AUSTERN IM HALBSCHLAF - Monika Niehaus - E-Book

AUSTERN IM HALBSCHLAF E-Book

Monika Niehaus

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Beschreibung

Wie der Vorgängerband »Geschichten aus Donnas Kaschemme« sind diese Kurz- und Kürzestgeschichten fast alle in der Reihe Phantastische Miniaturen der Phantastischen Bibliothek Wetzlar erschienen. Als 2011 das erste dünne Bändchen erschien, hat sich niemand von uns träumen lassen, dass die Reihe zehn Jahre später noch immer enthusiastische Autoren und Leser findet – und ein Ende ist nicht abzusehen. Mich hat vor allem die Vielfalt und der Abwechslungsreichtum der Themen fasziniert, ob es um Farben oder Zahlen, Nanotechnologie oder Monster, Düfte oder Dimensionen geht. Mit einem Titelbild von Rainer Schorm sowie Illustrationen von Rainer Schorm und Ansgar Schwarzkopf.

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Seitenzahl: 240

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Monika Niehaus

Austern im Halbschlaf

und andere schräge SF- und Fantasystorys

Mit einem Nachwort von Bernd Schuh

sowie fantastischen Bildern

von Rainer Schorm und Ansgar Schwarzkopf

AndroSF 158

Monika Niehaus

AUSTERN IM HALBSCHLAF

und andere schräge SF- und Fantasystorys

Mit einem Nachwort von Bernd Schuh

sowie fantastischen Bildern

von Rainer Schorm und Ansgar Schwarzkopf

AndroSF 158

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: August 2022

p.machinery Michael Haitel

Titelbild: Rainer Schorm

Illustrationen: Rainer Schorm & Ansgar Schwarzkopf

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 297 3

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 806 7

Für Georg,

kritischer Leser und

fantastischer Freund

Dr. Georg Groth

29.10.1952–02.10.2021

Austern im Halbschlaf

Wie der Vorgängerband »Geschichten aus Donnas Kaschemme« sind diese Kurz- und Kürzestgeschichten fast alle in der Reihe Phantastische Miniaturen der Phantastischen Bibliothek Wetzlar erschienen. Als 2011 das erste dünne Bändchen erschien, hat sich niemand von uns träumen lassen, dass die Reihe zehn Jahre später noch immer enthusiastische Autoren und Leser findet – und ein Ende ist nicht abzusehen. Mich hat vor allem die Vielfalt und der Abwechslungsreichtum der Themen fasziniert, ob es um Farben oder Zahlen, Nanotechnologie oder Monster, Düfte oder Dimensionen geht.

Ich wünsche Ihnen beim Lesen so viel Spaß, wie ich beim Schreiben hatte.

Düsseldorf, im Frühjahr 2021

Alles beginnt 2011 mit der Vorgabe, Kurzgeschichten zu dem verrückten Thema »Ihr Haar zerbrach wie blaues Glas« zu schreiben.

Familientradition

»Holde Maid, erhört mein Flehen …«

Das junge Mädchen legte seine Stickarbeit beiseite und trat ans schmale Fenster. Am Fuß des Turms stand ein Jüngling und schaute erwartungsvoll zu ihr empor. Flugs löste sie ihr langes blaues Haar und ließ es wie einen Wasserfall die Mauer hinunterwallen. Eilens begann der Jüngling, den Turm zu erklimmen. Schon streckte er die Hand zum Fenstersims aus, da lachte sie hell auf, und ihr blaues Haar zersprang wie Glas… wie Glas … wie Glas …

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und knarrend öffnete sich die eiserne Eingangstür. Schwere Stiefel stampften Schlamm und Schnee der Reise von den Füßen.

Das Mädchen warf seine Stickarbeit beiseite und eilte dem Ankömmling entgegen, breitete die Arme aus.

»Liebster Vater, Ihr seid wieder daheim!«

Der hob die Hand. »Gemach, mein Kind. Sag an, hast du das Haus auch gut bestellt, wie du’s versprachst?«

»Seht selbst!«

Sie nahm ihr Schlüsselbund und öffnete die Tür zum Keller.

Der Alte musterte die Haken, die sich unter ihrer Last bogen, und legte einen Arm um die Hüfte des Mädchens. »Warst fleißig, lieb’ Töchterlein, wir werden im Winter nicht darben«, meinte er zufrieden und strich sich über seinen blauen Bart, »hältst du doch die Familientradition in Ehren.«

Hommage à Charles Perrault, La barbe bleue, 1697.

»Ihr Haar zerbrach wie blaues Glas«, Hrsg. Thomas Le Blanc und Falko Löffler, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2011

Die »Gnurks« gehören noch immer zu meinen Lieblingsaliens, da sie sich so vielfältig variieren lassen.

Schlechtes Timing

»Kannst du dich ein bisschen beeilen, Schatz?« Die Stimme des Gnurks klang betont fröhlich.

