Bane & Redemption - Befreite Macht - Julia Lorenz - E-Book

Bane & Redemption - Befreite Macht E-Book

Julia Lorenz

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vier Monate nach ihrem Sieg über die Fae-Königin Myra gewöhnt sich Felicity noch immer an ihr neues Leben in dieser andersartigen Welt. Dabei ist es nicht gerade hilfreich, dass Nikolas weiterhin Geheimnisse vor ihr zu haben scheint – Geheimnisse, die sie bald mehr als nur ihre Beziehung kosten könnten. Zur Lösung ihrer Probleme müssen die beiden sich nicht nur erneut auf die Suche nach einem mächtigen magischen Gegenstand begeben, sondern auch ins Herz des Landes ihrer Feinde vordringen, wo jeder darauf aus ist, sie im richtigen Moment zu töten. Und dann sind da auch noch die undurchsichtigen Pläne des Elfenprinzen Ciaran, der mehr Fäden zu ziehen scheint, als es irgendjemandem lieb ist.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Epilog
Danksagung

Julia Lorenz

 

Bane and Redemption

Befreite Macht

(Band 2)

 

 

 

 

 

 

 

Bane & Redemption – Befreite Macht

 

 

© 2024 VAJONA Verlag GmbH

Originalausgabe bei VAJONA Verlag GmbH

 

Lektorat: Aileen Dawe-Hennigs

Korrektorat: Désirée Kläschen und Susann Chemnitzer

Umschlaggestaltung: VAJONA Verlag GmbH unter

Verwendung von Motiven von rawpixel

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für meine Eltern, die jede meiner Ideen bedingungslos unterstützen.

Ich hab euch lieb.

Prolog

 

Nikolas

 

Es war ein faszinierendes Gefühl, wie all die kleinen Probleme und Unannehmlichkeiten im Angesicht des Todes einfach verschwanden. Kein gutes selbstverständlich, aber deswegen nicht minder reizvoll. Nikolas hatte viele dieser Momente in seinem Leben gehabt. Wie auf alle davor hätte er auch auf diesen gut verzichten können.

Während Schatten sich unaufhaltsam in sein Blickfeld drängten, als wollten sie um jeden Preis sämtliches Licht auslöschen, schossen genauso vehement grelle Blitze hervor. Kämpften gegen die Schatten. Formten sich zu Bildern und verschwommenen Szenen. Stimmen drangen aus dem Nichts. Zu verwaschen, um einzelne Worte auszumachen. Der Boden schwankte und Nikolas musste seine Finger in das Tischtuch krallen, um nicht zu fallen. Rote Flecken hatten sich auf dem einst reinen Weiß ausgebreitet. Wein aus den umgestoßenen Gläsern oder sein eigenes Blut? Bei dem glühenden Schmerz, der sich von seiner Brust aus in jede Zelle seines Körpers ausbreitete, war Letzteres durchaus möglich. Er keuchte, aber alles um ihn herum war zu einer festen Mauer geworden. Kein Bewegen, kein Atmen, kein –

Finger umfassten sein Handgelenk, es klickte leise und dann war all das verschwunden. Innerhalb einer Sekunde. Als sei es niemals passiert.

Kühle Luft strömte in seine Lunge und Nikolas blinzelte ein paarmal, um die Welt wieder in den Fokus zu rücken. Nur langsam kehrten die Konturen seiner Umgebung zurück. Er sah hinab auf die perfekt manikürten Finger, die kühl auf seiner erhitzten Haut lagen, und schluckte. »Verstehst du es jetzt?«

»Ja.« Élena löste ihre Hand von seinem Arm und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Tisch, von wo aus sie ihn abschätzend musterte. »Du bist am Arsch.«

»Ach, sag bloß.« Es kostete zu viel Anstrengung, diese drei Worte herauszubekommen, um auch nur den Versuch zu wagen, nicht sarkastisch zu klingen.

Der Prinzessin von Landrios, und zufällig auch seiner besten Freundin, entlockte das jedoch nur ein Lächeln. »Nicht frech werden. Du willst doch meine Hilfe.«

»Hast du eine Lösung?«

Nachdenklich betrachtete sie seine bloße Brust, auf der nun keine Spur mehr von dem gerade Geschehenen zu sehen war. »Ich hatte eine. Aber die wolltest du ja nicht.«

»Weil sie nicht existiert!« Ruckartig zog Nikolas sein Hemd vom Stuhl und streifte es über.

»Genauso wie ein Ring nicht existiert, mit dem man zwischen den Welten wandeln kann?«

»Existiert hat.« Er war fort und Nikolas hasste es, dass ein winziger Teil von ihm erleichtert darüber war. Felicity hatte ihn eingetauscht. Gegen den Zauber, der ihm schlussendlich das Leben gerettet hatte.

»Weiß sie, dass du hier bist?«

»Natürlich.«

»Und auch warum?« Er schwieg daraufhin und Él schüttelte den Kopf. »Bei den Göttern, Nik. Du musst es dir komplizierter machen als nötig, oder?«

»Ich kann es ihr nicht sagen.« Felicity würde eine Lösung finden, das stand völlig außer Frage. Genauso wie die Tatsache, dass sie bereit war, dafür alles und jeden zu riskieren. Inklusive sich selbst. »Sie hat schon einmal beinahe ihr Leben für mich gelassen. Das lasse ich nicht erneut zu.«

Élena überschlug die langen Beine, wobei das silberne Kleid um ihre Konturen floss. »Soll ich in der ersten Sache trotzdem ein paar Nachforschungen anstellen?«

»Nein«, sagte er entschieden. »Selbst wenn sie existieren. Das tue ich ihr nicht an.«

»Ich bin nicht gern diejenige, die es dir sagt, aber du bist nicht unbedingt in der Position, Alternativen verlangen zu können.«

»Versuch es einfach, ja?« Es klackte gegen das Fenster und Nikolas stand auf, um den schwarzen Vogel hereinzulassen, der verärgert sein Gefieder schüttelte und dann einen Zettel in seine ausgestreckte Hand fallen ließ.

