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Bevor du weiterliest, stellen wir ein paar Dinge klar. Töten liegt ebenso in der menschlichen Natur wie in der eines Löwen. Das Einzige, das uns von diesem unterscheidet, ist der Grund, weshalb wir es tun. Denn seien wir mal ehrlich, der Löwe hat weitaus bessere Gründe, seine Beute zu jagen. Trotzdem schlummert der Drang nach Jagd, nach Blut, nach Rache oder Vergnügen tief in unseren schwarzen Seelen. Wir brauchen uns da überhaupt nichts vorzumachen. Und wenn wir uns das grundsätzlich eingestehen, lässt es sich deutlich entspannter leben. Ohne Unterdrückung, frei von Konventionen, Regeln und schlechtem Gewissen. Hört sich gut an, oder? Heute erschüttere ich dein Weltbild, Baby. Aber sag am Ende nicht, dass ich dich nicht vorgewarnt hätte. In meiner Geschichte öffnen sich rabenschwarze Abgründe, ohne sich wieder zu schließen. Wenn du nicht bereit dafür bist, einen Blick über die Klippe zu riskieren, erspare uns beiden deine Tränen und lies nicht weiter. Aber solltest du dich darauf einlassen, heiße ich dich herzlich willkommen in meiner Welt. Bane.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Buchbeschreibung:
Bevor du weiterliest, stellen wir ein paar Dinge klar.
Töten liegt ebenso in der menschlichen Natur wie in der eines Löwen. Das Einzige, das uns von diesem unterscheidet, ist der Grund, weshalb wir es tun. Denn seien wir mal ehrlich, der Löwe hat weitaus bessere Gründe, seine Beute zu jagen. Trotzdem schlummert der Drang nach Jagd, nach Blut, nach Rache oder Vergnügen tief in unseren schwarzen Seelen. Wir brauchen uns da überhaupt nichts vorzumachen. Und wenn wir uns das grundsätzlich eingestehen, lässt es sich deutlich entspannter leben. Ohne Unterdrückung, frei von Konventionen, Regeln und schlechtem Gewissen. Hört sich gut an, oder?
Heute erschüttere ich dein Weltbild, Baby.
Aber sag am Ende nicht, dass ich dich nicht vorgewarnt hätte. In meiner Geschichte öffnen sich rabenschwarze Abgründe, ohne sich wieder zu schließen. Wenn du nicht bereit dafür bist, einen Blick über die Klippe zu riskieren, erspare uns beiden deine Tränen und lies nicht weiter.
Aber solltest du dich darauf einlassen, heiße ich dich herzlich willkommen in meiner Welt.
Bane.
Über die Autorin
Wir schreiben das Jahr 1993. Ein braunhaariges achtjähriges Mädchen, wir nennen sie der Einfachheit halber Rose Bloom, sitzt stundenlang in ihrem Zimmer und kritzelt mit Buntstiften und viel Fantasie eine Geschichte nach der anderen in ihre Schulhefte. Sehr zum Bedauern ihres Mathelehrers, der außer seinen Zahlen und Formeln nichts anderes als Hausaufgabe gelten lässt.
In Rose Blooms Familie hatten Bücher schon immer einen hohen Stellenwert. Im Grundschulalter entdeckte sie selbst das Schreiben und konnte es nach einer längeren Pause niemals wirklich sein lassen.
Dann entdeckte Rose die weiten Möglichkeiten des Selfpublishings und im Januar 2016 entstand die erste Szene zu ihrem allerersten Liebesroman, den sie im Mai 2016 veröffentlichte.
Rose Blooms Bücher zeichnen sich vor allem aus durch viel Gefühl, Liebe und Leidenschaft in einem bildlichen Schreibstil. Sie möchte den Leser vollständig in die Geschichte saugen, genauso wie sie beim Schreiben völlig darin aufgeht.
Übrigens, heute wäre ihr Mathelehrer ganz sicher stolz auf sie.
Bane
Gefährliche Liebe
Rose Bloom
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
1. Edition, 2020
© 2020 All rights reserved.
Rose Bloom
c/o Textwerkstatt
Sabrina Cremer
Körfken 80
44227 Dortmund
Lektorat:
Wortkosmos, Sarah Nierwitzki,
www.wortkosmos.jimdofree.com
Coverdesign:
Einzigartig Buchdesign, Sandra Maier,
www.einzigartig-Buchdesign.de
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www.rose-bloom.de
Vorwort
Bevor du weiterliest, stellen wir ein paar Dinge klar.
Töten liegt ebenso in der menschlichen Natur wie in der eines Löwen. Das Einzige, das uns von diesem unterscheidet, ist der Grund, weshalb wir es tun. Denn seien wir mal ehrlich, der Löwe hat weitaus bessere Gründe, seine Beute zu jagen. Trotzdem schlummert der Drang nach Jagd, nach Blut, nach Rache oder Vergnügen tief in unseren schwarzen Seelen. Wir brauchen uns da überhaupt nichts vorzumachen. Und wenn wir uns das grundsätzlich eingestehen, lässt es sich deutlich entspannter leben. Ohne Unterdrückung, frei von Konventionen, Regeln und schlechtem Gewissen. Hört sich gut an, oder?
