Baccara Exklusiv Band 202 - Maureen Child - E-Book

Baccara Exklusiv Band 202 E-Book

Maureen Child

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Beschreibung

ZAUBER EINER KARIBIKNACHT von MAUREEN CHILD Es muss an den Nächten in der Karibik liegen: Das ist die einzige Erklärung für dieses aufregende Knistern! Schließlich verbindet Melinda mit Sean nur eine Vernunftehe, die in zwei Monaten vorbei sein wird - doch seine Küsse sind voller Leidenschaft … ENDLICH IN DEINEN STARKEN ARMEN von RACHEL BAILEY Jenna kann sich kaum auf ihren Job konzentrieren - so unverschämt attraktiv ist ihr neuer Boss Liam Hawke! Nur zu gern würde die Nanny in seine starken Arme sinken. Doch sie weiß, dass ihre Liebe keine Chance hat. Denn wenn Liam erfährt, wer sie wirklich ist, wird er nichts mehr von ihr wissen wollen … EINE UNVERGESSLICHE HOCHZEIT von ROBYN GRADY Hochzeitsplanerin Scarlet will kein Risiko eingehen, deshalb weist sie den sexy Playboy-Milliardär Daniel McNeal sofort zurück. Bis sie ihr Gedächtnis verliert - und wie verwandelt ist. Unbeschwert lässt sie sich auf eine wilde Affäre mit Daniel ein. Aber was passiert, wenn ihre Erinnerung zurückkehrt?

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Seitenzahl: 612

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Maureen Child, Rachel Bailey, Robyn Grady

BACCARA EXKLUSIV BAND 202

IMPRESSUM

BACCARA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg, in der Reihe: BACCARA EXKLUSIV, Band 202 – 2021

© 2011 by Maureen Child Originaltitel: „The Temporary Mrs. King“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Peter Müller Deutsche Erstausgabe 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1727

© 2014 by Rachel Robinson Originaltitel: „The Nanny Proposition“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susann Rauhaus Deutsche Erstausgabe 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1880

© 2013 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „A Wedding She’ll Never Forget“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Kai Lautner Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1806

Abbildungen: Majdanski / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751501736

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Zauber einer Karibiknacht

1. KAPITEL

„Ich glaube, wir sollten heiraten.“

Sean King verschluckte sich vor Schreck an seinem Bier. Prustend stellte er sein Glas ab und musterte die unbekannte Frau, die sich an der Bar einfach vor ihn hingestellt und ihm diesen merkwürdigen Vorschlag unterbreitet hatte.

Sie sah umwerfend gut aus.

Ihr Haar war fast so schwarz wie seines, ihre Haut sonnengebräunt. Wahrscheinlich verbrachte sie viel Zeit unter freiem Himmel. Sie hatte hohe Wangenknochen und anmutig geschwungene Brauen, und ihr Blick verriet Entschlossenheit.

Auch der Rest ihres Körpers war nicht zu verachten. Sie trug ein zitronengelbes Sommerkleid, das viel von ihren schlanken Beinen preisgab. Ihre Sandalen waren mit einem weißen Blumenmuster geschmückt, die Zehennägel blutrot lackiert.

Lächelnd sah er ihr in die Augen. „Heiraten? Meinen Sie nicht, dass wir vorher noch mal zusammen essen gehen sollten oder so?“

Ganz kurz lächelte auch sie, dann blickte sie zum Barkeeper hinüber, um sicherzugehen, dass er nicht mithörte. „Ich weiß, das hört sich wahrscheinlich komisch an …“

Er musste lachen. „Komisch, ja. Das trifft es ganz gut.“

„… aber ich habe meine Gründe.“

„Gut zu wissen“, kommentierte er und nahm einen Schluck von seinem Bier. „Dann auf Wiedersehen, schöne Frau.“

Verärgert holte sie Luft. „Sie sind Sean King. Sie sind hier, um sich mit Walter Stanford zu treffen.“

Seine Neugier war geweckt. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er sie. „Auf einer kleinen Insel verbreiten sich Neuigkeiten anscheinend sehr schnell.“

„Sogar noch schneller, wenn man Walter Stanford zum Großvater hat.“

„Großvater?“, wiederholte er. „Das heißt, Sie sind …“

„Melinda Stanford, genau“, ergänzte sie und sah sich unsicher um.

Sie war also die reiche wohlbehütete Enkelin des Mannes, dem diese Insel gehörte. Und sie schien nicht alle Tassen im Schrank zu haben.

„Wollen wir uns nicht lieber an einen Tisch setzen?“, schlug sie vor. „Ich möchte nicht, dass jemand mithört.“

Das konnte er sich denken. Es war ja nicht gerade üblich, sich einem Wildfremden vorzustellen, indem man ihm einen Heiratsantrag machte. Die Frau sah wirklich sehr gut aus, aber in ihrem Kopf schien es nicht ganz zu stimmen. Sie wartete nicht auf seine Antwort, sondern ging schnurstracks zu einem der freien Tische in der Hotelbar.

Sean beobachtete sie dabei und blieb unschlüssig sitzen. Sollte er sich zu ihr gesellen – oder lieber doch nicht? Natürlich war sie rein äußerlich eine Klassefrau. Aber wenn es bei ihr im Oberstübchen nicht stimmte …

Inzwischen hatte sie sich hingesetzt und verlieh der dunklen Ecke in der Bar ein wenig Glanz. Vor guten dreißig Jahren war diese Hotelbar bestimmt topmodern und sehr beliebt gewesen. Aber ganz offensichtlich war der Besitzer nicht mit der Zeit gegangen und hatte sie mehr oder weniger verkommen lassen.

Der Holzboden hatte tiefe Kratzer, die von mehreren Farbschichten nur mühselig übertüncht wurden. Die Wände brauchten dringend einen frischen Anstrich, und die Fenster waren zu klein. Davon abgesehen ist die Grundsubstanz gar nicht schlecht, dachte Sean. Die Einrichtung hat Charme, auch wenn sie ein bisschen verstaubt wirkt. Wenn der Laden mir gehören würde, würde ich die Front komplett rausreißen und durch große Glasscheiben ersetzen, dann hätten die Gäste einen tollen Ausblick auf den Ozean.

Diese Gedanken waren ihm ganz unwillkürlich gekommen. So war es eben, wenn man Mitbesitzer einer großen Baufirma war. Ständig baute man im Kopf irgendetwas um.

Aber schließlich war es nicht seine Hotelbar, und eine schöne, wenn auch etwas durchgeknallte Frau wartete auf ihn. Walter Stanford würde er erst am nächsten Morgen treffen, und der Abend war noch lang. Also … Lächelnd erhob sich Sean und ging zu der merkwürdigen Frau hinüber.

Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Mit dem Bierglas in der Hand musterte er sie schweigend und wartete darauf, dass sie ihr Verhalten erklärte. Er brauchte nicht lange zu warten.

„Ich weiß, dass Sie hier sind, um das Land am Nordstrand zu kaufen.“

„Das dürfte auf der Insel kein Geheimnis sein“, erwiderte er und nahm einen Schluck von seinem Bier. Ein einheimisches Erzeugnis und überaus schmackhaft. Wenn alles gut ging und sein Cousin Rico hier ein Hotel eröffnete, sollte er diese Marke auf jeden Fall anbieten.

Er wandte sich wieder der jungen Frau zu. „Wahrscheinlich wissen alle auf der Insel, dass die Kings in Verhandlungen mit Ihrem Großvater stehen.“

„Ja“, bestätigte sie und legte die Hände auf den Tisch. Irgendwie schaffte sie es, gleichzeitig züchtig und doch überaus sexy zu wirken. „Vor ein paar Monaten war ja schon Lucas King hier. Aber sehr weit ist er bei meinem Großvater nicht gekommen.“

Das war leider nur zu wahr.

Sean hatte selbst schon ein Telefonat mit Walter Stanford geführt, und es war ebenfalls nicht besonders gut gelaufen. Deshalb war er jetzt hier. Um von Angesicht zu Angesicht mit ihm zu verhandeln.

Die Insel Tesoro lag in der Karibik und befand sich in Privatbesitz. Walter Stanford war gewissermaßen der Feudalherr des kleinen Eilands. Er besaß Anteile fast aller Unternehmen hier und hütete die Insel wie ein Schlosshund. Neuankömmlinge mit Geschäftsinteressen waren hier nicht gern gesehen.

Seans Cousin Rico King, Besitzer einer Hotelkette, war dennoch fest entschlossen, hier ein luxuriöses Ferienressort zu errichten. Die Baufirma King Construction, die Sean zusammen mit seinen Halbbrüdern Rafe und Lucas betrieb, wäre an dem Bauprojekt beteiligt. Doch dafür mussten sie die entsprechende Landfläche kaufen. Schon seit Monaten umgarnten sie Walter Stanford, um ihn davon zu überzeugen, dass ein King-Hotel der Insel Tesoro nur Vorteile bringen würde. Neue Arbeitsplätze, mehr Touristen, zusätzliche Einnahmen für die ortsansässigen Geschäfte.

Rico hatte den alten Herrn als Erster aufgesucht – erfolglos. Ihm waren Seans Brüder Rafe und Lucas gefolgt und ebenfalls gescheitert. Nun war Sean an der Reihe. Er war stets der Notnagel, wenn Verhandlungen nicht wie gewünscht liefen. Normalerweise führten sein Charme und seine lässig-freundlichen Umgangsformen zum Erfolg. Seine Methode mit Menschen umzugehen war unnachahmlich, und er hütete sich, sein Geheimnis zu verraten.

