Ausstieg mit Mitte 50 - Herb Stumpf - E-Book

Ausstieg mit Mitte 50 E-Book

Herb Stumpf

4,4

Beschreibung

Nach dem erfolgreichen Buch „Ausstieg mit Mitte 50 - Frühpensionierung als Chance zum Neubeginn“ bearbeitet Herb Stumpf in dem vorliegenden Werk das Thema „Berufsende und Älterwerden" in einer sehr ganzheitlichen Sichtweise. Seit Ersterscheinung 2008 ist dies bereits die vierte völlig überarbeitete Neuauflage und hat sich somit als Standardwerk zum Thema „Vorbereitung auf den Ruhestand “ entwickelt. Amüsant, spannend und zugleich detailliert beschrieben vermittelt der Autor das notwendige Sachwissen und führt durch alle wichtigen Themen: Die wesentlichen Punkte zu Formalitäten und zur Altersfinanzierung Die geistig-seelischen Abläufe und die Fragen nach dem Sinn Veränderungen im persönlichen und sozialen Umfeld Das Finden neuer Inhalte und Ziele für einen erfüllten Lebensherbst Dabei sind sowohl persönliche Erfahrungen des Autors als auch die Fragen und Lösungskonzepte von Teilnehmern/innen seiner zahlreichen Seminare zu diesem Komplex mit eingeflossen. Dieses Buch bietet eine Fülle von Denkanstößen für alle, die den Schritt in den Lebensabschnitt „nach dem Beruf“ vor sich haben oder auch schon angegangen sind.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Neuausgabe 2017

ERSTER TEIL

Acht Monate von der Ankündigung eines Frühpensionierungsprogramms bis zum tatsächlichen Ausstieg

Warum ich dieses Buch schreibe

Über mich und mein Leben

Late-Life-Crisis

Wie es anfing

Die Seele ist den Weg bereits gegangen

Kapitalsturz

Erster Besuch bei der Arbeitsagentur

Bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV)

Die große Rechnung

Müllers Liste

Das Fazit für Müllers

Die Unterschrift

Träume und Runen in der Seele

Die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden

Das letzte halbe Jahr im Job

„Trust the process” und ein weites Meer

Es interessiert mich nicht mehr

Wer bin ich ohne meinen Job?

Kalter Februar und warme Tropen

Ein roter Strich und ein Glas Rotwein

„Alles Gute zum Vorruhestand”

„Genieße deine letzte Woche als Sklave!”

ZWEITER TEIL

Die drei Jahre danach

Auf der Suche nach mir selbst

Der erste Tag in Freiheit endet hinter Gittern

„Alles verklingt wie ein Ton im Nichts”

„A state of the mind” – ein Zustand des Geistes

Meditation, Nirvana und Altes loslassen

Endlich Urlaub – und ein bisschen was gelernt

Eine Schublade, in die ich nicht hinein will

Eine peinliche Frage und eine passende Antwort

Und noch eine gute Frage

Immer zu Hause – gewöhnungsbedürftig

Singles dürften es schwerer haben

„Paarmenschen” haben es auch nicht ganz einfach

Was tun mit der vielen Zeit?

Dein Computer: dein Freund und Feind

„Vielleicht mache ich auch einfach gar nichts”

Ganz allmählich passt man sich in ein neues Kostüm ein

Und noch ein paar Besuche bei der Arbeitsagentur

Mein rasches Ende als Leiche in einer großen Kartei

Offiziell ein „Arbeitsloser”

Alle drei Monate eine Pflichtübung und dann ein deutlicher Punkt

Bewerbung ziemlich zwecklos

Eine Konfrontation mit dem Tod macht mich sehr nachdenklich

Die Frage nach dem Sinn des Lebens und so weiter

Was mache ich jetzt?

DRITTER TEIL

Was machen die anderen?

Worum es hier geht

„Jeder Fünfte fürchtet sich vor dem Rentenalter” – hat aber Visionen

Die Vorstellung vom „Leben im Alter” und die verschiedenen Typen von Pensionären

Was machen die anderen?

