Autokratien politökonomisch erklärt - Rödiger Voss - E-Book

Autokratien politökonomisch erklärt E-Book

Rödiger Voss

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Beschreibung

Eigenschaften und Strategien von Autokratien verstehen Weltweit werden über drei Milliarden Menschen autokratisch regiert. Autokratien sind auf dem Vormarsch, auch wenn sie die Freiheit der Bürger:innen massiv beschneiden. Rödiger Voss geht dem Phänomen politökonomisch auf den Grund. Er zeigt, welche Autokratieformen existieren und welche Eigenschaften und Strategien die Systeme haben. Auf die Risiken für Demokratien geht er ein, ebenso auf die große Rolle von Interessengruppen. Zahlreiche Beispiele illustrieren den Stoff. Wissensboxen vertiefen zudem das Verständnis. Das Buch richtet sich an (angehende) Wirtschafts-, Politik- und Sozialwissenschaftler:innen. Es ist zudem für Journalist:innen, Politiker:innen und politisch Interessierte eine spannende Lektüre.

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Seitenzahl: 233

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Rödiger Voss

Autokratien politökonomisch erklärt

Formen, Eigenschaften, Umgang

UVK Verlag · München

Umschlagabbildung: © baona · iStockphoto

Autorenfoto: © privat

 

© UVK Verlag 2023— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 6004

ISBN 978-3-8252-6004-0 (Print)

ISBN 978-3-8364-6004-0 (ePub)

