzes Lächeln zu. „Ja, danke Mollie, den hatte ich.“

„Sie haben sich für Ihre Auszeit einen guten Zeitpunkt gewählt, denn hier war einiges los“, fuhr die junge Frau aufgeregt fort. „Am Mittwoch haben die U-Bahn-Fahrer wieder gestreikt, weshalb die Hälfte der Belegschaft mit zwei Stunden Verspätung hier eintraf. Außerdem haben wir diesen unglaublichen neuen Klienten bekommen, aber davon haben Sie sicher schon gehört. Ich meine, dass Mr. …“

„Ja, ich habe davon gehört“, bestätigte Dove, bevor Mollie den Namen aussprechen konnte.

Vor dem Aufzug blieb sie stehen und drückte den Rufknopf. Ihr ganzer Körper vibrierte vor Anspannung. Ihre Wangen fühlten sich glühend heiß an, doch sie wusste, dass man ihr nichts davon ansah. Als Kind, dessen Aufgabe es gewesen war, die Ehe seiner Eltern zu retten, hatte Dove früh gelernt, ihre Gedanken und Gefühle für sich zu behalten. Das war einer der Gründe, warum sie heute als Anwältin so erfolgreich war. Doch noch nie war sie für diese Fähigkeit so dankbar gewesen wie in diesem Moment.

Gestern Abend war sie von ihrer längst überfälligen Wellnesswoche zurückgekehrt und mitten beim Auspacken gewesen, als ihr Boss angerufen hatte. Es war nur ein kurzes Gespräch gewesen, und die Hälfte von dem, was Alistair gesagt hatte, war an ihr vorbeigerauscht. Doch das Wenige, das zu ihr durchgedrungen war, hatte genügt, um wie eine Bombe in ihr friedliches, geordnetes Dasein einzuschlagen:

Gabriel Silva hatte Cavendish & Cox engagiert, um seine neueste Übernahme abzuwickeln!

Gabriel Silva …

Mit gerade einmal dreißig Jahren war er bereits eine Legende in der Geschäftswelt. Ein Spitzenraubtier in einem Ozean voller Jäger und Killer. Kaltblütig und unersättlich verleibte er sich eine finanziell angeschlagene Firma nach der anderen ein und hatte auf diese Weise innerhalb kürzester Zeit ein milliardenschweres Wirtschaftsimperium aufgebaut. Allerdings war es weniger sein umstrittener Ruf als Geschäftsmann, der Dove so zu schaffen machte, sondern vielmehr die Tatsache, dass er vor sechs Jahren plötzlich und ohne Vorwarnung seine Beziehung mit ihr beendet hatte. Genauer gesagt hatte ihr Vater Oscar ihm Geld dafür geboten, und Gabriel war auf den Deal eingegangen. Von einem Tag auf den anderen war er aus ihrem Leben verschwunden, ohne je wieder von sich hören zu lassen.

Und jetzt war er zurück!

Dove schluckte hart. Die Zeit heilt alle Wunden, hieß es, doch das stimmte nicht. Als Alistair gestern Abend am Telefon seinen Namen ausgesprochen hatte, hatte ihr wieder alles so klar und schmerzhaft vor Augen gestanden, als wäre es erst gestern geschehen.

„Das ist ziemlich aufregend, oder?“ Mollies große dunkle Augen leuchteten vor Ehrfurcht und Bewunderung. „Ich habe ihn heute Morgen gegoogelt und konnte kaum glauben, was für ein großes Tier er ist. Und dann sieht er auch noch unfassbar gut aus …“ Sie seufzte sehnsüchtig. „Dieser Mann ist ein echter Glücksfall, finden Sie nicht?“

Mit einem rumpelnden Geräusch hielt der Aufzug an. Die Türen öffneten sich, und die beiden Frauen betraten die Kabine.

Als Glücksfall hätte Dove sein plötzliches Auftauchen in ihrem Leben sicher nicht bezeichnet. Und echt war an Gabriel Silva rein gar nichts. Alles – jedes Wort, jedes Lächeln, jede Berührung – war nur Show gewesen. Wenn auch eine erstklassige, wie sie zugeben musste. Er war so gut gewesen, dass sie den Köder ohne jedes Misstrauen geschluckt hatte – obwohl ihre Eltern ihr jahrelang vorgelebt hatten, dass Liebe nur ein schöner Begriff für das Verfolgen der eigenen Interessen war!