»So ein paar Körbe wollen erst mal gepackt sein. Dir mag es ja egal sein, aber ich will auf unserer Kreuzfahrt nicht aussehen wie eine Vogelscheuche«, keifte die Gnurka zurück …

Sie wissen nicht, was Gnurks sind? Nun, Gnurks oder Trollwichte, wie sie in der Fachsprache heißen, zeichnen sich durch einen interessanten Geschlechtsdimorphismus aus: Die schmächtigen Männchen besitzen das eher schlichte Gemüt eines Trolls, die fast doppelt so großen, stämmigen Weibchen hingegen das reizbare Naturell eines Wichtels (eines sehr übel gelaunten Wichtels, wenn man den Aussagen ihrer Partner trauen darf). Eine evolutionär eher unglückliche Kombination, wie sich herausstellen sollte.

Als die beiden schließlich außer Atem den Dünenkamm erreichten, war der Anlegeplatz leer. Nur zertrampelter Sand zeugte davon, dass hier noch vor Kurzem reges Treiben geherrscht hatte. Fern am Horizont zeichnete sich die Silhouette eines Schiffes ab.

Die Gnurka setzte ihr Gepäck ab, stemmte ihre Pranken in die Hüften und sah ihren Partner aus zusammengekniffenen Augen an: »Ablegen Punkt Mittag, hast du gesagt!« Sie näherte sich seinem Gesicht bis auf Handbreite. »Na klar, werd’ ich die Sonnenuhr reparieren, hast du gesagt!!!« Ihre Augen wurden wässrig. »Da schwimmt unser Traumschiff. Dabei sind wir die Einzigen aus der ganzen Sippe, die Karten bekommen haben. Und heute Abend sollte Captain’s Dinner sein …«

»Dieser langhaarige Kerl hat eigentlich überhaupt keine Erfahrung als Schiffsführer«, suchte der Gnurk sie zu beschwichtigen. »Wusste nicht mal, wo wir als Nächstes anlegen würden.«

»Papperlapapp, du hast unsere ganze gesellschaftliche Zukunft ruiniert! Und jetzt fängt es auch noch an, zu regnen!« Wütend warf die Gnurka dem entschwindenden Schiff einen letzten Blick zu und stapfte, gefolgt vom Gnurk, die Dünen wieder hinab.

Jetzt ist Ihnen klar, warum die Gnurks ausgestorben sind, nicht wahr? Auch wenn der Gnurk mit seiner Bemerkung über Noahs seemännische Fähigkeiten nicht unrecht hatte: Die Arche zu verpassen, war wirklich schlechtes Timing.

»Invasion der Gnurks«, Hrsg. Thomas Le Blanc und Jörg Weigand, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2012

Gefährliche Leidenschaft

In Zusammenarbeit mit Olexandra Zybaylo

Die Pflanze war einfach prachtvoll. Aus einer Rosette dunkelgrüner Blätter erhob sich eine faustgroße, elfenbeinfarbene Blütenknospe, die auf einem eleganten Stängel wippte.

»Ein wunderbares Exemplar! Wo kommt sie her, Pjotr?« Gräfin Tzwetkowa war stets auf der Suche nach ausgefallenen Exemplaren für ihr Gewächshaus. Exotische Pflanzen waren ihre Leidenschaft.

»Stammt aus dem Amazonasdschungel. Die Indianer verehren sie als heilig.« Der Orchideenjäger grinste. »War ganz schön schwierig, sie außer Landes zu schaffen.«

»Wie heißt sie?«

»Sie hat noch keinen wissenschaftlichen Namen. Ist die erste ihrer Art außerhalb Brasiliens.«

»Und wie nennen sie die Indianer?«

»Gnurk.«

»Gnurk?« Die Gräfin schüttelte den Kopf. »Wie kommt eine so wundervolle Pflanze an einen so hässlichen Namen?«

Der Orchideenjäger zuckte die Achsel. »Keine Ahnung. Die Verständigung war nicht ganz einfach. Als wir sie fragten, haben sie nur ›Gnurk!‹ wiederholt und sich mit dem Finger an die Schläfen getippt.«

Sie machte eine huldvolle Handbewegung. »Danke, Pjotr. Lassen Sie mich jetzt allein mit meiner neuen Freundin. Ich möchte sie ein wenig besser kennenlernen.«

Kaum hatte sich Gräfin Tzwetkowa über ihre Neuerwerbung gebeugt, um sie genauer zu inspizieren, begann die Blüte zu pulsieren und weiter und immer weiter an Größe zuzunehmen. Schließlich, als sie fast auf Melonengröße angeschwollen war, sprang sie auf. Der Blütenkelch besaß einen samtig purpurfarbenen Schlund, der zum Rand hin heller wurde und sich in ein Muster von Leopardenflecken auflöste. Dem Inneren entströmte ein betörender Duft nach Moschus und Patschuli. Und – die Gräfin schnupperte und steckte ihren Kopf noch ein wenig tiefer in den Kelch – da war noch etwas, ein Hauch von Verwesung, der dem Ganzen eine überaus pikante Note verlieh …

Bevor sie wusste, was geschah, hatten sich die Lippen des Kelches um ihren Kopf geschlossen. Und dann begannen sich die Wände der Blüte wie ein riesiger Muskelmagen zusammenzuziehen und zu pressen und zu malmen … gnurk … gnurk … gnurk …

In gewisser Weise doch ein passender Namen, musste sie zugeben, bevor ihr die Sinne schwanden.

