Baccara Exklusiv Band 140 - Jennifer Greene - E-Book
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Baccara Exklusiv Band 140 E-Book

Jennifer Greene

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Beschreibung

EINE NACHT IN SAMT UND SEIDE von MAJOR, ANN Eine erotische Nacht in Samt und Seide in der Hochzeitssuite eines Hotels in Las Vegas - niemand kann Heathers Leidenschaft so wecken wie Joey. Der Mann, den sie seit ihrer Kindheit liebt - und der von ihrem despotischen Vater vertrieben wurde. Wird ihr Glück dieses Mal halten? IM RAUSCH DIESER NACHT von BROADRICK, ANNETTE Greg kann nicht anders. Sanft zieht er Sherri, seine Exfrau, an sich und verführt sie zärtlich. Es tut so gut, sie wieder zu umarmen, zu küssen und mit ihr den Rausch dieser Nacht zu erleben. Wenn er ihr doch nur den Glauben an eine gemeinsame Zukunft wiedergeben könnte … LIEB MICH HIER UND JETZT von GREENE, JENNIFER Da steht sie vor der Tür seines Leuchtturms, die impulsive und bildschöne Samantha - und ahnt gar nicht, welches Feuer sie in Seth Connor entfacht. Von Liebe will er nichts mehr wissen, aber die aufregende Sinnlichkeit dieser Frau verspricht Tage voll verzehrender Lust …

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Ann Major, Annette Broadrick, Jennifer Greene

BACCARA EXKLUSIV BAND 140

IMPRESSUM

BACCARA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage in der Reihe BACCARA EXKLUSIVBand 140 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 1999 by Ann Major Originaltitel: „Love Me True“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Roswitha Enright Deutsche Erstausgabe 1999 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1062

© 2007 by Annette Broadrick Originaltitel: „Married or Not?“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Thomas Hase Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1539

© 1994 by Jennifer Greene Originaltitel: „Bothered“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eleni Nikolina Deutsche Erstausgabe 1995 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 815

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723392

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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Eine Nacht in Samt und Seide

PROLOG

Vielleicht hatten sie ja doch alle recht gehabt. Vielleicht war er, Joey Fabiano, wirklich wilder und leidenschaftlicher, als für ihn gut war. Vielleicht war er auch tatsächlich nur ein Taugenichts.

Egal. Joey biss die Zähne zusammen.

Er hatte Angst um Heather, alles andere war gleichgültig.

Das Wetter war stürmisch und unbeständig, und passte genau zu seiner Stimmung. Es regnete mit wenigen Unterbrechungen, und nur hin und wieder ließ sich der Mond flüchtig durch die Wolkenfetzen sehen.

Joey fuhr, als wäre der Teufel hinter ihm her. Er hielt das Lenkrad fest umklammert, sodass die Handknöchel weiß hervortraten, und brachte den alten Chevy seines Vaters schließlich mit kreischenden Bremsen auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus zum Stehen.

Das massige rechteckige Gebäude wirkte dunkel und abweisend wie ein Gefängnis und wurde nur selten vom kalkweißen Mondlicht beleuchtet. Der Himmel über Texas war schwarz und bedrohlich.

Irgendwo da drinnen war Heather, und vielleicht lag sie gerade im Sterben.

In seinem Inneren krampfte sich alles zusammen, als ihn wieder eine entsetzliche Angst überfiel. Aber er packte das Steuerrad fester und setzte sich gerade hin. Er musste seine ganze Kraft zusammennehmen. Ihre einflussreiche Familie würde alles dransetzen, damit er Heather nicht wiedersah.

Sollten sie es doch versuchen.

Er stieß die Wagentür auf und stieg aus. Immer noch regnete es, aber er schien es nicht zu bemerken, auch nicht, dass er die Scheinwerfer noch nicht ausgeschaltet hatte und die Fahrertür offen ließ. Er stürzte auf den Eingang zu und versuchte, die Panik zu unterdrücken, die die schrillen Sirenen der Krankenwagen in ihm auslösten.

Das konnte doch nicht wahr sein! Ausgerechnet der Polizeibeamte, der ihn vor einer Woche beschuldigt hatte, Ben getötet zu haben, stand neben dem Eingang und sah Joey finster an. Ben, seinen besten Freund und Heathers Bruder. Ben, dessen Grab er gerade vor einer Stunde aufgesucht hatte, um ihn um Verzeihung zu bitten.

Lächeln, immer freundlich sein, cool bleiben, befahl Joey sich und ging an dem Beamten vorbei. Die Glastüren öffneten sich lautlos und schlossen sich wieder hinter ihm. Sein schwarzes Haar war nass vom Regen, und er strich es ungeduldig aus der Stirn. Ein hübsches junges Mädchen starrte ihn mit offenem Mund an und lächelte ihm dann zu, so wie alle jungen Mädchen ihn immer anlächelten. Er sah, wie ihr Vater ihn misstrauisch musterte, sie fester bei den Schultern packte und zur Seite schob.

Halb Junge und halb Mann, schien Joey sich immer noch nicht an seine Größe und seinen muskulösen Körper gewöhnt zu haben. Seine Bewegungen waren ein wenig ungelenk und zu schnell, als könne er seine Kräfte nicht recht einschätzen, dennoch war er ungeheuer attraktiv. Er wirkte aufreizend sexy, was alle Eltern und Lehrer verunsicherte und misstrauisch machte. Und alle jungen Männer in seinem Alter, die schon eine Freundin hatten, hielten sie möglichst von ihm fern.

„Du bist der Traum jedes Mädchens und der Albtraum eines jeden Vaters“, hatte sein Trainer grinsend zu ihm gesagt, als Joey in der High School zum Schüler des Jahres gewählt worden war. „Als ich so alt war wie du, hatte ich Pickel und fettiges Haar. Man kann dich nur beneiden, mein Junge. Dein Aussehen wird dir noch manche Tür öffnen.“

An der Rezeption saß eine Krankenschwester und aß seelenruhig ihre Pizza zu Ende, ohne sich von dem Blinken des Telefons stören zu lassen.

Aber ihn würde sie nicht übersehen können, vor allen Dingen nicht, wenn er lächelte. Dann konnte ihm keine Frau widerstehen.

Joey setzte sein strahlendstes Lächeln auf.