Erst die Zahlen, jetzt die Menschen

Ein erfülltes Paar

Vom Leiter der Aus- und Fortbildung zum Blumenfotograf

Gabriele nimmt das Segel in die eigene Hand

Binnenschiffer, Theologe, Rektor, Hausrenovierer

„Meine Bilder hängen in der ganzen Welt”

„Es geht uns gut, weil wir Mut hatten ...”

Wanderführer auf Mallorca

Vom Zahnarzt in Ligurien zum Antennenbauer auf Teneriffa

Einige Anmerkungen zum Schluss

Beginnen Sie mit einer Reise

Ändern Sie Ihren Wertbegriffe

Zeitweise Orientierungslosigkeit ist ganz normal

Hören Sie auf, sich über Leistung zu definieren

Geben Sie Ihrem Tag eine Struktur

Anhang

Adressen von Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, gemeinnützigen und anderen Organisationen

Vorwort zur Neuausgabe 2017

Warum eine Neuausgabe?

Seit der ersten Ausgabe von „Ausstieg mit Mitte 50“ sind beinahe vierzehn Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft vieles verändert. Wurden in den neunziger Jahren und um die Jahrtausendwende selbst hochqualifizierte Arbeitskräfte noch mit Anfang fünfzig in die Frühpensionierung gelobt – teils mit staatlichen Unterstützungsprogrammen, teils durch Abfindungen – so werden sie inzwischen, glaubt man den offiziellen Verlautbarungen, auch trotz Wirtschaftskrise 2008 wieder gebraucht und sogar gewollt.

Nicht jeder wird dieser Version zustimmen, vor allem dann nicht, wenn seine Firma gerade wieder mal Mitarbeiter freisetzt, diese aus finanziellen Gründen abbaut, weil ein Betrieb verlegt oder gar ganz geschlossen wird. Wer die Fünfzig überschritten hat und sich auf Arbeitssuche begeben muss, wird rasch feststellen, dass die Jüngeren bevorzugt eingestellt werden – entweder weil sie billiger sind, angeblich flexibler und belastbarer, oder auch, weil Jüngere schöner aussehen oder „besser ins Team passen“ - wie man sagt. Die ganze Wahrheit wird wohl nie erforscht werden, weil diesbezüglich aus Opportunität oder wegen „politischer Korrektheit“ ganz erheblich gemauert wird und dies auch weiterhin der Fall sein wird. Die Frühpensionierung hat sich höchstens von „Mitte 50“ auf „Ende 50“ oder maximal auf Alter 63 verschoben. Es kommt aber noch eine weitere Veränderung hinzu. War es vor zehn oder gar zwanzig Jahren noch einigermaßen fragwürdig, sich in seinen fünfziger Lebensjahren und damit quasi „im besten Saft“ vom offiziellen Berufsleben zu verabschieden, so hat sich hier ganz allmählich eine Akzeptanz breit gemacht, die besagt, dass der- oder diejenige, der das berühmte Schäfchen einigermaßen im Trockenen hat, dieses mit sehr ruhigem Gewissen auch selbst genießen darf und sich seine Zeit nicht unbedingt mehr mit einem Routinejob vertreiben oder auch nur noch „für die Erben arbeiten“ soll. Über sehr viele positive Beispiele wurde in den Medien berichtet, wo Mitt- oder Endfünfziger den Job an den Nagel gehängt und sich dem gewidmet haben, was sie schon sehr lange tun wollten - oder wo sie einen anderen, mehr befriedigenden Lebensinhalt fanden. Genau wie über diejenigen, die aus finanziellen Gründen und aufgrund des erreichten Frustrationslevels zwar aufhören hätten können – oder sollen – sich aus traditionellen oder gewohnheitsmäßigen Überlegungen dann doch nicht trauen und schließlich weiter in vertrauter Umgebung vor sich „hinwerkeln”.

