LOONY - Monika Niehaus - E-Book

LOONY E-Book

Monika Niehaus

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Beschreibung

»Loony« ist nach »Geschichten aus Donnas Kaschemme«, »Austern im Halbschlaf« und »Hyänengelächter« der vierte Band mit kurzen und längeren schrägen Storys aus Science-Fiction und Fantastik, der bei p. machinery erscheint. Da es sich um eine bunte Mischung aus Kneipengeschichten aus allen Ecken des Alpha-Quadranten, aus Horror- und Märchenhaftem, Skurrilem und klassischer Science-Fiction handelt, habe ich versucht, die Fülle ein wenig zu bändigen und thematisch zusammenzufassen. Und wenn einige der Geschichten Sie zum Weiterdenken, zum Lächeln/Grinsen/Lachen – oder sogar zu eigenen Schöpfungen – anregen, dann hat sich der ganze Spaß doch gelohnt!

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Seitenzahl: 257

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Monika Niehaus

LOONY

oder der verrückteste Ort im ganzen Universum

AndroSF 215

Monika Niehaus

LOONY

oder der verrückteste Ort im ganzen Universum

AndroSF 215

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: November 2024

p.machinery Michael Haitel

Titelbild: Monika Niehaus

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 430 4

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 713 8

Vorwort

»Loony« ist nach »Geschichten aus Donnas Kaschemme«, »Austern im Halbschlaf« und »Hyänengelächter« der vierte Band mit kurzen und längeren schrägen Storys aus Science-Fiction und Fantastik, der bei p.machinery erscheint. Da es sich um eine bunte Mischung aus Kneipengeschichten aus allen Ecken des Alphaquadranten, aus Horror- und Märchenhaftem, Skurrilem und klassischer Science-Fiction handelt, habe ich versucht, die Fülle ein wenig zu bändigen und thematisch zusammenzufassen. Und wenn einige der Geschichten Sie zum Weiterdenken, zum Lächeln/Grinsen/Lachen – oder sogar zu eigenen Schöpfungen – anregen, dann hat sich der ganze Spaß doch gelohnt!

Kneipengespräche

Donnas Kaschemme, in der fast all diese Storys spielen, liegt ganz am Rand der Milchstraße auf einem unbedeutenden kleinen Planeten namens Terra, doch Donnas Bier ist im ganzen Alphaquadranten berühmt und sie kennt buchstäblich Gott und die Welt (wobei sich die Götter als Timelords entpuppen).

Willi, das Wurmlochwiesel, und Quoxx, der reiche Kaufmann aus dem Kuiperbelt, sind Stammgäste. Willi ist der beste Wurmlochscout und Kopfgeldjäger weit und breit, aber da er auf alles setzt, was mehr als drei Beine hatte, ist er ständig pleite und ein penetranter Schnorrer.

Mit zur Stammkundschaft gehören die K’zin-Kriegerin K’Xara und ihr Gefährte Little Wong, die als »Freelancer« allerlei nicht ganz legalen Geschäften nachgehen. Und dann ist da noch die kleine Tauranerin Black Mary, von K’Xara nicht ohne Respekt als »Rabenaas« bezeichnet.

Humpty Dumpty

»Bildung kann auch in meiner Branche durchaus nützlich sein«, widersprach Willi seinem Intimfeind Quoxx. »Alice hinter den Spiegeln hat mir schon einmal die Haut gerettet.« Er drehte sein leeres Bierglas, bis der Kuiperbelter Donna seufzend ein Zeichen gab.

»Der dicke Humpty, Raumschrottschmuggler auf Nixwieweg«, hob Willi nach einem tiefen Schluck an, »hatte mich mit seiner venusianischen Schnalle hinter dem Hellcat beim Knutschen erwischt und war ziemlich ungehalten. Ich duckte mich unter seinem Schwinger weg, wobei mir die Mütze vom Kopf rutschte, schnappte sie auf und sprintete durch die Hintertür in die Kneipe. Aber der Dicke folgte mir auf den Fuß. ›Keiner rührt sich!‹, donnerte er. Alle erstarrten. Ich hielt den Atem an. Aber der Blick des Schmugglers glitt ohne ein Zeichen des Wiedererkennens über mich hinweg. ›Wo ist der Kerl?‹, brüllte er. ›Die verdammte rote Schiebermütze erkenne ich überall!‹ Ich stutzte. Und dann hatte ich einen Geistesblitz. Wie sein Namensvetter Humpty Dumpty im Wunderland war der Dicke offenbar gesichtsblind. Die Visagen seiner Mitmenschen glichen sich für ihn wie ein Ei dem anderen. Also zog ich rasch meine Mütze aus der Tasche und drückte sie dem Schlägertyp neben mir auf den Kopf. Und es funktionierte tatsächlich. Humpty versetzte dem Kerl einen derartigen Kinnhaken, dass ich abtauchen und mich in dem anschließenden Tumult aus dem Staub machen konnte!«

Willi blickte treuherzig in die Runde. »So war’s wirklich, ich schwör’s! Ein Seelenklempner hat’s mir später erklärt. Nennt sich Prosopagnosie!«

»Hat dir der Seelenklempner auch etwas über Pseudologia phantastica erzählt?«, fragte Donna unschuldig lächelnd, während sie dem Wurmlochwiesel ein frisches Bier servierte. Sie kennt mindestens ebenso viele abgefuckte Fremdwörter wie Willi. »Ein gewisser Baron Münchhausen soll damit infiziert gewesen sein …«

»Keine Ahnung, wovon du sprichst!« Sein Grinsen versteckte Willi rasch tief im Bierschaum.