„Spar dir deinen Charme, Sonnyboy. Die Besuchszeiten sind vorbei.“

Offensichtlich hatte sie eine Tochter in seinem Alter.

Sofort wurde er ernst. „Bitte, Ma’am … ich muss unbedingt jemanden hier finden … Sie ist sehr krank.“

Die Schwester schüttelte nur den Kopf, steckte sich das letzte Stück Pizza in den Mund und wandte sich dem Telefon zu.

Joey nahm ihr den Hörer aus der Hand. „Es handelt sich um Heather Wade“, sagte er mit dunkler, rauer Stimme. Plötzlich schien er sehr viel älter als zwanzig zu sein. „Die Tochter von Senator Wade. In welchem Zimmer liegt sie?“

„Dein hübsches Gesicht macht dich wohl größenwahnsinnig.“ Die Schwester blieb ungerührt. „Vielleicht hast du bei kleinen Mädchen gute Chancen, die für dunkle, große Männer schwärmen, aber eine Wade würde dich nicht einmal als Fußabtreter benutzen … selbst wenn du sie geschwängert haben solltest.“

Joey ließ den Kopf sinken. Er war kurz davor, die Fassung zu verlieren. „Bitte, wo …“ Seine Stimme klang verzweifelt und atemlos wie die eines Kindes.

Mit einer schnellen Bewegung nahm die Schwester ihm den Telefonhörer aus der Hand. Ihr Blick war abweisend. „Hau ab, Sonny, bevor du Schwierigkeiten bekommst. Der Senator war hier und hat mir alles erzählt. Auf dich sollte ich besonders genau achtgeben, meinte er.“

Als Joey sich nicht vom Fleck rührte, machte sie dem Polizeibeamten ein Zeichen, der die Szene beobachtet hatte. „Officer, das ist er! Das ist dieser Joey Fabiano!“

Joey drehte sich um und rannte los. Er sprintete durch die weißen Korridore, die Treppe hinauf, und er hörte, dass der Polizist Schwierigkeiten hatte, ihm zu folgen. Dafür würden sie ihn einbuchten, aber das war ihm egal. Er musste Heather finden, bevor es zu spät war.

Schließlich stieß er eine gepolsterte Doppeltür auf und stürzte in einen großen Raum. Pech gehabt, er war in einem Vorraum im obersten Stockwerk, und es gab keinen zweiten Ausgang. Er wandte sich verzweifelt um, das Herz hämmerte ihm in der Brust. Grinsend schob der Polizist die Tür auf und trat in den Raum.

Plötzlich hörte Joey hinter sich die Stimme von Senator Wade. „Was willst du denn hier, Fabiano?“

„Ich muss Heather sehen.“

„Nur über meine Leiche.“

Vor der Tür zu Heathers Zimmer stand eine Gruppe elegant gekleideter Menschen, die sich empört umwandten.

„Sie können mich nicht aufhalten. Heather!“ Joey schrie wie ein Wahnsinniger. „Heather!“

Heathers Mutter kam aus dem Krankenzimmer. „Sie will Sie nicht sehen.“

„Sie lügen.“ Joey stürzte an ihr vorbei und meinte, so etwas wie Mitleid in ihren Augen erkennen zu können. „Lassen Sie mich vorbei.“

Die Jalousien waren herabgelassen, der Raum war nur schwach erleuchtet und lag in einem milchigen grauen Licht. War diese zerbrechliche Gestalt da hinten wirklich seine vor Leben sprühende Heather?

„Baby, was haben sie mit dir gemacht …?“ Er schluckte. „Oh, Gott, was habe ich getan?“

Ihre dunkelblauen Augen, die normalerweise aufleuchteten, wenn sie ihn sah, wirkten stumpf und schmerzerfüllt. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, ein Zeichen von Erschöpfung und quälendem Kummer. Sie starrte ihn an, als sei er ein Gespenst. Dann drehte sie den Kopf zur Seite und blieb bewegungslos liegen.

Selbst in diesem Zustand war sie das schönste Mädchen der Welt für Joey. Schnell setzte er sich neben sie und nahm ihre schmale Hand in seine. Er blickte Heather erschreckt an. Ihre Finger waren kalt und steif und leblos, so wie sie bei Ben gewesen waren.

„Wie geht es dir?“

„Danke, gut“, flüsterte sie.

Ihr Puls war kaum zu fühlen, und ihr blasses Gesicht wirkte beinahe durchsichtig. Sie sah so verändert aus, dass es ihm die Kehle zuschnürte.

„Bitte, geh jetzt“, flüsterte sie mit einer dünnen, ihm fremden Stimme.

Er umschloss ihre zarten Finger mit seinen kräftigen, warmen Händen. „Was ist mit unserem Baby?“

Sie schluchzte kurz auf. „Es gibt kein Baby.“

Seine Augen brannten. Er versuchte verzweifelt, die Tränen zurückzudrängen, und holte tief Luft. Wie ein Ertrinkender fühlte er sich, der sich an nichts festhalten konnte. „Aber …“

„Du musst aus meinem Leben verschwinden, Joey.“

„Heather.“ Ihm war elend, und er konnte in diesem Raum kaum atmen. „Hör mir zu. Wir werden trotzdem heiraten …“

„Nein, das geht nicht“, sagte sie, und ihre Stimme klang wie die eines Roboters, „ich möchte … ganz neu anfangen.“

„Wohl mit irgendeinem reichen Mann wie Roth, sodass dein Vater …“ Joey brach hilflos ab.