Denn was ist der Unterschied zwischen einem Mörder und der Familie seines Opfers, das sich an ihm rächen will? Und das aus dem einfachsten, stärksten und ursprünglichsten Impuls, den die Natur hervorgebracht hat?
Was ist der Unterschied zwischen einem Frauenmörder und dem Mob vor seiner Haustür, der dafür plädiert, ihn tot zu sehen?
Doch nur der Grund, weshalb man einen anderen Menschen tot sehen möchte.
Ob es der Hass auf Frauen oder der auf einen Mörder ist. Was macht es für einen Unterschied? Tod ist Tod.
Du spielst jeden verdammten Tag deines Lebens den Ankläger und richtest, wie es dir beliebt. Bist du dir dessen bewusst?
Jemanden sterben sehen zu wollen, ist nicht zu rechtfertigen, indem man einen angeblich guten Grund vorschiebt.
Du bist in diesem Moment genauso ein Mörder, wie ich es einer bin.
Nur eines unterscheidet uns: Ich streite es nicht ab.
Heute erschüttere ich dein Weltbild, Baby.
Aber sag am Ende nicht, dass ich dich nicht vorgewarnt hätte. In meiner Geschichte öffnen sich rabenschwarze Abgründe, ohne sich wieder zu schließen. Wenn du nicht bereit dafür bist, einen Blick über die Klippe zu riskieren, erspare uns beiden deine Tränen und lies nicht weiter.
Aber solltest du dich darauf einlassen, heiße ich dich herzlich willkommen in meiner Welt.
Bane.
Prolog
Zehn Jahre zuvor
Connor
Langsam arbeitete ich mich voran, die Glock nach vorn gerichtet. Mit den Augen durchsuchte ich die unteren Räume, die Küche, das schmale Badezimmer und das Gästezimmer, in dem ich im Moment schlief, doch sie waren alle leer.
Was auch immer das Geräusch verursachte, das mich soeben aus dem Schlaf im Wohnzimmer gerissen hatte, es musste von oben kommen. Adrenalin packte mich und durchfloss meinen Körper. Mein Herz wummerte, meine Finger kribbelten und meine Augen waren weit geöffnet. Kurz überlegte ich, Mitch anzurufen, aber dafür war keine Zeit. Jetzt musste ich zeigen, was ich in den letzten Jahren der Ausbildung bei ihm gelernt hatte. Aus diesem Grund war ich doch hier, oder? Um seiner Frau Schutz zu bieten. Wenn er mir nicht vertrauen würde, hätte er einen seiner Mitarbeiter für diesen Job beauftragt, bis dieser Spuk der Drohungen endlich ein Ende fand.
Ich lief Stufe um Stufe nach oben und spähte in den oberen Flur. Als ich erneut ein Poltern vernahm, beschleunigte ich meine Schritte.
Ein Schrei zerschnitt die gespenstische Stille und ich zuckte zusammen, rannte sofort los, auf Mitchs und Carolls Schlafzimmer zu, um dort die Tür einzutreten. Meine Waffe war in den Raum gerichtet, aber mein Hirn musste sich erst auf die Situation vor mir einstellen, bevor ich mein eigentliches Ziel anvisieren konnte.
»Lass sie los!«, rief ich und der schwarz gekleidete Mann vor mir gab ein Glucksen von sich. Auch er hörte die Panik in meiner Stimme. Bis auf seine dunklen Augen war nichts von ihm zu erkennen.
»Ich habe Mitch gesagt, dass er mir nicht in die Quere kommen sollte, sonst wird er es bereuen.«
Caroll schluchzte und der Mann drückte seinen Arm enger um ihre Kehle, zog sie rückwärts Richtung Fenster. Ich ging einen Schritt nach vorn, stolperte aufgrund meiner weichen Beine. Mein Finger zitterte am Abzug.
»Ich habe gesagt: Lass sie los!«, wiederholte ich, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sonst sagen sollte. Ich war ein guter Schütze, aber Caroll war viel zu dicht an dem Unbekannten dran. Es war zu gefährlich, jetzt auf ihren Angreifer zu schießen.
Der Mann lachte und auf einmal glänzte eine Klinge im hereinfallenden Licht der Straßenlaterne. »Sag Mitch, ab sofort wird er sich aus meinen Angelegenheiten raushalten.« Er war kein Mann, der bluffte. Seinen eiskalten Blick würde ich niemals in meinem Leben wieder vergessen, dessen war ich mir sofort bewusst.
Caroll schluchzte lauter, ich zielte mit der Waffe auf den Kopf des Unbekannten und plötzlich ging alles ganz schnell. Das Messer durchdrang Carolls Haut lautlos und mein Schrei ließ mir das eigene Blut in den Adern gefrieren. Der Mann schubste sie mir entgegen, meine Waffe entglitt meiner Hand und ich fing Carolls schwachen Körper auf. Mit ihr im Arm sank ich zu Boden und nahm im Augenwinkel wahr, wie der Mann aus dem Fenster sprang. Es war mir egal. Alles, was zählte, war, dass Caroll überlebte. Sie war zu so etwas wie einer Mutter geworden. Es war unmöglich, dass sie hier und jetzt sterben würde, das würde ich nicht zulassen.