Die absolut unbestechliche Observationsdrohne

Der Fremde, der an diesem Abend Donnas Kaschemme betrat, war von schmächtiger Gestalt, trug einen roten spitzen Hut und lange schlabbrige Klamotten.

Kaum hatte er grüßend genickt und sich gegenüber von Willi und Quoxx niedergelassen, schwirrte eine untertassengroße Metallscheibe durch die offene Tür und verharrte leise summend über seinem Kopf. Der Neuankömmling warf einen Blick nach oben und seufzte. »Ich bin gerade etwas klamm …«

Quoxx, der reiche Kuiperbelter, der eine gute Geschichte witterte, machte Donna ein Zeichen. Dankend nahm der Fremde einen Schluck Bier und wischte sich den Mund. »Aah, welch’ Labsal, Frau Wirtin! Mein Name ist übrigens Ringworm …«

»Nun behauptet nicht, dass Ihr von der Scheibenwelt stammt«, protestierte Donna, die sich bestens in Prä-Warp-Fantasy auskannte.

Der Kleine grinste schief. »Nicht direkt, aber manche nehmen mir’s gern ab, wenn ich ihnen gegen ein kleines Entgelt Geschichten aus meiner ›Heimat‹ erzähle …«

Willi, das Wurmlochwiesel, beugte sich vor. »Und dieses Ding da oben?«

»Das soll wohl auf mich aufpassen …« Ringworm kratzte sich hinterm Ohr. »Naja, ich hatte ein paarmal furchtbares Pech beim Wetten … und die Trollmafia hat mir ganz schön eingeheizt. Wenn ich meine Schulden nicht umgehend zurückzahle …« Er machte eine Bewegung quer über die Kehle. »Zum Glück hab’ ich am Tresen einem todsicheren Tipp fürs nächste Hunderennen in Nix-wie-weg aufgeschnappt – nur war ich völlig pleite … also habe ich bei 'nem Typen 'nen Kredit aufgenommen und alles auf LastHope gesetzt …«

»Wie hieß der Schuppen?«, wollte Willi wissen. »Und wie sah der Kerl aus?«

»Es war im Hellcat und der Mann ein haariges Monstrum …«

Willi und Quoxx tauschten einen Blick. »Gromski, dieser Gorilla!«

»Stimmt, so nannte er sich«, nickte Ringworm. »Ich habe ihm mein Leid geklagt, und er war bereit, mir kurzfristig fünf Riesen zu leihen – wenn ich heute Abend gewinne, kann ich ihm alles zurückzahlen und auch der Trollmafia den Rachen stopfen.«

»Aber wenn nicht«, warf Donna ein, während sie ein frisch gefülltes Tablett auf den Tisch stellte, »schlägt Euch die Trollmafia den Schädel ein und versenkt Euch im Sumpf, und Gromski ist sein Geld los. Das macht doch keinen Sinn!«

»Er denkt offensichtlich anders, sonst hätte er mir nicht dieses komische Ding auf den Hals gehetzt, das mir seitdem überallhin folgt …« Ringworm wies anklagend nach oben.

»Ich bin eine zertifizierte, absolut unbestechliche Observationsdrohne«, erklärte der Schwirrkörper empört. »Und jeder Versuch, mich abzuschütteln oder zu eliminieren, ist hoffnungslos. Ich habe einen Thermitzünder …«

»Das ergibt keinen Sinn!«, wiederholte Willi stirnrunzelnd. »Als Schuldner bringt Ringworm Gromski nur dann etwas, wenn er gewinnt. Aber bei einem faulen Tipp aus dem Hellcat sind die Chancen dafür gleich null.« Und an Ringworm gewandt: »Hat er Euch etwas unterschreiben lassen?«

»In meinem Speicher sind alle Verträge mit der Zielperson hinterlegt!«, mischte sich die Drohne eilfertig ein.

Willi, Quoxx und Donna beugten sich über die Datei. Dann pfiff Donna durch die Zähne, tippte auf eine Stelle, und die beiden anderen begannen zu grinsen. »Verbindung mit dem Hellcat, mit Gromski!«

Wenig später füllte sich der Bildschirm mit der grimmigen Visage des Nachtclubbesitzers. »Was wollt ihr?«, raunzte er.

»Es geht um den Kontrakt mit Ringworm, Gromski. Er hat eine Lebensversicherung zu deinen Gunsten unterschrieben«, begann Donna.

»Zur Absicherung des Kredits, na und?« Gromskis kleine Augen funkelten tückisch.

»Nun, das erklärt, was wir zunächst nicht verstanden haben: Tot ist dein Schuldner für dich doppelt so viel wert wie lebendig!«

Gromski schwieg.