Élena räusperte sich. »Warum ist da ein Vogel in meinem Schlafzimmer?«

»Das ist Peanut«, murmelte Nikolas, während er rasch die wenigen Zeilen überflog. »Was immer du sagen willst: Lass es. Er gehört zu Felicity und meiner Schwester und die beiden sind ein wenig eigen, wenn es um ihn geht.« Kaum hatte er zu Ende gelesen, hielt er die Ecke des Pergaments in eine nahe Kerzenflamme und sah grimmig zu, wie das Papier sich zuerst schwarz verfärbte und dann zu einem Regen aus Asche wurde. Also war es endlich passiert. Ausgerechnet jetzt. »Ich werde zurückerwartet. Wir setzen das hier später fort.«

»Ja«, seufzte Élena, als er sich bereits halb abgewandt hatte. »Sie nur zu, dass es auch ein Später gibt.«

Kapitel 1

 

Felicity

 

Die Totenstille des Hauses wurde selbst durch den dünnen Strom an Magie nicht unterbrochen, der sich unaufhaltsam seinen Weg durch die winzigen Ritzen zwischen den Fenstern bahnte. Es war nicht einfach, die unsichtbare Kraft zu lenken, wenn man das Schloss nicht sehen konnte, aber die Eigenwilligkeit meiner Magie hatte sich in den vier Monaten, die wir jetzt bereits gemeinsam verbracht hatten, nicht groß verändert. Also ließ ich sie machen. Wenige Sekunden später ertönte ein lautes Klicken, aber es war niemand sonst in der Nähe, der es hätte hören können. Vorsichtig drückte ich das Fenster auf und schwang meinen Körper hinein. Lautlos setzten meine Stiefel auf dem mit dickem Teppich bedeckten Boden auf.

Der Raum, in dem ich mich jetzt befand, musste eine Art Salon sein. Der Winter hatte die Stadt trotz des hereinbrechenden Frühlings noch nicht völlig aus seinem Griff entlassen, aber dennoch war in dem marmornen Kamin nicht die kleinste Spur von Asche zu entdecken. Ein gutes Zeichen, dass meine Informationen stimmten und wirklich seit Langem niemand mehr hier gewesen war. Doch es wäre dumm, sich auf lose Annahmen zu verlassen.

Weiterhin kein Geräusch verursachend, umrundete ich eine weiße Couch und einen kleinen Tisch aus Ebenholz. Der Plan des Hauses befand sich eng zusammengefaltet in meiner hinteren Hosentasche, aber ich brauchte ihn nicht. Aus dem Salon hinaus, den Flur entlang, kurz innehalten, um die wirklich hässlichen Porträts an den Wänden zu betrachten, eine Treppe nach oben und die erste Tür rechts.

Ich sah mich in dem kleinen, aber behaglichen Arbeitszimmer um. Hohe Fenster, ein Schreibtisch aus säuberlich poliertem Holz davor und vollgepackte – und außerdem furchtbar akkurat sortierte – Bücherregale machten den Großteil des Raumes aus. Die restlichen freien Stellen wurden von weiteren Bildern eingenommen, die in puncto Geschmacklosigkeit denen von unten in nichts nachstanden. Stirnrunzelnd betrachtete ich die verwaschenen Brauntöne, konnte aber beim besten Willen nicht feststellen, ob es sich dabei um einen Wald oder einen See handeln sollte. Vielleicht ein Selbstporträt des Hauseigentümers? Ich hatte den Bankier, der hier wohnte, niemals selbst getroffen, aber eine Augenweide war er wohl nicht gerade. Wir sollten ihm aber dankbar sein, dass er den Winter in seinem Haus auf dem Land verbrachte und sich ansonsten völlig auf die Werbeversprechen des Sicherheitsunternehmens verließ, das anpries, ihre neu entwickelten Schlösser seien unknackbar. Sogar gegen Zauberermagie. Wie blöd für ihn, dass ich diese nicht besaß. Meine Magie funktionierte anders und ließ sich deshalb auch nicht von den Schutzmechanismen an den Fenstern abhalten. Ein kleiner Blick über den Tellerrand hätte ihm sicher nicht geschadet, aber die Vorstellung, jemand mit Fae-Kräften könne sich innerhalb der Landesgrenzen aufhalten, war so weit hergeholt, dass sie den Menschen nicht einmal in den Sinn kam. Mehr als gut für mich. Noch vor einem halben Jahr, als ich fröhlich in meiner Studentenwohnung gesessen hatte, wäre mir dieser Gedanke selbst lächerlich erschienen. Wie alles, was seitdem passiert war. Der magische Ring meiner Großmutter, ein Sprung in eine fremde Welt. Neue Freundschaften, neue Liebschaften – obwohl Nik und ich sehr lange gebraucht hatten, das zuzugeben. Hätte er damals nicht so bereitwillig seinen Tod in Kauf genommen, um die ehemalige Fae-Königin Myra aufzuhalten, hätte ich vielleicht nie den emotionalen Schubs bekommen, dessen es bedurft hatte, um mich meinen Gefühlen zu stellen.

Was die Menschen dieser Stadt wohl sagen würden, wenn sie erfuhren, dass vor wenigen Monaten Myra höchstpersönlich durch ihre Straßen geschritten war? Nun, sie würden es nie erfahren. Von dieser Seite drohte keine Gefahr mehr. Myra war tot und ihre Nachfolgerin weder besser noch schlechter. Wie immer beschwor der Gedanke an Myras Tod sofort eine Flut an Bildern herauf. Ein düsterer Abklatsch dieser Welt. Eine Mission mit ungewissem Ausgang. Ein Schwert auf einem Altar. Nik, der dieses Schwert packte, es Myra und sich selbst durch die Brust trieb. Ich schüttelte den Kopf, kniff kurz die Augen zusammen und straffte dann die Schultern. Das war vorbei. Ich hatte dafür gesorgt, dass Nik in dieser Nacht nicht starb. Mit Ciarans Hilfe zwar und einem uralten Zauber, der meine Seele auf eine Weise mit Niks verband, wie nur Magie es vermochte. Trotzdem war es vorbei. Es war alles beim Alten. Das Gleichgewicht hielt, die Völker blieben für sich und jeder lebte sein Leben. Alea hieß die Frau, die jetzt auf dem Fae-Thron saß. Da sie in irgendeinem Verwandtschaftsverhältnis zu Myra stand, machte uns das wohl auch zu einer Art von Cousinen, aber ich glaubte, dass beide Seiten eher weniger Interesse an einer Familienzusammenführung hatten. Sie wusste von mir, hatte aber in einem inoffiziellen Brief, der unter der Hand ins Land geschleust worden war, klargestellt, dass – sollte ich es wagen, auch nur einen Fuß in ihr Reich zu setzen – sie mir höchstpersönlich den Kopf abreißen würde. Familie. Man musste sie einfach lieben.