„Ich bin nicht Lucas“, sagte er selbstbewusst. „Ich bekomme das Geschäft mit Ihrem Großvater schon unter Dach und Fach.“

„Seien Sie sich nur nicht so sicher“, ermahnte sie ihn. „Er ist sehr stur.“

„Da kennen Sie die Kings noch nicht“, gab er leichthin zurück. „Wir sind die Weltmeister in Sturheit.“

Seufzend beugte sie sich zu ihm hinüber. So bekam er einen guten Ausblick auf ihre prachtvollen Brüste. Um nicht wie hypnotisiert dorthin zu starren, sah er ihr wieder in die Augen.

„Mr. King, wenn Sie das Land wirklich wollen, gibt es nur einen sicheren Weg.“

Lächelnd schüttelte er den Kopf. Sicher, sie sah fantastisch aus, aber er war nicht bereit für eine neue Frau in seinem Leben – und für eine Ehefrau schon mal gar nicht. Nein, er würde auf seine Art mit dem alten Herrn handelseinig werden. Eine Melinda Stanford brauchte er dazu nicht. „Ich weiß schon. Sie meinen, ich bekomme das Land nur, wenn ich Sie heirate.“

„Ganz genau.“

Er runzelte die Stirn. „Sie meinen das wirklich ernst?“

„Völlig ernst.“

„Sagen Sie … Sie sind nicht zufällig in psychologischer Behandlung?“ Er fragte das so höflich wie möglich.

„Noch nicht“, murmelte sie, um dann lauter hinzuzufügen: „Sie müssen wissen, mein Großvater ist unheimlich heiß darauf, mich verheiratet zu sehen. Möglichst mit vielen kleinen Kinderchen.“

Sean erschauerte innerlich. Viel zu viele seiner Brüder und Cousins hatten in letzter Zeit geheiratet, Lucas gerade erst vor ein paar Monaten. Aber Sean doch nicht! Das kam gar nicht infrage. So etwas hatte er schon hinter sich und war nur knapp mit heiler Haut entkommen. Sein Ausflug in die Ehehölle war kurz gewesen, und keiner seiner Verwandten wusste davon.

Nein, nein, noch eine Heirat kam gar nicht in die Tüte!

„Dann noch viel Glück bei Ihrer Suche nach einem Ehemann“, sagte er und wollte sich erheben. Wie in Panik ergriff sie seine Hand.

Als ihre Hände sich berührten, traf es Sean wie ein elektrischer Schlag. Hitze stieg in ihm auf. Ein Blick in ihre Augen verriet ihm, dass sie ebenso verblüfft war wie er. Und ebenso entschlossen, das aufkommende Begehren zu ignorieren. Vielleicht zog ihn etwas zu dieser Frau hin, aber das hieß ja nicht, dass er dem Verlangen nachgeben musste. Er war aus dem Alter heraus, in dem man sich von seinen Trieben lenken ließ.

Obwohl ihre Anziehungskraft schon ziemlich stark war. Um der Versuchung besser widerstehen zu können, zog er seine Hand zurück. Das Gefühl war zwar angenehm gewesen, aber …

„Sie könnten mich wenigstens bis zum Ende anhören“, bat sie.

Stirnrunzelnd ließ sich Sean wieder auf den Stuhl fallen. Eigentlich interessierte ihn überhaupt nicht, was sie ihm zu sagen hatte, aber warum sollte er ein Mitglied der Familie verärgern, mit der er ein großes Geschäft abschließen wollte? „Na schön, ich höre. Aber mir genügt die Kurzfassung.“

„Okay. Unterm Strich geht es darum, dass Sie mich heiraten sollen.“

„Das habe ich schon verstanden. Aber … warum?“

„Weil es vernünftig ist.“

„In welchem Paralleluniversum sollte das vernünftig sein?“

„Sie wollen das Land für Ihren Cousin, damit er da sein Hotelressort errichten kann. Und ich will einen Kurzzeitehemann.“

„Kurzzeit …?“

Sie lachte auf, und es klang wie Musik in seinen Ohren. „Ja, natürlich. Nur für eine gewisse Zeit. Hatten Sie ernsthaft geglaubt, ich möchte ein Leben lang mit Ihnen verheiratet sein? Mit einem Mann, den ich noch nie vorher gesehen habe?“

„He, passen Sie auf, was Sie sagen. Schließlich waren Sie es, die mir einen Heiratsantrag gemacht hat.“

Sie wurde wieder ernst. „Gut, passen Sie auf. Der Deal läuft folgendermaßen: Wenn Sie sich mit meinem Großvater treffen, wird er Ihnen einen Geschäftsabschluss mit gleichzeitiger Heirat vorschlagen.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil er das schon mindestens vier Mal versucht hat.“

„Bei Lucas und Rafe hat er es nicht versucht. Das hätten sie mir erzählt.“

„Ist doch wohl klar. Die beiden sind ja schon verheiratet.“

„Ach so, ja, logisch.“ Diese verrückte Geschichte brachte ihn schon ganz durcheinander!

„Sie können sicher sein“, fuhr sie fort, „mein Großvater wird Ihnen anbieten, das Land zu verkaufen, wenn Sie mich heiraten. Und ich möchte, dass Sie den Vorschlag annehmen.“

„Und dann soll ich Sie heiraten.“

„Ja, für eine gewisse Zeit.“

„Und wie lang wäre diese gewisse Zeit?“ Er konnte kaum glauben, dass er das wirklich fragte. Er wollte keine Frau, weder kurzzeitig noch für immer. Er wollte doch nur ein Stück Land kaufen, um Himmels willen!

Stirnrunzelnd blickte sie zur Decke und dachte nach. „Zwei Monate sollten reichen“, sagte sie schließlich. „Großvater ist der festen Überzeugung, dass auch aus einer Geschäftsehe allmählich etwas Echtes werden könnte. Ich glaube das nicht.“

„Ganz meine Meinung“, kommentierte Sean und prostete ihr zu.

„Wenn wir zwei Monate verheiratet gewesen sind, wird Großvater denken, dass wir unser Bestes versucht haben und es eben nicht geklappt hat“, erläuterte sie. „Zwei Monate sind okay. Lang genug, um ihn zufriedenzustellen, aber andererseits so kurz, dass wir beide es durchstehen können.“

„Hm, hm.“ Er blickte sie skeptisch an. In welches Tollhaus war er hier nur geraten? „Und womit habe ich es verdient, dass Sie ausgerechnet mich als Kurzzeitehemann auserkoren haben?“

Sie lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. Sie bemüht sich, ruhig zu wirken, dachte Sean, aber in Wirklichkeit ist sie ganz schön angespannt.

„Ich habe einige Nachforschungen über Sie angestellt“, erklärte sie.

„Wie bitte?“

„Na hören Sie, ich werde doch nicht einfach den Nächstbesten heiraten.“

„Nein, natürlich nicht“, kommentierte er sarkastisch.

„Sie waren ein guter Student und haben einen Abschluss in Informatik. Mit zwei Halbbrüdern führen Sie ein äußerst erfolgreiches Bauunternehmen und sind dort für die technischen Aspekte zuständig, werden aber auch gern zu Hilfe gerufen, wenn es um schwierige Vertragsverhandlungen geht.“ Sie holte einen Moment Luft, und Sean sah sie staunend an. „Sie wohnen in einem umgebauten Wasserturm in Sunset Beach und sind verrückt nach den Keksen, die Ihre Schwägerin backt.“

Sean runzelte die Stirn und nahm einen großen Schluck Bier. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn ihm jemand nachschnüffelte.

„Und Sie binden sich nicht gerne für länger“, fuhr sie fort. „Sie halten es mit der sogenannten seriellen Monogamie, das heißt, Sie sind einer Frau treu, bis Sie sich der nächsten zuwenden. Trotzdem sprechen alle ihre Verflossenen nur gut über Sie, woraus ich schließe, dass Sie grundsätzlich ein netter Kerl sind – obwohl Sie nicht in der Lage sind, eine längerfristige Beziehung aufrechtzuerhalten.“

„Wie bitte?“

„Ihre längste Beziehung hatten Sie während des Studiums. Die hat knapp ein Dreivierteljahr gehalten. Warum sie dann gescheitert ist, konnte ich leider nicht herausfinden.“

Das wird sie auch nicht, dachte Sean. Die junge Dame kann noch so gut aussehen, langsam nervt sie mich.

„Schön, das reicht jetzt“, stieß er hervor und sah ihr in die wunderschönen blauen Augen. „Ich bekomme das Land, und zwar auf meine Weise. Ihre komischen Pläne interessieren mich nicht. Suchen Sie sich dafür jemand anderen.“

„Bitte warten Sie noch kurz.“ Sie sah ihn so mitleiderregend an, dass er schwach wurde. „Ich weiß, das hört sich alles ziemlich verrückt an. Es tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe.“

„Sie haben mich nicht verärgert“, versicherte er ihr. „Ich bin schlicht und einfach nicht interessiert.“

Melinda fühlte Panik in sich aufsteigen. Sie spürte, sie war die Sache falsch angegangen, aber er durfte ihren Vorschlag nicht ablehnen. Tief holte sie Luft und schlug vor: „Lassen Sie mich noch einmal von vorn anfangen. Bitte.“

Er sah sie misstrauisch an, blieb aber sitzen. Das nahm sie als gutes Zeichen.