»Und das erklärt auch die Observationsdrohne!«, übernahm Willi. »Sie soll nicht verhindern, dass Ringworm abhaut, sondern der Versicherungsgesellschaft sein Ableben bestätigen, wenn die Trolle mit ihm fertig sind – sonst müsstest du jahrelang warten, bevor du die Prämie einstreichen kannst.«

Er schüttelte den Kopf. »Was meinst du, wie die Trollmafia reagiert, wenn sie erfährt, dass du sie die Drecksarbeit für dich erledigen lässt?«

»Alles reine Spekulation!«, schnaubte der Nachtclubbesitzer. »Wer würde Losern wie euch schon glauben?«

»Nun, da hast du dir selbst ins Knie geschossen, Gromski!« Quoxx lächelte sein Warzenschweinlächeln. »Schließlich haben wir eine erstklassige, absolut unbestechliche Observationsdrohne als Zeugin …«

»Sollte Ringworm etwas passieren, werden wir dafür sorgen, dass diese ›Spekulationen‹ die Runde machen …« Donnas roter Hahnenkamm wippte angriffslustig.

Gromski, dessen Visage puterrot angelaufen war, grunzte nur. Der Bildschirm verdunkelte sich, und Donna zappte in das Hunderennen, auf das Ringworms all seine Hoffnungen setzte.

Sechs Hunde rannten wie der Teufel. Eine Hündin hechelte hinterher. LastHope wurde Letzte.

Ringworm verbarg seinen Kopf in den Händen. »Ich bin verloren!«, stöhnte er.

In das allgemeine Schweigen hinein meldete sich die Observierungsdrohne. »Ich empfange eine Eilmeldung: Versicherung gecancelt. Schulden getilgt. Drohnenüberwachung eingestellt. Keine Unterschrift, nur eine gehörnte schwarze Katze …«

»Hellcat! Das war Gromski!« Willi schlug Ringworm so heftig auf die Schulter, dass dessen Nase im Bierschaum versank. »Du bist gerettet!«

»Offenbar sah dieser King-Kong keinen anderen Ausweg, als deine Schulden bei der Trollmafia zu begleichen!« Quoxx hielt sich die Seiten vor Lachen. »Das muss gefeiert werden!«

Und das taten wir dann auch. Auf Donnas Wunsch spielte die Observationsdrohne, die außer Dienst höchst umgänglich war, Songs aus der Prä-Warp-Zeit. Und zu Helter Skelter, Yellow Submarine und Lucy in the Sky with Diamonds floss das Bier, noch immer das Beste in diesem Teil des Alphaquadranten, in Strömen, bis Ringworms Kopf irgendwann auf den Tisch sank. Er lächelte im Schlaf. Vielleicht träumte er ja neue Scheibenweltabenteuer.

Loony oder der verrückteste Ort im ganzen Universum

In Donnas Kaschemme herrschte das übliche Stimmengewirr. Quoxx und Willi waren gerade dabei, einander mit den schrillsten Orten zu übertrumpften, die sie besucht hatten, und wir Übrigen beteiligten uns lebhaft an diesem Spiel.

»Loony!«, warf plötzlich der Fremde ein, der Willi und Quoxx gegenüber Platz genommen hatte. Er war noch recht jung und seine dunkle, fast indigofarben schillernde Haut wies ihn als Raumnomaden aus. Bislang hatte er schweigend zugehört und an seinem Bier genippt, doch nun richteten sich alle Blicke auf ihn. »Loony ist der verrückteste Ort im ganzen Universum!«

Quoxx, der eine interessante Geschichte witterte, gab Donna ein Zeichen, dem Fremden ein frisches Bier zu bringen. Der nickte dankend und prostete ihm zu. »Mein Name ist Janus«, begann er, »und wegen eines Schadens am Warpantrieb hatte ich auf einen unbedeutenden kleinen Mond namens Loony zwischenlanden müssen…«

Gerade hatte ich mir an der Bar des Raumhafens ein Bier bestellt und wollte den ersten Schluck nehmen, als ich bemerkte, dass aus den Ritzen zwischen den Dielen Wasser quoll und eine große Pfütze bildete. Und dann stieg ein Rudel riesiger Tiere, eine Mischung zwischen Riesenkraken und Leuchtturm, aus der Tiefe der Pfütze empor, erhoben sich über die Theke und fielen dann mit einem gewaltigen Platscher ins Wasser zurück, das inzwischen auf Barhockerhöhe angestiegen war.

Ich war bei dem Anblick entsetzt aufgesprungen, während der Barkeeper unbeeindruckt seine Gläser polierte. ›Nur ruhig, Jungchen! Das dauert nicht lang!‹

Und wirklich verschwand das Wasser schon wieder gurgelnd in einer Ritze und mit ihm die Ungeheuer.

›Zum ersten Mal auf Loony?‹

Ich nickte. ›Sind das Halluzinationen?‹

›Eigentlich nicht. Diese Viecher haben in grauer Vorzeit wohl tatsächlich auf Loony gelebt. Aber da die Zeitströme hier wie wild fluktuieren, tauchen sie immer mal wieder auf. Schauen Sie aus dem Fenster!‹

Ich gehorchte. Ein kleiner Fluss lief den Berghang hinunter, was nicht weiter bemerkenswert war, wäre da nicht ein zweiter Fluss gewesen, der aus dem Tal hochstieg, den ersten kreuzte und dann unbeeindruckt weiter hangaufwärts floss.

›Wie ist das möglich?‹, fragte ich verblüfft.