Ich selbst bin diesen Weg im Prinzip zwei Mal gegangen: Mit Mitte 30 war ich das erste Mal „ausgestiegen“, gab einen gut bezahlten Job mit Zukunftsperspektiven auf, zog mit meiner Frau von einer großzügigen Wohnung in die relative Enge eines VW-Busses und fuhr in diesem 2 Jahre um die Welt. Als die Welt besichtigt, kein Paradies gefunden, und der Geldbeutel leer waren, schrieb ich diesbezüglich ein Buch, genau mit diesem Titel, und stieg dann wieder in meinen erlernten Beruf als Wirtschaftsingenieur ein. So arbeitete ich noch rund 18 Jahre bei Hewlett-Packard im Vertrieb, als mich ein gnädiges Schicksal mit dem Angebot einer Frühpensionierung beschenkte - und damit dem zweiten Ausstieg. Wieder musste ich mich neu erfinden, neue sinnvolle Aufgaben finden, denn zugegebener Weise wurde es nach rund 2 Jahren der Suche - ich war inzwischen ungefähr 57 - ziemlich langweilig und leer, eine ziemlich unerwartete Krise folgte. Was mich „rettete“ war erst die geistige Erkenntnis, dass ich „wieder etwas tun“ müsste, gefolgt von der praktischen Umsetzung. Ich schrieb zunächst die erste Version von diesem Buch, fand auch schnell einen Verlag (Kösel, 2003) der es veröffentlichte, es kamen gute Rezensionen und daraus wurde ein Seminar zum Thema „Vorbereitung auf den Ruhestand“. Der Zeitpunkt war gut, das Thema gefragt - und aktuell ist es immer noch! So hatte ich nach einigen Anläufen wieder einen für mich sinnvollen Inhalt gefunden, das Einkommen zusammen mit der Betriebsrente war auskömmlich, und den Stress eines Jobs in der Industrie war ich dennoch los, denn ich konnte sowohl meinen Arbeitsrhythmus als auch mein Pensum selbst und frei bestimmen. Inzwischen gehe ich dieser neuen Aufgabe seit dem Jahr 2003 nach, bin jedoch dabei, im Alter von inzwischen 70+ allmählich nach neuen Horizonten Ausschau zu halten, da ich hoffe, immer noch einige gute Jahre vor mir haben zu dürfen.

Den Rest zu diesem Buch habe ich weitestgehend im Original belassen, da meine Erfahrungen und Erlebnisse zwischen Angebot und Schritt in die Frühpensionierung hier praxisnah zusammengefasst und beschrieben sind. Wenn im Detail bezüglich Formalien auch teilweise nicht mehr ganz zutreffend, so bleiben die Beweggründe, die Zweifel, die Ängste und Bedenken, die man als Betroffener so durchmacht, zeitlos erhalten. Deswegen keine große Überarbeitung! Wenn Sie aktuelle Hinweise und Tipps suchen, so verweise ich auf mein Buch „Wenn das Wochenende 7 Tage hat“ (bei BoD, Books on Demand).

ERSTER TEIL

Acht Monate von der Ankündigung eines Frühpensionierungsprogramms bis zum tatsächlichen Ausstieg

Warum ich dieses Buch schreibe

Einer meiner Freunde, gerade 50 geworden und erfolgreicher, selbstständiger Steuerberater, kam eines Tages zu mir und klagte mir zum x-ten Mal sein gleich bleibendes Leid: Eine Mitarbeiterin hatte gekündigt, zwei weitere hatten sich krank gemeldet und eine andere war schwanger geworden und fiel demnächst für längere Zeit aus. Was blieb einem mittelständischen Unternehmer? Mehrarbeit. Er musste noch mehr ranklotzen als ohnehin schon. Wieder einmal hatte er die Nase gründlich voll und dachte ans Aufhören.

Seine Story war mir nicht neu, aber diesmal kam eine interessante Variante dazu: „Weißt du, wie man ins Berufsleben einsteigt, das sagt einem jeder – von den Eltern angefangen, den Lehrern in der Schule, später in einer Lehrstelle oder an der Universität und spätestens im ersten Job. Es gibt Vorbilder und Modelle zuhauf, man wird praktisch hineingedrängt, ob man will oder nicht. Wie man aber wieder herauskommt, wie man aufhört, das sagt einem keiner. Da bist du ziemlich alleine!”

Wie man sein Berufsleben beendet, das sagt einem keiner.