Wie zahllose naive und emotional ausgehungerte Frauen vor ihr hatte sie sich von einem Paar strahlend blauer Augen und einem sexy Lächeln den Kopf verdrehen lassen und den Preis dafür bezahlt. Nein, schlimmer noch! Das Bezahlen hatte ihr Vater übernommen, und das war das Schlimmste daran. Hätte Gabriel einfach nur ihre Gefühle nicht erwidert, wäre Dove schon irgendwie damit fertiggeworden. Aber dass er ihre Liebe skrupellos in bare Münze verwandelt hatte, saß immer noch wie ein schmerzender Dorn in ihrer Seele.

Es gab nur einen einzigen positiven Aspekt in diesem jämmerlichen Drama. Da Dove wusste, wie alle reagieren würden, wenn sie mit dem Sohn eines einfachen Elektrikers ausging, hatten sie und Gabriel ihre Beziehung geheim gehalten. Niemand außer ihrem Vater kannte die Wahrheit, und Oscar war einen Monat nach Gabriels Verschwinden an einem Herzinfarkt gestorben.

Ihre Mutter wusste bis heute nichts davon. So oft Dove sich auch gewünscht hatte, sich ihr anzuvertrauen, am Ende hatte sie es nicht getan. Der Gedanke an Olivias eigene schmerzhafte Erfahrung hielt sie jedes Mal davon ab.

Offiziell war es die Liebesgeschichte ihrer Generation gewesen. Die schöne, amerikanische Erbin Olivia Morgan und der attraktive, aus gutem Hause stammende Engländer Oscar Cavendish. Doch schon wenige Wochen nach der märchenhaften Hochzeit geriet die Ehe ins Wanken. Die Rechnungen für Oscars kostspieligen Lebensstil fluteten nach und nach herein, aber er hatte kein Geld, um sie zu bezahlen. Sein eigenes Erbe war aufgebraucht, und er hatte nicht die Absicht, einer so profanen Tätigkeit wie Arbeit nachzugehen.

Das war der Beginn einer langen und zutiefst enttäuschenden Ehe gewesen. Seit Dove denken konnte, hatte Olivia ihre Töchter vor dem gleichen Fehler gewarnt – besonders sie als die Jüngste. Verliebt euch bloß nie in einen Herzensbrecher mit leeren Taschen und großen Ansprüchen! Den Satz hatte Dove wieder und wieder gehört. Und so hatte sie nie den Mut aufgebracht, ihrer Mutter die Wahrheit zu sagen.

Um ihre Gedanken von diesem wenig erbaulichen Thema abzulenken, lehnte sie sich gegen die Kabinenwand – gerade, als diese sich ruckartig in Bewegung setzte. Wie alles andere in dem denkmalgeschützten Stammsitz der Firma in Lincoln’s Inn Fields musste auch der Aufzug dringend modernisiert werden. Doch die Klienten kamen nicht wegen der schicken Innenräume zu Cavendish & Cox. Sie kamen, weil sie einen erstklassigen Firmenanwalt brauchten, dem sie bedingungslos vertrauen konnten. Sie kamen wegen Alistair Cox.

Jedenfalls war das normalerweise der Fall. Aber traf das auch auf Gabriel Silva zu?

Als Dove Mollies erwartungsvollem Blick begegnete, fiel ihr ein, dass sie deren Frage noch gar nicht beantwortet hatte. „Mr. Silva ist zweifellos eine beeindruckende Persönlichkeit“, räumte sie diplomatisch ein. „Aber bevor Sie sich zu sehr von Ihrer Begeisterung mitreißen lassen, sollten Sie sich darauf einstellen, dass er nur äußerst selten persönlich hier auftauchen wird. Unsere Hauptansprechpartner werden in erster Linie seine Mitarbeiter sein.“

„Aber er ist derjenige, der die Entscheidungen trifft“, konterte Mollie vergnügt. „Und das bedeutet, dass wir die Besten in ganz London sein müssen. Warum hätte er uns sonst engagieren sollen?“

Genau das war die Frage. Waren Cavendish & Cox tatsächlich die Besten?