Der Barkeeper zuckte die Schulter. ›Ich versteh’s auch nicht, aber ein Quantenfuzzi, der hier eines Abends seinen Liebeskummer ertränken wollte, hat’s mir so erklärt: Das Wasser auf Loony ist suprafluide. Es hat keinerlei Reibung und fließt, wie es will. Dabei entstehen manchmal negative Entropiewellen, sodass der Zeitpfeil für kurzfristig einfach die Richtung wechselt …‹

Ich runzelte die Stirn. ›Sie meinen, dass er dann, statt in die Zukunft zu zeigen, in die Vergangenheit zeigt?‹

›Genau.‹ Er blickte auf, da sich die Kneipentür wieder öffnete.

Ich drehte mich um und stieß in meiner Verblüffung mein Bierglas vom Tresen. ›Das … das bin ich!‹, stotterte ich völlig entgeistert.

›Ihr vergangenes Ich, das vor einer Weile in die Bar gekommen ist …‹, korrigierte der Barkeeper. ›Ignorieren Sie sich einfach!‹

Ohne mich auch nur im Geringsten zu beachten, strebte mein um eine Viertelstunde älteres Ich auf den Tresen zu und verlangte ein Bier …

Ich war verwirrt. Und in meiner Verwirrung tat ich etwas sehr Dummes. Keine Ahnung, was mich plötzlich überkam, aber ich zog meinen Shooter und brannte meinem Doppelgänger eine Kugel auf den Latz …

Janus machte eine Kunstpause und leerte sein Glas.

»Und was passierte dann?« Quoxx beugte sich gespannt vor. »Wenn du dein altes Ich getötet hast, gäbe es dich doch auch nicht mehr und du würdest nicht hier sitzen …«

»Gar nichts.« Janus seufzte. »Jedenfalls blieb mein Alter Ego völlig unbeschadet, aber der Querschläger, der offenbar von einer wie auch immer gearteten Hülle um ihn herum abprallte, zerdepperte eine ganze Batterie Flaschen …«

Ein Aufstöhnen ging durch die Kneipe. Das war wirklich dumm.

»Verrückt!«, musste Quoxx zugeben. »Und kapierst du die ganze Sache?«

»Ist vielleicht so ‘ne Art Naturgesetz, das eine Veränderung der Vergangenheit verhindert. Wenn du mich zitieren willst, ich nenne es meine Chronologieschutz-Hypothese.« Janus breitete die Hände aus. »Das Universum ist ja auch ohne Zeitparadoxien schon verrückt genug …«

Quoxx und Willi sahen sich an und nickten. Das klang plausibel.

»Nun, kurz darauf verschwand mein altes Ich wie die Urviecher wieder von der Bildfläche«, fuhr der Raumnomade fort. »Dafür fügten sich die Scherben zu meinen Füßen wieder zu einem vollen Bierglas zusammen, sodass ich wenigstens noch einen Schluck nehmen konnte, bevor ich die Beine in die Hand nahm und Loony so schnell wie möglich wieder verließ …« Er drehte sein leeres Glas zwischen den Händen und sah Donna hoffnungsvoll an.

»Dieses Loony muss tatsächlich der verrückteste Ort im ganzen Universum sein«, stimmte die Wirtin trocken zu und stellte ein frisches Tablett auf den Tisch. »Geht aufs Haus!«

Wir alle ließen Donna, die bekanntlich das beste Bier in diesem Teil des Alphaquadranten braut, gebührend hochleben und bedienten uns.

»Es gibt nur ein Ding, das noch verrückter ist!«, flüsterte Willi seinem Gegenüber zu und tippte an seine Schläfe. »Diese Geschichtenmaschine da oben …«

Janus tauchte sein Grinsen so tief in das Bier, dass seine Nase darin verschwand und nur noch seine Augen über dem Schaum funkelten.

Der Chawbacon-Wurm

Es ging hoch her in Donnas Kaschemme, und das Bier – das beste in diesem Teil des Alphaquadranten – floss in Strömen. Es war der letzte Tag des Großen Marktes auf Nix-wie-weg, einem gesetzlosen Flecken mitten im Nirgendwo, wo Waren aller Art ihre Abnehmer fanden und niemand fragte, woher sie stammten, wenn nur der Preis stimmte. Dass die Flying Dutchman nicht wie üblich aufgetaucht war, gab zu wilden Spekulationen Anlass. Das Schiff und seine Mannschaft schienen wie vom Schwarzen Loch verschluckt.

»Nicht, dass ich diesem Piratenpack eine Träne nachweinen würde«, brummte Quoxx, der reiche Händler aus dem Kuiperbelt, der immer wusste, was in der Branche lief, »aber interessieren würde mich schon, wo die Kerle abgeblieben sind.«

»Captain Holland soll sich aus diesem Teil des Quadranten abgesetzt haben«, erwiderte Donna, die von ihrer Kundschaft auch so allerlei erfuhr, während sie eine frische Runde servierte. »War ihm wohl zu heiß geworden hier in der Gegend …«

»Die Signatur der Flying Dutchman verliert sich jenseits des Kuiperbelts«, warf Willi, das Wurmlochwiesel, ein. »Danach wurden die Piraten nicht mehr gesichtet.«

»Oh doch!« Alle Augen richteten sich auf den Fremden, der bisher schweigend zugehört hatte. Er war ziemlich klein, aber stämmig gebaut, mit knorrigem, wettergegerbten Gesicht, Knopfaugen und struppigem Bart. Seine Kleidung wies ihn als Trapper aus.