Wie sollte sie ihm diese verquere Geschichte nur verständlich machen? Seit sie vor Wochen gehört hatte, dass er kommen würde, hatte sie ihren Überfall auf ihn geplant – inklusive der gründlichen Recherche über sein Privatleben. Trotzdem hatte sie bis zum Schluss nicht gewusst, wie sie ihm alles erklären konnte, ohne völlig verrückt zu klingen.

„Am besten fange ich am Anfang an. Also, wenn ich heirate, bekomme ich einen Treuhandfonds überschrieben. Damit bin ich dann unabhängig. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich liebe meinen Großvater. Er ist ein wunderbarer alter Herr.“ Hilflos schüttelte sie den Kopf. „Aber er ist entsetzlich altmodisch. Seiner Meinung nach müssen Frauen ab einem gewissen Alter verheiratet sein und Kinder kriegen, das ist für ihn wie in Stein gemeißelt. Ständig ist er auf der Suche nach einem Ehemann für mich. Da habe ich mir gedacht, wenn ich mir lieber selber einen suche, zu meinen Bedingungen …“

„Okay, soweit habe ich Sie verstanden. Aber warum soll ausgerechnet ich es werden?“

„Weil wir beide etwas davon hätten.“ Aufatmend stellte sie fest, dass er ihr wenigstens zuhörte. „Sie bekommen das Land, ich den Treuhandfonds – und dann lassen wir uns wieder scheiden.“

Ihre Worte schienen ihn nicht zu überzeugen. Verzweifelt schlug sie vor: „Ich … äh … ich könnte Sie auch für Ihre Zeit bezahlen.“

Verärgert blickte er sie an. „Ich lasse mich garantiert nicht von Ihnen dafür bezahlen, dass ich Sie heirate. Ich brauche Ihr Geld nicht.“

Seine heftige Reaktion verriet ihr, dass sie sich den richtigen Kandidaten ausgesucht hatte. Die allermeisten Männer hätten sicher mit Freuden ihr Geld genommen. Aber Sean King war selbst so reich, dass ihm ihr Treuhandfonds – für sie ein Vermögen – wahrscheinlich wie ein Taschengeld vorkam.

Dennoch sprach es für seinen guten Charakter, dass er das Angebot, sich bezahlen zu lassen, so empört ablehnte.

„Okay, aber Sie und Ihr Cousin wollen ein Hotelressort auf Tesoro bauen, das ist doch richtig, oder?“

„Das ist absolut richtig.“

„Und dafür brauchen Sie das Land.“

„Ja.“

„Und um das Land zu bekommen, brauchen Sie mich.“ Als er immer noch nicht überzeugt schien, ergänzte sie: „Ich weiß, dass Sie mir nicht glauben, aber es stimmt. Sie treffen sich morgen früh mit meinem Großvater, richtig?“

Er nickte.

„Gut. Dann lassen Sie uns doch gemeinsam zu Abend essen. So können wir uns noch etwas länger über die Angelegenheit unterhalten – und vielleicht kann ich Sie ja doch noch überzeugen.“

Er lächelte fast unmerklich, aber schon diese winzige Spur eines Lächelns überwältigte sie fast. Sean King strahlte ungeheuren Charme und Sex-Appeal aus. Seine Stärke, seine Männlichkeit ließen sie ganz schwach werden.

Oje, das könnte gefährlich werden, dachte sie.

„Zu Abend essen?“ Er stellte sein Bier ab und nickte. „Gut geht in Ordnung. Wenn eine schöne Frau mich zum Essen einlädt, lehne ich prinzipiell nicht ab. Aber ich warne Sie: An einer Heirat habe ich kein Interesse.“

„Ich weiß“, erwiderte sie. „Deshalb sind Sie ja genau der Richtige.“

Er lachte auf. „Ich weiß wirklich nicht, ob Sie verrückt sind oder nicht.“

„Ich bin nicht verrückt“, versicherte sie ihm. „Nur fest entschlossen.“

„Wunderschön und fest entschlossen“, sinnierte er. „Eine gefährliche Mischung.“

Sie fühlte sich ungeheuer zu ihm hingezogen, obwohl sie das gar nicht wollte. Sie versuchte die Wärme zu ignorieren, die in ihr aufstieg, und sagte: „In der Stadt gibt es ein Restaurant namens Diego’s. Treffen wir uns da um sieben.“

„Vergessen Sie nicht: Mit dem Essen bin ich einverstanden – mit der Heirat nicht.“ Er erhob sich und blickte zu ihr hinunter. „Im Diego’s. Um sieben.“

Als er ging, sah Melinda ihm verträumt nach. Er war groß und schlank und bewegte sich mit einer lässigen Eleganz, die auf großes Selbstbewusstsein schließen ließ. Ja, Sean King stellte mehr dar, als sie erwartet hatte.

Sie konnte nur hoffen, dass er nicht eine Nummer zu groß für sie war.

„Lucas, was weißt du über Melinda Stanford?“ Sean stand mit seinem Handy am Pier und beobachtete, wie die Fischerboote in den Hafen zurückkehrten.

„Sie ist die Enkelin von Walter Stanford.“

„So schlau war ich auch schon.“

„Mehr braucht man doch nicht über sie zu wissen, oder?“

Doch, viel mehr, dachte Sean. „Hast du sie kennengelernt, als du auf Tesoro warst?“

„Nur ganz kurz“, antwortete Lucas. „Aber ich war ja sowieso nicht lange auf der Insel. Walter hat mein Angebot so schnell abgelehnt, dass ich nicht mal zum Auspacken gekommen bin.“

„Ja, ich erinnere mich.“ Nachdenklich ließ Sean seinen Blick über den Ozean schweifen.

„Also, was soll die Frage? Hast du schon Probleme? Funktioniert der legendäre Charme des großen Sean diesmal nicht?“

„Das wirst du nicht erleben“, erwiderte Sean lachend. „Ich habe dir gesagt, ich kriege das Land, und dabei bleibt es.“

„Na schön. Auf jeden Fall viel Glück mit dem alten Herrn. Ich fürchte, er ist gegen Charme immun.“

„Das wird sich zeigen“, erwiderte Sean.

Das Restaurant Diego’s war klein und gemütlich. Seine Spezialität waren Meeresfrüchte, und nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische aßen gerne hier. Man konnte draußen vor dem Lokal speisen, aber auch vom Innenraum aus hatte man einen überwältigenden Blick auf den Ozean.

Melinda hatte sich für einen Tisch im Freien entschieden, weil es trotz der Tageszeit noch recht schwül war. Unruhig nippte sie an ihrem Wein. Vielleicht lag es gar nicht am Wetter, dass sie sich so erhitzt und unruhig fühlte. Vielleicht lag es an Sean King.

Aber nein, das kann nicht sein, dachte sie. Er mag ja attraktiv sein, aber ich will nichts von ihm. Zwischen ihm und mir geht es nur ums Geschäft. Das Sexuelle lässt man besser außen vor.

Nervös fuhr sie mit der Fingerspitze den Stiel des Weinglases entlang und versuchte sich einzureden, dass sie schon das Richtige tat. Das einzig Vernünftige.

Sie brauchte einen Ehemann.

Jetzt musste sie nur noch Sean King davon überzeugen, dass er der Richtige für diesen Job war.

„Lass dich bloß nicht nervös machen“, murmelte sie vor sich hin.

Sie wusste selbst nicht, warum sie plötzlich erwartungsvoll herumfuhr. Hatte sie seine Schritte gehört? Oder hatte sie gespürt, wie er sie aus der Entfernung musterte?

Auf jeden Fall kam er auf sie zu. Seine Miene ließ keine Regung erkennen – oder umspielte doch ein feines, kaum wahrnehmbares Lächeln seine Lippen? Er trug eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und darüber ein schwarzes Jackett. Entspannt und lässig sah er aus. Und gleichzeitig auch gefährlich.

2. KAPITEL

„Ein romantisches Plätzchen für eine Geschäftsbesprechung“, kommentierte Sean, als er ihr gegenüber Platz nahm.

Melinda holte tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wusste, sie durfte jetzt keinen Fehler machen. Irgendwie musste sie Sean King dazu bringen, sie zu heiraten. Ihr Ehemann auf Zeit zu werden.

„Auf die Romantik ist es mir nicht angekommen“, erwiderte sie. „Es sollte nur ruhig sein.“

„Jetzt haben Sie beides. Ruhig und romantisch.“ Der Kellner goss ihm Wein ein und verschwand wieder. Sean nahm einen Schluck, stellte das Glas wieder ab, beugte sich vor und sah sie an. Er wartete darauf, dass sie etwas sagte.

Sein Blick war direkt, seine Miene undurchdringlich. Nichts war in seinen Gesichtszügen abzulesen. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Melinda wusste es nicht.

„Tut mir leid, dass ich Sie heute Nachmittag mit meinem Anliegen einfach so überfallen habe.“

Er zuckte die Schultern. „Es ist ja auch schwierig, einem Fremden aus heiterem Himmel einen Heiratsantrag zu machen.“

„Allerdings.“ Melinda blickte hinaus auf den Ozean und fuhr fort: „Ich weiß, dass Ihnen das Ganze völlig verrückt vorkommen muss, aber Sie müssen wissen, dass mein Großvater mir gegenüber sehr fürsorglich ist. Sehr, sehr fürsorglich.“

„So sehr, dass er Sie unbedingt irgendwelchen Geschäftspartnern andrehen will?“, scherzte Sean.