Ich war versucht gewesen, den Brief aufzuheben, weil er so herrlich abstrus war, hatte ihn dann aber doch lieber als Zielobjekt für das Trainieren meiner magischen Treffsicherheit genutzt. Es war auf eine Art selbsttherapierend gewesen, das Pergament in seine Einzelteile zu zerschießen. Ansonsten war es seltsam ruhig und zu meiner eigenen Überraschung fing diese Tatsache an, mich zunehmend zu beunruhigen. Vielleicht war ich zu naiv, zu unerfahren in der Politik und, mit Verlaub gesagt, auch zu wenig daran interessiert, diesen Zustand zu ändern, aber für mich hießen vier Monate Ruhe, dass die Sache ausgestanden war. Hätte Alea einen Vergeltungsschlag für den Mord an unserer gemeinsamen Vorfahrin gegen uns führen wollen, hätte sie dafür mehr als genug Zeit gehabt. Nik war das komplette Gegenteil, und auch wenn er versuchte, es nicht zu offensichtlich zu zeigen, wurde er mit jedem verstreichenden Tag spürbar nervöser. Etwas – und sei es noch so klein – musste bald passieren oder er würde ganz offiziell durchdrehen. Wir alle warteten auf den großen Knall, der einfach nicht kam.

Eine Bewegung am Rande meines Blickfelds ließ mich herumwirbeln. Eine kaum merkliche Unruhe in den Schatten. Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Damit hätte ich rechnen müssen. Meine Magie antwortete auf die Bedrohung, indem sie ein fragendes Prickeln durch meinen Körper schickte. Ich drängte sie ein wenig zurück. Noch nicht. Das Prickeln wurde zu einem Brennen meiner Fingerspitzen. Warte! Diese Diskussion führten wir jedes Mal, aber ich wusste inzwischen, wie ich mich verhalten musste. Ein Selbstständigmachen kam nur noch ein paarmal im Monat vor, was eine enorme Verbesserung darstellte.

Die Gestalt löste sich aus den Schatten, trat langsam auf mich zu. Er war etwas größer als ich, komplett in Schwarz gekleidet, mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze.

Ich machte nicht den ersten Schritt. Stattdessen spannte ich die Muskeln in meinem Rücken an und bereitete meinen Körper auf das Folgende vor. Einige Augenblicke standen wir uns einfach nur reglos gegenüber, dann machte er einen Sprung auf mich zu. Ich wich aus, brachte den breiten Schreibtisch zwischen uns. Sein Gesicht lag im Schatten der Kapuze, trotzdem konnte ich sein Grinsen praktisch vor mir sehen. Das hier machte ihm Spaß. Mir allerdings auch. Beherzt zog ich mich auf die Platte des Tisches, die unter meinem Gewicht leise ächzte, hielt mich dort aber nicht lange auf, sondern ging stattdessen von Verteidigung in Angriff über. Meine Finger bohrten sich in den schwarzen Stoff des Mantels meines Gegenübers. Ich sprang vom Schreibtisch und nutzte den Schwung, um ihn mit mir zu Boden zu reißen. Wir rollten über das Hochglanzparkett, rappelten uns beide wieder auf. Schlag folgte auf Schlag. Ich duckte mich unter seinem Arm hindurch und trat nach ihm. Er wich spielend leicht aus. Ein kleiner Stromstoß durchzuckte mich. Meine Magie wurde ungeduldig. Ich warf ihr innerlich einen bösen Blick zu, weil sie mich ablenkte, und wich gerade so dem nächsten Angriff aus. Normalerweise hätte ich die Einrichtung des Zimmers liebend gern in meine Verteidigung einbezogen, aber es war wichtig, keine Spuren zu hinterlassen. Also widerstand ich dem Drang, nach einem der Stühle vor dem Schreibtisch zu greifen, und beschränkte mich stattdessen darauf, die Muskeln zu benutzen, die ich mir im Laufe der letzten Monate antrainiert hatte. Mein Gegner versuchte, mir die Beine wegzutreten, ich sprang zurück und erschuf eine Wand aus bläulich flimmernder Luft zwischen uns.

»Du schummelst.« Oskar ließ seine Kapuze zurückfallen und sah mich tadelnd an.

Ein Fingerschnippen später fiel die Barriere in sich zusammen. »Ich nutze, was ich habe.« Die Magie in mir schnurrte glücklich.

»Du sollst dich auf deine Fähigkeiten verlassen.« Er ging zielgerichtet zu einem Gemälde und nahm es vorsichtig von der Wand. »Was machst du, wenn du deine Magie mal nicht einsetzen kannst?«

»Meine Gegner mit meinem Charme ablenken.« Sein zweifelnder Gesichtsausdruck sprach Bände. »Ich kann auch mein Shirt hochheben.« Grinsend setzte ich mich auf den Schreibtisch und ließ die Beine baumeln, während er den Wandtresor untersuchte, der unter dem Bild zum Vorschein gekommen war.

»Was sagt dein Prinz dazu?«

»Wenn er meine Brüste sieht, sagt er besser gar nichts.« Mehr, um meine Finger zu beschäftigen, als aus tatsächlichem Interesse blätterte ich einen Stapel Papiere durch, die neben mir lagen. »Wie bist du ins Haus gekommen?«

»Auf dem gleichen Weg wie du.«

»So viel dann zu unknackbaren Schlössern.«

»Ich liebe es, wenn sie das sagen. Dann macht es nur noch mehr Spaß.« Er bedeutete mir mit einem Nicken, mich zu ihm zu gesellen. »Komm schon, du bist dran.«

»Ach?«, fragte ich amüsiert. »Jetzt ist die Magie plötzlich wieder gut genug?«

»Ich kann es selbst machen. Aber das würde dauern.«

Na, immerhin konnte ich dann auch etwas Sinnvolles beitragen. Ich hüpfte vom Schreibtisch, ging zu ihm hinüber und legte meine Hand auf die stählerne, in die Wand eingelassene Tür. Nichts passierte.

Jetzt war es an Oskar, sich mit amüsierter Miene an die Wand zu lehnen. »Probleme?«

Ich biss die Zähne zusammen. »Nein.«

Das passierte immer. Wenn ich meine Magie davon abgehalten hatte, zu tun, was sie wollte, war die unsichtbare Kraft danach regelrecht beleidigt und es brauchte ein paar Versuche, um sie wieder zum Laufen zu bekommen. Ein Prickeln durchlief meine Hand und erstarb beinahe sofort. Ich würde es nicht sagen! Ein erneutes, kaum merkbares Aufflackern. Nein! Dann passierte gar nichts mehr. Schön! Bitte! Die Kraft wallte auf, breitete sich als sanftes Glühen aus und sickerte in das Metall unter meinen Fingerspitzen. Der Tresor erhitzte sich. Ein Nebenprodukt der Magie, die durch die feinen Mechanismen des Schlosses floss. Dann klickte es zum zweiten Mal an diesem Abend. Die Tür schwang auf und Oskar griff hinein, um die Rolle herauszunehmen, die darin lag. Sie war etwa so lang wie mein Unterarm und damit relativ klein für ein Gemälde. Er zog kurz eine Ecke zurück und prüfte das Werk darunter, dann nickte er zufrieden.