Quoxx, der eine gute Geschichte witterte, schob ihm ein frisches Bierglas zu. »Du weißt Näheres?«

»Kann man wohl sagen!« Dankend hob der Angesprochene sein Glas. »Ich bin Amos, Elder von Chawbacon.«

»Das ist wirklich Outback!«, raunte Willi der Wirtin zu. Als Wurmlochscout gehörte er zu den wenigen, die diesen abgelegenen Waldmond kannten.

»Die Flying Dutchman mussten landen, weil ihr Warpantrieb stotterte«, fuhr Amos fort. »Während die Strolche ihn reparierten, sah ihr Captain sich um, beschimpfte uns als Hinterwäldler, bei denen es nichts zu holen gab, und wies seine Leute an, unsere Vorratskammern zu plündern. Und dann entdeckte er die Felle …« Er strich sich über seinen Mantel aus wunderbar schillerndem, silberblauem Pelz aus feinstem Chawbacon-Fuchs.

Quoxx beugte sich vor. »Und was habt ihr getan?«

Der Elder hob die Hände. »Was sollten wir schon tun? Wir sind friedliche Bauern und Trapper, haben gerade mal ein paar Jagdprügel. Das Piratenschiff starrte vor modernster Waffentechnik. Also schleppten wir unsere Felle in ihr Schiff und wiesen ihnen den Weg zum nächsten Wurmloch.« Er seufzte. »Es war der Ertrag eines ganzen Jahres, aber wir waren froh, die Dreckskerle abziehen zu sehen.«

»Und das war’s dann?«, fragte Donna mitfühlend und servierte dem Trapper noch ein Bier.

»Nun, nicht ganz. Bevor wir die Felle ablieferten, haben wir sie mit den Eiern des Chawbacon-Wurms gewürzt.« Amos’ Nase verschwand fast im Bierschaum. »Wir Hillbillys sind immun gegen das Teufelszeug. Aber wenn man die Dinger als Ungeimpfter einatmet, verteilen sich die Larven nach dem Schlüpfen rasch im ganzen Körper. Vor allem lieben sie das Weiche im Schädel.« Er sah in die Runde und lächelte böse. »Es sind hungrige kleine Biester! Wenn der Captain irgendwann in den Spiegel geschaut und gesehen hat, was da aus seinen Augäpfeln zurückschaut …«

Einige Gäste sogen hörbar die Luft ein, und Quoxx schüttelte sich. »Es sind zwar Schurken, aber dennoch … scheußliche Vorstellung!«

»Nun, wir Hinterwäldler greifen eben zu Hinterwäldler-Methoden. Man muss das nehmen, was man zur Hand hat«, meinte der Elder philosophisch und langte nach seinem Glas.

»Die Wurmlöcher in eurer Region ist ziemlich instabil, ständig tun sich neue Tunnel auf und schließen sich wieder. Möglich, dass die Flying Dutchman sich in diesem Labyrinth verirrt hat und nun bis ans Ende ihrer Tage durch die Gänge segelt …« Willi rieb sich die Nase. »Was aber, wenn sie doch wieder auftauchen sollte?«

Amos zuckte die Schultern. »Unwahrscheinlich. Auf jeden Fall wette ich, dass niemand, der von dieser Story hört, ihnen unsere Felle abkaufen wird.« Er grinste und seine Knopfaugen waren hart wie Granit. »Die Leute ekeln sich vor Parasiten.«

»Und andere Raumpiraten werden sich zweimal überlegen, bevor sie Chawbacon einen Besuch abstatten.« Willi leckte sich den Schaum von den Lippen und sah sein Gegenüber ein wenig unsicher an. »Sag mal, könnte es sein, dass du das gruselige Ende der Story erst erfunden hast, nachdem du vom Verschwinden des Schiffes erfuhrst?«

»Das, mein liebes Wurmlochwiesel, bleibt mein Geheimnis.« Der Elder von Chawbacon funkelte Willi über den Rand seines Glases spöttisch an. »Ich hoffe jedenfalls, ihr alle erzählt die Geschichte weiter …!«

Familientreffen

Das Stimmengewirr in Donnas Kaschemme verstummte, als die Tür gewaltsam aufgestoßen wurde. Herein drängte sich ein riesiger schwarzer Hund mit drei Köpfen. Die junge Frau, die er hinter sich herzerrte, war nicht weniger ungewöhnlich, ihr geflügelter Oberkörper saß auf dem Unterleib einer Löwin.

»Ruhig, Zerberus, ruhig! Mein Bruder ist ein wenig stürmisch …«, erklärte sie atemlos.

Ohne sie zu beachten, hatte sich der Höllenhund vor Donna aufgebaut. Die Lefzen zurückgezogen, knurrte er.