Inhalt

1 Was Sie vorher wissen sollten1.1 Problemstellung1.2 Intention und Fragen dieses BuchesGendergerechte Sprache1.3 Vorgehensweise2 Autokratie: Begriff und Klassifikation2.1 Grundlagen der AutokratieGriechischer Ursprung des Begriffs2.2 Überblick über Staatsformen2.2.1 Systemtheorie nach Platon2.2.2 Systemtheorie nach Aristoteles2.3 Klassifikationsschemata autokratischer Systeme3 Formen der AutokratieEin Blick zurückÄhnlichkeiten und Unterschiede3.1 Absolut monarchische SystemeAutokraten sind an Rechte gebundenHistorische Ursprünge im alten RomWandel des KaisertumsNeuzeitliche Ausprägungen der MonarchieAktuelle Ausprägungen der MonarchieWandlungen der MonarchieLiechtenstein als Beispiel für eine Mischform3.2 Autoritäre SystemeDas Militär versucht sich als autokratisches RegimeBesser anti als gar keine MeinungAutoritäre Wahlautokratie, um Legitimation vorzutäuschenNutzen von WahlenLeistung als Legitimation3.3 Totalitäre SystemeUnsere Weltanschauung soll deine seinHalte dich als Bürgerin oder Bürger an die IdeologieGewaltenteilung besteht bestenfalls auf dem PapierPersonenkult ist nicht ausgeschlossenTod, na und?Die Polizei weiß (fast) alles über dichInformationen ohne GrenzenIrgendwer muss Schuld an allem habenPropaganda-Power und Terror in KombinationDer Weg an die Macht3.4 Despotische SystemeVergleich zu totalitären SystemenMachtgier und Eigennutz dominierenVertrauen des Autokraten in Familie und FreundeDer Autokrat als SultanScheinwahlen können auch Despoten legitimierenFeinde sind immer willkommenHerrscht in Russland ein despotisches Regime?3.5 PetroautokratienDie Macht der PetroautokratienGesetz der PetroautokratienRessourcenfluch als Phänomen3.6 Gedanken zu der Klassifikation am Beispiel ChinaChinese Dream anstatt American DreamEin Blick zu anderen Autokratieformen3.7 Hybride SystemeWie bilden sich hybride Systeme?4 Legitimierung und Anerkennung einer Autokratie4.1 Legitimität und LegitimitätskrisenWas ist unter Legitimität zu verstehen?Wie sind Legitimitätskrisen zu vermeiden?4.2 Leistungsdilemma von AutokratienDas Leistungsdilemma erklärt4.3 Legitimität und SystemalternativenBleib beim Bewährten, wenn Alternativen fehlen4.4 Repressionen und WahlenFreiwilligkeit ist am besten4.5 Legitimation und Ausland4.6 Zwölf Legitimationsbegründungen auf einen Blick5 Absetzbarkeit, Nachfolge und Wirtschaftserfolg in Autokratien5.1 Absetzbarkeit eines AutokratenRegierungsablösung ist in Demokratien einfacherWirkliche Volksaufstände sind meist ein MythosGesetz der 3,5 ProzentEndogene legitimierte Autokraten sind resistenter5.2 Nachfolgeregelungen in AutokratienNachfolge leicht gemacht in Monarchien5.3 Wirtschaftlicher Erfolg und GerechtigkeitFördern eher Demokratien Wirtschaft und Wohlstand?6 Eigenschaften und Handlungsweisen von Autokraten6.1 Eigennutzenmaximierung als politisches ZielWie sieht es in Demokratien aus?Können es Autokraten besser?Also haben demokratische und autokratische Politikerinnen und Politiker gleich geartete Probleme?Ein Kurzfazit zur Wirtschaftspolitik in politischen SystemenDie öffentliche Meinung interessiert auch Autokraten6.2 Inkorrekter SachverstandRegieren in Demokratien fachliche „Anfängerinnen“ und „Anfänger“?6.3 Überheblichkeit und Paranoia der AutokratenVertrauen ist gut, Misstrauen besserKann es in einer Demokratie ähnlich gelagerte Fälle geben?6.4 Meister der FehlinformationDie Spin-Diktatoren sind im EinsatzFlood the zone with shit7 Autokratie und Einfluss von Interessengruppen7.1 Sinn und Zweck von InteressengruppenWas ist unter Interessengruppen zu verstehen?7.2 Informationsmacht der InteressengruppenAutokraten müssen sich Informationen „kaufen“7.3 Zuwendungen für InteressengruppenEs gilt, Unterstützungskoalitionen aufzubauen7.4 Marktmacht der InteressengruppenDie Macht von halbstaatlichen Stellen in AutokratienBürokratie als Interessengruppe kann bremsenKonkurrenz der Interessengruppen in AutokratienBeseitigung von Interessengruppen in Demokratien8 Autokraten und Krieg8.1 Neigungen zu kriegerischen HandlungenKriege werden eher von diktatorischen Regierungen angezettelt8.2 Demokratien als vermeintliche Horte des FriedensAuch Demokratien führen Kriege8.3 Erobern mehrt den Ruhm und lenkt abRuhm möchte ich als Autokrat genießen9 Umgang mit Autokraten9.1 Grundgedanken zum Umgang mit AutokratenSieh es trivial schwarz-weißVorbildlicher Umgang der USA mit Autokratien?Konkrete Vorgehensweisen beim Umgang mit AutokratenOffene Fragen bleiben9.2 Wandel durch HandelZiele der AnnäherungDemokratie lässt sich nicht leicht schaffenEine einseitige Annäherung ist nie richtig sinnvollWirkte die Annäherungspolitik in China?Negative Wirkung einer Appeasement-Politik9.3 Angebot von HilfsleistungenPositive Wirkung von HilfsleistungenHilfsleistungen leisten, um Schlimmeres zu verhindernKurze Erinnerung an die Verlässlichkeit von AutokratenEin Fazit: keine Hilfsleistung ohne Gegenleistung9.4 SanktionenSanktionen haben nicht einfach die umgekehrte Wirkung von HilfenSanktionen müssen den Autokraten auch empfindlich treffenSanktionen können Autokraten stärken und sind schwer international durchzusetzenSanktionen gegen Russland nach dem Schlag gegen die UkraineJahrelange Sanktionen gegen Kuba und was war die Wirkung?Sanktionen der westlichen Welt nach der russischen Aggression gegen die UkraineWirkung der Sanktionen gegen RusslandEin Fazit: Sanktionen haben zentrale ProblemeEs bestehen viele Fragen zur Verwirklichung von Sanktionen9.5 Kriegerische HandlungenBeim Angriff eines Autokraten bleiben keine OptionenSind Wirtschaftskriege nicht auch Kriege?Das Internet als Instrument einer hybriden KriegsführungSind Tötungen von Personen auf dem Staatsgebiet anderer Nationen ein kriegerischer Akt?Hybride Kriege müssen durchgesetzt werdenWachsamkeit ist besser als Krieg10 Schlussbetrachtung und FazitLiteraturverzeichnisRegister

1Was Sie vorher wissen sollten

1.1Problemstellung

Das Thema „AutokratieAutokratie“ ist in der öffentlichen Diskussion angelangt: Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wird in Talkshows, z. B. von Anne Will oder Markus Lanz, die Thematik Autokratie und das Problem von Autokraten in all seinen Facetten öffentlich diskutiert – in der Regel mit direktem Bezug zur russischen Autokratie von Wladimir PutinPutin, Wladimir. Diese Autokratie ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs.

Das vergangene Jahrzehnt war kein guter Zeitraum für weltweite demokratische Entwicklungen. Nach Ende des so genannten „Kalte Krieges“ wurden zunächst zahlreiche ehemalige kommunistische Regierungen abgelöst und damit demokratischen Kräften die Tür geöffnet. Deshalb hatte der renommierte politische Denker Francis FukuyamaFukuyama, Francis (1992) einen Triumph freiheitlicher Demokratien und der Idee des demokratischen Liberalismus als einzig erfolgreiches politisches System vorhergesehen. Ein Erfolg über autokratische Systeme wurde von ihm quasi als eine Art Naturgesetz prophezeit. Mit der Prognose lag er aus der heutigen Perspektive allerdings falsch. Vielmehr ist die Entwicklung seit einigen Jahre sogar rückläufig:

Die Zahl der autokratischenAutokratie Systeme wächst und gewann sogar die Überhand. Nach dem Bertelsmann Transformationsindex (BTI 2022) stehen 70 Autokratien 67 Demokratien gegenüber (→ Abbildung 1). Noch zwei Jahre zuvor waren die demokratischen Systeme in der Überzahl.