»Ist das auch so hässlich wie die anderen?«

»Es ist ein Porträt seiner Frau.«

Fragend hob ich eine Braue. »Das beantwortet die Frage nicht.«

»Ich bin ja auch ein Gentleman.« Oskar packte die Rolle in seine Tasche und legte dafür eine identische in den Tresor. Ich war nicht da gewesen, als Matt die Kopie angefertigt hatte, aber es bestand kein Zweifel daran, dass sie absolut übereinstimmend waren. Oskars schweigsamer Freund und ich verstanden uns mittlerweile recht gut, aber meine Meinung zu seiner Arbeit wollte er selten hören.

Ich verschloss den Tresor auf die gleiche Weise, wie ich ihn geöffnet hatte, Oskar hängte das Bild zurück an seinen Platz und dann verließen wir das Haus genauso unauffällig, wie wir es betreten hatten.

»Arbeitest du heute?«, fragte er, als wir die Straße betraten, die im Licht der untergehenden Sonne golden schimmerte. Passanten strömten aus beiden Richtungen an uns vorbei. Entweder auf dem Weg nach Hause oder in die Gaststätten, die allmählich ihre Türen öffneten.

»Ist ja nicht so, als ob ich viel anderes zu tun hätte.« Abwesend rieb ich mir den Nacken, über den abermals ein Prickeln lief.

»Wann kommt dein Prinz zurück?«

»Morgen Abend«, antwortete ich möglichst beiläufig, trotz des aufgeregten Kribbelns tief in meinem Bauch.

»Dann hat das Schmollen ja endlich ein Ende.«

»Ich habe nicht geschmollt.« Okay. Ich war vielleicht ein wenig unleidlich gewesen in den letzten Tagen. Aber das lag nur daran, dass Niks Bett so verdammt groß war und ich ohne ihn die ganze Nacht darin herumrollte. Das zerrte auf Dauer an den Nerven. Also schlief ich seit einigen Tagen in meiner eigenen Wohnung, aber das Bett dort war ungewohnt klein und ohne Niks Körper neben mir kalt und leer. Ja, das klang lächerlich dramatisch und ich hatte nie jemand werden wollen, der so sprach, aber was wollte man machen. Seit den … nannten wir es einfach Mal Ereignissen in der Schattenwelt, hatten wir nicht einen einzigen Tag ohneeinander verbracht und nun waren es bereits vierzehn. Das Schlimmste aber war, dass ich Nik nicht einmal die Schuld an meiner schlechten Laune geben konnte, denn er hatte mehrfach gefragt, ob ich ihn nicht ins benachbarte Landrios begleiten wolle. Ich wollte nicht. Momentan hatte ich alle Hände voll damit zu tun, mein Leben unter Kontrolle zu bekommen und einen Zustand emotionaler Stabilität zu erreichen, mit dem ich mich in die Gesellschaft wagen konnte. Ich war in der Lage, zwei Wochen ohne ihn klarzukommen. Wir mussten nicht ununterbrochen aneinanderkleben. Das wollte ich vor allem mir selbst beweisen. Möglich, dass ich es nicht besonders mochte, aber trotzdem: »Ich habe wirklich nicht geschmollt!«

»Wenn du meinst.«

»Lass uns doch über deine Beziehungen sprechen.« Ich drehte den Kopf und sah auf die belebte Straße hinter uns. Niks gelegentliche Paranoia färbte auf mich ab, aber ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, beobachtet zu werden.

Oskar rümpfte die Nase. »Ich habe keine Beziehungen.«

»Dann sag mir, mit wem du dich so triffst.«

»Jetzt gerade treffe ich mich mit dir.«

»Und danach?« Als meine Frage auf beharrliches Schweigen stieß, probierte ich einen anderen Ansatz. »Ist er noch in der Stadt?« Er, der vermeintlich versucht hatte, mich umzubringen und dabei nur in einem verworrenen Spiel mit Ciaran gemeinsame Sache gemacht hatte. Er, der vielleicht noch immer auf der Seite des Elfenprinzen arbeitete – obwohl ich mir nicht einmal sicher war, ob wir nicht doch alle auf derselben Seite standen. Ich hatte gerade erst begonnen, an der Oberfläche der Geschichte zu kratzen, die Oskar Reyes mit Cullan Sainsbury verband, und ich war begierig darauf, mehr zu erfahren. Bisher wusste ich nur, dass Oskar all seine Tricks von Cullan gelernt hatte, bevor sie getrennte Wege gegangen waren. Aber wie auch in der Vergangenheit waren alle Versuche, mehr aus meinem liebsten Meisterdieb hervorzulocken, nur von mäßigem Erfolg gekrönt.

Heute war es ein schiefes Grinsen, ein Schulterzucken und ein »Vielleicht.«

Das Plätschern von Wasser mischte sich unter die Geräusche der Menschen. Völlig unbemerkt waren wir inzwischen bei einer gebogenen Steinbrücke angelangt. Elegant überspannte sie in einem weiten Bogen den Fluss, der einmal quer durch die Stadt Terralore floss. Ich fand es immer noch verwirrend, dass die Hauptstadt den gleichen Namen wie das Reich an sich trug, aber der Erbauer war wohl einfach wenig kreativ gewesen. Rasch stellte ich sicher, exakt in der Mitte der Brücke zu gehen, was Oskar ein belustigtes Schnauben entlockte. Ich beachtete ihn nicht. In dem Wasser lauerten Fische, die durchaus in der Lage waren, einen Menschen zu verschlucken. Zwar nur an Vollmond, aber es gab Risiken, die es sich einfach nicht lohnte, einzugehen. Als ich mit dem Ring meiner Großmutter versehentlich in diese Welt gestolpert war, hatte ich ja keine Ahnung, was sie alles für Todesfallen bereithielt. Das Weltenspringen hatte sich aber in der Zwischenzeit erledigt. Das war der Preis für die Hilfe des Elfenprinzen Ciaran gewesen. Ohne seinen Zauber wäre nicht nur Myra, sondern auch Nik in dieser Nacht gestorben. Offiziell war der Ring vernichtet. Inoffiziell trug ich ihn weiterhin am Finger. Ein unfreiwilliges Geheimnis, das ich mit Ciaran teilte. Verlassen konnte ich diese Welt trotzdem nicht mehr, dafür hatte er gesorgt.

Oskar spähte über den geschwungenen Rand der Brücke. »Ich liege übrigens mit einer Minute und zwölf Sekunden vorn.«

»Du hast immer noch diese bescheuerte Wette mit Will laufen?« Will war Oskars bester Freund und komplettierte das Einbrecher-Wohltätigkeits-Trio mit Matt.