»Platz!«, donnerte K’Xara. Die nachtschwarze K’zin-Kriegerin, die wie ihr zierlicher Gefährte Little Wong inzwischen Stammgast war, hatte sich zwischen Donna und das Monster geschoben. Nun senkte sie drohend ihr Widdergehörn. »Nur wer sich benimmt, bekommt Bier!«

Grollend sank der Höllenhund auf die Hinterhand nieder, und Donna gab Willi einen Wink. Der verschwand hinter der Theke und kam kurz darauf mit drei bis zum Rand gefüllten Näpfen zurück. Die drei Köpfe schnupperten und versenkten ihre Schnauzen tief in dem würzigen Trank. Kurz darauf war nur noch eifriges Schlabbern zu hören.

Donna grinste und schob der Sphinx, die sich inzwischen neben Quoxx niedergelassen hatte, ein Frischgezapftes zu.

»Ah, das tat gut!« Die Sphinx wischte sich den Schaum vom Mund.

»Kaum zu glauben, dass jemand mit so charmantem Lächeln den Beinamen ›Würgerin‹ trägt«, platzte Quoxx heraus.

Die Sphinx zuckte die beflügelten Schultern. »Was soll man machen, wenn man als Monster geboren wird und beruflich verpflichtet ist, die Welt zu terrorisieren? Aber man will ja nicht nur Rätsel stellen und Leute erwürgen, sondern auch mal seinen Spaß haben. Und Bacchus hat derart von Donnas Bier geschwärmt, dass meine Geschwister Hydra, Chimära und Orthos – der Kleine steht mit seinen zwei Köpfen immer im Schatten seines großen Bruders – und ich an eine kleine Familienzusammenkunft hier gedacht haben. Wir beide haben uns erboten, die Location zu testen …«

Donna verdrehte die Augen. Ihre Freundschaft mit dem jovialen Timelord hatte offenbar ihre Schattenseiten.

»Dass Sie sich nach Lösung Ihres Rätsels umgebracht haben, ist also eine Mär?«, erkundigte sich Little Wong.

»Sie meinen diesen Ödipus-Zwischenfall?« Die Sphinx schnaubte verächtlich. »Ein geflügeltes Wesen, das sich vom Felsen stürzt, begeht nicht unbedingt Selbstmord, ich hatte den Job einfach satt – aber wie wäre es jetzt mit einem Rätsel?« Sie lächelte verschlagen. »Die Seite, die es nicht löst, zahlt der anderen die Zeche …«

Donna und Little Wong wechselten einen Blick. Die Timelords und ihre Entourage galten als außerordentlich trinkfest. Der Höllenhund hatte schon literweise Bocksbier geschlabbert und zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen.

»Einverstanden!« Donna kreuzte die Arme über der Brust.

Die Sphinx überlegte kurz. »Es eilt dahin, doch niemand sieht’s laufen, es lässt sich nicht halten, niemand kann’s kaufen.« Sie leerte ihr Bier und machte Donna ein Zeichen, nachzuschenken.

Alle Augen richteten sich auf Little Wong. Der schwieg.

»Nun, Gefährte meiner Nächte, wo klemmt’s?« K’Xara stupste ihn aufmunternd in die Rippen. »Wenn der Laden nicht pleitemachen soll, wird’s Zeit, dass dir etwas einfällt …«

Little Wong fuhr hoch und gab ihr einen Kuss. »Natürlich, du Schlaueste aller Schlauen. ›Zeit‹ ist die Antwort!« Er grinste. »Mir fällt gerade ein kleines Rätsel aus Großmutter Wongs Schatzkästchen ein: Wer es wagt, hat keinen Mut. Wem es fehlt, dem geht es gut. Wer es gibt, ist hart wie Stein. Wer es liebt, der bleibt allein.«

Die Sphinx runzelte die Stirn. »Ich muss kurz nachdenken …«

Ein lautes, mehrstimmiges Schnarchen unterbrach sie. Zerberus lag, alle drei Köpfe ausgestreckt, auf dem Boden, nur seine Pfoten zuckten. Der Höllenhund schlief.

»Wie habt ihr das geschafft?«, staunte seine Schwester.

»Nun, das Bocksbier, das hier serviert wird, ist ziemlich stark, besonders in dreifacher Portion.« Willi grinste. »Und Donna erinnerte sich daran, dass Odysseus den Höllenhund mit Nepenthes, sprich Opium, gedopt hat – also habe ich das Bier etwas davon beigemischt.«

»Ich bin strikt gegen das Panschen von Bier, aber in diesem Fall …« Donna hielt inne.

Der Kopf der Sphinx war auf den Tisch gesunken. Auch ohne Dope hatte das Starkbier bei ihr seine Wirkung getan. Zwar war sie eine Timelady, aber doch auch halb Löwin, und Katzen vertragen nun mal keinen Alkohol …

Untermalt vom Schnarchen unserer ungewöhnlichen Gäste ging an diesem Abend noch so manche Runde über den Tresen. Am Ende kam einiges zusammen, aber ganz Lady, wie es ihrer oberen Hälfte entsprach, beglich die Sphinx am nächsten Tag die Rechnung, ohne mit der Wimper zu zucken.

Little Wong begleitete sie galant zum Teleporter. Nachdem sie die drei Brummschädel des erbärmlich stöhnenden Höllenhundes sicher gebettet hatte, hob sie nochmals den Kopf. »Und die Lösung des Rätsels?«

Der kleine Mann lächelte. »›Nichts‹.«

»Oh!« Sie nickte und entmaterialisierte sich.