„Daddy sagt, wenn herauskommt, dass ich schwanger war, wird er dafür büßen müssen. Er meint sowieso, dass ich ihm immer nur Schwierigkeiten gemacht habe.“

Joey schüttelte den Kopf und sah Heather beschwörend an. „Nein, er macht Schwierigkeiten, nicht du. Er will immer alles bestimmen, auch über dein Leben. Du kannst doch aber nicht dauernd die folgsame Tochter spielen, die nur das tut, was er sagt. Du würdest zugrunde gehen.“

„Er meint, dass ich nur dieses eine Mal an ihn denken und mich ihm zuliebe wie eine normale Tochter verhalten soll. Ich soll die Schule beenden und dich vergessen.“

„Soso. Dann musst du ihm eben sagen, dass das nicht so einfach ist, wie er es sich vorstellt. Denn ich werde dich nie vergessen, und ich werde dafür sorgen, dass auch du mich nicht vergisst.“

„Mach es mir doch nicht so schwer, Joey. Wenn wir zwei uns nicht angefreundet hätten, wäre Ben noch am Leben.“

„Behaupten deine Eltern das?“

„Ich darf ihnen gerade jetzt nicht noch mehr Kummer machen, besonders Daddy nicht und nicht in dieser Situation.“

„Aber ich wollte doch nicht, dass dein Bruder stirbt, und auch nicht, dass du schwanger wirst.“ Joey konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. „Ich wollte ihnen nicht wehtun. Ich liebe dich.“ Er senkte den Kopf.

Er fühlte, wie sie ihm mit der anderen Hand sanft durch das dichte, lockige Haar fuhr, sie dann aber schnell wieder zurückzog, als hätte sie sich verbrannt. „Daddy meint, ich hätte ihm mehr Schwierigkeiten bereitet als zehn Kinder.“

Er grinste leicht. „Das ist doch noch gar nichts verglichen mit mir.“

„Daddy meint, du hast einen schlechten Einfluss auf mich.“

Immer wieder schob sie ihren Vater vor, aber es war nicht das, sondern eher ihre leise, gleichgültige Stimme, die etwas in ihm zerbrechen ließ. „Ich dachte, du liebst mich.“

Langsam entzog sie ihm die Hand und schloss die Augen.

„Heather …“

Tränen drangen unter ihren geschlossenen Lidern hervor und rollten über die blassen Wangen.

„Heather …“

Sie biss sich auf die Lippen.

Er beugte sich über sie. „Bitte, Baby, geh nicht weg von mir. Ich kann nicht ohne dich sein. Du bist alles, was ich habe, alles, was ich jemals wollte.“

Die Tür ging auf. „Du hast reichlich Zeit gehabt, Fabiano. Jetzt aber raus, bevor ich die Polizei rufe.“

Neben Senator Wade stand Laurence Roth in der Tür. Die anderen Verwandten starrten Joey an, als sei er ein wildes Tier, das sie endlich gestellt hatten und nun erledigen wollten.

„Sie meinen, so viel zu wissen. Dabei kennen Sie noch nicht einmal Ihre eigene Tochter. Sie bringen Heather um. Sie töten uns beide.“

„Raus, Fabiano, bevor ich die Geduld verliere. Durch dich habe ich schon ein Kind verloren. Du solltest dich lieber beeilen, oder ich setze doch meinen Einfluss ein und lasse dich fertig machen für das, was du meiner Tochter angetan hast.“

„Joey …“ Das war Heathers schwache, bittende Stimme hinter ihm. Joey drehte sich zu ihr um. Sie hielt die Augen geschlossen, und unablässig strömten Tränen über ihr Gesicht. „Geh.“

Er hatte ihr wehgetan. Er war schuld daran, dass sie weinte. Ihre Familie hatte ja nie viel von ihm gehalten. Heather hatte das ewige Versteckspielen gehasst, wenn sie sich mit ihm treffen wollte. Und jetzt, wo das mit Ben und mit dem Baby passiert war, würden sie ihn alle hassen.

Er hatte sie verloren. Wie konnte er weiterleben? Er war weder reich noch mächtig wie ihre Familie. Für ihn gab es nur Heather, sie war alles, was er hatte.

Wie sehr sehnte er sich danach, sie in die Arme zu schließen und einfach nur zu halten, bis sie aufhörte zu weinen. Er wollte sie sanft hin und her wiegen und sie nie wieder loslassen. Aber Travis Wade würde ihn wahrscheinlich töten, wenn er es wagen sollte, sie noch einmal zu berühren.

Joey warf den Kopf zurück und ging zwischen Wade und Roth hindurch, ohne die beiden Männer anzusehen. Auf seinem Gesicht stand das überhebliche Lächeln eines Jungen, der nichts mehr zu verlieren hat als seinen Stolz.

Joey hatte keine Ahnung, wohin er gehen sollte. Ohne Heather war ihm alles egal.

Er wusste nur, dass er Texas verlassen musste. Und dass er erst dann zurückkommen würde, wenn er ebenso reich und mächtig war wie diese ganze arrogante Bande.

Und dann würden er es ihnen heimzahlen.

1. KAPITEL

Viele kluge Menschen glaubten zwar nicht an den Teufel, aber Heather Wade wusste es besser. Denn es war eindeutig, dass der Teufel, der als Schlange Eva in Versuchung geführt hatte, jetzt Joey Fabiano auf sie, Heather, angesetzt hatte. Für andere reiche Senatorentöchter mochte es leicht sein, auf dem Pfad der Tugend zu bleiben, nicht aber für Heather.

Das war einfach unmöglich, wenn Joey in der Nähe war. Er brachte in ihr Wünsche zum Vorschein, die sie während ihrer konventionellen Erziehung zu unterdrücken gelernt hatte. Mit ihm zusammen konnte sie sich so verhalten, wie sie wollte. Deshalb hatte sie sich damals auch in ihn verliebt.

Und deshalb musste sie ihn unbedingt vergessen, jetzt, wo sie eine erwachsene Frau war und kurz vor der Hochzeit stand.

Groß, breitschultrig, mit schwarzen Augen und schwarzem Haar hatte Joey Fabiano bereits von Anfang an geradezu sündhaft gut ausgesehen, schon Jahre bevor er die Kinokassen füllte. Möglicherweise fanden nicht alle siebenjährige Mädchen ihn so aufregend wie sie damals. Und nicht alle hätten sich wie sie amüsiert, als Joey die großen Spitzenslips von Reverend Scotts Frau von der Wäscheleine stahl. Er brauchte nur sein unbekümmertes Grinsen aufzusetzen, und sie wusste, dass das Beisammensein mit ihm so viel lustiger war als das mit ihren braven Spielgefährten. Und das hatte sich auch nicht geändert, als ihre Spiele sich veränderten und Sex sie noch fester an ihn fesselte als vorher.

Vor sechs Jahren hatte sie sich endlich von diesem Verführer losgesagt. Und wer brannte jetzt mit seinen dunklen Augen geradezu Löcher in ihren Bildschirm und ließ sie schneller atmen vor Erregung?