Der weltpolitische Optimismus der 1990er-Jahre sollte daher realistischer Weise verflogen sein.

Braucht es überhaupt eine Darstellung und Diskussion autokratischer Systeme? Aus rein demokratischer Betrachtung könnten Autokratien doch allgemein als illegitim bezeichnet werden, da die Wählerinnen und Wähler wenig Einfluss durch gerechte Wahlen besitzen und viele grundlegende Menschenrechte nicht genügend durch eine Verfassung geschützt sind. Einer solchen pauschalen Einordnung autokratischer Systeme wird an dieser Stelle nicht gefolgt. Am kubanischen Beispiel des Castro-Regimes und seiner Nachfolger ist erkennbar, dass Autokraten Gutes (z. B. ausgezeichnetes Bildungswesen und gute ärztliche Versorgung im Vergleich zu Nachbarstaaten) und Schlechtes (z. B. Repressionen gegen die Bevölkerung) leisten können. Gängige „Schwarz-Weiß-Sichtweisen“ sind also zu schlicht und helfen nicht dabei, die Handlungslogiken autokratischer Systeme zu verstehen. In der Tat ist dieses mangelnde Wissen oft ein Grund, weshalb politische Debatten über eine zu empfehlende Politik gegenüber autokratischen Systemen sehr undifferenziert geführt werden. Sinnvoll erscheint eine solche Betrachtung aus einer politökonomischenpolitökonomische Sicht Sicht, die im Kontrast zur „reinen Ökonomie“ in ihrer Analyse des ökonomischen Geschehens politische und soziologische Faktoren mit einbezieht. Wirtschaftlichen Handeln wird damit in Relation zu anderen gesellschaftlichen, politischen, ökologischen und räumlichen Prozessen interpretiert. Aus der politökonomischen Sichtweise sind auch einzelne Ausprägungen autokratischer Systeme zu beleuchten und zu differenzieren. Die Entwicklungen bis zur heutigen Gegenwart haben schließlich ein breites Spektrum an Spielarten autokratischer Regime mit unterschiedlichen Legitimierungsstrategien hervorgebracht.

Abbildung 1:

Autokratien und Demokratien in 2022 und 2020

Quelle: in Anlehnung an Hartmann und Thierry (2022)

Eine gezielte Betrachtung ist auch durch die reale internationale Rolle der Autokratien angebracht. Autokratien wie die Volksrepublik China und Russland besitzen auf der weltpolitischen Bühne durch ihre Wirtschaftsmacht und/oder ihren Rohstoffreichtum ein besonderes Gewicht. Russland brachte sich durch seine kriegerische Aggression gegenüber der Ukraine in einen umfangreicheren internationalen Blickpunkt und warf damit die Frage auf, wie (un-)zuverlässig und streitsüchtig Herrschende in Autokratien sind.

Ein Blick auf die Autokraten selbst lohnt sich also. Diese können auch populär sein, im In- und Ausland. Dies mag sich paradox anhören. Während ihrer Amtszeit genossen aber z. B. Juan Perón im Argentinien der 1970er-Jahre oder Adolf Hitler im Deutschland (Kershaw 2009; Thamer 2018) der 1930er-Jahre großen Zuspruch seitens der Bevölkerung. Diktatoren können zudem auch nach ihrer Amtszeit im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung in positiver Erinnerung bleiben.

Beispiel | António de Oliveira Salazarde Oliveira Salazar, António (PortugalPortugal)

In einer Fernsehumfrage des wichtigsten Fernsehsenders Portugals „RTP“ wählte am 25. März 2007 die Mehrheit der Zuschauer (41 Prozent) den ehemaligen Diktator António de Oliveira Salazar zur herausragenden Persönlichkeit der Landesgeschichte (o. V. 2007, S. 17). Salazar hatte von 1932 bis 1968 Portugal diktatorisch regiert. Den Zweitplatzierten Alvaro Cunhal (historischer Studentenanführer der jungen portugiesischen Kommunisten) hängte der ehemalige Diktator mit einem großen Vorsprung von etwa 20 Prozentpunkten ab.