Dieser Satz machte mich hellhörig, denn er traf voll ins Schwarze meiner eigenen damaligen Situation: Ich selbst hatte kurz zuvor meinen 55. Geburtstag gefeiert und war gerade mittendrin im „Aufhören”, denn just a mente vor ein paar Tagen hatte ich einen so genannten „Aufhebungsvertrag” mit meiner Firma, dem großen, amerikanischen Computerkonzern Hewlett-Packard, unterschrieben. Ein weltweit angebotenes Abfindungsangebot mit vorgezogener Betriebsrente für Mitarbeiter ab fünfundfünfzig war kurzfristig angeboten worden, und ich hatte es angenommen. Dabei verblieben nur wenige Wochen Zeit, mich dafür oder dagegen zu entscheiden, denn wie so viele große Lebensentscheidungen kam auch diese völlig unerwartet und plötzlich – für mich persönlich aber genau im richtigen Moment, wie ich später merkte.

Die innere und äußere Verarbeitung dieses großen Schritts in einen völlig neuen Lebensabschnitt beschäftigte mich nachhaltig. Ich befand mich im Wechselbad der Gefühle. Hätte ich der jeweiligen Verfassung eine Überschrift gegeben, sie hätten gelautet: „Was wirst du den ganzen Tag machen?”, „Wird das Geld reichen?”, aber auch „Endlich habe ich Zeit für meine vielen anderen Interessen”.

Der Kernsatz meines Freundes war jedoch ein Auslöser, mir neben meinem Tagebuch noch ein Notizbuch anzulegen, in das ich die wesentlichen Erkenntnisse und Erfahrungen eintrug, die sich mit dem Thema „Frühpensionierung” bzw. „Ausstieg mit Mitte 50” befassten.

Dieser Begriff „Ausstieg” passt aus meiner Sicht besser als das Wort Frühpensionär: Mit 35 Jahren hatte ich schon einmal bewusst eine Industriekarriere abgebrochen – mit einem „open end” für die Zeit danach –, war mit meiner Frau in einem VW-Bus zwei Jahre um die Welt gefahren, hatte auch darüber ein Buch geschrieben, bin dann aber genauso bewusst wieder eingestiegen, weil ich damals schlicht und einfach „zu arm” war fürs Aufhören und außerdem viel zu jung.

Auszusteigen ist für mich ein freiwilliger Akt, ein aktiver Schritt, den man bewusst und von sich selbst gewollt herbeiführt. Pensionär oder Rentner wird man dagegen von selbst, ohne dass man sich darum kümmern muss – spätestens mit 65! Wer mit Mitte 50 aufhört, der oder die (weibliche Leser bitte ich mir zu gestatten, dass ich der besseren Lesbarkeit halber künftig bei der männlichen Form bleibe) ist in der Regel noch fitter als jemand mit 60 oder 65 und hat häufig die Wahl, ein so genanntes Frühpensionierungs- oder auch Teilarbeitszeitprogramm anzunehmen oder auch abzulehnen. Möglicherweise – bei Betriebsschließungen oder unzumutbaren Versetzungen und dergleichen – geschieht dieser Akt auch mit Druck von außen oder durch „höhere Gewalt”. In jedem Fall gehört dazu jedoch die eigene Entscheidung, etwas Gewohntes nicht mehr zu tun – ansonsten sucht man sich einen neuen Job. Mit „50+” nicht ganz einfach, aber auch nicht unmöglich. In den meisten Fällen reicht es allemal dazu, noch eigene Träume zu verwirklichen, kürzer zu treten oder auch noch einmal etwas Neues anzufangen. Je älter man wird und je länger man wartet, umso schwieriger dürfte die Umstellung jedoch werden.

Die Freiheit dazu spielt sich zunächst im Kopf ab. Ich gebe unverblümt zu, dass zur Realisierung auch Geld gehört. Laut Statistik haben Sie ab Mitte 50 noch gut 20 Lebensjahre vor sich und dafür braucht man noch einiges Geld.

Wenn Sie mit der ersehnten Freiheit gedanklich spielen, sollten Sie einiges beachten. Davon handelt dieses Buch. Es gibt einige praktische Erfahrungen wieder. Es versucht auch meine eigenen Ängste und Sorgen darzustellen und es soll Ihnen helfen, Ihre persönliche Finanzplanung und Ihr verständliches Sicherheitsdenken zu reflektieren und in eine brauchbare Form zu bringen.