»Halte durch«, schluchzte ich. »Halte bitte durch! Ich rufe den Krankenwagen!«
Ihre Lider fielen immer wieder zu und ich drückte sie enger an mich. Blut. So viel Blut. Der metallene Geruch ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Sie röchelte, sackte in sich zusammen und mein Schluchzen wurde lauter.
Auf einmal ertönte ein weiteres Krachen. »Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen raus! Waffen auf den Boden!«
Polternde Schritte hallten durch das untere Stockwerk und Caroll schenkte mir ein letztes schwaches Lächeln. Die Geräusche näherten sich. »Alles ist okay«, flüsterte sie, als müsste sie mich beruhigen und nicht ich sie.
»Hier ist er! Lassen Sie die Frau los!«, schrie eine dumpfe Stimme, aber die Worte drangen kaum in mein Hirn. Ich war über und über mit Blut bedeckt. Carolls Blut. Ich hätte auf sie aufpassen sollen. Ich hätte ihr Beschützer sein sollen, so wie sie und Mitch mich beschützt und aufgenommen hatten. Ich hätte …
Jemand riss mich von Caroll los, drückte mich auf den Boden und verschränkte meine Arme hinter dem Rücken. Mein Gesicht wurde in den rauen Teppich gepresst und mein Blick blieb an Caroll hängen, um die sich nun mindestens vier Personen drängten.
Stimmen sprachen auf mich ein, sagten irgendetwas von »Verhaftet« und »Aussage verweigern«, aber ich hörte nicht zu. Ich wollte den Arm ausstrecken, doch er wurde zurückgezerrt. Nur Augenblicke später glitten meine Handgelenke in kalte Handschellen.
Und als ich sah, wie Caroll von einem Sanitäter hochgehoben wurde und ihr Körper nur noch leblos herunterhing, verdrängte ein anderes Gefühl den puren Schmerz, den ich bei ihrem Anblick empfand.
Hass.
Ich würde den Mann finden, der dafür verantwortlich war. Was auch immer es kostete. Selbst mit meiner eigenen Seele würde ich bezahlen.
1
Dawn
»Bist du dir sicher, dass du nichts davon haben willst?«
Während ich den Kopf schüttelte, band ich mir die fleckige Schürze um die Hüfte und meine dunkelbraunen Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen.
Cheryl zuckte schniefend mit den Schultern. »Dein Problem, Prinzessin.« Sie bückte sich in Richtung des dreckigen Waschbeckens in unserem Personalraum, hielt sich ein Nasenloch zu und zog sich das weiße Pulver auf dem Rand bis tief in ihr kaputtes Hirn.
Obwohl meine Zukunft nicht zuversichtlicher aussah als ihre, wurde diese ganze Scheiße sicher nicht besser, wenn man sich volldröhnte. Nachdem ich schon alles andere, inklusive meines Stolzes und meiner Würde, hinter mir gelassen hatte, wollte ich wenigstens meinen Verstand behalten.
Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Nase, kramte einen Eyeliner aus dem Kosmetiktäschchen, das neben den pulvrigen Resten ihres Speeds stand, und beugte sich zum Spiegel vor. »Keine Ahnung, wieso du dieses Drecksloch bei klarem Verstand betreten willst. Du bist nichts Besseres, Prinzessin, auch wenn du das nach einem halben Jahr hier immer noch denkst«, nuschelte sie und malte sich den verschmierten Rest ihres Lidstrichs nach. »Ich war auch einmal wie du. Ein junges, hübsches Ding, das gedacht hat, sie würde hier nur ein wenig Kohle scheffeln und dann ihren Traum an einem deutlich besseren Ort fortsetzen.«
Ich schloss den Spind und sie drehte sich zu mir herum. Alles in ihrem Gesicht strahlte Verachtung aus und ich hatte keine Ahnung, was sie verursachte. Möglicherweise war es die Tatsache, dass ich zwanzig Jahre jünger war und mehr Trinkgeld bekam als sie. Aber in Wirklichkeit kannte sie nichts außer meinem Namen – und der war noch nicht mal echt. Wüsste sie irgendetwas über meine Vergangenheit, würde sie vielleicht anders über mich denken.
»Akzeptier es. Du steckst genauso hier fest wie alle von uns. Also komm damit zurecht und pass dich an.«
Sie wandte sich ab und widmete sich einer weiteren Line. Wahrscheinlich hatte sie sogar recht und ich würde genauso versacken wie sie, oder aber ich könnte ihr die Stirn bieten, um meine Ruhe zu haben. Doch mittlerweile wusste ich, dass jede Diskussion mit ihr sowieso nichts brachte. Denn ich wollte in der Tat nur eines: Meinen Plan umsetzen, ein paar Kröten verdienen und aus diesem Drecksloch abhauen, um endlich ein Leben zu beginnen. Ein besseres, nicht so eins, das ich hinter mir gelassen und hier vorgefunden hatte.