»Invasion der Gnurks«, Hrsg. Thomas Le Blanc & Jörg Weigand, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2012

»Staubkornfee trifft Ich-Maschine«, Hrsg. Sabine Frambach & Kai Focke, p.machinery, Winnert 2021

Der Mond spielt in vielen SF- und Fantasy-Geschichten eine Rolle, hier geht es um seine dunkle Seite.

Der Fall Häwelmann

»Hohes Gericht! Ich werde scheußlicher Verbrechen beschuldigt, und ich gebe freimütig zu, dass ich sie begangen habe, aber bin ich deshalb auch schuldig?«

Der Angeklagte mochte Mitte zwanzig sein, wirkte aber noch immer recht kindlich mit seinem blonden Haarschopf und den großen blauen Augen, die ein wenig verwundert in die Welt zu blicken schienen.

»Sie sind mir entgegengekommen und haben die Verhandlung in die Nacht verlegt, und im Gegenzug habe ich Ihnen völlige Offenheit versprochen. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren. Seht Ihr den guten alten Mond, wie Ihr ihn nennt, mit seinem freundlichen Gesicht? Nun, ich habe seine andere, ich habe die böse Seite des Mondes kennengelernt. Meine Mondhörigkeit, hohes Gericht, wurzelt in meiner Kindheit. Damals, ich war kaum drei Jahre alt, entführte mich der Mond auf einem Strahl, den er durchs Schlüsselloch schickte, aus meinem Zimmer. Er lotste mich aus eitler Lust quer durch die Stadt, den Wald und schließlich bis in den Himmel, wo ich mich nur dadurch aus seinem Bann befreien konnte, dass ich ihm quer übers Gesicht fuhr, was, das gebe ich freimütig zu, einige Narben hinterließ. Daraufhin schleuderte er mich voller Zorn ins Meer. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond schon viel größer geworden ist, fast ein Viertel des Himmels einnimmt?

Ich wurde durch einen glücklichen Zufall gerettet, aber seitdem verfolgt mich der Mond, der gute alte Mond, wie Ihr ihn nennt, mit seiner Rache. Zunächst waren es Katzen, deren Augen bekanntlich im Mondlicht illuminieren, die er mich umzubringen zwang. Dann hetzte er mich auf größere Beute wie Mondkälber, noch feucht von der Milch ihrer Mutter. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond jetzt gut die Hälfte des Himmels einnimmt?

Doch bald genügte ihm auch das nicht mehr, ihn gelüstete nach jungen Mädchen, und gehorsam schnitt ich ihnen mit einer Mondsichel die Kehle durch, sodass er ihr silbernes Blut trinken konnte. Ihr müsst mir glauben, Euer Ehren, es war nicht mein freier Wille, der gute alte Mond, wie ihr ihn nennt, hat mich dazu gezwungen. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond noch viel größer geworden ist und nun den ganzen Himmel einnimmt?

Die Männer dort mit der Zwangsjacke werdet Ihr nicht brauchen, Euer Ehren. Seht Ihr denn nicht, dass der gute alte Mond im Begriff ist, sich auf die Erde zu stürzen … stürzen … stürzen … stürzen … stürzen …«

Hommage à Theodor Storm »Der kleine Häwelmann«

»Die böse Seite des Mondes«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2012

»Diagnose F«, Hrsg. Michael Tinnefeld & Uli Bendick, p.machinery, Winnert 2021

Ich bin bekennender Karl-May-Fan und habe nicht nur eine Menge Geografie aus seinen Büchern gelernt, sondern auch viel über Spannung und Dialoge.

Hommage an einen Schundschriftsteller

»Die Aladschys können’s nicht lassen und werfen wieder mit ihrem Tschakan nach dem Personal.« Halef kicherte und stieß seinem Nebenmann den Ellenbogen in die Rippen.

Der Schut lächelte nachsichtig. »Echte Skipetaren, die Jungs, ein wenig übermütig.« Er beugte sich über die Brüstung der Empore, von der sie beide in den Festsaal hinabsahen. »He, Sandar, Bybar, treibt’s nicht zu wild!«

Die beiden Hünen sahen auf, grinsten, winkten und ließen ihre Äxte weiter wirbeln.