Historisch gesehen zweifellos. Obwohl es mittlerweile ernst zu nehmende Konkurrenten gab, hatte ihr Name immer noch viel Gewicht. Allerdings waren sie ein kleines Familienunternehmen. Zu traditionsbewusst und zu wenig aggressiv, um der perfekte Partner für ein machthungriges und expandierendes Unternehmen wie die SilvaGroup zu sein.

Der perfekte Partner …

Doves Magen machte einen Satz, als plötzlich das Bild von Gabriels nacktem sonnengebräuntem Körper vor ihrem inneren Auge auftauchte. Er bewegte sich kraftvoll und ungezähmt wie ein wilder Krieger, während sie sich ihm voller Lust hingab …

Glücklicherweise stoppte das plötzliche Anhalten des Aufzugs den inneren Film ebenso abrupt, wie er begonnen hatte!

„Da ist ja unsere Urlauberin“, wurde sie freudig begrüßt, sobald sich die Türen öffneten. „Keine Sorge, er ist gerade erst angekommen.“

Dove blinzelte verwirrt, als sie Alistair erblickte. Er hielt ein schmales Aktenbündel in der Hand, und seine Lesebrille balancierte gefährlich schief auf seinem vollen grauen Haarschopf.

„Wer ist angekommen?“, fragte sie verständnislos.

Ihr Boss runzelte die Stirn. „Gabriel Silva natürlich.“

Erstaunlicherweise gelang es Dove fast mühelos, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. „Wie schön!“ Mollie, die bereits in ihr Büro geeilt war, wäre sicher entzückt gewesen, das zu hören. Aber sie hatte ja auch keine Ahnung, wozu dieser Mann fähig war.

„Nicht wahr?“ Alistair strahlte. „Annabel hat schon alles vorbereitet. Ich wollte gerade hinunterfahren, um ihn in Empfang zu nehmen.“

Dove nickte und lächelte weiter, als hinge ihr Leben davon ab. Es war, als befände sie sich außerhalb ihres Körpers und würde sich selbst beobachten.

„Also dann bis gleich.“ Alistair trat an ihr vorbei in die Kabine, die sie gerade verlassen hatte. „Wir sehen uns im Konferenzraum.“

„Ich soll an der Besprechung teilnehmen?“ Dove spürte, wie ihr Lächeln gefror. „Aber … warum denn?“

„Weil Mr. Silva ausdrücklich darum gebeten hat. Das habe ich dir doch gestern am Telefon gesagt. Schon vergessen? Er sagte, er habe vor einigen Jahren deinen Vater kennengelernt und die Begegnung mit ihm noch in bester Erinnerung.“ Alistair musterte sie einen Moment mit zusammengekniffenen Augen. „Du musst nicht die ganze Zeit dabeibleiben, wenn du nicht willst. Es genügt, wenn du ein paar nette Worte mit ihm wechselst, damit er sich ein Bild von Oscars Tochter machen kann.“

Dove schlug das Herz bis zum Hals. Diese ‚Begegnung‘ hatte ihr ganzes damaliges Leben in einen Scherbenhaufen verwandelt. Es hatte viel Zeit und Anstrengung gekostet, um die Person zu werden, die sie heute war. Eine selbstbewusste, unabhängige Frau mit einem Beruf, den sie liebte, einem netten Freundeskreis und einem gemütlichen Zuhause, in dem sie sich sicher und geborgen fühlte. Ihr Privatleben war zwar nicht besonders aufregend, aber dafür war es angenehm frei von bösen Überraschungen.

Und nun war dieser skrupellose Schurke zurückgekehrt und drohte, ihr erneut den Boden unter den Füßen wegzureißen!

Sag es ihm! schrie es in ihr auf. Sag Alistair, dass du es nicht erträgst, mit diesem Mann im selben Raum zu sein. Du bist wie eine Tochter für ihn. Er wird dich nicht dazu zwingen.

Doch es war zu spät, er war schon auf dem Weg nach unten.

Dove starrte auf die geschlossene Fahrstuhltür und kämpfte gegen eine Welle von Übelkeit an. Das alles konnte nicht wahr sein, und doch geschah es gerade. Gabriel Silva befand sich im selben Gebäude wie sie und würde jeden Augenblick durch diese Tür treten.