Die Sphinx ist wirklich nicht übel, doch Donna wird ihrem Freund Bacchus bitten, den unheimlichen Geschwistern eine andere Location für ihr Familientreffen zu empfehlen. Fünf solche Ungeheuer könnten selbst für die legendäre Gastfreundschaft von Donnas Kaschemme am Rande der Milchstraße zu viel sein.

Omelett surprise

In Donnas Kaschemme am Rand der Milchstraße herrschte der übliche Lärmpegel. Die Stammgäste Willi und Quoxx stritten miteinander, während K’Xara, die nachtschwarze, hochgewachsene K’zin-Kriegerin mit dem Widdergehörn, gelegentlich eine Bemerkung einwarf. Ihr zierlicher Gefährte Little Wong aus dem Shanghai-Imperium hörte ihnen zu, lächelte sein unergründliches orientalisches Lächeln und genoss Donnas Bier, das besten in diesem Viertel des Alphaquadranten. Wenn der Laden so brummte wie heute, ging Black Mary, eine junge Tauranerin, der Wirtin zur Hand.

Als die Tür der Kneipe sich öffnete, sank der Lärmpegel abrupt. Die Frau, die die Kaschemme betrat, zog alle Blicke auf sich: Fast so groß wie die K’zin-Kriegerin, brachte sie sicher das Dreifache auf die Waage. Gekleidet war sie in einen Kaftan aus feinster arachnidonischer Spinnenseide, der bei jeder Bewegung in allen Regenbogenfarben schillerte. Unter ihrem goldfarbenen Kopfputz lugten zwei sehr schwarze und sehr scharfe Augen hervor, die die Anwesenden musterten …

Quoxx, der reiche Händler aus dem Kuiperbelt, sprang auf. »Big Berta! Was für eine … eh … Überraschung!«

Die dicke Frau lachte heiser, während sie sich neben Quoxx auf die Bank fallen ließ. »Ich dachte, ich greife dir bei den Verhandlungen mit den Arachnidoniern besser unter die Arme, mein Lieber. Außerdem habe ich das Bier hier rühmen hören« – das brachte ihr ein Lächeln und ein frisch Gezapftes von Donna ein – »und nicht zuletzt will ich ein paar Schulden eintreiben …«

Sie warf Willi, dem Wurmlochwiesel, einen durchdringenden Blick zu, leerte ihr Bier auf einen Zug, und leckte sich genüsslich den Schaum von den Lippen. »Ah, das tat gut …«

»Wer ist das?«, flüsterte Willi.

»Big Berta, die Frau von diesem miesen Typen, auf dessen Planeten wir notlanden mussten …«, flüsterte Mary zurück. »Sie gilt als eine der gerissensten Geschäftsfrauen das Quadranten.«

»Und du erinnerst dich sicher daran, Wurmlochwiesel, dass du Big Bobby noch den Preis für die Ersatzteile für deine alte Mühle schuldest.« Die Händlerin schien gute Ohren zu haben.

»Ehem …« Willi schluckte. »Das Kopfgeldgeschäft läuft gerade nicht besonders gut … ich fürchte, ich bin blank …«

»Das ist natürlich traurig, aber vielleicht können die beiden aushelfen, die damals mit von der Partie waren …« Sie maß K’Xara und Little Wong mit abschätzendem Blick.

»Sorry, wir sind völlig pleite … Pech im Hunderennen.« Little Wong breitete entschuldigend die Hände aus. K’Xara kreuzte nur die Arme über ihrem roten Brusttattoo.

»Nun, dann bliebe noch die kleine Ausreißerin …« Die Händlerin musterte Mary kühl. »Die halbe Portion soll die Tochter von Black Angus sein, dem Spielhallenkönig? Vielleicht sollte ich mich dann mit ihm in Verbindung setzen …«

»Ich würde meinen Vater gern da raushalten …« Mary hatte ihr süßestes Lächeln aufgesetzt und tauschte Bertas leere Bierglas gegen ein frisches. »Gäbe es vielleicht etwas anderes, was wir für dich tun könnten?«

Die Händlerin betrachtete Mary mit neuem Interesse. »Gut geraten. Es gäbe da tatsächlich etwas … die anderen Händlerinnen und ich, wir haben eine kleine kulinarische Challenge in unserem Club laufen – das ungewöhnlichste Gericht gewinnt, und ich habe mir vorgenommen, dass ich gewinne!«

»Und an was hattest du da gedacht?«, fragte Willi vorsichtig.

»Nun« – die Händlerin legte ihre Fingerspitzen zusammen – »ich stelle mir etwas ganz Einfaches vor – ein Omelett.«

»Ein Omelett? Eier, Milch, Mehl?«, fragte Donna verblüfft, während sie ein frisches Tablett auf den Tisch stellte.

»Ja, allerdings sollte es schon etwas Besonderes sein: Ich hatte an Ei von einem Drachen, Milch von einem Einhorn und Mehl von den goldenen Weizenfeldern der Lady Demeter gedacht.«

»Dracheneier?« Mary zog die Stirn kraus. »Big Bobby reißt uns den Kopf ab, wenn wir uns noch mal auf Hunter’s Planet blicken lassen.«1

»Wir?« Die K’zin-Kriegerin zog die Augenbrauen so hoch, dass sie fast an ihr Widdergehörn stießen.