»Kein Respekt mehr!« Der Schut seufzte. »Der Einzige, auf den sie hören, ist der alte Mübarek. Wo steckt der alte Schurke eigentlich?«

Beide musterten die Gästeschar. Halef entdeckte den Bettler als erster. »Dort, neben seiner Lordschaft!«

Der alte Mübarek hockte neben einem grau gekleideten, dürren Kerl, dem man den englischen Gentleman an der Nasenspitze ansah, die mit den Resten einer Aleppobeule geziert war. »Der gute Sir David lässt auch keine Gelegenheit zum Schnorren aus. Guck nur, wie er sich die Backentaschen vollstopft, wenn er glaubt, dass niemand hinsieht … eh, drückt sich da hinten am Bierfass nicht die Tante Droll herum?« Empört wies Halef auf eine kleine Gestalt in einem fast bis zum Boden reichenden Ledergewand. »Wo der Alte diesmal doch ausdrücklich nur die Figuren des Orientzyklus eingeladen hat!«

Der Schut zuckte die Achseln. »Westmänner haben immer eine trockene Kehle. Wer ist denn der Kerl mit der üppigen Brünetten im Arm?«

»Osko, und er behauptet, die Kleine sei seine Tochter Senitza!«

Der Schut strich sich über seinen prächtigen schwarzen Bart. »Meinst du, er würde mich ihr mal vorstellen?«

»Zu spät!« Halef wies auf einen hochgewachsenen Beduinen, der sich über die Hand der Schönen beugte. »Omar wird ihr gleich mit unserem Abenteuer auf dem Schott el Dscherid den Kopf verdrehen …«

»Horch!« Der Schut legte ihm die Hand auf den Arm.

Draußen vom Hof drangen lautes Pferdegetrampel und noch lautere Inschallah- und Hamdulillah-Rufe herein.

»Oh nein, Mohammed Emin und seine Haddedihn!« Halefs dünner Bart sträubte sich. »Da werden sich höchstens die Aladschys einen Platz am Buffet erkämpfen können.«

Der Schut grinste. »Mir wird’s hier drinnen zu voll. Lass uns ein wenig frische Luft schnappen.«

Sie traten vor die Tür. Die Nacht war frostkalt und sternenklar, und die beiden zogen ihre Umhänge enger um sich.

»Sie haben einen Asteroiden im Hauptgürtel nach dem Alten benannt!« Halef blickte zum Himmel auf, wo der milchige Streifen zwischen Mars und Jupiter eben noch zu erahnen war.

»Nicht schlecht für einen Schundschriftsteller«, stimmte der Schut zu. »Im ›Schwarzen Bären‹ ist noch Licht. Lass uns dort in Ruhe eine Flasche Raki trinken und von alten Zeiten plaudern. Was macht eigentlich Ißirghana, die holde Brennnessel?«

»Sie hat den armen Selim Aga unter ihrer Fuchtel wie eh und je …«

P.S.: Der Asteroid 15728 wurde 1990 von Freimut Börngen und Lutz Schmadel entdeckt und auf den Namen des sächsischen Schriftstellers getauft.

»Auf sehr fremden Pfaden«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2013

Happy End

»Mein Bruder Winnetou hat recht gehandelt. Es gab keine andere Wahl!«

Old Shatterhands Stimme klang bewegt, doch fest, während er dem Toten, der über seinem Schreibtisch zusammengesunken war, die Augen schloss.

»Mein Bruder Charly spricht weise!« Winnetou blies den Pulverdampf von seiner Silberbüchse. »Dieses Bleichgesicht hätte uns nie so leben lassen, wie unsere Herzen uns gebieten.«

Mit einem ernsten, doch innigen Lächeln streckte der Apachenhäuptling seinem weißen Bruder die Rechte entgegen. Hand in Hand verließen sie das Arbeitszimmer.

»Auf sehr fremden Pfaden«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2013

In seinem legendären Vortrag 1959 meinte der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman, es gebe noch »Viel Spielraum nach unten« – das war in gewisser Weise die Geburtsstunde der Nanotechnologie.

Paranoia

»Matt!« Ich sah verblüfft von meinem 3D-Schachbrett auf. »Heiliger Finnegan, Du bist matt, Johnny!«

Johnny gab einen Laut von sich, den man für ein verlegenes Räuspern halten konnte. »Ich fürchte, ich war abgelenkt, Laura …«

»Das gibt’s doch nicht!«, protestierte ich und legte die Hand auf seine CPU, deren nervöses Blinken mir nicht gefiel. »Was hast du getrieben, statt dich aufs Spiel zu konzentrieren?«

»Nur ein paar Berechnungen angestellt. Ich mache mir Sorgen …«

Ich verdrehte die Augen. Sich-Sorgen-Machen gehört zu Johnnys Lieblingsbeschäftigungen. Quantencomputer sind schon per se psychisch labil, ein Anflug von Dekohärenz, und sie flippen aus. Johnny war ein Schnäppchen gewesen, weil er kurz zuvor einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, aber der Schrotthändler hatte mir versichert, alles sei wieder völlig in Ordnung. Und als er noch eine tadellose Stimmausgabe dazulegte, waren wir uns einig geworden.