Denken Sie daran, „Wege entstehen erst beim Gehen” und „den ersten Schritt muss man selbst tun.”

Im Folgenden will ich Ihnen erzählen, wie es mir persönlich in dieser Phase, in diesem „Häutungsprozess”, erging, quasi beim „raus aus dem Job” und hinein in ein anderes Leben. Nicht mehr und nicht weniger. „Heiße Tipps” und gute Ratschläge habe ich auf ein Mindestmaß beschränkt, weil sich die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen ständig ändern und die persönlichen Umstände äußerst individuell verlaufen.

Ich wende mich an die große Gemeinschaft der Mitt- und Endfünfziger, die über ihr Leben und die ihnen verbleibende Zeit nachdenken. Menschen, die über die Midlife-Crisis hinaus sind und sich nun in einer „Krise des Aufhörens” befinden, die man auch „Exit-Crisis” oder auch „Late-Life-Crisis” bezeichnen könnte. Für dieses Buch habe ich mir, von der Idee bis zur Vollendung,

gut drei Jahre Zeit genommen. Ende September 1998 kam mein Abfindungsangebot, im November wurde ich 55, am 30. April 1999 war mein letzter Arbeitstag. Bis September des gleichen Jahres war ich offiziell beurlaubt, danach war ich sozusagen „on my own”. Erst im April 2001, also zwei Jahre später, war ich schließlich so weit, dass ich meine über die Jahre gesammelten Notizen in Buchform bringen konnte. Zwei Jahre Zeit zum „Batterie auftanken”, habe ich offensichtlich gebraucht. Erst dann war wieder die Lust da, mich einigermaßen regelmäßig an den Schreibtisch zu setzen.

Mir ist bewusst, dass sich der Teil, der in einem späteren Kapitel die finanziellen Überlegungen betrifft, an ein Publikum im so genannten Mittelstand wendet. Wer der Meinung ist, dass zum Aussteigen das Geld noch nicht reicht, der muss weiter im Job bleiben. Leider ist das so. Nicht jeder wird es sich leisten können, Mitte 50 aufzuhören.

Allerdings ist die Frage, „wie viel man braucht”, sehr individuell zu beantworten. Sie hat etwas mit laufenden Verpflichtungen zu tun, mit persönlichem Lebensstil und mit der Setzung von Lebensprioritäten. Wer nie genug hat, wird zwanghaft weiter schaffen müssen, und wer seine Sicherheitsansprüche zu hoch setzt, kann auch leicht daran ersticken. Werden auf einmal die Blutgefäße zu eng und ein Infarkt ist die Folge, oder bekommt man die Mitteilung, dass irgendwo im Körper ein Karzinom bohrt, dann ist vieles schon zu spät und Sicherheit wird dann relativ. Mit Macht, Status und Erfolg ist es ähnlich. Bekanntlich hat das letzte Hemd keine Taschen, und selbst der schönste Grabstein ist und bleibt nur ein lebloses Stück Materie zur Erinnerung. Auch der schönste Nachruf in einer großen Zeitung wird Sie nicht mehr erreichen, Ihr Leben ist vorbei. Denn „Alles verklingt wie ein Ton im Nichts!”, habe ich mir einmal sagen lassen.

Über mich und mein Leben

1943 wurde ich als Herbert Stumpf geboren, aber meine amerikanischen Freunde und Verwandten sowie meine Arbeitgeber haben mich sehr früh bereits „Herb” genannt und dabei bin ich geblieben, weil es mir besser gefiel.

Die ersten 20 Jahre meines Lebens habe ich lernend in München verbracht, dann folgte ich einer großen Lebenschance nach Liberia in Westafrika und verbrachte dort genau viereinhalb Jahre. Mit einem schönen Sack selbst verdientem Geld versehen, konnte ich mir darauf ein einigermaßen angenehmes Studium zum Wirtschaftsingenieur, wieder in München, leisten. In meinem dreißigsten Lebensjahr und mit einem frischen Diplom in der Tasche stieg ich erneut in die so genannte Arbeitswelt ein, wollte möglichst rasch Karriere machen und auch wieder Geld verdienen. Ein Traineeprogramm bei einem amerikanischen Weltkonzern erschien mir dazu als geeigneter erster Schritt, dem einige weitere auf der langen beruflichen Leiter folgten.