Melinda zuckte zusammen. Wenn sie selbst sich kritisch über ihren Großvater äußerte, ging das in Ordnung. Aber sie konnte es nicht leiden, wenn jemand anders – vor allem jemand, der ihn noch nicht einmal persönlich kannte – sich über ihn lustig machte. „Er meint es ja nur gut. Er möchte, dass sich jemand um mich kümmert. Für mich da ist.“

Sean lehnte sich zurück. „Wenn wir noch im finstersten Mittelalter leben würden, wäre das ja auch völlig okay.“

Besonders gut verlief das Gespräch bisher nicht gerade. Aber sie entschloss sich, seine bissigen Kommentare zu ignorieren. Er verstand ihre Situation eben noch nicht, das war alles.

„Ja, na schön“, murmelte sie, „mein Großvater ist eben ein bisschen altmodisch.“

Sean zog eine Augenbraue hoch.

„Okay, mehr als ein bisschen. Ziemlich altmodisch. Sehr altmodisch.“ Sie holte tief Luft und begann zu erklären. „Ich bin hier auf Tesoro aufgewachsen. Mein Großvater hat mich großgezogen, nachdem meine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sind. Ich war damals fünf.“

„Das tut mir leid“, sagte Sean. Noch immer konnte sie in seinem Gesicht nichts ablesen. Was er wohl denken mochte? Wahrscheinlich ist er ein hervorragender Pokerspieler, dachte Melinda. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich kann nicht bluffen. Dafür bin ich zu ehrlich und geradeheraus. Obwohl, na ja, zu Großvater bin ich in dieser Sache auch nicht gerade aufrichtig, aber das hat er sich selbst zuzuschreiben. Ich wollte ihm ja ausreden, einen Ehemann für mich zu suchen, aber davon wollte er nichts wissen.

Beim Gedanken an Walter Stanford musste sie unwillkürlich lächeln. Er war die einzige Konstante in ihrem Leben, ihr Fels in der Brandung. Der einzige Mensch, der sie stets uneingeschränkt geliebt hatte. Und er meinte es gut. Er wollte sie verheiratet sehen, um sicherzugehen, dass immer jemand für sie da war und sie beschützte … auch nach seinem Tod.

Nach seinem Tod – sie schauderte bei dem Gedanken. Eine Welt ohne ihren Großvater schien ihr unvorstellbar.

„Er ist ja nicht mehr der Jüngste“, fuhr Melinda zögernd fort, „und er hat Angst, mich irgendwann allein lassen zu müssen. Tausendmal habe ich ihm versichert, dass ich schon zurechtkommen werde – auch allein. Aber er entstammt nun mal einer Generation, in der Frauen versorgt zu sein hatten. Ich bin seine einzige noch lebende Verwandte, und er möchte, dass ich beschützt werde.“ Nachdenklich sah sie Sean an. „Sie kommen aus einer großen Familie und stehen Ihren Brüdern sehr nahe. Das ist noch ein Grund, warum ich mich mit meinem Plan an Sie gewandt habe. Sie wissen, was Familienbande bedeuten.“

„Das stimmt. Deshalb kann ich die Sorge Ihres Großvaters sogar nachvollziehen. Allerdings verstehe ich nicht, warum Sie da mitspielen.“

„Weil ich ihn liebe. Ich möchte nicht, dass er sich Sorgen macht …“

„… und?“

Er hatte recht, das war noch nicht alles.

„Und außerdem bekomme ich, wie schon erwähnt, den Treuhandfonds, sobald ich verheiratet bin.“

„Aha“, sagte Sean lächelnd. „Und wenn Sie mich heiraten, brauchen Sie wenigstens keine Angst zu haben, dass sich Ihr Ehemann mit Ihrem Geld davonmacht. Weil ein Sean King so etwas nicht nötig hat.“

„Ganz genau.“ Sie erwiderte sein Lächeln. Jetzt fühlte sie sich schon besser. Eigentlich konnte man sich ganz gut mit ihm unterhalten, wenn man bedachte, wie absurd dieses Gesprächsthema eigentlich war.

„Und wenn unsere Ehe dann nach zwei Monaten ‚scheitert‘ – meinen Sie wirklich, dass Ihr Großvater dann aufhört, nach Ehemännern für Sie zu suchen?“

Ihre Zuversicht wuchs; immerhin hatte Sean King jetzt schon eine Nachfrage gestellt. „Ich glaube schon“, antwortete sie und spielte nervös mit ihrem Weinglas. Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: „Ich hoffe es wenigstens. Vor allem bin ich es leid, mir Männer vom Hals zu halten, die sich nur das Wohlwollen meines Großvaters erkaufen wollen. Außerdem ist es die einzige Möglichkeit, auf meine Art an den Treuhandfonds heranzukommen. Na ja, fast auf meine Art. Ich werde zwar verheiratet sein, so wie es mein Großvater geplant hatte, aber immerhin mit einem Ehemann, den ich mir ausgesucht habe und in einer Ehe, so wie ich sie will.“

Sean hörte ihr schweigend zu, also fuhr sie fort.

„Wenn Sie sich also einverstanden erklären, bleiben wir zwei Monate lang verheiratet. Ich bekomme meinen Treuhandfonds, Sie ihr Land. Und anschließend lassen wir uns wieder scheiden.“

Der Kellner kam mit den Speisekarten, und sie bestellten. Melinda nahm einfach irgendetwas; die Unterbrechung stellte ihre Geduld auf eine harte Probe. Endlich ging der Kellner, und sie waren wieder allein.

„Also“, fragte sie, „was meinen Sie?“

Sean meinte immer noch, dass ihr eine Sitzung beim Psychiater nicht schaden konnte. Andererseits … Prüfend musterte er sie.

Ein angenehm warmer Abend, leckerer Wein und eine schöne Frau. Sean fühlte sich in diesem Moment fast wie im Paradies. Ihr dichtes schwarzes Haar, ihre Figur – sie war umwerfend, kein Zweifel. Andererseits war sie auch ganz schön kompliziert. Und vielleicht verrückt.

Aber das hieß ja nicht, dass er über ihren Vorschlag nicht nachdenken durfte, oder?

Bisher hatte ihr Großvater jedes Angebot abgelehnt, das die Kings ihm unterbreitet hatten. Er war einfach nicht interessiert gewesen, egal wie viel sie ihm geboten hatten. Entweder brauchte der alte Herr das Geld wirklich nicht – oder er war genauso verrückt wie seine Enkelin. Obwohl … Nein, das konnte Sean ausschließen. Der alte Herr war nicht verrückt.

Im Gegenteil, er war ein gewiefter Geschäftsmann.

Walter Stanford wusste genau, was er wollte, und würde sich nie mit weniger zufrieden geben. Und dafür hatte Sean durchaus Verständnis. Schließlich war seine Familie genauso.

Wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, dachte Sean. Wahrscheinlich werden der alte Walter und ich wunderbar miteinander klarkommen. Er musste lächeln.

„Was gibt’s denn Lustiges?“

„Bitte?“

„Sie lächeln so komisch“, stellte sie vorwurfsvoll fest. „Deshalb habe ich Sie gefragt, was es Lustiges gibt.“

Sie ist beleidigt, ging es Sean durch den Kopf, weil sie bestimmt glaubt, dass ich über ihren Plan lächle. Über ihren verrückten und doch wohlüberlegten Plan. Ob ich der erste Mann bin, dem sie diesen Vorschlag macht?

„Wie oft haben Sie das schon versucht?“, fragte er lauernd.

„Sie sind der Erste“, gestand sie zögernd.

„Und warum haben Sie sich dafür ausgerechnet mich ausgesucht?“

„Habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich habe Nachforschungen über sie angestellt und …“

„Momentchen. Erst sucht man jemanden aus. Und erst dann stellt man Nachforschungen über ihn an. Oder?“

Verunsichert nahm sie einen großen Schluck Wein. „Ich wusste ja, dass mein Großvater mit Ihnen reden würde. Er hat mich über die Verhandlungen mit den Kings auf dem Laufenden gehalten. Nachdem er mir erzählt hatte, dass Sie die Verhandlungen für Lucas übernehmen würden, habe ich mehr oder weniger zufällig ein Foto von Ihnen gesehen. Und Sie sahen … nett aus.“

„Nett?“, fragte er entsetzt. „Kindergärtnerinnen sind nett. Es ist nett, an einem warmen Tag ein Eis zu schlecken. Und nett ist der kleine Bruder von langweilig. Aber Männer, vor allem die aus der King-Familie, sind nicht nett.“

„Das Gefühl bekomme ich langsam auch“, murmelte sie.

Noch nie in seinem Leben hatte jemand ihn „nett“ genannt. Gut aussehend, das ja. Humorvoll. Clever. Manche, das musste er zugeben, nannten ihn auch kalt. Distanziert. Aber nett – niemals. Was musste das für ein komisches Foto von ihm gewesen sein?

„Wo haben Sie denn dieses Foto gesehen?“

„In einer dieser Klatschzeitschriften, die, äh, immer beim Friseur ausliegen.“ Sie errötete, als ob es ihr peinlich wäre, solche Magazine zu lesen. Aber Sean wusste, das taten Millionen.

„Sie waren darauf zusammen mit einem Ihrer Brüder zu sehen, bei einem Footballspiel.“

Sean nickte. „Ach ja, mit Lucas. Ich erinnere mich.“ Seine Sekretärin hatte ihm die Zeitschrift gezeigt, sonst hätte er gar nichts von dem Abdruck gewusst. Ständig schwirrten Fotografen um ihn und seine Brüder herum, daran hatte er sich schon lange gewöhnt und nahm es kaum noch zur Kenntnis. Es gehörte einfach zu seinem Leben.