Sie mussten sich im Foyer um Sekunden verpasst haben.

Ihr Blick flog den Flur entlang zur Treppe. Sie könnte jetzt das Haus verlassen und kommentarlos gehen, so wie er es damals getan hatte. Die Vorstellung war verlockend, aber gleichzeitig wusste Dove, dass es bei ihr etwas anderes wäre. Sie würde nicht einfach nur gehen, sondern vor ihm davonlaufen, und warum sollte sie das tun? Sie hatte nichts falsch gemacht. Es würde ihn nur zu dem Fehlschluss verleiten, dass sie noch Gefühle für ihn hegte, und sie hatte nicht die Absicht, ihm diese Genugtuung zu geben. Ganz abgesehen davon wäre es Alistair gegenüber nicht fair. Dove stellte sich seine verwirrte Miene vor, wenn er realisierte, dass sie fort wäre, und straffte die Schultern.

Komm schon, du schaffst das, sprach sie sich Mut zu. Ein paar Minuten Smalltalk, dann kannst du dich wieder ausklinken.

Hätte Gabriel ein vertrauliches Gespräch mit ihr gewollt, hätte er das leicht arrangieren können. Die Tatsache, dass er es nicht getan hatte, deutete eher darauf hin, dass er nur aus Neugierde um ihre Anwesenheit gebeten hatte. Vermutlich wollte er sehen, was aus der Frau geworden war, die er vor Jahren hatte sitzenlassen. Ansonsten wäre es für ihn nur ein geschäftliches Treffen wie jedes andere, und genauso sah sie es auch.

Nach einigen tiefen Atemzügen fühlte Dove sich bereit, der Herausforderung zu begegnen. Sie musste nur noch schnell im Waschraum verschwinden und ein wenig Make-up auftragen …

Als sie zehn Minuten später das Besprechungszimmer betrat, lag ein sanfter Rosaton auf ihren Wangen, und ihre Haare waren zu einem eleganten tiefen Pferdeschwanz gebändigt.

„Ah, da ist sie ja!“ Mit einem warmen Lächeln winkte Alistair ihr vom anderen Ende des Raums zu. Es war ein tröstliches Gefühl, in sein vertrautes Gesicht zu blicken. Am liebsten hätte Dove sich wie an einem Rettungsanker daran festgeklammert und den Mann, der neben ihm stand, einfach ausgeblendet.

Aber das war natürlich unmöglich.

Langsam wandte sie sich Gabriel zu und empfand im ersten Augenblick – nichts. Ihr Kopf war leer, ihr Körper fühlte sich wie betäubt an. Doch schon eine Sekunde später kehrten die Erinnerungen an die schlimmste Zeit ihres Lebens zurück und mit ihnen die alten Gefühle.

Der Schmerz.

Die Wut.

Die Demütigung.

Und zu Doves Entsetzen auch ein Anflug der alten unwiderstehlichen Anziehungskraft.

Während sie sich zwang, seinem Blick standzuhalten, hämmerte ihr Herz wie wild gegen ihre Rippen. Insgeheim hatte sie immer gehofft, dass die Zeit gegen ihn arbeiten und ihn für das, was er ihr angetan hatte, bestrafen würde. Doch nun musste sie feststellen, dass das Schicksal ihr diesen Wunsch nicht erfüllt hatte. Er war immer noch der atemberaubendste und männlichste Mann, den sie je gesehen hatte. Mit tiefschwarzem Haar, einem breiten, sinnlichen Mund und herausfordernden unfassbar blauen Augen.

Dove holte zittrig Luft und berührte mit den Fingerspitzen ihre dezente Perlenkette. Es war das erste Mal, dass sie ihn in einem Anzug sah, und sie wünschte, sie hätte es nie getan. Wahrscheinlich würde sich das Bild für immer in ihrem Kopf festsetzen. Der strenge und makellose Schnitt des Anzugs betonte seine raue Schönheit noch mehr, und das Kribbeln zwischen ihren Schenkeln bewies ihr überdeutlich, wie gefährlich ihr dieser Mann immer noch werden konnte.

Sie hätte aufschreien mögen vor lauter Frust und Verzweiflung. Sie sollte – und wollte! – sich nicht so fühlen. Nur Alistair zuliebe tat sie sich das überhaupt an.