Ich warf Cheryl noch einen Blick zu und ging nach draußen in den stickigen Gastraum. Das Geräusch meiner schweren Boots auf den abgewetzten Holzplanken begleitete rhythmisch die Rockmusik im Hintergrund, als ich Richtung Theke lief. Das Old Bulls war eine typisch texanische Bar an der Route 66. Blinkende Neonschilder, viel Holz, Flaggen und Geweihe an den Wänden, all das gemischt mit dem Geruch von Bier und altem Frittierfett. Unser Chef Bulldog legte Wert darauf, dass unsere Klamotten nicht zu weit und unsere Ausschnitte tief genug waren, um die Gäste so lange wie möglich hierzubehalten. Diese bestanden aus heimatlosen Truckern, pöbelnden Bikern und hin und wieder verirrte sich sogar ein Tourist hierher, der jedoch nie länger blieb als auf ein Bier. Was ich verstehen konnte. Dieser Ort war nicht schön, gemütlich oder einladend. Es war ein Platz, an dem sich all die verlorenen, schwarzen Seelen des Landes trafen und nur ein Funken fehlte, um dieses Pulverfass hochgehen zu lassen. Ich hatte diesen Moment erst einmal erlebt und wollte, dass er sich kein einziges Mal mehr wiederholte.
Deswegen wusste ich mittlerweile, wie ich mit den fast ausschließlich männlichen Gästen umzugehen hatte, doch sicher oder wohl fühlte ich mich zu keiner Sekunde in diesem verdammten Laden.
»Hi Whisky«, begrüßte ich den grauhaarigen Barkeeper, der mir nur knapp zunickte. Er war nicht gerade ein gesprächiger Typ und soweit ich wusste schon seit mindestens zwei Jahrzehnten hier, was auch immer er an diesem miesen Job fand. Doch er war mir tausendmal lieber als Cheryl. »Wie geht‘s dir?«
Ich lehnte mich gegen den Tresen und versuchte mich an einem Lächeln. Er sah kurz auf und widmete seine Aufmerksamkeit erneut dem Zapfhahn.
»Man beißt sich so durch«, erwiderte er wie jedes Mal, wenn ich ihn fragte.
»Kommt Bulldog heute vorbei?«
»Glaube nicht.«
Ich drehte mich herum und inspizierte die Tische, während mein rechter Fuß zu Bob Dylans Like a Rolling Stone auf dem Boden tippte. Der Gastraum war arbeitstechnisch in zwei Bereiche eingeteilt. An einem Abend unter der Woche reichte es, wenn nur eine Kellnerin hier war, Freitag bis Sonntag waren Cheryl und ich gemeinsam am Werk. Ich übernahm meistens den linken Bereich, einschließlich der zwei Billardtische, und Cheryl die restlichen Plätze.
»Dann mache ich mich mal ans Werk«, murmelte ich seufzend, nahm das vorbereitete Tablett mit vier Krügen Bier und durchquerte den Raum zu den ersten Gästen. Ein mittelalter Typ mit Vollbart pfiff durch die Zähne, als ich an den Tisch trat. Er spielte mit vier anderen Kerlen Karten und ihre Kutten hingen über den Stuhllehnen hinter ihnen. Ich kannte das Emblem eines berüchtigten Rockerclubs hier in der Gegend mittlerweile, weil die Männer oft genug ihre Zeit hier verbrachten und es noch dazu darauf anlegten, jeden wissen zu lassen, was für harte Kerle sie doch waren.
»Hey Süße, willst du nicht heute bei uns Platz nehmen?«
Ich setzte ein falsches Lächeln auf und stellte die Bierkrüge auf dem Tisch ab. »Sorry, Stitch, ich bin hier zum Arbeiten und nicht zum Vergnügen.«
Als seine Hand mit voller Wucht meinen Hintern traf, zuckte ich zusammen. Mein Gesichtsausdruck entgleiste für einen Moment und ich atmete zittrig aus. »Komm schon, ich verrate Bulldog auch nichts davon.« Die Anderen am Tisch lachten hämisch und ich sprang einen Schritt zur Seite, bevor Stitch mein Handgelenk packen und mich zu sich ziehen konnte. Cheryl nahm für ein wenig mehr Trinkgeld liebend gerne auf seinem Schoß Platz, ich ganz bestimmt nicht.
»Er kriegt alles raus, das weißt du doch.« Schnell schluckte ich den dicken Kloß in meinem Hals und die Worte, die ich ihm eigentlich an den Kopf knallen wollte, hinunter und zwinkerte ihm lässig zu, während ich das Tablett wie ein Schild vor mich hielt. Ich hatte schon einmal einem Typen damit das Nasenbein gebrochen und wäre fast rausgeflogen. Man durfte sich seine Angst vor solchen Kerlen nicht anmerken lassen, dann war man sicher. Zumindest so sicher, wie man als ein Meter fünfundsechzig kleine Frau zwischen Schwerverbrechern sein konnte.
»Wie schade. Dann bring uns noch einen Whisky zu unserem Bier, vielleicht hast du es dir bis dahin anders überlegt.«
Er widmete sich wieder dem Pokerspiel und ich atmete erleichtert durch, ehe ich zurück zur Bar eilte und versuchte, den Abend unbeschadet hinter mir zu lassen.