Zum Teufel mit diesen kohlschwarzen Augen und den langen geschwungenen Wimpern!

Zum Teufel mit ihrem pochenden Herzen und dem Wissen, dass sie sich seit Jahren nicht so lebendig gefühlt hatte wie in diesem Moment!

Irgendwie war sein Blick aus dem Fernsehapparat wirklicher als alles, was sich in ihrem Schlafzimmer befand, war realer als der weiche, teure Teppich, auf dem sie lag, sprach ihre Sinne mehr an als der Rotwein in dem Glas, das neben dem Stapel von Hochzeitsmagazinen stand, war weicher als der rote Chiffonrock, der ihre langen wohlgeformten Beine bedeckte.

Sie starrte auf das dichte, schwarze Haar, das ihm über die dunklen Augenbrauen fiel, und immer, wenn er ihren Namen aussprach, schien ihr Herz einen kleinen Satz zu machen.

Sie wusste, sie sollte den Apparat ausstellen und ins Bett gehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Joey Unordnung in ihr Leben brachte. Und sie durfte es nicht wieder geschehen lassen.

Erst vor wenigen Minuten war sie von einer dieser zahllosen gesellschaftlichen Veranstaltungen zurückgekommen, deren Besuch ihr zur Pflicht geworden war. Müde und gelangweilt hatte sie im Schlafzimmer den Anrufbeantworter angestellt. Und schon hatte die schrille Stimme ihrer Mutter sie in die Wirklichkeit hineinkatapultiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war Heather davon überzeugt gewesen, dass sie Larry Roth durchaus heiraten konnte, auch, um ihren Vater glücklich zu machen, der kurz vor der Wiederwahl stand.

Doch dann war Joey Fabiano, der zur Zeit berühmteste Filmschauspieler Hollywoods, wieder mit Macht in ihr Leben eingedrungen.

Joey, der der einzige Mensch war, der sie jemals wirklich gekannt hatte, der immer gewusst hatte, wie er mit ihr umgehen musste, der Verständnis für das freiheitsliebende Mädchen gehabt hatte, das sie einmal gewesen war, ein Mädchen, das immer die ungewöhnlichsten Dinge ausprobieren wollte.

Wenn Heather also nun aufgrund der Nachricht ihrer Mutter bei dem Gedanken an die bevorstehende Hochzeit Panik überfiel, so war das eigentlich kein Wunder.

Es passiert schließlich nicht jeden Tag, dass dein früherer Geliebter, der sich zu dem attraktivsten Filmstar der Welt gemausert hat, einen Oscar bekommt und deinem Leben eine totale Wende gibt, dachte sie. Und natürlich war es typisch Joey, dass er die goldene Statue an sein Herz drückte und vor Millionen Zuschauern mit seiner tiefen vibrierenden Stimme gestand, dass er sie, Heather, nicht vergessen konnte.

Und dabei hatte sie noch nicht einmal die Liveübertragung gesehen. Um ihrer Mutter einen Gefallen zu tun, hatte sie an dieser Wohltätigkeitsveranstaltung teilgenommen und die Oscar-Verleihung auf Video aufgenommen.

Ihre Mutter war außer sich gewesen.

„Wie kommt Joey Fabiano, dieser weltbekannte Bösewicht des Films, dazu, sich ausgerechnet bei dir zu bedanken? Warum bist gerade du für ihn unvergesslich? Du hast versprochen, ihn nie wiederzusehen. Hast du mit ihm Kontakt gehabt, Heather Ann? Dein Vater ist sehr wütend. Ruf mich an, wir müssen miteinander reden. Und wenn du noch so spät nach Hause kommst, ruf mich an!“

Heather lächelte traurig und schüttelte nur den Kopf. Sie nahm den Hörer ab und legte ihn neben das Telefon, kickte die hohen Pumps von den Füßen und spulte das Videoband wieder zurück. Sie ließ sich auf den Teppich sinken und sah immer wieder, wie Joey den Preis entgegennahm. Und jedes Mal, wenn er ihren Namen flüsterte und das Wort „unvergesslich“ aussprach, wagte sie kaum zu atmen. Obgleich sie todmüde war, hätte sie das Band wohl noch einmal zurückgespult, wenn nicht ein Zweig an ihrer Fensterscheibe gekratzt hätte.

Sie fuhr zusammen und umklammerte die Fernbedienung fester. Heather bewegte sich nicht. Dann stand sie langsam auf und versuchte, sich ganz auf die Geräusche außerhalb des Hauses zu konzentrieren. Jetzt war nur der Wind zu hören und hin und wieder ein einsames Käuzchen. Sie riss sich zusammen und stand auf. Vielleicht sollte sie rasch noch mal nach Nicky sehen.

Doch dann beruhigte sie sich allmählich. Sie ging zum Fenster und sah hinaus. Sie brauchte keine Angst zu haben wie damals vor zwei Jahren. Seitdem es den hohen Zaun gab und den Wachmann, der ständig patrouillierte, konnte gar nichts geschehen.

„Unvergesslich“, hörte sie wieder Joeys raue Stimme flüstern.

Seinetwegen war sie so nervös. Sie hatte Jahre gebraucht, um ihn zu vergessen. Und das war ihr nicht leicht gemacht worden, denn als Amerikas Sexsymbol Nummer eins wurde er natürlich ständig in sämtlichen einschlägigen Zeitschriften abgebildet, und das noch meist in hautengen schwarzen Lederhosen.

Joey selbst ist unbedeutend, und es ist doch ganz gleichgültig, was er heute im Fernsehen über dich gesagt hat. Du lebst in Louisiana, Tausende Meilen von ihm entfernt. Euch trennen Welten. Du wirst heiraten, er ist ein berühmter Filmstar. Du bist eine alleinerziehende Mutter, und er hatte dich schon vor Jahren vergessen.

Heather war es nicht gewohnt, Wein zu trinken, und so war sie überrascht, wie klar sie plötzlich vieles sah und wie einfach es war, die lange unterdrückten Gefühle zuzulassen. Plötzlich wurden ihr Zusammenhänge klar, die sie bisher immer weggeschoben hatte, so zum Beispiel der wahre Grund dafür, warum sie nach Joey die unmöglichsten Freunde gehabt hatte, bis sie sich schließlich auf Larry besann.