Als ich 34 war, starben innerhalb von nur 14 Monaten erst mein Stiefvater, dann mein Schwiegervater und schließlich meine Mutter. Sie alle waren gerade mal 65 Jahre geworden. Ich stellte mir die Frage, wie lange meine eigenen Tage dauern würden – und erfüllte mir wenig später einen großen Lebenstraum: Ich stieg beruflich aus, kaufte mir einen VW-Bus und fuhr zusammen mit meiner Frau für zwei Jahre um die Welt. Darüber schrieb ich mein erstes Buch mit dem schlüssigen Titel „Zwei Jahre mit dem VW-Bus um die Welt”. Es verkaufte sich siebzehn Jahre lang ohne jede Werbung, bis mein Verleger mit 53 seinen Verlag, die Druckerei und den Copy-Shop verkaufte und mit dem Erlös nach Kanada auswanderte. Auch einer, der rechtzeitig darüber nachdachte, „was ist und was noch bleibt”.

Weil nach dieser großen Reise, die auch eine Reise nach innen war, mein Geld wieder ziemlich zu Ende war und ich mit meinem Leben noch etwas anderes, möglichst Sinnvolles anfangen wollte, knüpfte ich in etwa da an, wo ich vorher aufgehört hatte, und suchte mir einen neuen Job – was zu meiner Überraschung erstaunlich einfach war. Dabei hatte ich das große Glück, in einem sehr fortschrittlich und liberal geführten amerikanischen Computerkonzern, der Firma Hewlett-Packard, zu landen, der mir sowohl eine befriedigende berufliche wie auch menschliche Weiterentwicklung erlaubte. Da ich mich dort sehr wohl fühlte, blieb ich 18 Jahre lang, bis zu meiner vorzeitigen Pensionierung im Alter von knapp 56. Dies war dann mein zweiter und – auch endgültiger – Ausstieg aus der Industrie.

Was ich seitdem lebe, ist ein großes Stück Freiheit! Weil ich finanziell unabhängig bin, muss ich meine Zeit nicht mehr verkaufen. Damit bin ich zum ersten Mal in meinem Leben wenigstens nach außen hin wirklich frei. Ich sehe dies als ein großartiges Geschenk, dessen Wert ich täglich schätze und worüber ich mich genauso häufig freue. Ich habe keinen Umsatzdruck mehr, brauche mich nicht mehr um das Wohl und Wehe von Mitarbeitern und Kollegen zu kümmern, kann auf Anzüge und Krawatten verzichten und muss nicht mehr ständig auf die Uhr schauen. Dinge, die zu meiner äußeren Freiheit gehören. Innere Freiheit ist etwas anderes, die muss man sich – etwas mühsamer – im Kopf erarbeiten. Darauf werde ich später noch ausführlicher eingehen.

Late-Life-Crisis

Angelehnt an die bekannte und viel zitierte Midlife-Crisis, nenne ich den Zeitraum, der sich irgendwo und irgendwann zwischen Anfang 50 und längstens 65 abspielt, eine „Late-Life-Crisis”. Bevor ich darauf eingehe, definiere ich, was überhaupt eine Krise ist: Eine Lebenskrise ist kein Normalzustand. Sie dauert eine begrenzte Zeit, in der durch äußere oder innere Einflüsse das Leben eines Menschen durcheinander gerät. Sie entsteht allmählich aus dem normalen, steten Fluss des gewöhnlichen Alltags heraus oder auch durch einen plötzlichen, unerwarteten Schlag, kommt zu einem gewissen Höhepunkt und geht dann wieder in einen anderen, normalen Zustand über.