2
Dawn
Was als bescheidener Abend angefangen hatte, entwickelte sich okay, wenn man außer Acht ließ, dass die Messlatte für diesen Umstand nicht sonderlich hoch lag. Während die Kneipe genauso voll wie ihre Gäste wurde, kassierten Cheryl und ich einen Trinkgeldbatzen nach dem anderen.
Keine Ahnung, ob es daran lag, dass in dem schäbigen Motel nebenan heute Mittag neue Gäste eingetroffen waren, die nun eine Abendbeschäftigung suchten, aber im Grunde war es mir egal. Hauptsache ich konnte genug Scheine für ein neues Leben nach dieser Scheiße hier in meine Tasche stecken.
Der Schweiß rann mir den Rücken hinab und die Hitze im Raum wurde irgendwann unerträglich. Selbst in der Nacht war dieser Teil Texas und die umliegende Wüste so heiß, dass man ein Spiegelei auf dem Asphalt braten konnte. Ich wischte mir mit meiner Schürze über das Gesicht und wartete, bis Whisky fertig mit der Bestellung war. Mein Blick schweifte durch den Raum und ich ballte die Hände zu Fäusten. Das konnte doch nicht wahr sein!
Mit großen Schritten stürmte ich auf Cheryl zu, die gerade einen meiner Tische abräumte. »Sag mal, geht‘s noch?«, blaffte ich sie an und es war mir egal, dass ich mich sonst eher bei ihr zurückhielt. Hier ging es um weit mehr, als nur eine Auseinandersetzung aus Neid. Ab sofort herrschte Krieg, wenn sie es so haben wollte.
Sie stemmte eine Faust in ihre Hüfte und zog die Augenbraue hoch. »Was ist los, Prinzessin? Ich wollte dir nur helfen, kein Grund so überzureagieren!«
»Helfen? Du hast dir gerade die Scheine, die für mich bestimmt waren, selbst in die Tasche gesteckt! Gib sie mir zurück!« Ich hielt ihr die Hand hin, doch sie lachte bloß hämisch.
»Welche Scheine? Du siehst Gespenster, wahrscheinlich waren die Gäste mit deinem Service nicht zufrieden.« Ihr Blick flog einmal von unten nach oben über meine Jeans und das weiße Top. »Vielleicht solltest du dir das nächste Mal etwas mehr Mühe geben, dann bekommst du auch Trinkgeld.«
Ich ignorierte den Umstand, dass ich ganz bestimmt nicht rumlaufen würde wie sie in ihrem viel zu kurzen Rock, den hohen Stiefeln und einem Stofffetzen als Top, der alles preisgab. Sie erzählte jedem, sie wäre erst fünfunddreißig, aber ihr verbrauchter Körper sprach eine andere Sprache.
»Du gibst mir jetzt sofort mein Trinkgeld, oder …«
Wieder lachte sie auf und ging einen Schritt auf mich zu. »Oder was?«, wisperte sie bedrohlich und die Falte zwischen ihren Augenbrauen wurde tiefer. »Wenn du mich noch einmal beschuldigst, dir irgendetwas geklaut zu haben, stech ich dich im Schlaf ab und nehm mir alles, was du besitzt, du kleine Schlampe.« Dann ging sie einen Schritt zurück und strich mir fast freundschaftlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich denke, wir haben uns verstanden, Prinzessin.«
Die Wut brodelte in mir und am liebsten hätte ich sie an Ort und Stelle an ihren blonden, falschen Haaren über den Tisch gezogen. Aber ich wusste, ihre Worte waren keine leere Drohung, denn sie hatte nichts mehr zu verlieren. Und der Umstand, dass Bulldog uns ausgerechnet zusammen in eine Art Wohngemeinschaft gesteckt und sie jederzeit Zugriff auf mein Zimmer hatte, machte die Sache nicht gerade einfacher. Vor allem, weil meine Tür nur ein kaputtes Schloss besaß.
Also sah ich ihr nur hinterher, als sie mit wogenden Hüften und triumphierendem Grinsen zurück zur Bar stöckelte, und wollte fester denn je an Karma in meinem Leben glauben. Ich folgte ihr, ignorierte, dass sie mich von der Seite immer noch breit angrinste, und nahm das nun fertige Tablett an mich. Die Eingangstür öffnete sich und Cheryl sog neben mir die Luft ein. Ich folgte ihrem Blick und wusste gleich, auf was sie es abgesehen hatte.
Die meisten Typen, die herkamen, waren entweder alt, verwahrlost, gewalttätig oder alles von diesen Dingen zusammen. Aber der Kerl, der gerade am Eingang stand und den Raum mit wachsamen Blicken sondierte, war anders.
Er hatte die gleiche dunkle Ausstrahlung wie alle hier und sah mit seinen fast zwei Meter Größe, der Breite wie der eines Bären und dem dichten Vollbart nicht gerade aus wie ein Typ, den man seiner Mom vorstellen würde. Aber genau das machte seinen Reiz aus. Er war verwegen, anziehend und eindeutig gutaussehend. Na gut. Er war heiß, und zwar eine Zwölf auf einer Skala von eins bis zehn.
»Der gehört mir«, zischte mir Cheryl zu und ich zuckte nur mit den Schultern und wünschte ihr still und heimlich, dass der Typ ihr keinen Cent Trinkgeld hinterließ.