„Auf dem Foto haben Sie gelacht. Sie wirkten so … freundlich.“

„Freundlich? Das ist schon besser als nett. Aber nur ein bisschen.“ Seine lässige Art kam ihm im Geschäftsleben oft zugute, weil seine Kontrahenten dazu neigten, seine Härte zu unterschätzen. Aber was Frauen anging – keiner, die ihn kannte, käme es wohl in den Sinn, ihn als nett zu bezeichnen. Um Himmels willen!

Nett war … na ja, eben nett. Und er war nicht nett. Nicht in seinem Innersten. Das merkten die meisten sehr schnell, wenn sie ihn näher kennenlernten.

Sie zuckte die Schultern. „Wir brauchen uns hier nicht über Bezeichnungen wie nett oder freundlich zu streiten. Auf jeden Fall sahen Sie wie jemand aus, mit dem ich über all dies reden könnte.“

„Aber Ihnen ist schon klar, dass Sie mit Ihrem schönen Plan Ihren Großvater hintergehen?“

„Ach, hintergehen würde ich das nicht nennen. Schließlich würden wir ja wirklich heiraten.“

Er unterdrückte ein Lächeln. Irgendwie war es ihm sympathisch, mit welcher Energie sie Ihren Plan verfolgte. Und wenn er die Angelegenheit aus ihrer Sicht betrachtete, konnte er sogar nachvollziehen, dass sie in ihm den perfekten Ehemann auf Zeit sah. Die Frage war nur, ob ihm das auch gefiel.

In diesem Moment kam das Essen. Sie konzentrierten sich auf die Speisen und sprachen nicht viel. Sean empfand es als außerordentlich wohltuend, dass Melinda im Gegensatz zu vielen anderen Frauen die Stille nicht durch pausenloses Geplapper zu füllen versuchte. Auch ohne Worte herrschte zwischen ihnen eine gewisse Eintracht – als ob sie bereits ein Team wären.

Der Gedanke behagte ihm nicht. Schließlich hatte er sich immer noch nicht entschlossen mitzumachen.

„Sie haben also Ihr ganzes Leben hier auf der Insel verbracht?“, fragte er.

„Ja, seit ich fünf war. Es ist wunderschön hier. Die Inselhauptstadt – die einzige Stadt auf der Insel – ist klein, aber das Hotel ist meist voll belegt. Wir haben eine sehr hochklassige Kundschaft hier, schwerreiche Leute, die auf ihr Privatleben Wert legen. Sie geben in der Stadt viel Geld aus, sodass die Läden während der Saison so viel einnehmen, dass sie die Zeit ohne die Touristen gut überbrücken können.“

„Das weiß ich.“ Er lächelte sie an. „Auch die Kings können ganz gut Recherchen anstellen.“

„Dann wissen Sie ja auch, dass Tesoro wirklich der ideale Standort für Ihr geplantes Hotelressort ist“, sagte sie und legte Messer und Gabel beiseite.

„Allerdings.“ Tesoro war wirklich ideal, wie geschaffen für Ricos Pläne. Im Gegensatz zu seinem hochmodernen Hotel in Mexiko wollte er hier einen Ferientraum im inseltypischen Stil errichten.

Und King Construction stand für den Bau bereits in den Startlöchern. Die Baupläne waren fertig. Zur Not konnte man mit dem geplanten Projekt auch auf einen anderen Standort ausweichen, aber die Kings waren nun einmal auf die Insel Tesoro fixiert. Jetzt mussten sie sich nur noch mit Walter Stanford einigen.

„Ihr Vorhaben wäre auch für Tesoro eine gute Sache“, fuhr Melinda fort. „Es gibt auf der Insel eine kleine Baufirma, die mein Großvater vor zwanzig Jahren gegründet hat. Mit der könnte Ihre Firma zusammenarbeiten.“

„Ja, sicher.“ Natürlich wusste er auch das schon. Zwar hätten die Kings das Projekt ohne das ansässige Unternehmen durchziehen können, aber so würden sie gleichzeitig die einheimische Bevölkerung auf ihre Seite ziehen.

Alles würde wunderbar laufen – wenn er bereit wäre, dafür zu heiraten.

Im romantischen Kerzenlicht sah Melinda wie ein Engel aus einer anderen Welt aus. Sean war schon erregt, wenn er sie nur ansah.

„He, hören Sie mir überhaupt zu?“

„Doch, doch, sicher. Ich war nur etwas in Gedanken.“

„Wie gesagt, wir hätten alle etwas von meinem Plan, Sean. Sie bekommen das Land, die Insel erhält eine neue Attraktion, von der auch die einheimische Bevölkerung profitiert …“

„… und Sie bekommen Ihren Treuhandfonds.“

„Ja, das auch.“ Sie leerte ihr Weinglas. „Also, was sagen Sie? Sind wir im Geschäft? Wollen Sie mich heiraten?“

Sekundenlang rieselte es ihm kalt den Rücken herunter. Eigentlich hatte er sich ja geschworen, nie wieder zu heiraten. Aber die Situation war in diesem Fall eine andere.

Bei seiner ersten Heirat war er in mehrfacher Hinsicht hereingelegt worden. Diesmal aber würde er profitieren. Er würde den Ton angeben, würde entscheiden können, wann es zu Ende war.

Und diesmal wäre auch sein Herz nicht beteiligt.

Schließlich nickte er und streckte die Hand aus. „In Ordnung, wir sind im Geschäft.“

Als er sah, wie sie vor Glück strahlte, ging ihm das Herz auf. Sie ergriff seine Hand, und wieder spürte er eine merkwürdige Wärme und elektrische Spannung, stärker noch als beim ersten Mal. Falls sie es ebenfalls fühlte, ließ sie es sich auf jeden Fall nicht anmerken, deshalb zeigte auch er es nicht offen.

„Wir müssen noch eine Zusatz-Abmachung treffen“, sagte sie, als sie ihre Hand zurückzog.

„Da bin ich aber gespannt.“

„Keinen Sex!“

Mindestens eine Minute sah er sie verblüfft an, bis sie nervös den Blick abwandte.

Das war eine ganz neue Erfahrung für ihn. Er war es gewohnt, dass die Frauen sich ihm regelrecht an den Hals warfen. Sie waren geradezu verrückt nach Sex mit ihm. Erst vor einer Stunde hatte er an der Hotelbar eine attraktive Blondine abwehren müssen. So verführerisch sie auch gewesen war, er hatte nichts für sie empfunden – weil er mit den Gedanken bei Melinda Stanford gewesen war.

Bei der Frau, die ihn heiraten wollte – aber nicht mit ihm schlafen.

Als ob die ganze Angelegenheit nicht auch so schon verrückt genug wäre!

Was war nur mit ihr los? Er fand Melinda überaus anziehend, und er hätte schwören können, dass auch er sie nicht kaltließ. Hätten sie sich unter anderen Umständen kennengelernt, hätte er versucht, sie zu einem langen gemeinsamen Wochenende zu überreden – und zwar mit Erfolg, da war er sich ziemlich sicher.

Also – wo war das Problem?

„Keinen Sex“, wiederholte er verwirrt.

„Ganz genau. Warum sollten wir das Ganze unnötig komplizieren? Schließlich handelt es sich um eine Geschäftsbeziehung. Es ist ja nur auf dem Papier eine richtige Ehe, deshalb gibt es keinen Grund, dass wir …“

„… Sex haben sollten“, vollendete er den Satz, immer noch völlig verblüfft.

„Richtig.“

„Das wird ja immer besser“, murmelte er vor sich hin.

„Es sind ja nur zwei Monate“, sagte sie. „Das wird Sie ja wohl nicht umbringen.“

„Müsste durchzustehen sein“, erwiderte er. Wenn auch nur unter Qualen. Er sehnte sich doch schon jetzt nach ihrem Körper, dabei kannte er sie gerade mal ein paar Stunden. Wie sollte das erst werden, wenn er mit ihr verheiratet und ständig mit ihr zusammen war? Da konnten zwei Monate verdammt lang sein!

Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, Rico anzurufen und ihm vorzuschlagen, das Hotelressort vielleicht doch an anderer Stelle zu bauen. Doch dann verwarf er die Idee. Schließlich hatten sie sich aus gutem Grund auf Tesoro fixiert.

Die Insel war einfach wunderschön und von der Größe genau richtig. Das bereits vorhandene Hotel war so klein, dass das geplante Ressort fast zwingend notwendig war – und trotzdem würde der private Charakter des Eilands erhalten bleiben. Denn die Kings hatten es nicht auf Massentourismus abgesehen; hier sollten Superreiche Ruhe und Entspannung finden, unbehelligt von Pauschaltouristen und vor allem lästigen Paparazzi.

Alles war perfekt.

Bis auf die blöde Kleinigkeit mit der Heirat.

„Ach, noch etwas“, sagte Melinda plötzlich.