Ich bin Tinkerin, eine Weltraumnomadin, und biete meine Dienste an, wo sie gebraucht werden. Vor einer Woche waren wir in von Neumann City gelandet, weil es dort Probleme mit der Selbstreplikation der Nanobots gab, auf denen die gesamte Infrastruktur der Stadt beruhte. Johnny war mir bei der Fehlersuche wirklich eine große Hilfe gewesen.

»Die Reproduktionsanlagen laufen wieder auf vollen Touren. Die Nanobots vermehren sich wie die Karnickel«, suchte ich ihn zu beruhigen.

»Genau das macht mir Sorgen!«

»Was, Johnny? Karnickel?«

»Die kritische Masse!« Und als ich ihn verständnislos ansah: »Ein Ausdruck aus dem zweiten Millennium. Die Mindestmasse für eine Kettenreaktion. Du kannst zwei Uran-235-Blöcke in der Hand halten, ohne dass etwas passiert. Fügst du sie aber zusammen und ihre Masse überschreitet die kritische Grenze, kommt die Kettenreaktion in Gang und WUMM!«

Ich hob eine Augenbraue. »Und was hat das mit Nanobots zu tun? Meinst du, sie werden plötzlich explodieren?«

»Nein! Three quarks for Muster Mark, Laura, sie könnten etwas viel Gefährlicheres entwickeln …«

»Du leidest wirklich unter Verfolgungswahn! Weißt du noch, wie du fürchtetest, man habe dich in Nixwieweg mit Quantenbugs infiziert? Oder die Psionen auf Uncertainty hätten deinen Speicher infiltriert?« Ich schüttelte den Kopf. »Nanobots sind molekulare Heinzelmännchen, die uns die stupide Arbeit abnehmen. Die können nicht mal eins und eins zusammenzählen.«

Johnny schaltete auf seine Dozierstimme um, die er für besonders hartnäckige Fälle menschlicher Begriffsstutzigkeit reservierte. »Bist du intelligent, Laura? Sicher, zu einem gewissen Grad. Sind es deine Hirnzellen? Eher nicht. Erst wenn sie eine gewisse Zahl und Vernetzungsgrad erreichen, entwickeln sich neue, emergente Eigenschaften, die mehr sind als die Summe ihrer Teile. Intelligenz, zum Beispiel. Und Bewusstsein.« Die Lämpchen seiner CPU flackerten hektisch. »Sag mal, hörst du nichts?«

Ich lauschte. »Nein, nichts. – Und wo soll diese kritische Grenze liegen?«

»Das menschliche Gehirn verfügt über rund 100 Milliarden Nervenzellen. Etwa da würde ich die Grenze ansetzen. – Du hörst wirklich nichts?«

Ich entschied mich, Johnnys Unverschämtheit ebenso zu ignorieren wie seine Frage. »Und dann?«

»Keine Ahnung. Aber ich habe präatomare Literatur studiert. Seit dem berüchtigten Eden-Zwischenfall ist bekannt, dass sich Wesen, sie sich ihrer selbst bewusst werden, gegen ihren Schöpfer erheben.« Ich holte tief Luft, um ihn auf einen offensichtlichen Widerspruch in seiner Argumentation hinzuweisen, doch Johnny ließ mich nicht zu Worte kommen. »Frag nicht, warum Quantencomputer nicht schon auf diese Idee gekommen sind. Wir sind einfach viel zu feige.«

Ich grinste. »Sehr beruhigend, Quarkhirn!«

Johnny würdigte mich keiner Antwort. Über seinen Bildschirm flitzten ellenlange Algorithmen. »Die 100-Milliarden-Grenze dürfte jeden Moment erreicht sein …«

Unwillkürlich warf ich durch das transparente Kraftfeld einen Blick auf die hell erleuchtete, nächtliche Stadt. Alles war so friedlich wie immer. »Du leidest an Quantensausen!«

»So horch doch!«

Diesmal hörte ich es auch, eine fernes, hochfrequentes Summen. Ich zoomte die Straßenschlucht heran. Und meine Nackenhärchen richteten sich auf. Aus der Tiefe begannen Schatten an den Seiten der Wohntürme hochzukriechen, schabend und scharrend und wispernd…

Ohne einen Moment länger zu zögern, klemmte ich Johnny unter den Arm und rannte aufs Dach, wo die Tinkerbell wartete. Der Alarmstart war eine Sache von Sekunden. Erst als wir den Orbit erreicht hatten, warf ich einen Blick zurück. Und sah, wie die Lichter der Stadt eines nach dem anderen erloschen.