Er setzte sich in Bewegung und nahm an einem der hinteren Tische Platz. Wir nannten diese schlechtbeleuchtete Ecke Death Corner, und eine Kollegin, die vor mir hier gearbeitet hatte, war dort fast vergewaltigt worden, ohne dass Whisky oder jemand anderes etwas mitbekommen hätten. Glücklicherweise war der Tisch ohnehin in Cheryls Bereich, also musste ich mir darüber keine Sorgen machen. Sie wusste sicherlich, wie man sich zur Wehr setzte. Wenn sie es bei diesem Typen überhaupt wollte.
Ich bediente weiter meine Gäste, lächelte so falsch und freundlich wie ich konnte und räumte die Tische besonders weit vorgebeugt ab, damit alle Anwesenden auch einen guten Blick in meinen zum Glück recht üppigen Ausschnitt hatten. Vor zwei Jahren hätte ich im Traum nicht darüber nachgedacht, wildfremden Kerlen meine halben Brüste zu zeigen, aber jetzt war ich eine andere und hatte keine Wahl. Nach einer halben Stunde ging ich ein weiteres Mal zurück zur Theke. »Einen Old Fashioned, drei Bier und vier Wodka Shots«, bestellte ich und der Barkeeper nickte.
Cheryl kam mit blähenden Nasenlöchern und einem Blick, der töten könnte, aus dem Death Corner. Sie schmiss ihr Tablett auf die Theke und atmete stoßweise aus.
»Hey, immer langsam!«, maßregelte Whisky sie und sie zeigte ihm ihren Mittelfinger.
Ich wollte nicht fragen, aber ich war trotz ihres beschissenen Verhaltens kein Mensch, der andere leiden sehen konnte. Außerdem war ich ziemlich neugierig, was eine meiner größten Schwächen war. »Was ist los?«
»Der Typ ist ein Wichser, du kannst ihn haben! Gibt sowieso kein Trinkgeld!«
»Wieso, was hat er gesagt?« Sie legte die Hand auf ihre Brust und sah mich an, als hätte ich ihr höchstpersönlich die Worte an den Kopf geknallt. »Dass ich eine alternde Nutte bin und nicht mal drüber nachdenken soll, mich auf seinen Schoß zu setzen.«
Ich verkniff mir ein Lachen. Das war Cheryls Masche und anscheinend hatte sie beim ersten Typen des Landes nicht funktioniert. »Oh«, erwiderte ich, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sonst sagen sollte. Geschieht dir recht, vielleicht?
»Er kann sich seine beschissene Cola selbst holen! Verdammter Penner!«, schimpfte sie weiter und stapfte davon.
Ich warf Whisky einen Blick zu und sah ihn zum ersten Mal, seitdem wir uns kannten, heimlich grinsen. Er hatte doch Gefühle und konnte Cheryl genauso wenig leiden wie ich. Immerhin ein Verbündeter.
»Hier ist seine Coke«, sagte er und stellte es auf das Tablett, das Cheryl eben hingeknallt hatte. »Ich sage ihm nicht, dass er sie sich selbst holen soll.«
»Ich garantiert auch nicht«, antwortete ich und schnappte mir das Tablett. Ich war schon mit ganz anderen Kerlen klargekommen, dann würde ich dem hier wohl noch eine Cola servieren können. Zumindest nahm ich das zu diesem Zeitpunkt an.
Als das Licht düsterer wurde, während ich mich dem Death Corner näherte, klopfte mein Herz doch einen Deut schneller als gewohnt. Keine Ahnung, wieso Bulldog hier hinten immer noch keine Lampe angebracht hatte. Wahrscheinlich einfach, weil er es liebte, uns leiden zu sehen.
Der Bär hatte die Augen geschlossen und die Finger über seinem Bauch gekreuzt, als würde er schlafen oder meditieren. Seine Gesichtszüge wirkten entspannt, als könnte ihm nichts und niemand auf dieser Welt etwas anhaben. Ich beneidete ihn augenblicklich um dieses Gefühl.
Eine abgewetzte Lederjacke hing über einem Stuhl neben ihm und er trug ein dunkelgraues Ozzy-Osbourne-Shirt, das ich ziemlich klasse fand. Unter dem runden Ausschnitt verschwand eine dünngliedrige, silberne Kette und man sah seinem Oberkörper an, dass er eindeutig muskelbepackt war.
Ich wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, damit er sich nicht erschreckte, da zuckte ich selbst aufgrund seiner dunklen Stimme zusammen.
»Stell sie endlich auf den verdammten Tisch oder brauchst du noch ein paar Minuten, um mich mit Blicken auszuziehen?« Er öffnete nicht mal die Augen, um mich anzusehen, und vielleicht war das auch besser.
Vorsichtig hob ich die kleine Flasche an und stellte sie ihm unter die Nase. Er rührte sich nicht einmal und ich zögerte weiterhin.
Als ich aufsah, traf mich sein Blick wie ein Geschoss mitten in die Stirn und meine Atmung verlangsamte sich augenblicklich. Seine Augenfarbe erkannte ich in dem Licht nicht, aber den Blick konnte ich sehr wohl deuten. Alles an ihm schrie: Verpiss dich!