Ihr Vater war wegen der kommenden Wahl beunruhigt. Sie griff nach einem Schnappschuss von Nicky und zitterte bei dem Gedanken, was Joey wohl tun würde, wenn er herausfand, dass sie einen Sohn hatte. Denn dass er es erfahren würde, daran hatte sie keinen Zweifel.

Männer wie Joey Fabiano sollten mit einem Stempel auf der Stirn geboren werden „zu sexy“. Oder „Achtung, zu viel Testosteron.“ Und leicht beeinflussbare Mädchen sollten so lange in ein Kloster eingeschlossen werden, bis sie wussten, wie sie mit Männern wie Joey umzugehen hatten.

Vor sechs Jahren hatte sie sich endlich von ihm losgesagt. Und bis zu dem Zeitpunkt, als sie ihn auf dem Bildschirm sah, mit seinen dunklen Augen und dem überlegenen Lächeln, und ihn dann auch noch ihren Namen flüstern hörte, hätte sie schwören können, sie würden niemals mehr etwas miteinander zu tun haben.

Schließlich wollte sie in einer Woche den Mann heiraten, den sich ihr Vater immer schon als Schwiegersohn gewünscht hatte. Außerdem hatte Joey gerade damit Schlagzeilen gemacht, dass er ein weltbekanntes Model nackt aus seinem Swimmingpool gefischt hatte.

Aber dann hatte Joey den Oscar an die Brust gedrückt wie ein Baby, hatte sich zum Mikrofon vorgebeugt und hatte zuerst der Jury gedankt, dann seinem Agenten und dem Regisseur. Daraufhin hatte er eine kurze Pause gemacht und dann ihr gedankt, der Freundin von früher, und nicht etwa dem Supermodel aus den Schlagzeilen. Er hatte gesagt, dass er sie nie vergessen würde.

Du liebe Zeit! Auf keinen Fall wollte sie, dass Joey wieder in ihr Leben eingriff. Sein Charme war oberflächlich, und in Bezug auf Frauen hatte er einen ausgesprochen schlechten Geschmack.

Heather würde einmal viel Geld erben; sie hatte als Fotojournalistin Erfolg gehabt, den Beruf aufgegeben, um sich ganz ihren karitativen Aufgaben zu widmen. Sie hatte ein Kind und würde demnächst heiraten. Ihr Leben war ausgefüllt auch ohne ihn.

Heather schüttelte unglücklich den Kopf und seufzte.

Sie machte sich etwas vor. Ihr ganzes Leben war Theater. Sie war eine so gute Schauspielerin, dass sie sich manchmal sogar selbst überzeugen konnte.

Warum hatte sie denn die Oscar-Verleihung auf Video aufgenommen, obwohl sie doch wusste, dass Joey als bester männlicher Darsteller ausgezeichnet werden sollte?

Warum hatte sie das blinkende Licht des Anrufbeantworters nicht ignoriert und war ins Bett gegangen? Warum konnte sie die raue Stimme in ihrem Kopf nicht abstellen?

Warum? Warum? Warum? Ihre Gefühle für Joey hatte sie nie begründen können. Sie waren einfach nur sehr stark gewesen. So stark, dass sie jahrelang vor ihnen davongelaufen war.

Beinahe unbewusst schob sie auf dem polierten Eichentisch zwei Fotografien nebeneinander. Zwei kleine Jungen lächelten sie an, die aussahen wie eineiige Zwillinge. Beide hatten sie große dunkle Augen und ein sorgloses Lächeln, hatten den gleichen Haarwirbel über der linken Schläfe.

Da sie jetzt nach Texas zurückkehrte, würde Joey früher oder später alles herausfinden. Kein Wunder, dass sie Angst hatte. Aber warum war sie denn noch auf eine andere, tiefere Art und Weise berührt?

„Heather Ann, du musst uns schwören, dass du Joey nie etwas von Nicky erzählen wirst.“

Ihre Eltern und ihre beste Freundin Julia hatten so blass und so besorgt ausgesehen, als sie neben Nickys Bettchen standen, dass Heather es ihnen fest versprochen hatte.

Heather hatte ihr langes goldblondes Haar in einem Knoten im Nacken zusammengefasst. Sie trug ein Diamantencollier ihrer Mutter. Aber wie sie da auf dem Teppich saß, die nackten Füße unter das Kleid gezogen, die Lippen ungeschminkt, entsprach sie weniger einer Dame der Gesellschaft als dem unkonventionellen Mädchen, in das Joey sich verliebt hatte.

Bilder, besonders Fotos, hatten auf sie immer schon einen tiefen Eindruck gemacht. Diese beiden Fotos, die sie jetzt mit klopfendem Herzen betrachtete, zeigten beide einen fünfjährigen Jungen mit pechschwarzen Augen und dunklen Locken, der kopfüber an einem Ast hing. Ein Fremder würde annehmen, es handele sich hier um ein und dasselbe Kind. Doch das eine Bild war vor zwanzig Jahren im Frühling in Texas aufgenommen worden und das andere erst gestern in ihrem Garten.

Langsam und beinahe liebevoll strich sie über das vergilbte Foto. „Joey …“

Damals war er noch ein unschuldiges Kind gewesen. Heute Abend hatte er verbittert und gefährlich gewirkt. Sie hob das Bild an die Lippen.

Früher war Joey Fabiano für sie der Mann ihres Lebens gewesen, Joey, der immer mit geschlossenen Augen küsste, der tagsüber nur Unsinn im Kopf hatte, aber nachts, wenn er schlief, wie ein Engel aussah.

Joey hatte ihr stets direkt in die Augen gesehen und hatte sie immer sofort durchschaut. Ihm hatte sie nie etwas vormachen können.

Die weiche, feuchte Luft in Louisiana war warm und duftete nach den Rosen, die die große Veranda umrankten. Belle Christine, das große Landhaus, hatte einst ihrer Großmutter gehört und war nun ihres. Vielleicht war das alte Herrenhaus mit seiner reichen Vergangenheit daran schuld, dass sie so oft an früher denken musste. Plötzlich hatte sie den armen, ehrgeizigen Jungen vor Augen, der den Kopf voller Träume hatte. Und diese Bilder schienen auf einmal sehr viel realer zu sein als ihr kleiner polierter Schreibtisch aus Mahagoni oder die Blätter des Bananenbaumes, die sich an der Hauswand rieben.