Als er auf sie zukam und ihr die Hand reichte, schaffte sie es nur mit Mühe, ihre gelassene Fassade aufrechtzuerhalten. Es schmerzte beinahe physisch, ihn anzusehen, und doch konnte Dove den Blick nicht von ihm abwenden.

„Miss Cavendish.“

Sein Lächeln jagte ihr einen kühlen Schauer über den Rücken. Der Gabriel, in den sie verliebt gewesen war, hatte nur selten gelächelt, und wenn er es tat, war es pure Magie gewesen. Dieses Lächeln hingegen wirkte kalkuliert, berechnend und nur darauf ausgerichtet, Alistair bei Laune zu halten.

„Mr. Silva.“ Als sie seine ausgestreckte Hand ergriff, verspürte sie einen kurzen Anflug von Hitze – scharf und stechend wie eine züngelnde Flamme. Sein Blick hielt ihren fest, und für einen Moment verstärkte sich der Druck seiner Finger. Dann war der flüchtige Körperkontakt schon wieder vorbei.

„Das ist also das legendäre Familienunternehmen“, bemerkte er in beiläufigem Plauderton. „Aber wenn ich Alistair richtig verstanden habe, war Ihr Vater nicht hier beschäftigt, oder?“

„Ja, das stimmt“, bestätigte sie. „Er war der Überzeugung, dass ihm das Talent zum Juristen fehlte.“

Tatsächlich war Oscar Cavendish clever und rücksichtslos genug gewesen, um in praktisch jedem Beruf erfolgreich zu sein. Gleichzeitig hatte er auch eine Neigung zur Faulheit und Zügellosigkeit. Anstatt wie Alistair in der Kanzlei zu arbeiten, die ihre Vorfahren vor sechs Generationen gegründet hatten – oder überhaupt einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen –, hatte er es vorgezogen, von den Dividenden seiner Geschäftsanteile zu leben und sich für größere Ausgaben aus dem Vermögen seiner Frau zu bedienen.

„Aber dennoch hat er beim Start meiner Karriere eine entscheidende Rolle gespielt. Ohne seine Investition wäre meine erste Firmenbeteiligung nicht möglich gewesen.“

Während Gabriels Blick immer tiefer in sie einzudringen schien, konzentrierte Dove sich darauf, ruhig weiterzuatmen. Investition. Das Wort schmeckte wie Asche in ihrem Mund. Die meisten Menschen würden es Bestechung nennen, auch wenn Oscar zweifellos einen weniger vulgären Ausdruck dafür gefunden hätte. Anreiz vielleicht. Oder Ansporn?

Wie auch immer, Gabriel hatte das Geld genommen.

Als Bezahlung für seinen Verrat an ihrer Liebe.

Plötzlich überkam Dove ein unbändiger Drang, mit beiden Fäusten auf ihn einzuschlagen. Sie wollte ihm seine selbstgefällige Maske herunterreißen und ihn mit all den bitteren Vorwürfen konfrontieren, die immer noch auf eine Rechtfertigung warteten.

In ihrer Fantasie hatte sie es schon Tausende Male getan, doch dies war die Realität, und in der kam sie mit Selbstkontrolle bedeutend weiter.

Zumal ich meine Pflicht fast schon erfüllt habe, sagte Dove sich. Sie hatte seine dreisten Anspielungen auf die Vergangenheit mit einem Lächeln überhört. Er hatte genug Gelegenheit gehabt, sie ausgiebig zu begutachten und seine Neugier zu stillen. Mehr konnte Alistair wirklich nicht von ihr erwarten.

„Danke, dass Sie diese Erinnerung mit mir geteilt haben“, sagte sie mit einem kühlen Lächeln. „Mein Vater hätte sich bestimmt darüber gefreut.“ Ihr Körper war bereits auf dem Weg zur Tür. „Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, aber jetzt überlasse ich Sie beide Ihren Geschäften. Sie haben sicher viel zu besprechen.“

„Natürlich …“ Alistair, der nichts von der Spannung im Raum zu bemerken schien, trat zu Gabriel und deutete einladend auf den Konferenztisch. „Genau darum sind wir schließlich hier, nicht wahr?“

Gabriel, der das ganz anders sah, musterte unter halb gesenkten Lidern Doves fein geschnittenes Profil. Er war nur aus einem einzigen Grund hier, und der hieß Rache. Die Übernahme von Fairlight Holdings war zentraler Bestandteil seines Plans, und die Frau, die so offensichtlich darauf brannte, seiner Gegenwart zu entfliehen, würde eine wichtige Rolle dabei spielen.