„Noch etwas? Reicht das denn noch nicht? Wollen Sie mich vielleicht zusätzlich noch in ein dunkles Verlies einsperren, bei Wasser und Brot?“

„Machen Sie sich nicht lächerlich.“

„Ach, ich mache mich lächerlich?“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Sie wollen, dass wir heiraten. Zusammenleben. Ihrem Großvater spielen Sie etwas vor. Aber das, was wirklich Spaß macht, das wollen Sie uns nicht gönnen.“

Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Aha, sie empfand also auch so wie er! Würde sie ihr eigenes Keuschheitsgelübde überhaupt durchhalten können? Das konnte noch interessant werden …

„Es geht bei der Sache schließlich nicht ums Vergnügen.“

„Nein, natürlich nicht.“

Eine Zeit lang dachte sie nach, dann sagte sie: „Tesoro ist eine sehr kleine Insel, Sean. Das heißt, Sie dürften in dieser Zeit auch mit keiner anderen Frau schlafen. Mein Großvater würde es herausfinden, und damit wäre unser Plan gescheitert.“

Er empfand ihre Worte als Beleidigung. Glaubte sie denn, er könnte sich nicht für zwei Monate beherrschen? Verärgert sah er sie an. „Ich bin nicht der Mann, der eine Frau betrügen würde. Wenn ich mein Wort gebe, halte ich es auch.“

Sie schlug die Augen nieder. „Tut mir leid. Ich wollte nur, dass alle Unklarheiten beseitigt sind.“

Gereizt lehnt er sich zurück. „Die sind beseitigt.“

„Und wir sind immer noch im Geschäft?“

Vielleicht mache ich einen Fehler, schoss es Sean durch den Kopf. Nein, bestimmt sogar, ich spüre es. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit, das zu bekommen, was ich mir so sehr wünsche.

„Ja“, sagte er. „Wir sind immer noch im Geschäft.“

Irgendwie konnte er nicht glauben, was er da tat. Konnte nicht glauben, dass er – entgegen aller Vorsätze – wieder heiraten würde. Und diese Ehe wäre genauso wenig auf der Wahrheit aufgebaut wie seine Erste.

Mit dem einzigen Unterschied, dass er diesmal von vornherein wusste, dass die Heirat nichts zu bedeuten hatte.

3. KAPITEL

Walter Stanford musste etwa Anfang bis Mitte siebzig sein. Ein hochgewachsener Mann mit schlohweißem Haar, dessen kerzengerade Haltung ihn jünger wirken ließ. Er stand hinter dem großen Schreibtisch in seiner Bibliothek und musterte Sean mit kühlem Blick.

Sean hielt dem Blick des älteren Mannes stand und blinzelte nicht einmal. Er wusste genau, wie man Verhandlungen führte. Eine Grundregel war: Wer zuerst sprach, verlor an Macht, offenbarte Schwäche. Also schwieg er und wartete darauf, dass Walter Stanford das Wort ergriff.

Stanfords Suite belegte das halbe obere Stockwerk des Hotels; die andere Hälfte bewohnte Melinda. Wie das ganze Gebäude strahlten auch diese Räumlichkeiten eine gewisse in die Jahre gekommene Eleganz aus, Würde mit einem Hauch von beginnendem Verfall. Keine Frage, das Bauwerk hatte schon bessere Zeiten gesehen. Sean fragte sich, ob der alte Herr wirklich so reich war, wie ihm nachgesagt wurde.

An der Decke bemerkte er einige Wasserflecken, Zeichen für eine längst überfällige Dachreparatur. Die Holzböden wiesen Kratzer auf, die Fensterrahmen wirkten abgenutzt.

Alles kleine Warnsignale, die aber für sich genommen nichts bewiesen. Vielleicht war Walter Stanford zu beschäftigt, sich um die Organisation solcher Reparaturen zu kümmern, die bei jedem Gebäude von Zeit zu Zeit anfielen. Vielleicht scherte er sich auch einfach nicht darum, solange die Geschäfte im Hotel gut liefen. Es konnte aber auch sein, dass der Inselbesitzer das Geld der Kings viel nötiger brauchte, als er sie glauben machen wollte.

Bei dieser Erkenntnis hätte Sean am liebsten triumphierend gelächelt, aber er verkniff es sich.

„Sie haben meine Enkelin ja kennengelernt“, sagte Walter und ließ sich in seinem Schreibtischsessel nieder.

„Ja. Sie macht einen … netten Eindruck.“ Er benutzte extra das Wort nett, weil sie ihn auch so bezeichnet hatte.

Zu dritt hatten sie sich eine knappe halbe Stunde lang angeregt unterhalten, vor allem über die Insel. Gerade erst vor ein paar Sekunden hatte Melinda den Raum verlassen. Der alte Stanford verschwendet wirklich keine Zeit, dachte Sean.

„Ich will ganz offen zu Ihnen sein“, sagte der alte Herr und legte die Fingerspitzen aneinander. „Sie wollen ein Hotelressort auf meiner Insel bauen. Und ich möchte, dass meine Enkelin glücklich wird.“

Sean nahm auf dem Besucherstuhl vor dem Schreibtisch Platz und tat ahnungslos. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“

Walter lächelte geheimnisvoll. „Sie sind alleinstehend und wohlhabend. Und Sie sehen halbwegs passabel aus.“

„Halbwegs“, wiederholte Sean. „Danke schön.“

„Ich bin dafür, mit offenen Karten zu spielen, Mr. King. Wie sehen Sie das?“

„Genauso. Ist immer gut zu wissen, was für ein Blatt der andere hat.“

„Eine gute Einstellung. Reden wir also offen. Ich möchte, dass Sie meine Enkelin heiraten. Sobald die Tinte auf der Heiratsurkunde getrocknet ist, gehört das Land Ihnen.“

Wäre Sean nicht durch Melinda vorbereitet gewesen, wäre er glatt vom Stuhl gefallen. Aber selbst so war er noch verblüfft. Man schrieb das einundzwanzigste Jahrhundert, und hier sollte so etwas wie ein Kuhhandel um eine Frau stattfinden!

Lauernd sah Walter ihn an und wartete auf eine Antwort. Sean ließ ihn warten. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Zu heiraten – selbst wenn es nur für eine begrenzte Zeit war – war ein großer Schritt. Eigentlich wollte er es nicht, aber er hatte die halbe Nacht gegrübelt, und ihm war kein anderer Weg eingefallen, ans Ziel zu kommen.

Das war Melinda sicher von Anfang an klar gewesen.

Was Sturheit anging, konnten die Stanfords – alle beide – es wirklich mit den Kings aufnehmen.

„Wie denkt Melinda denn darüber?“, fragte Sean vorsichtig.

Walter runzelte die Stirn. „Oh, sie versteht das. Es ist gut für sie. Gut für die Familie. Gut für die Insel.“

Ärger stieg in Sean hoch. Wenn Melinda nicht selbst die Initiative ergriffen und die Abmachung mit ihm getroffen hätte, wäre sie jetzt ein Opferlamm in einem mehr als zweifelhaften Geschäft.

Gut für die Insel, wiederholte er im Geiste. Eine Ungeheuerlichkeit, wirklich!

Vergeblich versuchte Sean in den Augen des alten Herrn zu lesen. Er fand nichts. Stanford musste früher ein exzellenter Pokerspieler gewesen sein!

„Nun, Mr. King?“ Walter Stanford legte die Hände auf den Schreibtisch. „Was sagen Sie dazu?“

Dazu hätte ich einiges zu sagen, du verschrobener alter Kauz, dachte Sean. Zum Beispiel, dass deine Enkelin für so ein Geschacher viel zu schade ist. Ein viel zu wertvoller Mensch, das weiß ich genau. Eigentlich sollte ich dir sagen, wo du dir deine blöde Insel hinstecken kannst.

Er hätte ihm auch etwas anderes sagen können. Dass seine Enkelin ihn verzaubert hatte, dass er ständig an sie denken musste, an ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht, an die Berührung ihrer Hand.

Aber nichts von alldem sprach er aus.

Stattdessen sagte er nur ein Wort: „Einverstanden.“

Überrascht sah der alte Mann ihn an.

„Einverstanden? Das war’s schon?“ Erstaunt lehnte Walter sich in seinem Schreibtischsessel zurück. „Darf ich fragen, warum Sie so schnell zustimmen?“

Sean lächelte ihn an. „Wollen Sie es sich lieber noch anders überlegen?“

„Um Himmels willen, nein.“ Walter kratzte sich am Kinn. „Ich hatte nur gedacht, es würde etwas länger dauern, Sie zu überzeugen.“

„Melinda ist eine wunderschöne Frau.“

„Ja, allerdings, aber sie hat noch viel mehr zu bieten als ihre Schönheit“, stellte ihr Großvater fest.

„Davon bin ich überzeugt. Wenn wir verheiratet sind, haben wir alle Zeit der Welt, alles über uns herauszufinden.“

„Hmm …“

„Sie haben sicherlich Nachforschungen über mich angestellt“, sagte Sean. Wenn Melinda das schon getan hatte, dann ihr Großvater sicher erst recht.

„Selbstverständlich.“

Sean nickte. „Na schön, dann ist ja alles klar. Sie haben mir ein Angebot unterbreitet, und ich habe es angenommen. Schluss, aus, fertig.“

Walter sah ihn an, als rechnete er damit, dass Sean einen Rückzieher machen würde. Sean verkniff sich ein Lächeln. Der Mann hatte seine Enkelin einem Fremden geradezu aufgedrängt, und jetzt, da der Fremde akzeptiert hatte, überfielen ihn plötzlich Zweifel? Ja, du alter Kauz, zu spät. Das Geschäft war abgeschlossen, und schon bald würden die Kings mit den Bauarbeiten beginnen.