»Klar. Bald ist Vollmond. Er will eineinhalb Minuten schaffen.«

»Einer von euch wird seine Hand verlieren.«

»Ist das eine Fae-Vorhersage?«

»Das könnte dir jeder vorhersagen.« Bis auf das eine Mal am Abend der Wintersonnenwende war es mir nicht erneut gelungen, eine Zukunftsvision heraufzubeschwören. Besonders viel Arbeit war in diesen Bereich der Magie von meiner Seite aus aber auch nicht geflossen. Ja, meine Vision hatte Nik am Ende das Leben gerettet, aber die Zukunft zu kennen, war eine Last, der ich mich nicht erneut aussetzen wollte, solange es nicht unbedingt nötig wurde. Im Hier und Jetzt zu leben war völlig ausreichend.

Wir folgten einer der kreisrunden Straßen und wandten uns dann nach Westen, bis der Gasthof in Sicht kam, der über dem Versteck von Oskars kleiner Diebesbande lag. Ich hatte mich noch immer nicht daran gewöhnt, das Gebäude in frischer roter Farbe erstrahlen zu sehen, statt auf verbretterte Fenster zu blicken. Nik hatte mir ein Konto eingerichtet, auf dem wohl ein kleines Vermögen gelegen hatte. Ich hatte mich nie über die genaue Summe informiert, sondern es stattdessen Oskar gegeben, damit er mit dem Geld irgendetwas Sinnvolles tun konnte. Obwohl er regelmäßig wertvolle Gegenstände stahl, erinnerte er mich an Robin Hood. Er hatte es in ein Geschäft gesteckt, das ausnahmsweise völlig legal lief und sogar seit Kurzem genug abwarf, um als gewinnbringend eingestuft zu werden.

Der hängende Monarch – eigentlich sollte es hängender König heißen, aber das hatte er sich dann wohl entweder doch nicht getraut oder mir zuliebe gelassen – war inzwischen zu einem gern besuchten Ort geworden. Und mir gehörten einundfünfzig Prozent davon. Letzteres hatte ich selbst erst vor ein paar Wochen erfahren und versuchte seitdem erfolglos, Oskar zu überreden, die Papiere zu ändern. Er weigerte sich. Ich mochte den kleinen Gasthof und ich verbrachte gern meine Abende hinter der Theke, ich wollte nur nicht die Eigentümerin sein.

Oskar stieß die Tür auf und sogleich kamen uns Stimmengewirr und der Geruch nach Bier entgegen. Der hängende Monarch bot Platz für etwa zehn runde Tische aus hellem Holz mit einer bunt zusammengewürfelten Ansammlung von Stühlen. Am hinteren Ende befand sich ein Tresen, über dem Will gerade lehnte und sich angeregt mit einem Kerl unterhielt, der inzwischen bereits mehr schlecht als recht auf seinem Barhocker hing.

»Terrence.« Ich seufzte, nahm ihm im Vorbeigehen den Bierkrug aus der Hand und schüttete dessen Inhalt in einer fließenden Bewegung in das Waschbecken hinter der Theke. »Es ist noch nicht mal dunkel und du bist hackedicht. Deine Frau macht mir die Hölle heiß.«

»Du hast mir gar nichts zu sagen, Rotschopf.« Er lallte die Worte und die einzelnen Buchstaben verschmolzen ineinander.

»Es ist mein Laden, Kumpel.« Vielleicht genoss ich doch ein Stück dieses Eigentümer-Daseins. Siegessicher legte ich die Unterarme auf der Theke ab und grinste ihn an. Terrance war Stammgast und seine Worte keineswegs böse gemeint. Es war einfach unsere Art der Kommunikation.

»Siehst du«, rief Oskar mir zu, bevor er durch eine unscheinbare Tür im Hinterzimmer verschwand. »Du liebst es, das zu sagen.«

Erwischt.

»Tue ich nicht!«

Terrence verengte die Augen, als habe er Schwierigkeiten, mich zu fokussieren. »Hab’ echt noch nie jemanden getroffen, der so schlecht lügen kann wie du.«

»Meine Qualitäten liegen eben woanders.« Ich nahm ein Tuch, das auf dem Tresen lag, und scheuchte ihn damit auf. »Los. Deine Frau wartet.«

Er grummelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin, fügte sich aber schließlich dem sanften Rauswurf. Terrence’ Frau war eine Seele von Mensch und insgeheim fand ich, dass sie einen Mann verdiente, der sich mehr um sie kümmerte. Trotzdem mochte ich den dunkelhaarigen Hünen irgendwie.

Oskar war inzwischen zurückgekehrt und drückte Will die Rolle mit dem gestohlenen Gemälde in die Hand.

Will entrollte neugierig das Bild und riss die Augen auf. »Bei den Göttern ist das hässlich!«

»Ich habe es doch gesagt«, raunte Oskar mir ins Ohr. »Ich bin ein Gentleman.«

Ich lachte, sah aber kurz über Wills Schulter und musste ihm insgeheim recht geben.

Die Tür öffnete sich erneut und eine Gruppe Schlosssoldaten trat ein. Olivers blondes Haar hob sich hell gegen die dunkelblaue Uniform ab und ich winkte ihm fröhlich. Zu behaupten, er trauere seinem Job als mein Leibwächter hinterher, ginge zu weit, denn dafür hatte ich ihn einmal zu oft in Schwierigkeiten gebracht. Aber er kam doch immer wieder gern her, auch nachdem Nik ihn ganz offiziell von seinen Pflichten entbunden hatte.

Oliver ließ sich auf einen der Barstühle fallen und ich schob ihm einen Bierkrug zu. »Dich habe ich ja seit Tagen nicht mehr gesehen.«

»Wir waren Richtung Grenze unterwegs.«

Interessiert lehnte ich mich weiter vor. Terralore hatte drei Grenzen, aber ich war recht sicher, dass er weder von Landrios im Westen, noch vom Elfenreich im Norden sprach. Ersteres zählte zu den engsten Verbündeten Terralores, die Beziehung zum Elfenreich hingegen war schwieriger zu beschreiben. Die Länder waren keinesfalls verfeindet. Im Gegenteil sogar. Ciaran war nur … kompliziert. Und er hatte zu viel Spaß daran, in Rätseln zu sprechen, um sein Gegenüber zu reizen. »Erzähl mir mehr.«

»Ich weiß nicht, ob unsere Nachricht überhaupt schon zu Nikolas vorgedrungen ist«, wich Oliver meiner Bitte aus.

»Er wird es verkraften, einmal in seinem Leben nur Zweiter zu sein.«

Ein Lächeln umspielte Olivers Lippen, erstarb aber, als er sich ebenfalls vorbeugte und die Stimme senkte, damit die Gruppe Feldarbeiter, die gerade lärmend einen nahen Tisch in Beschlag nahmen, ihn nicht würde hören können. »Wir wurden losgeschickt, weil es Unregelmäßigkeiten in den Schutzzaubern gab, und sind etwa einen halben Tagesritt von der Grenze entfernt fündig geworden.«

»Fündig im Sinne von was?«, drängte ich, aber Oliver schüttelte den Kopf.