Joey.

Wieder war sie siebzehn, und sie fühlte, wie das zerschlissene Leder in dem alten Chevy ihre nackten Beine in den kurzen Shorts piekte. Joey versuchte, ihre Bluse aufzuknöpfen und küsste sie währenddessen mit einer Leidenschaft, die sie schwindelig machte. Solange Heather denken konnte, hatte sie, die aus einer der ersten Familien des Landes stammte, sich zu Joey Fabiano aus dem Armenviertel hingezogen gefühlt.

Sie musste ihn vergessen.

Jetzt, mit sechsundzwanzig, war Heather schön, reich und wurde von allen beneidet. Sie gehörte zum texanischen Geldadel, auch wenn sie zur Zeit in Louisiana lebte. Ihr Vater hatte sie finanziell so abgesichert, dass sie sich um Geld nie mehr würde Gedanken machen müssen. Ihr hartnäckiger Verehrer und zukünftiger Mann Laurence Roth war ehrgeizig und beruflich sehr erfolgreich.

Aber sie hatte auch Schweres erlebt. Ihre ältere Schwester Alison war mit zehn Jahren an einer Kinderkrankheit gestorben. Später war ihr Bruder Ben bei einem Autounfall ums Leben gekommen. So war Heather als Einzige übrig geblieben und litt unter der Verpflichtung, ihre Eltern glücklich zu machen.

In ihrem dritten Berufsjahr hatte Heather ein Foto gemacht, für das sie den Pulitzerpreis erhielt. Doch anstatt auf dieser Auszeichnung ihre Karriere aufzubauen, gab sie den Beruf auf. Die neidischen Kollegen jubelten, und auch ihre Eltern waren erleichtert, denn die Tochter sollte sich endlich auf ihre eigentliche Aufgabe als Frau und Mutter besinnen. Lediglich Joey hatte angerufen und gefragt, ob etwas nicht in Ordnung sei. Sie hatte nichts gesagt, sondern zitternd den Hörer aufgelegt. Als das Telefon wieder klingelte, war sie in den Garten gelaufen, um es nicht hören zu müssen.

Sie drehte nervös an ihrem Verlobungsring. Sie musste sich Joey endlich aus dem Kopf schlagen.

Die meisten Frauen hätten alles dafür getan, um Laurence heiraten zu können. Heathers Mutter wurde nicht müde, ihr immer wieder zu predigen, dass sie erst in der Ehe die Erfüllung finden würde, die ihr die Karriere versagt hätte. Deshalb hatte Heather es schließlich auch geschehen lassen, dass Laurence ihr eines Tages in ihrem Rosengarten mit einem leicht triumphierenden Lächeln den Verlobungsring ansteckte.

Laurence kaufte ein Haus oben in den Bergen von Texas und ließ Heather als Besitzerin eintragen. Das war sein Hochzeitsgeschenk, und er gab ihr auch in Bezug auf die Einrichtung vollkommen freie Hand. Der berühmteste Innenarchitekt von Texas wurde engagiert.

Wie in Trance hatte Heather gut tausend Einladungskarten adressiert. Die Kleider für zehn Brautjungfern waren bestellt worden, Hawaii wurde als Ziel der Hochzeitsreise festgelegt. Julia war von ihrem Orden freigestellt worden, um sich während der Hochzeitsfeierlichkeiten und der Hochzeitsreise um Nicky zu kümmern.

Jeder erzählte Heather, dass sie die glücklichste Frau auf Erden war. Sie seufzte leise und griff zur Fernbedienung. Als Joey ins Bild kam, drückte sie auf „Pause“. Sie starrte ihn an, bis ihre Augen sich mit Tränen füllten. Ihre mühsam aufrechterhaltene Fassung bröckelte.

Schon Jahre bevor sie sich in seinem Chevy vergnügten, hatte sie sich in Joey verliebt. Als sie fünf war, hatte er sie in sein Versteck eingeladen und mit ihr „Doktor“ gespielt. Das hatte endlose Ermahnungen ihrer Eltern zur Folge, die den kleinen Joey für verderbter hielten als seinen trunksüchtigen Vater. Aber sie hatte sich zu gut mit Joey verstanden, als dass sie ihn aufgeben wollte. Und allmählich war aus der Freundschaft Liebe geworden.

Dann starb ihr Bruder Ben, und mit ihm zerbrach ihre Welt.

Später, als Joey längst ein berühmter Filmstar war, redete sie sich ein, er habe sie vergessen. Selbst als er nach Wimberley zurückkehrte, der Stadt, in der sie aufgewachsen waren, und zum großen Ärger ihres Vaters dort Land aufkaufte, hielt sie an ihrer Überzeugung fest. Schließlich hatte er sie absichtlich nicht beachtet, als sie ihm zweimal auf dem Marktplatz von Wimberley begegnet war.

Und dann heute Nacht, im Angesicht von Millionen, hatte er etwas so völlig Verrücktes getan, und ihr ebenso verrücktes Herz hatte sofort stark darauf reagiert.

Panik überfiel sie, als sie sich in dem Raum umsah. Da hing ihr Brautkleid in jungfräulichem Weiß, daneben der kostbare Kopfschmuck und der Schleier, sorgsam in einen langen Plastiksack gehüllt. Sechs gepackte Lederkoffer standen bereit, und lediglich ihre Kameras lagen noch ungeordnet auf dem Tisch, weil sie sich noch nicht entschieden hatte, ob sie sie mitnehmen sollte.

Alles war bereit für die lange Fahrt morgen nach Texas.

Heather nahm die Weinflasche und goss sich ein viertes Glas ein. Dann ließ sie das Video weiterlaufen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Warum tu ich mir das nur an?

Es ist bereits zwei Uhr morgens, und ich habe eine lange Fahrt vor mir. Außerdem bin ich alles andere als ein Morgenmensch.

Heather ließ den Kopf sinken. Sie fühlte sich verspannt, und ihr ganzer Körper schmerzte. Vier Fotoalben aus High-School-Tagen rutschten ihr vom Schoß, und viele Bilder fielen heraus. Meist waren es Bilder von Joey. Sie hatte sich in die Bilder vertieft und war dabei immer trauriger geworden. Joey hatte sie geliebt, wirklich geliebt.