Sean erhob sich und streckte Stanford die Hand entgegen. „Ich muss meiner Braut die gute Neuigkeit mitteilen. Anschließend rufe ich gleich meine Brüder an und sage ihnen, dass wir mit dem Hotelbau loslegen können.“

Auch Walter stand auf, ergriff Seans Hand und schüttelte sie. Als er wieder losließ, sagte er: „Sie dürfen mit den Bauarbeiten am Tag nach der Hochzeit anfangen.“

Sean zog eine Augenbraue hoch. „Trauen Sie mir etwa nicht?“

„Wenn ich Ihnen nicht trauen würde, würde ich Ihnen bestimmt nicht meine Enkeltochter zur Frau geben. Sagen wir, ich gehe einfach gerne auf Nummer sicher.“

„Na schön“, erwiderte Sean. „Ich sehe zu, dass unsere Rechtsanwälte Ihnen noch heute Nachmittag alle Unterlagen zufaxen.“

„Und mein Anwalt bereitet den Vertrag vor, den Sie dann bitte unterschreiben.“

Einen Augenblick lang sahen sich die Männer schweigend an. Beide dachten an die Frau, um die sich alles drehte. Sean fühlte sich ein wenig schuldig, Walter Stanford hereinzulegen. Aber schließlich war es Melindas Idee gewesen …

„Ich werde dann mal zu Melinda gehen und ihr alles berichten“, sagte er.

„Tun Sie das. Wollen wir uns heute Abend zum Essen treffen, um über Ihre Zukunftspläne zu reden? Sagen wir um sieben, hier in meiner Suite?“

„Einverstanden, bis dann. Ich nehme an, die Hochzeit wollen Sie planen?“

Walter nickte. „Ende der Woche sind Sie ein verheirateter Mann.“

Ende der Woche.

Das hörte sich verflixt endgültig an. Aber Sean hatte seine Entscheidung getroffen, und er würde dabei bleiben.

„Melinda ist eine starke Frau mit einem Herzen aus Gold. Vergessen Sie das nicht.“

„Ganz bestimmt nicht.“ Sean verließ das Zimmer und machte sich auf die Suche nach seiner Braut.

Am nächsten Morgen fühlte Sean sich hundeelend.

Während er wartete, dass auf dem Computerbildschirm Rafes Gesicht auftauchte, fasste er sich an den schmerzenden Kopf. Der alte Stanford hatte ihn gestern Abend doch tatsächlich unter den Tisch getrunken!

Er hatte unbedingt den Geschäftsabschluss feiern wollen, da hatte Sean natürlich schlecht Nein sagen können. Stundenlang hatte er Geschichten von der Insel und aus Melindas Kindheit erzählt und Sean ständig sündhaft teuren Brandy nachgeschenkt. Am Schluss war Sean heftig schwankend in sein Hotelzimmer zurückgekehrt.

Er hatte nur schwer in den Schlaf gefunden, während sich alles um ihn drehte, und schließlich merkwürdige Albträume gehabt. Stanford hatte ihn gejagt, mit einer riesigen Brandy-Flasche in der Hand, und Melinda hatte ihn mit Brautsträußen beworfen.

„Ich will lieber gar nicht wissen, was dieser Traum zu bedeuten hat“, murmelte er vor sich hin.

Aufstöhnend griff er nach der Schachtel mit Kopfschmerztabletten, als plötzlich Rafes Gesicht auf dem Bildschirm erschien.

„Guten Morgen, Sean“, sagte sein Bruder und hielt dann erschrocken inne. „Mann, Junge, du siehst aber gar nicht gut aus.“

In diesem Moment wäre Sean ein Telefonat lieber gewesen als diese Internet-Videokonferenz. Dann hätte er seinen beklagenswerten Zustand besser verbergen können. „Danke, Rafe. Ich freue mich auch, dich zu sehen.“

„Hast du gestern zu viel getrunken?“

„Das hast du sehr scharf beobachtet.“ Mit zitternden Fingern bemühte er sich, die Tabletten aus der Schachtel zu fischen.

„War nicht schwer zu erraten. Du hast dicke Augenränder und sitzt zusammengekrümmt da wie ein Häufchen Elend. Aber jetzt erzähl. Ist der Vertrag unter Dach und Fach?“

„Ach ja, der Vertrag …“

„Verflixt noch mal, Sean, raus mit der Sprache!“

„Autsch, bitte nicht so laut. Mein Kopf …“ Endlich hatte er zwei Tabletten aus der Folie gelöst und spülte sie mit einem Schluck aus der Wasserflasche hinunter. Anschließend nahm er gleich noch zwei. Nur um sicherzugehen. Im Stillen hoffte er, dass sie wie durch ein Wunder in Sekundenschnelle wirken würden.

Das war natürlich nicht der Fall.

„Gut, für dich flüstere ich sogar“, sagte Rafe leise. „Hauptsache, du erzählst endlich.“

„Es ist eine lange Geschichte“, begann Sean und rieb sich die Augen. „Deshalb möchte ich sie lieber nur einmal erzählen. Ist Lucas auch im Haus?“

„Das hört sich ja gar nicht gut an“, murmelte Rafe. „Aber, ja, er ist hier.“ Er drückte auf einen Knopf und sagte: „Marie, würden Sie bitte Lucas zu mir rufen? Danke.“

„Marie?“, fragte Sean. „Hast du eine neue Sekretärin?“

„Ja. Katie hat darauf bestanden, dass ich zu meiner Entlastung jemanden einstelle, damit ich immer rechtzeitig zum Abendessen zu Hause bin. Meistens jedenfalls.“

Es klang ein wenig wie eine Beschwerde, aber Sean wusste, wie sehr Rafe seine Frau liebte. Und das war auch kein Wunder. Rafe konnte einem manchmal ganz schrecklich auf die Nerven gehen, aber Katie war wirklich ein Engel. Davon abgesehen buk sie die leckersten Kekse der westlichen Hemisphäre.

„Wie geht es Katie?“, brachte Sean mühsam hervor.

„Oh, der geht’s prima“, antwortete Rafe glücklich lächelnd. Es war wirklich erstaunlich, wie sie den früher oft so mürrischen Rafe King verändert hatte. „Ich soll dir von ihr ausrichten, dass sie eine Charge ihrer Pistazien-Schokokekse für dich zurückgelegt hat.“

Normalerweise hätte Sean sich darüber gefreut, aber im Moment war ihm speiübel. „Sag ihr Dankeschön dafür“, würgte er.

Rafe runzelte die Stirn und winkte dann Lucas heran, der gerade sein Büro betreten hatte. Lucas setzte sich neben ihn, sodass Sean jetzt beide auf dem Bildschirm sah.

„Mann“, sagte Lucas erschrocken, als er Sean erblickte, „du siehst aber gar nicht gut aus.“

Sean seufzte. „Darin sind wir uns alle einig. Wie geht es dem Baby?“

„Danny geht es großartig“, erklärte Lucas voller Vaterstolz. „Ich glaube, er hat heute Morgen zum ersten Mal ‚Daddy‘ gesagt.“

Sean musste lachen, was einen neuen Kopfschmerzanfall bei ihm auslöste. Sein Neffe war kaum drei Monate alt, da sprach er bestimmt noch kein verständliches Wort. Aber Lucas war felsenfest davon überzeugt, dass sein Sohn ein kleines Genie war. Sean wollte ihn in dem Glauben lassen.

„Jetzt aber endlich zum Thema“, forderte Rafe ihn auf. „Ich habe das Gefühl, du ziehst mit irgendeiner Blondine um die Häuser, statt dich um die Geschäfte zu kümmern.“

„Ja“, warf Lucas ein. „Die Blondinen können warten, bis wir endlich unser Grundstück haben.“

„Was heißt warten?“, fragte Rafe. „Er soll sich überhaupt nicht vergnügen. Schließlich ist er zum Arbeiten auf der Insel.“

„Sei doch nicht immer so eine Spaßbremse“, schimpfte Lucas. „Er ist ja nicht tot. Und auch nicht verheiratet. Mann, ich hatte gedacht, seit du mit Katie zusammen bist, bist du ein bisschen lockerer.“

„Ich bin locker genug.“

Der Streit wurde heftiger, was Seans schmerzendem Kopf gar nicht guttat. Aber wenn seine Brüder sich erst mal in der Wolle hatten, waren sie nur schwer zu bremsen.

Trotz seiner Kopfschmerzen musste er lächeln. Sie mochten sich gelegentlich zanken, aber trotzdem hielten alle King-Brüder fest zusammen. Ihr Vater, Ben King, hatte zahlreiche Söhne gezeugt, jeden mit einer anderen Frau, und keine dieser Frauen geheiratet. Die meisten Söhne waren getrennt voneinander aufgewachsen, aber jeden Sommer hatte der Vater sie alle für rund drei Monate auf seine Ranch in Kalifornien eingeladen. Dort waren aus den King-Söhnen echte Brüder geworden. Die Zeit hatte ausgereicht, um sie zur Familie zusammenzuschweißen.

Seans Gedanken schweiften zu seinen Eltern ab. Er wusste, Ben hatte getan, was er konnte. Aber Seans Mutter war zu zart, zu sensibel, zu zerbrechlich gewesen, um im Leben wirklich zurechtzukommen. Sie hatte später mit einem anderen Mann zusammengelebt, der sich als übler Schläger entpuppte, und hatte nicht die Kraft aufgebracht, ihn zu verlassen. Selbst als es immer schlimmer wurde und …

„Sean!“

Sean schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte auf den Bildschirm, wo ihn seine Brüder erwartungsvoll ansahen. Er räusperte sich und sagte: „Es gibt keine Blondine.“

„Na, das ist doch schon mal was“, murmelte Rafe.