1.2Intention und Fragen dieses Buches

In diesem Werk geht es, wie in wissenschaftlich fundierten Werken üblich, nicht um ein undifferenziertes Bashing von Autokratien und auch nicht darum, demokratische Systeme als das Nonplusultra der politökonomischen Geschichte zu sehen. Es soll also kein Pladoyer für die Demokratie sein, sondern autokratische Systeme sollen anhand von historischen Beispielen und wissenschaftlichen Studien politökonomisch dargestellt und diskutiert werden. Damit ist auch schon ein sehr wichtiges Element in diesem Buch erwähnt: Es lebt von Beispielen, um das Verständnis zu erhöhen. Die Leserinnen und Leser werden deshalb im Leseprozess immer wieder auf Praxisbeispiele stoßen. Diese werden separat als solche gekennzeichnet, sind aber geleichzeitig lediglich eine subjektive Auswahl. Zu betonen ist, dass durch die vollzogene Auswahl der Fallbeispiele keine (ungenannte) Autokratie verharmlost oder eine politische Couleur geschont werden soll.

Ziel ist, einen Einblick in autokratische Systeme zu gewähren oder diesen zu vertiefen und daraus ein Verständnis zu entwickeln, wie autokratische Regimes tatsächlich funktionieren. Dies fordert teils eine vergleichende Betrachtung von Autokratie und Demokratie (Voss 2008). Bei der Diskussion autokratischer Systeme sollen z. B. folgende Fragen geklärt werden:

Welche Arten von Autokratien lassen sich unterscheiden?

Welche Legitimationsstrategien werden in Autokratien angewandt, um das System zu erhalten?

Was macht also den Reiz der Autokratie aus? Ist sie gar ein ökonomisch effizientes System?

Welchen Einfluss haben Interessengruppen in Autokratien?

Kann ein Autokrat seine Entscheidungen frei von jeglichem Einfluss durchsetzen?

Neigen Autokraten eher dazu, Kriege zu provozieren, um von eigenen Schwächen abzulenken?

Welche Strategien sind beim Umgang mit Autokraten empfehlenswert?

Auf Lesbarkeit und Anwendungsbezug der dargebotenen Sachzusammenhänge wurde deshalb besonderer Wert gelegt. Daher unterstützen zahlreiche Beispiele und Abbildungen das Lesen. Am Anfang eines jeden Kapitels ist ferner ein Überblick zu den folgenden Ausführungen in Form von elementaren Lernzielen positioniert. Bei der Analyse der Autokratien wird nicht jede Eventualität und jeder wissenschaftliche Diskussionsstrang der vergangenen Jahre in aller Tiefe ausgeführt. Vielmehr soll ein Überblick geleistet werden, der die Erkenntnisse der Leserinnen und Leser erweitert und ein gutes Fundament für das Verständnis sowie für fachliche Diskussionen bildet. Ausgewählte wissenschaftliche Fachliteratur ist dabei nicht ausgeschlossen, sondern wird, wenn sinnvoll, integriert.

Gendergerechte Sprache

Eine geschlechtergerechte Sprache soll in diesem Werk realisiert werden. Dies ist aber nicht in jedem Fall sinnvoll. In der Praxis ist die Position eines Autokraten meist durch eine männliche Person besetzt, was nicht positiv für das männliche Geschlecht erscheinen mag. Sicher existieren einige Gegenbeispiele. Dazu gehört etwa die russische Zarin Katharina die Große, die Russland von 1762 bis 1796 autokratisch regierte. Aufgrund der männlichen Dominanz in diesem Amt wird von einem Autokraten und nicht von einer Autokratin geschrieben werden. Ferner wird die männliche Form gewählt, wenn es Ausdruck von gesellschaftlichen Strukturen in der Vergangenheit war. In der griechischen Polis waren die Geschlechter beispielsweise nicht gleichberechtigt, weshalb bestimmte Aufgaben für Frauen nicht erreichbar waren. In diesem Fall wird ebenfalls nur die männliche Form gewählt.

1.3Vorgehensweise

Was erwartet die Leserinnen und Leser nach diesem ersten Einführungskapitels? Im zweiten Kapitel wird kurz auf die historische Entwicklung von Autokratien eingegangen und ein allgemeines Begriffsverständnisse entwickelt. Zudem werden Klassifikationsschemata für Varianten von autokratischen Systemen dargestellt.

Im dritten Kapitel werden die Denkansätze des zweiten Kapitels weiterentwickelt und die unter Kapitel zwei vorgestellten autokratischen Varianten vertieft sowie Merkmale dieser Systeme entwickelt. Zwei dieser Merkmale, die Legitimation und Anerkennung einer Autokratie und Strategien, um diese zu erzeugen, werden im vierten Kapitel aufgegriffen.

Das fünfte Kapitel konzentriert sich auf einzelne Diskussionsaspekte, wie etwa Nachfolgereglungen sowie die Wohlstandförderung und Performance von Autokratien. Das sechste Kapitel widmet sich Eigenschaften und Handlungsweisen von Autokraten, also z. B. Fragen wie „Sind Politikerinnen oder Politiker in einer Autokratie gar kompetenter als ihre Gegenstücke in einer Demokratie?“ oder „Leiden Autokraten eher unter einer Paranoia als Herrschende in anderen politischen Systemen? Und wenn ja, worin liegt die Paranoia begründet?“.