»Natürlich komme ich mit!«, verkündete Mary.

»Natürlich bleibst du hier!«, erklärten Donna, Willi, K’Xara und Little Wong wie aus einem Mund.

»Um wie wollt ihr ohne mich die Sache mit dem Einhorn deichseln?« Die Hände in die Hüften gestützt, sah Mary vom einem zum anderen. Nach terranischen Maßstäben zehn oder elf Jahre alt, war sie als blinde Passagierin in Donna Kaschemme gelandet und hatte bislang alle Versuche, sie wieder zu ihrem Vater nach Hause zu expedieren, erfolgreich unterlaufen. »Einhörner lassen sich bekanntlich nur von Jungfrauen zähmen, und ich gehe nicht davon aus« – ihr Blick wanderte von der Wirtin mit dem roten Irokesenkamm zu der K’zin-Kriegerin – »dass eine von euch Anspruch auf diesen Titel erhebt?«

Die beiden Frauen sahen sich an und grinsten. »Wenn das mit den Jungfrauen mal keine Mär ist!«, unkte Donna.

»Und was ist mit Melken?«, trumpfte Mary auf. »Hat jemand von euch schon mal etwas gemolken, was mehr als zwei Beine hatte und nicht am Pokertisch saß? Als Tauranerin« – sie teilte ihre schwarzen Locken, sodass ihre beiden Hornzapfen sichtbar wurden – »liegt mir Melken im Blut.«

Willi, K’Xara und Little Wong wechselten einen Blick. »Also gut«, gab die K’zin-Kriegerin nach, »Du bist dabei, Rabenaas!« Willi streckte Big Berta ihre Hand entgegen. »Der Deal gilt?«

Die Händlerin schlug ein. »Er gilt.«

»Und du übernimmst den Warp-Sprit, nicht wahr, Quoxx?« Mary lächelte den Kuiperbelter durch lange Wimpern an. Tauranerinnen sind frühreif, wie sie stets betonte.

Quoxx sah seine Geschäftspartnerin an und seufzte. »Glaubst du jetzt, dass sie Black Angus’ Tochter ist?«

»Quoxx meinte, die Verhandlungen mit den Arachnidoniern würden etwa zwei Terra-Wochen dauern, daher machten uns sofort auf den Weg«, hob Willi an, während er ein lang entbehrtes Glas Bier schlürfte. »Das Eierproblem ließ sich recht einfach lösen. Wir wussten ja, dass die Xolongs, die wir nach Hunter’s Planet gebracht hatten, von Schmugglern aus Nix-wie-weg stammten, und so gelang es uns, gegen ein Kontingent von Donnas unvergleichlichem Bier und ein wenig Erpressung ein Drachenei einzutauschen.«

Feierlich überreichte Mary der Big Berta die Schalen des Xolong-Eis, dessen Inhalt Quoxx gerade mit geübten Bewegungen zu einer schaumigen Masse verquirlte.

Die Händlerin grinste Quoxx an und strich über die glatte grünliche Schalenoberfläche. »Beweisstück Nummer eins.«

Der Kuiperbelter grinste zurück. Die beiden schienen sich im Lauf der zähen Verhandlungen deutlich nähergekommen zu sein.

»Und gegen ein paar Coupons für Black Angus’ Spielhöllen, die Mary noch auf ihrem Holowürfel fand, verschafften die Schmuggler uns den Zugangscode für die Landung auf Paradise Lost und einen Lageplan des Einhornwaldes«, nahm Little Wong den Faden auf.

»Nach der Landung machten wir uns in aller Frühe auf den Weg und wir hatten Glück …« Mary aktivierte ihren Holowürfel. Es war ein magischer Anblick: eine weiße Einhornstute im Morgennebel zwischen herbstlich roten Ahornbäumen. Auf ihrem geschraubten Horn funkelte der Tau, und auch ihre Schnauze war feucht und dunkel.

Donna zog die Augenbrauen hoch. »Erinnert mich eher an einen Bierkutschgaul als an jemanden, der sich das Horn kraulen lässt!«

»Der Gaul war wirklich verdammt groß, und unserer Kleinen hier ging der Arsch auf Grundeis.« K’Xara ließ ihre weißen Zähne aufblitzen.

»Stimmt, aber jetzt konnte ich ja kaum noch zurück«, meinte Mary philosophisch. »Als ich mich auf ein paar Dutzend Meter genähert hatte, kam plötzlich Leben in die Stute. Sie stieg hoch, brüllte und stürmte auf mich zu. Und da es wirklich nicht so aussah, als wolle sie nur ihren Kopf in meinen Schoß legen, gab ich Fersengeld. Doch wenn K’Xara dem Biest nicht ihr Widdergehörn in die Flanke gerammt hätte …« Sie warf der K’zin-Kriegerin eine Kusshand zu.

»… dann hätte es Rabenaas wohl ein Loch verpasst, wo keines hingehört!« Die schlanke Schwarze lachte rau. »Kaum hatte sich das Biest wieder gefangen, richtete es seine Wut auf mich. Dieses Schwergewicht war zwar kein Rennpferd, aber es kam mir doch immer näher und schien verdammt schlecht gelaunt. Ich rannte also auf einen großen Ahorn zu, das wütende Biest knapp hinter mir …«