„Sie hat schwarze Haare“, sagte Sean. Er musste sich zusammenreißen, um nicht ins Schwärmen zu geraten. Ihre Figur, ihre Augen – sie war die Verführung in Person. Und er würde sie heiraten, durfte sie aber nicht anrühren. Das würde ihm eine schier übermenschliche Selbstbeherrschung abverlangen. Er kannte sie gerade mal rund einen Tag und konnte schon jetzt kaum noch an sich halten.

„Also doch eine Frau“, stieß Lucas triumphierend hervor. „Ich hab’s gewusst.“

„Jetzt lass ihn doch weitererzählen“, warf Rafe ein.

„Ich dachte, es geht um das Hotelprojekt“, erwiderte Lucas. „Ich habe keine Lust, mir Geschichten über seine neueste Eroberung anzuhören.“

Wieder begannen sie zu zanken. Wenn wir alle drei zu Hause im Konferenzraum säßen, dachte Sean, würde ich in der Zwischenzeit Kekse essen und auf meinem Smartphone einige Sachen checken. Aber im Moment bin ich froh, wenn ich mich aufrecht auf dem Stuhl halten kann.

Die Sonne schien hell durchs Fenster herein, und man hatte einen fantastischen Ausblick auf den Hafen und den Ozean, allerdings interessierte das Sean im Moment überhaupt nicht. Am liebsten hätte er die Gardinen zugezogen.

Sein Zimmer im Stanford-Hotel war geräumig und luxuriös eingerichtet, aber man sah ihm an, dass hier lange nichts verändert oder renoviert worden war. Man hätte dem Hotel fünf Sterne verleihen können – vor fünfzig Jahren. Doch seitdem schien hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Das einzige Zugeständnis an moderne Zeiten war der High-Speed-Internetzugang. Ansonsten wirkte alles wie in einem alten Film.

Kein Flachbildfernseher, kein modernes Bad, nicht mal ein Haartrockner oder eine Kaffeemaschine. Dennoch strahlte das Zimmer eine Eleganz und Würde aus, die ein moderneres Hotel schwerlich erreichen könnte.

„Na gut, du hast gewonnen“, sagte Lucas zu Rafe. „Ich höre Sean zu – wenn du deine Klappe hältst.“

Sean lachte laut und fasste sich dann an den schmerzenden Kopf.

„Also zur Sache, Sean“, forderte Rafe seinen Bruder mit ruhiger Stimme auf. „Erzähl.“

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, bekannte Sean. Die vergangenen sechsunddreißig Stunden waren wie eine Tour durchs Irrenhaus gewesen. Er konnte ja selber kaum glauben, was passiert war.

„Dann fangen mit dem Land an“, forderte Lucas. „Ist das Geschäft unter Dach und Fach?“

Sean atmete tief durch und trank einen Schluck Wasser, während seine Brüder ungeduldig warteten.

„Also, was ist jetzt?“, fragte Rafe.

Sean grinste verlegen. „Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten.“

„Na großartig“, murmelte Rafe.

„Fang mit den guten Neuigkeiten an“, riet ihm Lucas. „Dann kann ich die schlechten besser verkraften.“

„Okay. Die gute Neuigkeit: Das Geschäft ist abgeschlossen.“

Rafe und Lucas lachten erleichtert auf. „Warum hast du uns denn erst so auf die Folter gespannt, Mann?“, fragte Rafe.

„Ich habe gewusst, dass du es schaffst“, lobte Lucas. „Erst gestern Abend habe ich noch zu Rose gesagt, dass niemand dem Charme des guten alten Sean widerstehen kann.“

„Hmm …“ Vor ein paar Tagen hätte Sean seinem Bruder noch uneingeschränkt zugestimmt. Aber seit er Melinda Stanford getroffen hatte, musste er sich eingestehen, dass sein legendärer Charme offenbar doch Grenzen hatte. Sie hatte ihm ja nicht die Heirat vorgeschlagen, weil sie von seiner Intelligenz oder seinen Verführungskünsten so beeindruckt war. Und mit ihm schlafen wollte sie auch nicht. Noch nicht jedenfalls.

„Schön“, sagte Rafe. „Jetzt zu den schlechten Neuigkeiten.“

„Kann ja nicht so schlimm sein“, erwiderte Lucas fröhlich. „Hauptsache, das Geschäft ist abgeschlossen. Wir können sofort mit den Bauarbeiten beginnen und …“

„Lass ihn ausreden!“, mahnte Rafe.

Sean räusperte sich und schlug verlegen die Augen nieder. „Also – es sieht so aus, dass ich … äh … wohl heiraten werde.“

Totenstille.

Seine Brüder sahen ihn an, wechselten kurz einen Blick und starrten dann wieder auf ihn.

„Heiraten?“, fragte Rafe ungläubig.

„Bist du verrückt geworden?“, stieß Lucas hervor.

„Die schwarzhaarige Frau?“, fragte Rafe weiter.

„Genau die“, antwortete Sean. „Melinda Stanford.“

„Walters Enkelin. Deshalb hattest du mich angerufen und dich nach ihr erkundigt.“

Sean sah Lucas an und nickte.

„Du hast sie kennengelernt, dich in sie verliebt und ihr einen Heiratsantrag gemacht – und das alles in ein paar Stunden?“, bohrte Rafe nach. Er war ganz außer sich.

Sean zuckte zusammen. „Moment, wer hat was von Liebe gesagt?“

„Was sollte das ganze Manöver sonst für einen Sinn haben?“

„Ich, äh, ich habe eine Abmachung mit Melinda getroffen. Wir heiraten, und die Kings bekommen das Land.“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein“, rief Rafe empört.

„Deine Opferbereitschaft in allen Ehren“, kommentierte Lucas, „aber geht das nicht ein bisschen zu weit?“

Sean rieb sich die Stirn und betete, dass die Kopfschmerztabletten bald ihre Wirkung entfalten würden. „Jetzt ist es sowieso zu spät. Ich habe mich einverstanden erklärt und bleibe dabei.“

„Warum hast du das nur getan?“

„Weil ich keine andere Möglichkeit gesehen habe, an das Land zu kommen. Es gibt, sagen wir, persönliche und juristische Gründe dafür, aber die Einzelheiten erkläre ich euch später.“

„Du bist komplett durchgeknallt.“

„Bin ich nicht“, erwiderte Sean verärgert. „Die ganze Sache ist zeitlich begrenzt. Nach zwei Monaten lassen wir uns wieder scheiden. Aber das Land können die Kings natürlich behalten.“

Lucas schüttelte nur stumm den Kopf.

Rafe hingegen konnte seinen Redefluss kaum bändigen. „Das kannst du nicht machen, Sean. Denk doch mal nach. Du heiratest in der Gewissheit, dass du dich wieder scheiden lässt. Das ist doch nicht …“

„Du meinst, das ist nicht richtig?“

„Nein, das ist nicht das, was ich mir für dich gewünscht hätte. Eine Eheschließung ist ein großer Schritt. Er sollte etwas bedeuten.“

Sean hätte dazu einiges zu sagen gehabt, aber er verkniff es sich. Lucas und Rafe waren beide verheiratet, mit Frauen, die sie abgöttisch liebten. Sie würden seine Sichtweise niemals verstehen. Wie konnten sie auch? Sie wussten ja nicht, dass er schon einmal verheiratet gewesen war. Niemand wusste von dieser sehr kurzen, katastrophalen Ehe samt Scheidung, und so sollte es auch bleiben.

Auch ein King machte mal einen Fehler. Aber er redete anschließend nicht lang und breit darüber und heulte sich erst recht nicht aus. Sean hatte damals einen Fehler begangen, aber er hatte die Sache in Ordnung gebracht. Es würde niemandem nützen, wenn er die Geschichte jetzt auf den Tisch brachte.

„Ihr dürft das nicht als Ehe sehen“, sagte er schließlich. „Betrachtet es als, äh, geschäftlichen Zusammenschluss.“

„Eine komische Art, Geschäfte zu machen“, murmelte Lucas.

„Komisch oder nicht, immerhin kriegen wir, was wir wollen“, erklärte Sean. Das musste auch er sich immer wieder einreden: Er tat es für die Kings. Für ihre Zukunft. Mit diesem Prachtbau für ihren Cousin Rico würden sie ihr Renommee als Baufirma noch weiter steigern. Das war jedes Risiko wert. „Walter macht die Unterlagen fertig, sodass wir sie noch vor der Hochzeit unterschreiben können.“

„Wann soll die Hochzeit denn stattfinden?“, wollte Rafe wissen.

„Ende der Woche“, antwortete Sean und hatte plötzlich das Gefühl, als würde sich eine Schlinge um seinen Hals zusammenziehen. Aber er beachtete es nicht weiter. Er hatte sich einverstanden erklärt und würde jetzt bestimmt keinen Rückzieher machen.

„Noch in dieser Woche?“, fragte Lucas ungläubig.

„Gib uns Bescheid, wenn der genaue Termin feststeht“, sagte Rafe. „Wir werden da sein.“

„Nein.“ Energisch schüttelte Sean den Kopf, was seine Kopfschmerzen noch verschlimmerte.

„Nein?“, wiederholte Lucas erbost. „Was soll das heißen?“

Auch Rafe war verärgert. „Natürlich kommen wir, du Idiot. Wir lassen dich das doch nicht alleine durchziehen.“

„Verflixt noch mal, Rafe“, wetterte Sean. „Das ist doch keine echte Hochzeit für die Ewigkeit. Es ist eine rein geschäftliche Transaktion, das ist alles.“