Ein Schuss Paranoia kann manchmal durchaus von Nutzen sein, muss ich zugeben.

»Nanowelten«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2013

»Diagnose F«, Hrsg. Michael Tinnefeld & Uli Bendick, p.machinery, Winnert 2021

Amour fou

Es war einmal ein mutiger Prinz namens Elektron, dem der Sinn nach Abenteuern stand. Auf seinen Wanderungen fand er zwei Gefährten, Neutron und Proton, die mit ihm durch dick und dünn gingen. Gemeinsam bestanden sie viele Gefahren. So kämpfte sie gegen die tückische Quantenkatze, die über neun Wellengleichungen verfügte. Fast hätten sie nicht mehr aus dem finsteren Mandelbrotwald herausgefunden, denn sobald sie meinten, den richtigen Weg gefunden zu haben, verzweigte sich dieser aufs Neue. Suchten feindliche Häscher den Prinzen dingfest zu machen, gelang es ihm stets, zu entwischen, denn dank seines Schutzzaubers wussten sie nie genau, wo er sich gerade befand.

So hätten die Freunde weiter Abenteuer bestehen und glücklich bis an ihr Ende leben können, hätte sich Prinz Elektron nicht in den Kopf gesetzt, eine Königstochter aus einem fernen Land zu befreien, die der grausamen Maxwellsche Dämon im tiefsten Kerker seiner Burg gefangen hielt. »Ihr wartet draußen«, befahl Prinz Elektron, nahm all seine Kräfte zusammen und durchtunnelte die Wand des Verlieses.

»Mein Prinz!«, jubelte die Königstochter. »Meine Prinzessin!«, gab Prinz Elektron zurück und breitete die Arme aus. Prinzessin Positronia warf sich ohne Zögern hinein.

WAMMM! machte es, und Prinz Elektrons Reich verschwand in einem Kaleidoskop aus Gammastrahlen.

»Nanowelten«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2013

Der Geruchssinn gehört zu unseren literarisch eher vernachlässigten Sinnen – völlig zu Unrecht!

Geschmacksfragen

Ein Tigerhai trieb träge im Wasser und träumte, er sei ein Taucher. Und da er ein philosophisch gebildeter Knorpelfisch war, fragte er sich, ob er nicht vielleicht ein Taucher sei, der träumte, er sei ein Hai. Er sah nur einen Weg, diese Frage zu klären. »Du riechst köstlich«, sprach der träumende Hai zum Taucher. »Wie du wohl schmeckst?«

»Unter Wasser lassen sich Geruchs- und Geschmackssinn nicht trennen«, belehrte ihn der Taucher, der zufällig Biologe war.

»Was zu testen wäre!«, meinte der Hai und machte die Probe aufs Exempel. Der Taucher schmeckte ebenso köstlich, wie er gerochen hatte, woraus der Hai schloss, dass die Biologie heutzutage eine exakte Wissenschaft ist.

Moral: Wenn man im Traum einem Hai begegnet, ist es ratsam, schnellstens aufzuwachen, statt mit ihm über Geschmacksfragen zu diskutieren.

Hommage à James Thurber (1894–1961)

»Das Universum der Düfte«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2013

»Staubkornfee trifft Ich-Maschine«, Hrsg. Sabine Frambach & Kai Focke, p.machinery, Winnert 2021

Fatal Attraction

»Oh, Siegfried, dieser waidmännische Duft …« Die üppige Blondine, deren Jagdkostüm an den richtigen Stellen spannte, schmiegte sich eng an ihren Begleiter.

»Sei du meine Waidfrau, Sieglinde!« Der kleine, dickliche Glatzkopf ließ sein Gewehr sinken und nestelte an seinem Gemächt. Dieses sündhaft teure, neue Parfüm, das jedem Jagdbruder bei der Buchung als Präsent überreicht worden war, tat offenbar seine Wirkung …

Im Eifer ihres rhythmischen Tuns nahmen sie das Ächzen und Schwanken der Jagdkanzel kaum wahr. Erst als sich der Eingang verdunkelte, weil ein dicker pelziger Kopf schnüffelnd und blinzelnd über die Schwelle lugte, sahen sie auf und begannen zu schreien.