Du musst ins Bett gehen.

Sie schüttelte den Kopf und griff erneut nach der Fernbedienung.

Sie zitterte, als sie sein Gesicht wieder auf dem Bildschirm sah. Warum war er nur so verdammt sexy?

„Er ist nichts wert. Wie sein Vater.“

Aber so unwiderstehlich wie dunkle süße Schokolade. Selbst im Fernsehen waren seine Augen eine einzige Versuchung. Und dieser Mund musste alle Mädchen schwach machen. Sein verführerisches, leicht zynisches Lächeln ließ ihren Puls schneller gehen.

Hör auf damit, befahl sie sich. Er wird dir wieder wehtun, er wird deine Familie verletzen und besonders Nicky. Du gehörst zu Laurence.

Heather konzentrierte sich auf Joeys Bild auf dem Fernsehschirm. Er hatte die Haare im Nacken zusammengenommen. Sein Smoking saß perfekt und betonte die breiten Schultern und die schmalen Hüften.

Der ungehobelte Junge aus ihrer Jugend war verschwunden. Diese neue und nach Jahren ältere Ausgabe wirkte elegant, aber irgendwie härter. Die scharfen Linien seines arroganten Gesichtes machten deutlich, dass eine Art Finsternis in seine Seele eingedrungen war. Er hatte Piraten gespielt, Biker, Zigeuner, Krieger und Mafiatypen, alles gefährliche, aber betörende Männer, und Heather schien dieser Mann, der die Frauen mit seinen Liebesszenen schwach machte, ein Fremder.

Warum aber ließ dann bereits sein bloßer Anblick ihr Herz schneller schlagen? Warum sehnte sich ihr ganzer Körper nach ihm, wurde ihr der Mund trocken und setzte ihr Verstand aus?

Seine raue Stimme schien sich über sie lustig zu machen. „Keinen Wein mehr, Baby.“

Wenn er nur ihrem geliebten Nicky nicht so ähnlich sähe! Die Hände wurden ihr feucht.

Seine Begleiterin bei der Oscar-Verleihung, das Topmodel Daniella Wolfe, war schlank und groß. Sie hatte goldene Locken und dunkelblaue Augen.

Sie sieht aus wie ich, schoss es ihr durch den Kopf. Warum sehen seine Freundinnen immer so aus wie ich?

Wieder glaubte sie Joeys Stimme zu hören. „Bilde dir nur nichts ein. Es hat nichts mit dir zu tun, dass ich auf langbeinige Blondinen stehe.“

Jetzt lehnte er sich weit in seinem Sitz zurück, genau, wie er es damals immer getan hatte, um die Lehrer zu ärgern, wenn er die Antwort nicht gewusst hatte. Sein männlich geschnittener Mund verzog sich zu einem überlegenen Lächeln so wie damals, wenn man sich über seine abgetragene Kleidung lustig gemacht hatte.

„Auch wenn du es deinem Vater nicht erzählst, wirst du mich nie vergessen können, Heather Wade, und auch nicht das, was wir zusammen gemacht haben … im Bett … im Wald … in meinem Versteck.“

Sie ballte die Hände zu Fäusten. Doch, ich habe dich bereits vergessen …

„Gott hat mich nur für dich geschaffen, Baby.“

Joey war der erste Junge gewesen, der Heather mitten auf den Mund geküsst hatte. Er war auch der erste, der sie richtig geküsst hatte. Mit siebzehn hatte sie dann das erste Mal mit ihm geschlafen. Er war achtzehn, und es war auch für ihn das erste Mal gewesen. Vieles hatte sie mit Joey das erste Mal getan.

Die Klatschblätter machten deutlich, dass Joey heutzutage nicht besonders wählerisch war, wenn es um Frauen ging. Die Starlets und Models gaben sich vor seinem Schlafzimmer sozusagen die Türklinke in die Hand. Aber er war schließlich momentan auch der aufregendste Star Hollywoods.

Nun war die zur Zeit berühmteste Schauspielerin im Bild. Sie hielt einen Umschlag in der Hand, den sie jetzt langsam aufschlitzte.

„Als männlicher Darsteller wurde ausgezeichnet …“

Applaus brandete auf. Als Joeys Name fiel, hob Heather ihr Weinglas.

Jetzt würde er blass werden, dann mit einem schnellen Satz auf die Bühne springen und …

Heather hielt den Atem an.

Nicht noch einmal, befahl sie sich. Lass es sein. Mach den Apparat aus.

Aber sie konnte den Blick nicht von ihm lösen. Der Augenblick, auf den sie wartete, war schon da.

Nachdem er der Akademie gedankt hatte, seinem Agenten und seinem Regisseur, stockte Joey plötzlich. Er trat von einem Fuß auf den anderen, wurde blass und ernst und umklammerte die goldene Statue. Für einen harten Burschen wirkte er ausgesprochen nervös.

Genauso hatte er damals im Krankenhaus ausgesehen.

Schweigend beugte er sich zum Mikrofon herunter. Er presste kurz die Zähne aufeinander. Dann sah er direkt in die Kamera, blickte direkt Heather an. In diesem Augenblick war er wieder der überhebliche und gleichzeitig unsichere Junge von früher, und es gab nur sie zwei auf der Welt.

Er lächelte kurz. „Ich würde gern jemandem aus meinem privaten Umfeld danken, aber mir fällt keiner ein. Sie glauben wahrscheinlich, dass ich der glücklichste Mensch auf Erden sein sollte, aber ich bin es nicht. Ich bin vielleicht der … einsamste Mensch auf der Welt.“

Auch als Kind war er schon sehr einsam gewesen, arm, schlecht gekleidet, verlacht von den anderen.

Heather musste unwillkürlich an ihre gemeinsame Kindheit denken. Sie sah Joey vor sich, wie er in seiner abgerissenen Kleidung hinten im Klassenzimmer sah und heimlich Bücher las, die er sich aus der Schulbibliothek ausgeliehen hatte. Sie hatte ihn oft gehänselt, aber er hatte nur gegrinst und gemeint: „Eines Tages wirst du dafür büßen müssen, Heather.“ Sie starrte auf den Fernsehschirm.