Im siebten Kapitel wird der Aspekt behandelt, ob in Autokratien mit eingeschränkter oder gar fehlender Rücksichtnahme auf Interessengruppen wirtschaftspolitisch agiert werden kann. In diesem Zusammenhang wird die Marktmacht von Interessengruppen diskutiert. Leider neigen Autokratien eher zu kriegerischen Übergriffen als Demokratien. Diese Thematik wird im achten Kapitel aufgeklärt.

Wie mit Autokraten konkret politisch umgegangen werden kann, wird thematisch im neunten Kapitel geklärt. Es wird die Frage beantwortet, ob Sanktionen, Hilfeleistungen oder kriegerische Mittel zugleich geeignete Mittel beim Umgang mit Autokraten sind. In diesem Zusammenhang werden aktuelle politische Maßnahmen reflektiert und beurteilt sowie theoretische Ansätze aufgegriffen. Im letzten (zehnten) Kapitel folgen eine Schlussbetrachtung der vollzogenen Überlegungen mit einem Fazit sowie ein Forschungsausblick mit Implikationen für die weitere Forschung auf dem Gebiet der Autokratietheorie.

2AutokratieAutokratie: Begriff und Klassifikation

Das Kapitel im Überblick | Sie können …

den Begriff Autokratie anhand von Merkmalen definieren.

Merkmale von aktuellen Autokratien mit dem entwickelten Definitionsansatz vergleichen.

verschiedene Staatsformen unterscheiden.

den Unterschied zwischen Verfassungsstaaten und Autokratien diskutieren.

unterschiedliche Autokratieausprägungen benennen.

Der Begriff der Autokratie wird aus folgenden Gründen vornehmlich im Text und im Buchtitel gewählt: zunächst, weil das Wort DiktaturDiktatur durch nationalsozialistische und kommunistische Systeme zu wertbehaftet erscheint sowie oft mit totalitären Regimen und Militärherrschaften („Militärdiktatur“) assoziiert wird. Die Bezeichnung DespotieDespotie hingegen findet in der Literatur wenig Anwendung und ist auch aus dem öffentlichen Sprachgebrauch fast verschwunden. Zudem wurde der Begriff Autokratie bereits vom bedeutenden Nationalökonomen und Politiker Joseph SchumpeterSchumpeter, Joseph (2020) in den 1940er-Jahren in seinem Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ verwandt. Später wurde der Begriff auch von einem der Väter der Neuen Politischen Ökonomie Gordon TullockTullock, Gordon (1987) und zahlreichen anderen Ökonominnen und Ökonomen aufgegriffen. Dennoch werden die Termini Autokratie, Diktatur und Despotie im Folgenden häufig synonym Verwendung finden, da es in der begriffsgeschichtlichen Entwicklung zur Angleichung der Bezeichnungen kam.

2.1Grundlagen der Autokratie

Griechischer Ursprung des Begriffs

Die AutokratieAutokratie stellt ein Pendant zu Verfassungsstaaten dar, wobei eine klare begriffliche Abgrenzung des Autokratiebegriffs nicht leicht zu vollziehen ist. Seine begriffslogische Herkunft findet der Begriff Autokratie in der griechischen Sprache: Αυτοκρατία ist dort abgeleitet aus αυτός, was so viel bedeutet wie „selbst“. Der zweite Wortteil κρατείν kann mit „herrschen“ übersetzt werden. Autokratie ist also dem griechischen Ursprung nach eine Selbstherrschaft.

Ein merkmalgestützter DefinitionDefinitionsansatz

Nach Tullock (1987) handelt es sich bei der Autokratie schlicht um eine unabhängige und vorherrschende Gewalt, bei der ein Staat mit unbeschränkter Autorität oder absoluter Macht regiert wird. In dieser Form der politischen Herrschaft sind alle GewaltenGewalten, also ExekutiveExekutive, LegislativeLegislative und JudikativeJudikative, in einer Person oder Gruppe von Personen (ParteiPartei, MilitärjuntaMilitärjunta oder ein KomiteeKomitee) vereinigt und unter deren Kontrolle. Es besteht durch diese Gewaltenkonzentration ein politisches Monopolpolitisches Monopol ohne verfassungsmäßige Restriktionen. Parlamente können zwar formal bestehen, wirkliche politische Kontrolle üben sie jedoch nicht aus. Auch Gerichte bestehen, unterliegen aber direkt oder indirekt den Anweisungen der Exekutive. Freie Wahlen und eine echte parlamentarische politische Opposition haben in dieser Regierungsform keinen Platz. Somit bestehen keine oder stark eingeschränkte Wahlen, vor allem Scheinwahlen. Die Opposition wird in der Regel ausgeschaltet, unterdrückt oder kontrolliert. Auch außerparlamentarische oppositionOppositionelle Kräfteaußerparlamentarische oppositionelle Kräfte werden allgemein in ihrem Handeln sanktioniert. Das bedeutet nicht, dass es ein Einparteiensystem geben muss. Ein Mehrparteiensystem ist auch in Autokratien nicht ausgeschlossen, allerdings sind diese Parteien meist auf einer politischen Linie mit dem Diktator. Im russischen Parlament im Jahr 2022 fanden sich beispielsweise unterschiedliche Parteien, aber keine echte, ernstzunehmende Opposition. Die freie Meinungsäußerungfreie Meinungsäußerung und die MedienMedien werden zudem beeinflusst durch das Regierungssystem.