Ich fühlte mich wie ein Reh im Scheinwerferlicht, das wusste, wie übel die Lage für es aussah und sich trotzdem nicht bewegen konnte.
»Anscheinend muss ich eine ganz schöne Show für dich abgeben, Skip«, sagte er und seine Stimme klang plötzlich leicht amüsiert. Der gesamte Typ war ein einziger Widerspruch. Er lehnte sich nach vorn und zuckte kurz zusammen, als hätte er Schmerzen, bevor er seine Unterarme auf der Tischplatte ablegte.
»Tut mir leid, aber normalerweise gehört es sich auch, sich zu bedanken, wenn man etwas an den Tisch gebracht bekommt.«
Er lachte auf. »In diesem Schuppen? Ich bezweifle, dass du je ein einziges aufrichtiges Danke hörst, außer der Kerl, der es dir sagt, will dich flachlegen.« Er hob eine Augenbraue und sah mir ungeniert auf die Brüste. »Kommt wohl doch recht häufig vor, oder?«
»Zu oft«, murmelte ich ertappt. Sein Shirt war durch seine Bewegung an den Ärmeln ein Stück nach oben gerutscht und mein Blick fiel zu seinem linken Oberarm, um den ein fleckiger Verband gebunden war. Er war verwundet.
»Miesen Tag gehabt?«, fragte ich und hielt das Tablett vor mich.
Er nickte knapp, aber sein linker Mundwinkel zog sich ein Stück nach oben. »Kann man so ausdrücken.«
Ich trat von einem Bein auf das andere. »Soll ich mir das mal ansehen? Wir haben einen alten Verbandskasten im Personalraum«, bot ich an und er verzog den Mund zu einem breiten Grinsen.
»Haben alle Kellnerinnen in dem Laden jetzt entweder eine Ausbildung als Nutte oder als Krankenschwester? Wieso bin ich nicht früher hierhergekommen, das ist ja das reinste Paradies.«
»Nein, Arschloch, aber ich kann noch mehr als Bier durch die Gegend zu tragen. Dann eben nicht, wollte nur nett sein.« Ich schüttelte genervt den Kopf und wandte mich ab. Hoffentlich trank er nur die eine Cola und verschwand wieder auf Nimmerwiedersehen. Als wäre mein Leben hier nicht schon beschissen genug, brauchte ich nicht noch einen Kerl, der es mir unter die Nase rieb. »Hey Skip.« Ich zögerte, aber drehte doch den Kopf zu ihm zurück. »Danke.«
Es klang tatsächlich aufrichtig, jedoch hatte das bei diesen Typen nie etwas zu bedeuten. Hatte er schließlich selbst gesagt.
Ich lief weiter und hätte schwören können, seine Blicke den ganzen Abend auf mir zu spüren. Irgendwann nahm er einen Anruf entgegen, stand auf und verließ den Laden, ohne noch etwas zu mir zu sagen.
Als ich zu seinem Tisch ging, um ihn abzuräumen, lagen darauf tatsächlich hundert Dollar, die alles wettmachten, was Cheryl mir heute gestohlen hatte. Ich steckte sie schnell in die Tasche, bevor sie etwas davon mitbekam. Vielleicht war er doch nicht so verkehrt, zumindest wenn man sich nicht auf eine Unterhaltung mit ihm einließ.
3
Bane
Zum vierten Mal wusch ich mir die Hände. Das tat ich immer nach einem Job und es war zu so etwas wie einem zwanghaften Ritual geworden.
Beinahe hatte ich damit das Gefühl, ein Stück der Hülle abzuwaschen, mit der ich die Aufträge ohne Gewissensbisse erledigen konnte, und die unbedingt nötig dafür war. Und trotz meiner Waschorgien würde ich es niemals schaffen, sie komplett abzuschütteln. Sie war ein Teil von mir geworden, ich konnte ohne sie nicht überleben. Es war gut, dass es sie gab.
Ich trocknete mir die Hände ab und inspizierte die Schusswunde an meinem Oberarm. Sie sah ziemlich scheiße aus und ich musste mir unbedingt irgendwas besorgen, damit sich die Entzündung nicht ausbreitete. Wäre ich nicht so verdammt weit weg von meiner Bude in Pasadena und hätte ich nicht so überstürzt abhauen müssen, hätte ich diese Probleme überhaupt nicht. Und das fuckte mich tierisch ab. Aber es brachte nichts, in der Vergangenheit zu leben. Nun musste ich zusehen, mich mal wieder aus der Scheiße hinauszumanövrieren, was bis jetzt doch immer gut geklappt hatte. Die Fäden der Lösung führten genau an diesen verlassen Ort. Nach dem plappernden Mistkerl zufolge, bei dem ich heute gewesen war, noch ein Stückchen mehr. Also war mein Ziel greifbar und das Kribbeln in meinem Inneren nahm immer weiter zu. Doch ich musste mich zurückhalten. Noch. Um keinen Fehler zu begehen, den ich im Nachhinein bereuen würde. Aber ich war ohnehin ein verdammter Perfektionist und ging niemals ein Risiko ein, wenn ich es nicht abschätzen konnte.