Jeder Mensch macht solche Krisen durch, aber nicht jeder muss alle gleich intensiv oder überhaupt mitmachen. Die erste Lebenskrise findet bei der Geburt statt, mit dem Austritt aus der Geborgenheit des Mutterleibs. Sie fängt in der Regel mit einem Klaps auf den Po an und kulminiert im ersten Geschrei. Danach beginnt das eigentliche Leben, und das Leben außerhalb des Mutterleibs wird das normale. Die zweite große Krise macht auch noch jeder mit, sie ist bekannt als Pubertät und erwischt einen in verschieden starken Ausprägungen. Vergleicht man den Lebenszyklus mit den Jahreszeiten, handelt es sich hier um den Frühling. Eine Midlife-Crisis findet – wie der Name sagt – in der Mitte des Lebens statt, also irgendwann zwischen Mitte 30 und Mitte

40. In dieser Zeit werden Fragen aktuell wie „Ob ich den richtigen Beruf gewählt habe oder vielleicht noch einmal neu anfange”, „Ob – weil die Ehe kriselt – mein Partner oder meine Partnerin zu mir passt?”, „Sind die Werte, die mir in der ersten Hälfte meines Lebens wichtig waren, noch immer die richtigen und vor allem die eigenen?” Mann oder Frau ist auf der Höhe der eigenen Kraft, hat eine Ausbildung und genügend berufliche Erfahrung, stellt jedoch vieles in Frage und hat die Power, noch einmal neu zu beginnen. Im Vergleich zu den Jahreszeiten würde man diese Fragestellungen dem Sommer zuordnen. Diese bewegte Zeit sollte vorbei sein, wenn man die 50 überschritten hat, entsprechend der Tatsache, dass man mehr als die Hälfte des Lebens bereits hinter sich hat. Man nähert sich dem Herbst, in dem die Tage kürzer und die Schatten länger werden, in dem zwar noch manch kräftiger Sturm blasen kann, die Gewitter des Sommers im Allgemeinen aber vorbei sind und die Tage ruhiger werden. Wer diese Rechnung in Frage stellt, ist ein großer Optimist; er muss dann nämlich 100 und mehr werden.

Es soll auch noch eine „End-Life-Crisis” geben, das ist die, wenn man selbst darüber nachdenkt, ob es Zeit ist, den Wohnsitz in ein Altersheim zu verlegen, oder wenn die Angehörigen verzweifelt einen Platz im Pflegeheim suchen. Dann ist die Zeitspanne, von der ich in diesem Buch rede, auch längst gelebt. Dann ist sozusagen Winter geworden, die Tage sind nur noch kurz und das Frösteln gehört dazu.

Die „Late-Life-Crisis”, mit der wir uns beschäftigen, liegt im späten Sommer oder im frühen Herbst und ist auf eine kurze Zeit – maximal ein paar Jahre – beschränkt: Man scheidet aus dem Berufsleben aus – was meist mit dem Verlust von Macht, Status und Prestige verbunden ist –, überprüft seine Finanzen und fragt sich, ob das Geld reicht. Weil man nicht mehr endlos Zeit hat und weil man die Jahre, die man in dieser Phase unbewusst lebt, nicht hinten anhängen kann, muss man sich auch die generelle Frage vom Sinn und Ziel des Lebens stellen. Ein kluger Kopf hat einmal gesagt, dass fünf Jahre mit 60 so kostbar sind wie die zehn Jahre ab 20, und das letzte Lebensjahr so wertvoll ist wie die ganze Zeit davor.

Der Ausstieg aus dem Beruf ist

meist mit dem Verlust von Macht,

Status und Prestige verbunden.

Ein paar einfache Zahlenspiele verdeutlichen diese Feststellung sehr gut: Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung des Mannes von etwa 75 Jahren bleiben ab 55 noch 20 Jahre. Fünf Jahre davon sind 25 % des Restlebens, zehn Jahre die Hälfte. Im Klartext: Wer nicht mit 55 aus dem Berufsleben aussteigt, sondern erst mit 60, hat ein Viertel weniger. Wer erst mit 65 ausscheidet, hat nur noch zehn Jährchen oder die Hälfte weniger als der, der mit 55 aufhört. (Dabei unterstelle ich einen guten Gesundheitszustand und nicht einen „Lebensabend” mit Krankheit und Siechtum!) Ich gehe auch davon aus, dass man im Allgemeinen in den zehn Jahren zwischen 55 und 65 besser drauf ist als in der Dekade zwischen 65 und 75.