VerfassungsstaatVerfassungsstaaten als Gegenüber

Autokratien stehen Verfassungsstaaten gegenüber, die die beschriebene Machtkonzentration von Autokratien kraft ihrer Verfassung und deren Etablierung verhindern. Es besteht eine GewaltenteilungGewaltenteilung mit autonomen Gerichten und ein Parlament mit weitreichenden Kontrollrechten. In einem solchen System existieren freie Wahlen und eine unabhängige parlamentarische und außerparlamentarische Opposition. In der Regel formen sich unterschiedliche Parteien, die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen repräsentieren. MeinungsfreiheitMeinungsfreiheit und eine emanzipierte MedienvielfaltMedienvielfalt sind weitere Merkmale von Verfassungsstaaten. Das bedeutet nicht, dass in Verfassungsstaaten die Medien frei von Kritik sind. Der Philosoph Richard David PrechtPrecht, Richard David und der Sozialpsychologe Harald WelzerWelzer, Harald (2022) identifizieren ein Problem der fehlenden Repräsentation von verschiedenen Gruppen und Meinungen in der Berichterstattung der Medien. Die Autoren weisen auf ein seit Jahren sinkendes Medienvertrauen in Deutschland hin, wovon insbesondere die Printmedien betroffen sind. Precht und Welzer (2022) kennzeichnen eine Entwicklung zu einer MediokratieMediokratie, die von aktivistischen Journalistinnen und Journalisten getrieben wird. Anstatt die Politik und deren Entscheidungen zu kontrollieren, besitzt die Presse durch die Berichterstattung selbst eine steuernde Rolle. Diese Einschätzung wird an dieser Stelle nicht weiter diskutiert. Doch auch aus dieser negativen Beurteilung wird sichtbar, dass die Presse frei agieren kann.

Fazit: Definitiv keine Autokratien sind Regierungen, die abhängig von freien WahlenWahlenfreie Wahlen sind und eine Gewaltenteilung im Staatsgefüge realisiert haben. Opposition und Medien können in einem solchen System frei agieren.

Die Unterscheidung zwischen Autokratie und Verfassungsstaat macht bereits deutlich, dass es sich nicht nur um zwei getrennte Seiten einer Medaille handelt, sondern ein Kontinuum zwischen den beiden Ausprägungen vorhanden sein kann. Ein Verfassungsstaat kann sich zudem mit zahlreichen Zwischenschritten in eine Autokratie transformieren und vice versa (→ Abbildung 2).

Abbildung 2:

Systemwandel zwischen Autokratie und Verfassungsstaat

Wissen | Soziale Gerechtigkeit und Verfassung

Der Public-Choice-Theoretiker und Nobelpreisträger James Buchanan und der ehemalige Präsident der Public Choice Society und Politikwissenschaftler Geoffrey Brennan (1993) beurteilen soziale Regeln als gerecht, wenn sie höheren Regeln (= Metaregeln) entsprechen. Auf der obersten Stufe der RegelhierarchieRegelhierarchie steht die Verfassung. Dort sind die Erwartungen und Ansprüche aller Gesellschaftsmitglieder per Konsens festgelegt. Einfluss auf die Ausprägung einer Verfassung haben z. B. die Landesgeschichte und -kultur. Problematisch ist diese Sichtweise zu beurteilen, wenn die Bildung in einem autokratischen System erfolgt. Der Philosoph Ernst BlochBloch, Ernst (1961) stellt daher den Anspruch, dass Regeln zwingend aus dem Volkwillen abgeleitet werden und Menschenrechte und Sozialstaatlichkeit zentrale Elemente im Regelwerk sein müssten. Das Zielbild in seinem NaturrechtNaturrecht ist die menschliche Würde. Er sieht Menschen also nicht als von einem Autokraten bestimmte Wesen, sondern als selbstbestimmte Individuen. Der Ansatz von Bloch steht damit in starken Widerspruch zu den Menschenrechten in autokratischen Staaten (→ Kap. 3 und 4). Die Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel und Mirko Krück leiteten im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung aus vier zeitgenössischen Gerechtigkeitsansätzen zentrale Prinzipien für soziale Gerechtigkeitsoziale Gerechtigkeit ab. Diese umfassen z. B.

die Gleichverteilung des Zugangs zu den notwendigen Grundgütern für die individuell zu entscheidende Entfaltung von Lebenschancen.

die Stärkung der individuellen Fähigkeiten, die persönliche Autonomie, Würde, Entschei-dungsfreiheit, Lebenschancen und Optionsvielfalt zu schützen, sichern und erweitern.

die Bekämpfung von Armut mit hoher politischer Präferenz, da Armut die individuelle Au-tonomie und Würde des Menschen beschädigt und zu einer Falle für die nachfolgenden Ge-nerationen in armen Familien werden kann.