Ich wickelte den ausgewaschenen Verband erneut um meinen Arm und warf einen kurzen Blick in den Spiegel, bevor ich zurück in das kahle Motelschlafzimmer ging. Der Raum war in kackbraun eingerichtet und stank schlimmer als das Haus eines Crackdealers. In meinem Leben hatte ich viele Motelzimmer von innen gesehen und dieses hier gehörte eindeutig zu den Top Ten der beschissensten. Aber da ich ohnehin nie länger als ein paar Wochen an einem Ort blieb, juckte mich die Inneneinrichtung einen Dreck. Hauptsache es gab ein Bett, ein Badezimmer und hin und wieder eine nette Ablenkung mit einem knackigen Arsch für einsame Nächte.
Ich nahm ein frisches Shirt und zog es mir über, bevor ich mich mit einer Dose Coke nach draußen auf eine Bank auf der Veranda setzte. Alle Zimmer des Motels lagen dicht aneinander und das einstöckige Gebäude bildete als U einen staubigen Innenhof, in dem man parken konnte. Es lag direkt an der einzigen Straße, die durch diese Wildnis führte und außer der schäbigen Bar gegenüber und dem Motel gab es hier einige Meilen weit nichts. Also ohnehin das perfekte Lager für einen Typen wie mich.
Die Luft war selbst um diese Uhrzeit stickig und warm und ich legte den Kopf gegen die Wand hinter mir. Es war drei Uhr nachts und ich brauchte mindestens noch eine Stunde, bis ich genug heruntergekommen war, um schlafen zu können. Die Bilder meines Auftrags würden mich sicherlich die gesamte Nacht verfolgen, bis sie am nächsten Morgen wie durch Zauberhand aus meinem Gedächtnis gelöscht waren. Wenigstens brachte die jahrelange Erfahrung in meinem Job eine gute Eigenschaft: Abschalten zu können, egal wann, egal wo.
Der Nachthimmel lag schwer und dunkel über dem texanischen staubigen Nichts und hier draußen waren die Sterne so gut zu sehen wie in wenigen Orten im Land.
Ich löste den Blick vom Himmel, denn das Blinklicht über dem Bareingang wurde gelöscht und einige Minuten später erkannte ich die kleine Kellnerin, die mit dem älteren Barkeeper aus der Bar kam. Er schloss ab, verabschiedete sich mit erhobener Hand und setzte sich in einen Wagen, um kurz darauf loszufahren.
Die Kleine legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Sterne. Ihre dunkelbraunen Haare waren heute geöffnet, und sie trug ähnliche Klamotten, wie die, die sie jeden Tag auf der Arbeit anhatte. Enge Jeans und ein weites Shirt. Ich war nun seit ein paar Tagen hier und hatte fast jeden Abend für ein Getränk in dieser Absteige gesessen und sie war jedes Mal dagewesen. Ganz schön lange Schicht für so ein junges Ding.
Doch jeder, der hier im Nirgendwo strandete, hatte eine Geschichte. Niemand, der in so einem Laden arbeitete, tat dies, weil es sein Lebenstraum war, sondern weil er sich verstecken wollte. Sie war da sicherlich keine Ausnahme. Aber wer war ich, seine Nase in solche Angelegenheiten zu stecken, wenn sie nicht Teil meines Jobs waren?
Sie schulterte ihre Tasche und lief in meine Richtung los. Als sie mich entdeckte, stockte sie einen Moment und ich wusste nicht, ob ich sie anlächeln oder einfach nach drinnen gehen sollte. Also tat ich nichts. Nur weil ich ein einsamer Wolf war, hieß es nicht, dass ich aus Stein bestand. Auch ich brauchte hin und wieder eine kleine Ablenkung, und obwohl sie nicht die Richtige dafür war, war ich mir trotzdem sicher, dass wir eine Menge Spaß miteinander haben könnten.
Sie wandte den Blick ab und ging weiter. Ich legte meine Beine auf die hölzerne Umrandung der Veranda, stellte die Dose Coke auf den Boden und verschränkte die Arme, während ich beobachtete, wie sie hinter dem Gebäude verschwand. Dahinter lagen zwei schäbige Wohnhäuser, von denen ich gedacht hatte, dass sie zum Motel gehörten. Quasi die Präsidenten Suite dieses Schuppens. Aber wie ich herausgefunden hatte, schlief sie dort mit dieser anderen Kellnerin. Auch nicht gerade ein perfekter Ort zum Wohlfühlen.
Ich wartete noch ein paar Minuten, bis die Stille sich wieder über die Nacht legte, dann stand ich auf und überquerte den Hof. Leise lief ich an der Bar entlang und entdeckte auf der Rückseite eine Tür, die im Halbschatten lag. Perfekt.
Ich brauchte kaum Kraft, um sie aufzudrücken, aber sie hatten im Laden ohnehin keinen Cent, denn ich hatte herausgefunden, dass der Motelbesitzer das Geld jeden Abend kassierte und einmal in der Woche per Post an eine Bankfiliale verschickte. Keine Spur zu Bulldog. Leider. Vielleicht war er doch nicht so bescheuert, wie ich angenommen hatte.