»Euer Ehren, New Pleistocene World ist ein exklusiver Jagdplanet, den unser Unternehmen mit genetisch rekonstruierten Riesensäugern aller Art aus der letzten Eiszeit bevölkert hat – etwas für Waidleute, die das Außergewöhnliche suchen. Hubertus Travels bietet seit Jahren mit großem Erfolg Jagdreisen dorthin an, und bisher haben wir nur höchstes Lob von unseren Kunden geerntet.« Der Agent des Reiseveranstalters schluckte. »Aber diesmal … diese Biester überfielen unser Camp und … und … belästigten unsere Kunden aufs Übelste. Es war schrecklich! Und das ist allein ihre Schuld!«

Anklagend wies er auf einen untersetzten älteren Herrn mit einer eindrucksvollen Nase, der sich prompt erhob. »Hohes Gericht, die Firma Fragrance ist untröstlich über das Ungemach, das der Kläger erdulden musste, aber wir müssen energisch jede Verantwortung zurückweisen. Wir erhielten vom Kläger den Auftrag, einen besonders männlichen Duft zu entwerfen. Wenn ich einmal ein paar Proben unseres neuen Herrenparfums herumreichen darf, riechen Sie die betont herbe, maskuline Note? Fatal Attraction ist ein fülliger, nicht zu erdiger Orientaler mit einer typisch ledrigen Komponente von Castoreum. Die Kopfnote besteht aus Bergamotte und Kiefernharz, die Herznote aus Patschuli und Vetiver, die Basisnote aus Tonkabohne. Dieser virile Gesamteindruck macht unsere Kreation gerade bei Jägern beliebt, nicht zuletzt« – der Sprecher erlaubte sich ein dezentes Lächeln – »weil wir uns schmeicheln dürfen, dass der Duft beim schönen Geschlecht sehr gut ankommt. Es war allein die Unachtsamkeit des Klägers, die diese peinliche Situation auf Pleistocene World provoziert hat.« Die Stimme des Parfümeurs nahm einen beschwörenden Ton an: »Wir verwenden nur allerbeste, natürliche Ingredienzien – alles Stoffe, die seit alters her in der Parfümindustrie verwendet werden. Wie hätten wir ahnen können, als wir unseren Duft mit Castoreum – Bibergeil – verfeinerten, dass auf diesem Planeten eiszeitliche Riesennager hausen, die das Analdrüsensekret ihrer kleinen Verwandten einfach unwiderstehlich finden?«

»Das Universum der Düfte«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2013

»Brandschutz« ist ein Thema, das in der SF-Literatur bislang definitiv zu kurz gekommen ist!

Die Büchse der Pandora

»Bei allem Verständnis für dein künstlerisches Temperament, Hephaistos, so geht es nicht weiter! Erst die Schweinerei auf Santorin und jetzt die Sache mit Pompeji!«

Der grauhaarige Schmied kratzte sich verlegen am Kopf. »Ich hab’ die Esse unter dem Vulkan wohl ein bisschen zu heiß werden lassen, und da ist mir die Chose eben hochgegangen. Sag ihnen, es tut mir leid …«

Der Götterbote schüttelte den Kopf. »Der Alte ist stinksauer. Sie waren gerade dabei, ihm zu Ehren ein paar Stiere zu schlachten, auf die er sich schon sehr gefreut hatte. Und auch die anderen Götter sind angepisst, dass du immer wieder ihre Anhänger verkokelst …«

»Ihr wollt Donnerkeile und Schwerter, nicht wahr? Manchmal reißt mich meine Arbeit eben einfach mit!« Der Gescholtene warf die Arme in die Luft. »Du tust so, als hätte ich den Olymp in die Luft gejagt!«

Hermes grinste. »Wenn’s um ihre Opfergaben geht, verstehen die da oben keinen Spaß!«

»Der Alte zündelt doch selbst ganz gern«, maulte der Schmied. »Was der mit seinen Blitzen schon alles in Brand gesteckt hat …«

»Lenk nicht ab!« Hermes war nicht gewillt, sich auf politische Diskussionen einzulassen. »Jedenfalls hat der Alte beschlossen, dir einen Gehilfen zur Seite zu stellen.” Er schnippte mit den Fingern.

Misstrauisch beäugte der Schmied die schmächtige Gestalt, die sich vor ihm materialisierte. »Der ist doch viel zu mickrig für einen Schmiedegesell!«

»Das ist Bureokratos, dein neuer Sicherheitsbeauftragter. Er soll dir in Zukunft auf die schwieligen Finger sehen. Bureokratos ein absolutes As, wenn es darum geht, die Einhaltung von Vorschriften zu überwachen.« Die Augen des Götterboten funkelten boshaft. »Um die Wahrheit zu sagen, er ist uns da oben mit seiner Pedanterie schrecklich auf die Eier gegangen. – Macht’s gut, ihr beiden!« Leichtfüßig eilte er davon.

Mit der melancholischen Miene eines dienstbaren Geistes, der weiß, dass seine Verdienste nirgends angemessen gewürdigt werden, schaute sich der Wicht in der Schmiede um, schüttelte den Kopf und seufzte. Dann musterte er den Schmied, der ihn finster fixierte, und seufzte erneut. »Fangen wir mit der Arbeitskleidung an.« Er griff nach dem Stylus hinter seinem Ohr und zog ein Wachstäfelchen aus seinem Umhang. »Dein Schuhwerk entspricht in keiner Weise …«

»Hermes! Komm sofort zurück!«, hörte der Götterbote den Schmied hinter sich brüllen, aber da war er schon fast wieder auf dem Olymp.