Nachdenklich geworden? Wenn ja, dann gönnen Sie sich an dieser Stelle eine Pause. Bleiben Sie bei Ihren Gedanken und lesen Sie erst dann weiter. Vielleicht erhöhen Sie die durchschnittliche Lebenserwartung auf 80 oder auch kühne 90, oder Sie reduzieren sie auf 70 und führen meine Prozentrechnung auf die persönliche Hoffnung Ihres Lebensalters durch. Denken Sie jedoch daran, dass Ihre Kalkulation auf den Faktor Hoffnung aufgebaut ist. Und dann überlegen Sie, ob es außer Ihrer Arbeit noch andere Inhalte und Ziele gibt, denen Sie gerne folgen würden und für die Sie gerne mehr Zeit hätten. Wenn Sie dann weiterlesen, finden Sie vielleicht noch ein paar interessante Informationen.

Nicht nachdenklich geworden? Dann muss Ihnen Ihr Job schon sehr viel Spaß machen. Ihre Interessen sind voll mit Ihrem Beruf verbunden, Sie haben darin quasi die Erfüllung gefunden und Ihre Kreativität erschöpft sich in der jährlichen Urlaubsreise, in der Sie sich eigentlich schon wieder nach Ihrem geliebten Job und Ihrer eigenen Unverzichtbarkeit sehnen. Vielleicht sind Sie gar nicht so neugierig auf das, was es sonst noch gibt, haben dazu auch nie viel Zeit gehabt und außerdem sind Sie damit, wie alles ist, recht zufrieden. Wenn dies der Fall ist, klappen Sie dieses Buch jetzt endgültig zu. Aber halt, da ist doch noch was! Irgendwann werden Sie – so Gott will – 65 (oder nach neuer Regelung 67). Und dann? Weg mit dem Job, weg mit dem Status, weg mit der Macht, weg mit ... Was dann? Ist dann nicht alles ziemlich leer, wenn da sonst nichts ist?

Doch weiterlesen? Okay. Dann beginne ich jetzt damit, Ihnen meine eigene Geschichte zu erzählen, welche Unsicherheiten und Ängste ich dabei durchmachte, wie ich damit umging, wie ich meine Entscheidungen aufbaute und zu welchen Ergebnissen ich dabei kam, was für mich wichtig und unwichtig wurde. Auch einige Erfahrungen mit Behörden, die man dabei macht, will ich Ihnen nicht vorenthalten. Alles schön der Reihe nach, aber auch nicht nur.

Vorher möchte ich noch anmerken, dass ich keinesfalls etwas gegen „Arbeit” an sich habe. Ganz im Gegenteil, sonst würde ich jetzt im Liegestuhl sitzen und nicht dieses Buch schreiben. Ich hatte aber irgendwann eine gewisse Aversion gegen das so genannte „Corporate Life”, gegen die Fremdbestimmung von oben und von manchem Kunden, gegen den Druck, ständig nicht nur etwas, sondern mehr bringen zu müssen, und gegen einige Sachzwänge, die nicht mehr meinem eigenen Stil entsprachen. Und ich spürte schon lange den Wunsch in mir, noch etwas völlig anderes zu machen, ohne darauf achten zu müssen, wie viele Dukaten der Esel dabei ausspuckt. Ich war immer noch neugierig und wusste, dass da noch eine ganze Menge an Interessantem ist, für das ich bisher viel zu wenig Zeit hatte. Es war mir auch ziemlich klar, dass eine neue Freiheit, die ich suchte, nicht in einer Art „untätigen Freiheit” untergehen durfte, denn diese könnte ansonsten in eine gähnende Langeweile, in eine nervtötende Sinnlosigkeit übergehen. Natürlich hatte ich davor unterschiedlichste Ängste.

Vielleicht geht es Ihnen, wenn Sie sich aktuell in dieser Lebensphase befinden, in einigen Punkten genauso. Vielleicht ist es für Sie hilfreich zu erfahren, wie ich schließlich meine Zweifel überwand. Wenn Sie nun Lust haben, dann lesen Sie jetzt weiter.

Wie es anfing