»Nicht hier. Ich kann dir nur sagen, dass wir nicht mit leeren Händen zurückgekehrt sind.«

Es brauchte meine gesamte Willenskraft, ihn nicht sofort nach draußen zu schleifen und das Gespräch an einem sichereren Ort fortzuführen. Aber der hängende Monarch füllte sich und immer mehr Gäste verlangten nach meiner Aufmerksamkeit. Oder vielmehr nach den mittlerweile um ein Neuerliches gefüllten Bierkrügen in meinen Händen. Mein einziger Trost über die nächsten Stunden war, dass Oliver nicht so entspannt hier sitzen würde, wenn – was immer denn nun auch passiert war – auf einen sofortig drohenden Krieg hindeuten würde.

 

 

Kapitel 2

 

 

 

Es war spät, als ich das Spültuch ins nächste Waschbecken warf. Vor den Fenstern herrschte tiefe Dunkelheit, nur vereinzelte Wolkenfetzen zogen über den Himmel und verdeckten immer wieder das funkelnde Meer aus Sternen. Es musste ungefähr drei Uhr sein und die Schwere in meinen Gliedern forderte nach einem Bett. Matt saß allein in einer Ecke und arbeitete stumm an einem neuen Bild. Will zog zwei völlig betrunkenen Typen beim Billard das Geld aus den Taschen. Oliver beobachtete das Ganze mit gerunzelter Stirn, während er an der Tür auf mich wartete. Als Mitglied der Schlosswachen wäre es seine Aufgabe, gegen offensichtliches Glücksspiel vorzugehen, doch wenn selbst der Kronprinz hier freitagabends Karten spielte, konnte er schwerlich andere zur Rechenschaft ziehen. Er schien zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen, denn er schüttelte bloß den Kopf und reichte mir dann meine Jacke. Grinsend schlüpfte ich in den warmen Stoff und wappnete mich innerlich gegen die Kälte, die uns entgegenschlug, kaum waren wir aus der Tür getreten. Ein leichter Wind war aufgekommen und zerrte an den zarten Trieben, die der Frühling bereits überall hervorgebracht hatte.

Das Holz der drei Stufen vor dem Gasthof knarrte unter unseren Schritten, aber es war nicht dieses Geräusch, das mich innehalten ließ, eine Hand am geschwungenen Geländer ruhend. Mit dem nahenden Morgen fing auch die Stadt langsam an zu erwachen. Vereinzelte Lichter blitzten inmitten der eng stehenden Häuser hervor. Mit Mehlsäcken beladene Karren wurden vorbeigeschoben und einige letzte Betrunkene wankten die Straße entlang. All das ignorierend richtete ich den Blick auf die schmale Gasse zwischen uns und dem nächsten Haus. Sie war gerade breit genug, dass ein Pferd hindurchgeführt werden konnte, und bestand zu beiden Seiten aus schmucklosen Backsteinwänden, an denen noch die Feuchtigkeit des letzten Regens klebte. Ein neuerliches Prickeln rann über meinen Nacken. Rasch wandte ich mich ab und suchte, ganz als hätte ich etwas vergessen, meine Taschen ab.

»Warte kurz.« Ohne Oliver die Chance auf eine Antwort zu geben, verschwand ich erneut im Inneren des Gasthofs. Niemand beachtete mich auf meinem Weg ins Hinterzimmer, aber als ich die Tür schloss, blickte Oskar von seinem Platz an dem kleinen Schreibtisch auf, der in die rechte Seite des Raumes gequetscht war und unter der Last an Papieren zusammenzubrechen drohte. Niemand von uns hatte sonderlich Lust auf den Papierkram, der unweigerlich mit der Führung eines Gewerbes einherging.

»Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hast du endlich bemerkt, dass dich jemand verfolgt?«

»Danke fürs Bescheidsagen«, knurrte ich ungehalten, stieß das Fenster auf und kletterte auf den alten Holzrahmen.

»Ich wollte sehen, wie lange du brauchst.«

Ich würdigte diese Aussage mit einer nicht sehr netten Geste, die ihn lachen ließ. Dann schwang ich meinen Körper einmal mehr in die kalte Nachtluft. Mit einer Selbstverständlichkeit, wie ich sie mir vier Monate zuvor nicht zu erträumen gewagt hätte, kletterte ich an der Regenrinne empor, bis auf das abgeflachte Dach des Gebäudes. Moos und Wasserpfützen verwandelten den Boden in einen rutschigen Hindernisparcours, aber ich wusste, wohin ich treten musste.

Ein dünner Strom Magie ergoss sich von meinen Fingern und erkundete präzise die Stellen, an denen meine Stiefel Halt finden würden. Mit dem Benutzen meiner Kraft schärften sich automatisch meine Sinne. Geduckt lief ich über das Dach, bis zur Kante, die parallel zur Gasse verlief, legte mich auf den Bauch und spähte vorsichtig nach unten. Wo zuvor noch undurchdringliche Dunkelheit gewesen war, erkannte ich nun die Silhouette des Mannes, der mich beobachtet hatte. Er stand völlig reglos, den Blick noch immer in Richtung des Eingangs gerichtet, wo Oliver wartete. Nicht ein einziges Mal dachte er daran, nach oben zu sehen. Ein Anfänger, schoss es mir durch den Kopf, als ich ein paar Meter an der Kante entlangging und mich dann vorsichtig nach unten gleiten ließ. Ich war – Oskar sei Dank – oft genug in Häuser geschlichen, um jetzt völlig lautlos an der Hauswand hinabzuklettern. Die groben Backsteine boten optimalen Halt für Finger und Schuhe und das zottelige Unkraut am Boden dämpfte das Geräusch des Aufpralls.

Jetzt war auch das seitliche Profil des Mannes zu erkennen. Er war jung, vielleicht sogar ein paar Jahre jünger als ich, und ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Es sollte mich beleidigen, dass man mir tatsächlich einen Anfänger hinterherschickte. Doch es war ein anderer Grund, aus dem Ärger in mir hochkochte. Der Typ trug die dunkelblaue Uniform des Schlosses. Das war einer von Niks Männern. Und er hatte mir verdammt noch mal versprochen, dass keiner seiner Leute mir mehr nachstellen würde. Oh, wenn ich den in die Finger bekommen würde!

Fast tat es mir leid um den Jungen, er befolgte ja nur seine Befehle, aber ich musste meine Nachricht klar rüberbringen. Lautlos glitt der Dolch aus der Halterung an meinem Oberschenkel und genauso lautlos drückte er sich gegen den Hals des Unbekannten.