So stritten und schmausten, liebten und betrogen die Götter einander wie zuvor und labten sich an den Opfergaben der Menschen, bis ein gewaltiges Grollen samt aufsteigender Hitze das Ende der Ruhe verkündete. Zeus beugte sich vor und später nach unten. »τικόπανος!«*, röhrte er. »Sizilien, eine meiner Lieblingsinseln! Warum habe ich ihm eigentlich diesen … diesen Dingsda geschickt …«

Aber der Götterbote war schon unterwegs.

Als Hermes die Schmiede betrat, schürte Hephaistos gerade mit kräftigen Blasebalgstößen die Glut in der Esse und pfiff vor sich hin.

»Wo ist Bureokratos?«, fragte er, sich umschauend.

Der Schmied antwortete nicht sofort, sondern heizte seine Esse weiter an. »Es war reine Notwehr!«, brummte er schließlich.

Hermes runzelte die Stirn. »Der Alte wird Gift und Galle spucken …«

Der Schmied richtete sich auf und holte tief Atem. »Ich hab’s versucht, ehrlich. Aber er hat mich mit seinen Wachstäfelchen voller Ideen für Rauchmelder, Fluchtwege und Brandschutztüren fast in den Wahnsinn getrieben!« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Zum Hades, ich bin der Gott des Feuers! Zeus hin oder her, ich war wirklich kurz davor, diesem Plagegeist den Garaus zu machen, aber dann kam mir eine bessere Idee.« Hephaistos grinste über sein ganzes hässliches Gesicht. »Die holde Pandora, wenn auch nicht Kind meiner Lenden, so doch meiner Kunstfertigkeit, kam gerade vorbei, um sich vor ihrer Heirat zu verabschieden. Und da hab’ ich den Wicht heimlich in die Büchse gestopft, die Zeus ihr mitgab.«

Einen Augenblick lang starrte der Götterbote den Schmied verständnislos an, dann begann er, ebenfalls zu grinsen. »Ich denke, das wird dem Alten gefallen. Ich eile, die liebliche Pandora ihrem Bräutigam zuzuführen. An dieser Mitgift werden die Menschen noch viel Freude haben!«

* So ein verfluchter Idiot!

»Brandschutz«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2014

Burn, Library, Burn!

»Kunst ist chaotisch«, stellte der Propagandaminister fest. »Sie unterhöhlt das gesunde Volksempfinden.«

»Fantasie ist infektiös«, pflichtete ihm der Chef der Gedankenpolizei bei. »Sie kann den ganzen Volkskörper vergiften.«

»Literatur ist subversiv«, stimmte der Großzensor zu. »Sie verführt das Volk zum Denken.« Er hieb mit der Faust auf den Tisch. »›Geistige Brandstiftung‹ nenne ich das! Meine Herren, ich denke, wir sollten den Brandschutz alarmieren.«

Und so schickten sie die Feuerwehr aus, die ihre Benzinpumpen auf das schmucke Gebäude richtete – ein Funken, und augenblicklich schossen die Flammen in den Wetzlarer Abendhimmel. Die Hitze des Feuers ließ die Fenster bersten, und bald segelten angesengte Papierfetzen durch die Luft. Ein Feuerwehrmann bückte sich und hob eine Seite auf, die wie ein trunkener Nachtfalter vor seine Füße getaumelt war. ›Phantastische Minia…‹ las er; den Rest konnte er nicht entziffern. Achtlos ließ er das Papierstück zu Boden fallen und sah zu, wie sich das Feuer von Saal zu Saal fraß.

»Brandschutz«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar 2014

Die Kunst des Übersetzens wird leider oft unterschätzt.

Die Metaebene

Am Konferenztisch herrschte ein babylonisches Stimmengewirr. Die Delegationen der Gnurks und der Hippolyten redeten heftig aufeinander ein. Da keiner die Sprache des anderen verstand noch bereit war, die Lingua Franca des Alphaquadranten zu benutzen, hatte die gastgebende galaktische Föderation weder Mühen noch Kosten gescheut und den Babelgnom-Service in Anspruch genommen. All diese kleinen, verhuschten Geschöpfe waren mit dem neuesten Kommunikationsmodul Neurotron TX23 ausgestattet. Es erlaubte ihnen, auf der Schulter ihrer Klienten hockend, deren mentale Wort- und Bildmatrix anzuzapfen, sodass eine synchrone Übersetzung möglich wurde. Die Arbeit war anstrengend und der Service nicht billig, aber Babelgnome galten als die besten Simultandolmetscher diesseits des Kuiperbelts.