Der elegante Mann mit der Goldstatuette richtete sich wieder auf. Seine Stimme wurde rau. „Aber es gibt jemanden … jemanden, der mir unvergesslich bleibt. Deshalb, Heather … Baby, wenn du da irgendwo bist, wenn du mich hörst … ich möchte dir danken, jetzt in diesem Augenblick, weil es vielleicht die letzte Gelegenheit ist. Du warst der erste Mensch, der an mich geglaubt hat, der einzige wirkliche Freund… Ich wünschte, wir könnten noch einmal von vorne anfangen.“ Er schwieg. Dann wandte er sich seiner Nachbarin auf der Bühne zu. „Ich mache mich hier zum Narren, und all das wegen einer Frau, die mich weggeschickt …“ Plötzlich schien ihm wieder bewusst zu werden, wo er sich befand, er machte eine knappe Verbeugung und verließ schnell die Bühne.

Die Zuhörer standen auf und klatschten wie besessen, lange, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte. Lediglich das Topmodel Daniella blieb sitzen und entzog ihm ihre Hand, als Joey danach greifen wollte.

Heathers Augen brannten. Joey wirkte nicht glücklich. Sein Gesichtsausdruck war arrogant, stolz, und er wusste, was er wert war. Gleichzeitig aber sah er einsam aus, verletzt, und sie fühlte seinen Schmerz.

Ihre Eltern wie auch die ganze Stadt hatten ihn dafür verachtet, dass er Theo Fabianos Sohn war. Joey war sich immer wie der letzte Dreck vorgekommen. Jetzt war er zwar von aller Welt anerkannt, aber er schien trotzdem unglücklich zu sein, so wie damals im Krankenhaus, als sie ihn abgewiesen hatte.

„Bitte, Baby, verlass mich nicht. Ich kann nicht ohne dich leben.“

Aber ihr Schmerz und ihre Schuldgefühle wegen Ben waren damals so stark gewesen, dass sie Joeys Kummer nicht wahrnehmen wollte.

Und er hatte es ja auch ohne sie geschafft.

Heather wollte ihn anrufen und ihm gratulieren.

Nein, lieber nicht.

Aber er hatte sie doch auch damals angerufen, um sie zu fragen, warum sie nach diesem Erfolg den Beruf an den Nagel hängen wollte.

Seine Stimme hatte besorgt geklungen, doch sie hatte ohne Antwort den Hörer aufgelegt. Als er zurückrief, hatte sie schon den Anrufbeantworter angestellt, und Joey hatte seine Nummer hinterlassen. Sie hatte sich die Nummer aufgeschrieben, und manche Nacht, wenn sie nicht schlafen konnte, hatte sie den Zettel hervorgeholt und die Nummer angestarrt, als sei sie die letzte Verbindung zu ihm.

Ich muss ihn vergessen, ich darf ihn auf keinen Fall anrufen.

„Du kannst mich nicht aus deinem Leben streichen, Baby. Wenn du jemand anderen heiratest, dann werde ich dich noch bis in dein Bett verfolgen. Auch in deiner Hochzeitsnacht werden wir zu dritt sein.“

Er hatte recht. Immer wenn sie Larry küsste, hörte sie im Geist Joeys dunkle verführerische Stimme.

„Er ist nicht so gut wie ich, was, Baby?“

Aber damit musste jetzt Schluss sein.

Sie würde tun, was man von ihr erwartete, und würde glücklich werden. Das geordnete Leben mit Laurence würde ihr Ruhe bringen. Und Nicky hätte endlich einen Vater. Julia könnte sich ganz auf ihre Berufung konzentrieren. Und Heathers Eltern wären froh und erleichtert, dass sie nun standesgemäß verheiratet war.

Ja, ihre Eltern hatten wirklich genug gelitten, und es war jetzt Heathers Aufgabe, sie dafür zu entschädigen.

Und dennoch war sie nicht glücklich. Joey war der Einzige, der sie wirklich kannte, mit all ihren Wünschen und ungewöhnlichen Fantasien, denn er war ihr ähnlich. Er war ihr bester Freund gewesen. Er hatte jeden Gedanken und jedes Gefühl mit ihr geteilt, etwas, was bei Laurence nie vorkam, der den ganzen Tag in seinem Büro saß.

Aber Joey gehörte zur Vergangenheit.

Sie musste sich auf die Gegenwart konzentrieren.

Joey war Fantasie, Laurence war Realität. Hatte sie während ihrer Berufstätigkeit nicht erfahren, wie fatal es war, beides zu vermischen?

Joeys Bettgeschichten waren legendär.

Laurence war diskret und verlässlich. Er respektierte sie. Eine glückliche Ehe erforderte Zeit, Bemühen, Zuneigung. Sex war nicht so wichtig. Sie wollte Sicherheit. Und die verkörperte Larry wie kein anderer.

„Und was ist mit der Liebe?“ Das war wieder die dunkle Stimme.

Und was ist mit Nicky?

Was würde passieren, wenn Joey die Wahrheit über Nicky herausfand?

2. KAPITEL

Die drei Fahrgäste in der schwarzen Limousine waren in ein unbehagliches Schweigen versunken. Jeder war noch innerlich mit dem beschäftigt, was Joey auf der Bühne gesagt hatte.

Mac, der Agent, starrte verbissen aus dem Fenster. Joey verfluchte sich innerlich dafür, dass er den Mund nicht hatte halten können. Sie waren unterwegs zu dem absoluten In-Restaurant von Los Angeles, in dem Mac für Joey eine Party gab.

Als sie den Parkplatz des Restaurants erreicht hatten, wandte sich Daniella mit zusammengezogenen Brauen zu Joey um. Doch sie kam nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn sofort war das Auto von einer kreischenden Menge umgeben.

Mac hatte sich bemüht, Daniella aufzuheitern. „Honey, das wird noch peinlich genug für ihn werden. Sei du wenigstens wieder nett zu ihm.“ Aber Daniella hatte nur schrill gelacht. „Du brauchst ihn nicht zu bedauern. Seine Fans werden begeistert sein. Der arme Joey, der sich nach seiner alten Liebe verzehrt … Und wo bleibe ich?“

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