Auch diese Prinzipien stehen im Widerspruch zum GerechtigkeitsansatzGerechtigkeitsansatz in vielen autokratischen Systemen (→ Kap. 5.3) und im Einklang mit den Regelwerken vieler Verfassungsstaaten.

2.2Überblick über StaatsformenStaatsformen

Die begriffliche Unterscheidung verschiedener Herrschaftsformen lässt sich auf den griechischen Philosophen Herodot zurückzuführen, der die Staatsformen

MonarchieMonarchie (Herrschaft des Einzelnen),

AristokratieAristokratie (Herrschaft weniger) und

DemokratieDemokratie (Herrschaft des Volkes)

gegeneinander abgrenzt (Störing 1985). Auch weitere führende Philosophen der griechischen Antike beschäftigten sich bereits intensiv mit dem Thema „Staatsform“. Die griechischen Philosophen formten ihr Weltbild allerdings aus der Sicht des hellenistischen Stadtstaates, der Polis (Schumpeter 1954). In der Polis gab es Sklaventum. Mann und Frau waren nicht gleichberechtigt. Die Ansichten zweier bekannter Vertreter dieser Sichtweise – PlatonPlaton und AristotelesAristoteles – werden in diesem Konnex dargestellt, wobei nochmals erwähnt werden soll, dass diese einen sehr konkreten, zeitkritischen Bezug zu ihrer griechischen, speziell athenischen Polis und deren praktisch-politischen Ordnungsproblemen besaßen (Berg-Schlosser und Stammen 2003).

2.2.1Systemtheorie nach Platon

PlatonPlatons Gedankengut beruht im Wesentlichen auf seinem Lehrmeister SokratesSokrates. Nach PlatonPlaton entsteht eine Stadt (Polis) im Rahmen der Bedürfnisbefriedigung durch Arbeitsteilung, wobei eine bestimmte Stufe vorteilhaft und notwendige Voraussetzung für die gesellschaftliche Untergliederung der einzelnen Stände und damit der Staatstheorie als solches ist (Helferich 2012).

Gesellschaft ist ganz einfach in Stände einzuteilen

Im Wesentlichen findet die Arbeitsteilung ihren Ausdruck in drei StändenStände. Der Staat wird hierbei als „großgeschriebener Mensch aufgefasst, denn die Seele des Menschen besteht ebenso aus drei Teilen“ (Bormann 1973, S. 162): dem Lehr-, Wehr- und Nährstand. Hierbei handelt es sich nicht um Kasten, da alle der Herkunft nach gleich sind, nur ihre Anlagen sind verschieden. Gemäß den vorhandenen Anlagen wird jede Person dem jeweiligen Stand zugeordnet (Bormann 1973):

Der LehrstandLehrstand ist der oberste, regierende Stand, der aus Philosophen oder Königen besteht.

Der WehrstandWehrstand besteht aus deren Helfern, die mit Waffengewalt die äußere und innere Sicherheit des Volkes garantieren.

Der dritte Stand (NährstandNährstand) setzte sich aus Fischern, Bauern, Seeleuten und Gewerbetreibenden zusammen. Damit verrichtet dieser Stand als einziger physische (produktive) Arbeit.

Wichtigster Aspekt des Staatsaufbaus ist das Gesetz, welches einerseits den Bürgern Rechtssicherheit gewährt, andererseits aber auch Funktion, Beschränkung und Legitimation der Regierungsorgane bestimmt und somit das Allgemeinwohl fördert (Fischel 1964).

Aristokratie als ideale Staatsform

Der ideale Staat findet nach Platon seinen Ausdruck in einer AristokratieAristokratie, in welcher „der Weiseste ohne Gesetze regiert und in Beweglichkeit und Anpassung stets das verfügt, was das Gemeinwohl jeweils erfordert“ (Fischel 1964, S. 71). Hiermit spricht Platon also einen wohlwollenden AutokratenAutokraten, wohlwollende an, der seiner Wahrnehmung nach zu einem besseren Regierungshandeln befähigt ist als ein Regierender in demokratischen Gesellschaftsordnungen.

Während PlatonPlatons Idealstaat eine Aristokratie ist, in der die Vernunft überwiegt, gibt es noch vier weitere, schlechtere Staatsformen: TimokratieTimokratie (Herrschaft einiger mutiger Bürger), OligarchieOligarchie (Herrschaft mehrerer), DemokratieDemokratie und TyrannisTyrannis, die alle drei der Begierde entsprechen. Die Staatsformen folgen in dieser Reihenfolge aufeinander und sind als immer schlechter zu bewerten.