»Hi«, raunte ich in sein Ohr und spürte, wie er sich versteifte. Der Druck war nicht groß genug, um tatsächlich eine Verletzung herbeizuführen, aber doch so, dass eine unbedachte Bewegung unschöne Folgen haben konnte. »Ich mag es nicht, beobachtet zu werden«, fuhr ich fort und stellte sicher, jedes Wort genau zu betonen. Nicht, dass es später noch hieß, ich hätte mich unklar ausgedrückt. »Also sag Nikolas, dass er seine Leute von mir abziehen soll, oder ich werde das als Überschreitung meiner persönlichen Grenzen betrachten und entsprechend darauf reagieren. Verstanden?«

Die Stimme des Mannes zitterte leicht, als er sprach. Nicht aus Angst, dafür war er zu gut ausgebildet. Er war wütend, weil ich ihn wie einen blutigen Anfänger überrumpelt hatte. »Ich bin nicht im Auftrag des Prinzen hier.«

»In wessen dann?«

»In meinem.« Finger schlossen sich um mein Handgelenk und drückten meinen Arm zurück. Das Messer fiel klirrend auf den Boden.

Ich wirbelte herum, riss mich aus dem Griff und hob die Hände, bereit, die Magie loszulassen. Die Kraft stoppte in der letzten Sekunde.

»Ronan! Verdammt noch mal!« Entgeistert sah ich den Mann vor mir an. Niks bester Freund und Leibwächter war der Letzte, von dem ich gedacht hatte, ihn nachts hier zu treffen. »Was soll das?« Mein Kopf fuhr herum, als erwartete ich, noch jemanden in den Schatten zu sehen. Aber wir waren allein. Na ja, er, ich und Grünschnabel da hinten, der sich inzwischen beleidigt über den Hals rieb und versuchte, mich mit Blicken zu erdolchen.

»Bitte, sieh davon ab, meine Männer zu verletzen.«

»Ich hatte nicht vor – ach vergiss es.« Ich hob meinen Dolch auf und steckte ihn mit etwas mehr Kraft als nötig zurück an seinen Platz, bevor ich meine Frage wiederholte. »Was soll das?«

»Du hast sehr interessante nächtliche Aktivitäten.«

»Es geht dich nichts an, was ich tue. Weder tagsüber noch nachts.« Wir waren einmal auf dem besten Weg gewesen, Freunde zu werden, aber dann war die Schattenwelt passiert. Was ich jetzt auf keinen Fall wollte, war, den Eindruck zu erwecken, dass ich diese Situation okay fand. Ich machte Anstalten, mich an ihm vorbeizudrängen, wurde aber von einer Hand auf meinem Arm zurückgehalten. Lange Finger, der Stoff der dunkelblauen Uniform, ein sommersprossiges Gesicht. »Du hast drei Sekunden, dir zu überlegen, ob du mich wirklich einfach so anfassen solltest, Neuling.« Rote Funken schossen meinen Arm empor und stoppten nur knapp vor seinen Fingerspitzen.

Er ließ mich abrupt los, dabei hatte meine Magie ihn noch nicht einmal berührt. »Lass das, Hexe!«

»Ich bin doch keine – zum Teufel noch mal, Ronan, wo bekommt ihr euren Nachwuchs her? Das ist ja furchtbar.«

Ronan rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel, als bereite das Gespräch ihm schlimme Kopfschmerzen. Mit einer forschen Handbewegung wies er meinen neuen besten Freund an, uns etwas Platz zu lassen. Die Funken sprangen von meinem Arm auf die Mauer und blieben dort abwartend in Höhe meines Kopfes sitzen.

Ronan beäugte sie misstrauisch. »Ruf das zurück.«

»Nein.« Selbst wenn ich gewollt hätte, ich wüsste nicht ansatzweise wie. Hatte die Magie einmal meinen Körper verlassen, tat sie, was sie wollte. Glücklicherweise hatten wir meist dasselbe Ziel. »Hör auf, mich zu beobachten.«

»Das kann ich nicht, wenn du dich mit Absicht in gefährliche Situationen begibst.«

Entnervt verdrehte ich die Augen. »Das Haus war leer, krieg dich wieder ein.« Nichts daran war auch nur ansatzweise gefährlich gewesen.

»Und letzte Woche?«

Letzte Woche?! War das sein verdammter Ernst? Ich atmete tief durch. Zum Ausflippen war später noch Zeit. »War ein Versehen. Die Adresse auf meinem Zettel war verschmiert. Was interessiert es dich?«

»Nik interessiert mich.«

»Ach ja?«, erwiderte ich kühl. »Seit wann?«

Ronans Gesichtszüge erstarrten. Zorn blitzte in seinen grauen Augen auf. Der Satz war vielleicht nicht ganz fair von meiner Seite, aber ich würde ihm nie verzeihen, dass er bereit gewesen war, Nik in dieser Nacht sterben zu lassen. Nur für ein paar Minuten, aber es hätte beinahe ausgereicht. Die dünne Narbe, die mittig meines Brustkorbes bis fast hinunter zum Bauch verlief, erinnerte mich jeden Tag aufs Neue daran.

Ronan hatte sich erstaunlich schnell wieder unter Kontrolle. »Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen.«

»Schön.« Scheinbar gelassen zuckte ich mit den Schultern. »Dann lass mich doch einfach in Ruhe.«

»Damit du losziehst und dich umbringen lässt?«

»Ein Problem weniger für dich.«

»Nur dass Nik dann auch sterben würde.«

»Das kannst du gar nicht wissen.« Vor vier Monaten hätte er das getan. Aber jetzt? Ciarans Zauber, die Gefährtenbindung, die Verbindung unserer Seelen, wie auch immer man es nennen wollte – es war längst nicht mehr so stark, wie es zu Anfang war. Sowohl der Elfenprinz als auch Liam hatten das prophezeit. Ich hatte dem nicht allzu viel Bedeutung beigemessen. Wir hatten diese Gefährtensache ja nicht, weil wir es wollten. Aber trotzdem. Überraschenderweise störte es mich, Niks Herzschlag nicht mehr hinter meinem zu spüren, seine Emotionen, das Brennen jedes Mal, wenn wir uns berührten. Die Bindung war natürlich nicht weg, das würde uns so schnell keiner mehr nehmen. Sie war nur … anders. Und seit er nach Landrios aufgebrochen war, da war dieses stetige Flackern in mir erloschen. Niemals würde ich es zugeben, aber der Gedanke, es könnte nicht zurückkehren, war beängstigend.