Sie wusste es noch nicht, und das war auch gut so. Bekanntermaßen servierte man Rache am besten kalt. Er würde sich ausreichend Zeit für das Vorspiel nehmen, und wenn der richtige Moment gekommen war, würde er genüsslich beobachten, wie sie vergeblich versuchte, sich aus ihrer Misere zu befreien. Nach allem, was sie ihm angetan hatte, war es das Mindeste, was ihm zustand.

Gabriel spürte, wie ihn die alte Wut packte, als er an das aalglatte Lächeln auf Oscars hübschem Gesicht dachte. An die blumigen verlogenen Worte, mit denen er sich für den plötzlichen Herzenswandel seiner Tochter entschuldigt hatte. Noch nach all den Jahren brannte die Erinnerung an diese Begegnung wie eine offene Wunde in ihm.

Fast so sehr, wie Doves Schönheit ihn blendete.

Denn sie war immer noch atemberaubend. Mit ihrem zarten, fast ätherischen Körper, dem langen weizenblonden Haar und den silbergrauen Augen ließ sie ihn unweigerlich an eine nordische Gottheit denken. In genau diese Augen hatte er geblickt, als sie ihm mit dem betörendsten Lächeln der Welt ihre Liebe gestanden hatte.

War es da ein Wunder, dass er sie angebetet hatte? Ihr vorbehaltlos jedes Wort geglaubt hatte, egal, wie sehr er sich heute dafür verachtete?

Er war verrückt vor Liebe gewesen und ebenso blind, aber Letzteres war ihm erst klar geworden, als Oscar Cavendish mit seinem Vorschlag im Hotel aufgekreuzt war. Bis zu dem Moment hatte er tatsächlich geglaubt, Dove sähe mehr als nur einen heißen Sommerflirt in ihm.

Nun ja, er hatte sich geirrt, aber dieses Mal war sie die dumme Ahnungslose.

„Sie wollen doch nicht schon gehen, Miss Cavendish“, erhob er lässig Einspruch, als sie den Raum verlassen wollte. „Es gibt keinen Grund, warum Sie nicht an dem Gespräch teilnehmen sollten. Schließlich sind wir hier unter Freunden, oder etwa nicht?“

Sie stand vollkommen reglos da, wachsam und angespannt wie ein Reh, das akute Gefahr wittert. Für einen Moment ruhte sein Blick auf den Konturen ihrer kleinen, festen Brüste, die sich im einfallenden Sonnenlicht unter ihrer Bluse abzeichneten. Dann wanderte er höher zu ihren Augen, in denen winzige Funken aufblitzten wie Sterne auf geschmolzenem Silber.

Genau wie damals nach dem Sex …

Der Gedanke war da, bevor Gabriel ihn abwehren konnte. Und mit ihm jede Menge unerwünschte Erinnerungen, denen die unvermeidliche Frage folgte, ob es einen neuen Mann ihrem Leben gab. Bei der Vorstellung, wie Dove sich nachts in die Arme eines anderen schmiegte, packte ihn unversehens eine so heftige, primitive Eifersucht, dass er sich zwingen musste, nicht die Hände zu Fäusten zu ballen.

Was immer du in dieser Frau gesehen hast, war nur ein Hirngespinst, rief er sich verärgert in Erinnerung.

Er mochte einmal geglaubt haben, sie wären Freunde. Liebende. Ja sogar Seelengefährten. Aber das war jetzt anders. Er war nicht an ihrer Freundschaft interessiert, geschweige denn an dem übrigen Unsinn. Tatsächlich konnten Feinde viel nützlicher sein als Freunde. Man musste ihnen nur ein ausreichend starkes Motiv für ihre Kooperation liefern.

Und zum Glück wusste Gabriel genau, welche Knöpfe er drücken musste, um Dove Cavendish gefügig zu machen.