Abbildung 3:

Herrschaftsformen nach Platon

Der Staat geht bergab mit schlechten Staatsformen

Der Niedergang eines Staates beginnt nach Platon mit dem Streit um die Herrschaftsgewalt und äußert sich im Absinken derselben auf die Stufe der TimokratieTimokratie, in der, wie in Sparta und Kreta, die Ehrliebe und Vernunft herrschen. In der Timokratie können einige Vertreter des Wehr- oder Lehrstandes an die Macht gelangen, die das Privateigentum unter sich aufteilen und das Volk knechten wollen. Einige aufrechte Bürger können dies eventuell verhindern und selbst die Macht ausüben. Die OligarchieOligarchie als Herrschaft von wenigen basiert auf monetären Vorstellungen: Vermögen wird zum Kriterium für den Einfluss im Staat. Die Gesellschaft ist in einzelne Vermögensklassen gespalten. Die Regierungsgewalt liegt bei der obersten, finanzstärksten Vermögensklasse. Die Klassen sind sich feindlich gesinnt, da infolge des Bereicherungsstrebens jede Person der obersten Klasse angehören will.

Die DemokratieDemokratie ist nach der Oligarchie erst die dritte negative Stufe. In ihr herrscht volle Handlungsfreiheit, wobei die Gewalt in viele Teile zerfällt. Die weiten Freiheitsrechte lassen bereits anarchische Strukturen erkennen, da alles Handeln auf freiwilliger Basis basiert. Hierdurch wird nach PlatonPlaton weder im Guten noch im Bösen etwas Positives erreicht. Dennoch bietet die Demokratie Vorteile gegenüber der Anarchie, in der die Handlungsfreiheit aufgrund der fehlenden Bindung an Gesetze ausartet (Maurer 1970). Die Bevölkerung ist nicht bereit, Anweisungen auszuführen. Es herrscht mangelnder Respekt gegenüber Autoritäten. Die AnarchieAnarchie ist quasi das letzte Stadium einer Demokratie. Sie wird ihrerseits nicht lange von Bestand sein und wandelt sich nach Meinung PlatonPlatons zur TyrannisTyrannis. In dieser Staatsform wird die Freiheit völlig unterdrückt und die Bürger sind absoluter staatlicher Gewalt ausgesetzt (Hirschberger 2007). Ein Tyrann ist triebgesteuert und wird so zwangsläufig zum Verbrecher. Seine Macht kann er aber nicht ausgiebig genießen, vielmehr muss er in Unruhe, Qual und Angst leben. Dies ist ein Resultat daraus, dass das Volk ihn hasst und ihn aufgrund seiner Willkür und Brutalität am liebsten eliminieren würde.

PlatonPlaton trennt also strikt zwischen zwei Ausprägungen autokratischer Systeme, eine positive (Aristokratie) und eine negative (Tyrannei).

2.2.2Systemtheorie nach AristotelesSystemtheorie nach Aristoteles

Ähnlich wie Platon unterteilt AristotelesAristoteles die Gesellschaft in Stände, doch hierbei untergliedert er sie feiner, in drei niedere und drei höhere Stände. Die drei niederen StändeStände, niedere, nämlich die Bauern, Handwerker und Kaufleute, sorgen, ähnlich wie bei Platon der Nährstand, für das materielle Wohl des Staates, besitzen aber keine Bürgerrechte. Diese werden aufgrund ihrer höheren Tugenden nur den drei höheren StändeStände, höheren, bestehend aus Kriegern, Regierungsbeamten und Priestern, zuteil. Nur sie besitzen ein Stimmrecht und führen Vorsitz vor Gericht (Fischel 1964).

Drei gute StaatsformenStaatsformen, gute zur Auswahl

Die Staatsformen unterteilt AristotelesAristoteles schlicht in gute und schlechte, wobei der Unterschied zwischen beiden Alternativen durch das Merkmal des jeweiligen Zwecks bestimmt ist (→ Tabelle 1). Zu den guten Staatsformen zählt er die Monarchie, die Aristokratie und die Republik bzw. Politie (DemokratieDemokratie als BürgerstaatBürgerstaat), weil deren Zweck in der Verwirklichung des GemeinwohlGemeinwohls liegt. Er gibt allerdings keiner dieser drei Ausprägungen den eindeutigen Vorzug, weil die Gerechtigkeit prinzipiell durch jede von ihnen unter günstigen Bedingungen wenigstens annäherungsweise zu verwirklichen sei (Friedlein 1992).

Schlechte StaatsformenStaatsformen, schlechte schädigen das Gemeinwohl

Schlechte Staatsformen sind demgegenüber die OligarchieOligarchie, die OchlokratieOchlokratie (demagogische Demokratie) und die TyrannisTyrannis, wobei diese die negativste Entartung darstellt. Diese Staatsformen orientieren sich eher am EigennutzEigennutz der Herrschenden und weniger am Gemeinwohl