„Meine Absicht, Fairlight Holdings zu übernehmen, wird ohnehin bald ein Thema in den Medien sein“, fügte er wie nebenbei hinzu. „Wir können also völlig offen darüber reden.“

„Fairlight Holdings?“ Alistair runzelte leicht die Stirn. „Ich kannte den alten Angus Balfour. Er hat während des Immobilienbooms in den neunziger Jahren einige gute Investitionen gemacht, es dann aber leider versäumt, über den Wohnungsmarkt hinaus zu expandieren.“

Der sanfte Ausdruck in seinen hellgrauen Augen täuschte Gabriel keine Sekunde lang darüber hinweg, dass dahinter ein messerscharfer Verstand arbeitete. Schon viele hatten sich dazu verleiten lassen, Alistair Cox aufgrund seines freundlich bescheidenen Auftretens zu unterschätzen, und sie hatten alle teuer für diesen Fehler bezahlt.

Dass dieser brillante, erfahrene Anwalt jetzt dennoch in eine Situation geraten war, auf die er sich in voller Kenntnis der Umstände nie eingelassen hätte, war zwar bedauerlich, aber nicht Gabriels Problem. Dafür durfte er sich bei seinem verblichenen Teilhaber Oscar Cavendish bedanken.

Ihm ging es nur darum, mit den zwei Frauen abzurechnen, die ihn eiskalt abserviert und in die Wüste geschickt hatten: seine Mutter Fenella Ogilvy und die Frau, die gerade versuchte, so zu tun, als wäre sie gar nicht hier.

Wie damals drehte sich auch jetzt alles um Macht und Geld. Der Unterschied war nur, dass diesmal er die Macht und vor allem das Geld besaß!

Alistair Cox lächelte liebenswürdig. „Wenn Sie an Immobilien interessiert sind, könnte ich Ihnen zwei oder drei Unternehmen empfehlen, deren Portfolios auch Gewerbeobjekte umfassen.“

„Vielleicht ein anderes Mal“, erwiderte Gabriel unverbindlich.

Alistair nahm seine Brille ab und begann, die Gläser mit dem Ärmelaufschlag seiner Strickjacke zu polieren. „Dürfte ich fragen, worin Ihr besonderes Interesse an Fairlight Holdings besteht?“

Gabriel ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Vor fünf Jahren hatte er mit seinen Anteilen an dem sozialen Netzwerk Trill den Grundstein für sein heutiges Imperium gelegt. Seitdem war die Silva Group in atemberaubendem Tempo zu einer vielköpfigen Hydra herangewachsen, die von einer Kryptowährungsbörse über Immobilien in New York bis hin zu verschiedenen Medienunternehmen und einer Slowfood-Restaurantkette nahezu alles vereinte, womit sich Geld verdienen ließ.

Im Gegensatz zu seinem Vater Luis hatte Gabriel keine formelle Berufsausbildung absolviert. Er war einfach ins kalte Wasser gesprungen, hatte sich den Herausforderungen gestellt und dabei sein außergewöhnliches Talent als Investor entdeckt. Er liebte es, schwächelnde Firmen zu übernehmen und in effiziente Geldmaschinen zu verwandeln. Nur war das nicht der Grund, warum er Fairlight Holdings haben wollte.

Der Grund dafür war viel komplexer und gleichzeitig sehr simpel.

Fenella Ogilvy, seine leibliche Mutter, die ihn gleich nach seiner Geburt abgeschoben hatte, war die Tochter des alten Angus Balfour. Als erfolgreiche Fernsehmoderatorin war sie zwar nicht aktiv in die Firma eingebunden, aber sie hielt Anteile daran. Dasselbe galt auch für ihre beiden legitimen Kinder, und ihr Sohn fungierte seit dem Tod seines Großvaters vor sechzehn Monaten als Interims-CEO.

Gabriel hatte Informationen, dass sein Halbbruder mit dieser Aufgabe hoffnungslos überfordert war und Fenella Ogilvy einfach nur ihrer Verantwortung entkommen wollte. Und genau diese Schwachstelle würde er ausnutzen. Er plante, sie mit einem unwiderstehlichen Angebot zu ködern und dazu zu bringen, das traditionsreiche Familienunternehmen samt seiner ehrwürdigen Geschichte an ihn zu verkaufen.