»Siehst du. Genau das ist das Problem mit dir.« Ronan trat einen Schritt näher und riss mich damit aus meinen Gedanken. Die Funken an der Wand glühten warnend auf, doch er achtete nicht darauf. »Du denkst nicht nach. Du erfährst, dass du vielleicht unsterblich bist, und springst aus einem Fenster. Du kriegst einen dubiosen Zauber von einem Elfenprinzen und stellst keine einzige Frage. Du weißt nicht, was dein Tod für Auswirkungen hätte!«

»Interessant«, sagte ich viel ruhiger, als ich mich gerade fühlte. »Und wie lange genau wartest du schon darauf, mir das an den Kopf zu werfen?«

Ronan erwiderte meinen Blick genau so ruhig und sagte, ohne überhaupt auf meine Frage einzugehen: »Weiß Nik, dass du Einwohner seiner Stadt bestiehlst?«

»Würde er es wissen wollen, hätte er danach gefragt.« Manchmal war es für eine Beziehung eben besser, einige Fragen nicht zu stellen.

»Vielleicht muss ihn jemand anregen, die richtigen Fragen zu stellen.«

»Sag mir doch einfach, was du von mir willst.« Auf Erpressung stand ich nämlich so gar nicht.

»Ich will, dass du heute Nacht im Schloss schläfst.«

»Wieso?«

»Habe ich dir gerade gesagt.«

»Wieso jetzt«, präzisierte ich meine Frage. »Wieso war es dir dreizehn Nächte egal, wo ich schlafe? Oder …« Ein Gedanke formte sich in meinem Kopf. »Oh! Es hat etwas mit dem zu tun, was an der Grenze passiert ist, richtig?«

Ronans Kopf schnellte zum Eingang der Gasse herum, wo Oliver sich inzwischen zu uns gesellt hatte und jetzt abwehrend die Hände hob. »Wir sollen doch nichts vor ihr geheim halten.«

»Du hättest es ihr morgen sagen können!«

»Ja«, murrte ich und verdrehte die Augen, »sag es mir, wenn Nik auf mich aufpassen kann. Damit ich auch ganz bestimmt nichts Dummes tue.«

»Es ist spät«, sagte Ronan gereizt. »Ich habe wirklich keine Lust, hier noch den Rest der Nacht herumzustehen. Ich habe dich nett gefragt, aber ich kann dich auch wegen Angriffs auf ein Mitglied der Wache verhaften lassen.«

»Was denn für ein Angriff? Dich habe ich nicht mal berührt und der da«, mit dem Daumen deutete ich auf den Neuling, »hat sich so blöd angestellt, der hat es verdient.« Wer kam denn auch nicht auf die Idee, sich wenigstens ab und zu umzudrehen? Im Dunkeln konnten weitaus schlimmere Dinge als ich lauern. Dankbar sollten sie mir sein.

Leider fand keiner der beiden meine Aussage besonders lustig oder gar hilfreich, aber während Ronan bloß entnervt zum Nachthimmel emporsah, als betete er um eine extra Portion Geduld, ballte der Neue seine Fäuste. Er wirkte damit in etwa so bedrohlich wie ein Welpe mit Kissen im Mund.

»Dann eben wegen Einbruchs«, sagte Ronan ungerührt. Er hatte seine innere Ruhe erstaunlich schnell wiedergefunden. Ein morbider Teil in mir war neugierig, was es bedurfte, um ihn zum Ausflippen zu bringen. Es konnte doch niemand immer so verdammt ruhig bleiben.

»Du kannst mir gar nichts beweisen.«

»Dein Wort gegen meins.«

»Ja, aber Nik mag mich lieber als dich.« Ich streckte ihm die Zunge heraus und er knurrte doch tatsächlich. Die Aussage stimmte so pauschal natürlich nicht – die beiden waren seit Jahren allerbeste Freunde –, aber ich konnte es einfach nicht lassen, ihn zu provozieren.

»Du schläfst ja auch mit ihm.«

»Neidisch, dass ich zuerst auf die Idee gekommen bin?«

»Himmel noch mal«, ging Oliver dazwischen. »Ist das euer Ernst?«

»Ich bin nicht diejenige, die sich hier in dunklen Gassen herumdrückt!« Eigentlich hatte ich den ganzen Nachmittag genau das getan, aber so penibel wollten wir nicht sein.

»Wie wäre es damit«, fuhr er diplomatisch fort. Immer der Vermittler. »Tu uns den kleinen Gefallen und wir lassen dich sehen, was wir von der Grenze zurückgebracht haben.«

»Verräter«, murrte ich, musste aber gleichzeitig zugeben, dass ich verdammt neugierig war. »Na schön!«

Strenggenommen handelte es sich hier um einen Kompromiss, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, als hätte ich gewonnen, während ich vor den drei Männern herging. Der runde Weg mündete in eine der breiten Hauptstraßen und begann kurz darauf, stetig anzusteigen. Das Schloss hob sich immer größer werdend vor dem Nachthimmel ab und ich konnte nichts gegen das Lächeln tun, das sich bei diesem Anblick auf meinen Lippen formte. Die Zeiten, in denen ich die schwarzen Mauern und nach oben gereckten Türme als bedrohlich empfunden hatte, gehörten längst der Vergangenheit an.

»Sag mal«, fragte ich an Ronan gewandt, »hast du nicht eigentlich frei?« Wenn ich mich recht erinnerte, war Nik genau aus diesem Grund extra allein nach Landrios gereist. Also nicht ganz allein natürlich. Das hatte Ronan zu verhindern gewusst und ich war ausnahmsweise einmal auf seiner Seite gewesen.

Statt zu antworten, zuckte er bloß mit den Schultern.

»Weißt du, es ist gar nicht gut, wenn man bloß für seine Arbeit lebt. Du solltest dir ein Hobby suchen.«

»Sie hat recht«, brummte Oliver von hinten.

»Ich brauche kein Hobby.«

»Vielleicht Stricken? Oder Backen. Ich biete mich gern als Testobjekt an, wenn du deine Kreationen unter die Leute bringen willst.«

»Die gestrickten oder die gebackenen?«

»Wenn du mir eine Mütze machst, sage ich auch nicht Nein.«

»Ich werde darüber nachdenken.« Die beiden Wachposten vor dem Schlossportal zogen die schweren Türen auf und Ronan warf noch einen Blick über die Schulter, bevor er uns hineinscheuchte.

Kapitel 3

 

 

 

»Also.« Ungeduldig schnalzte ich mit der Zunge, kaum dass wir die Eingangshalle halb durchquert hatten. Mit in die Hüfte gestützten Händen drehte ich mich in dem imposanten Raum um mich selbst und sah Ronan erwartungsvoll an. »Wo ist jetzt euer großes Geheimnis?«

Ronan nickte dem Neuen zu, der mich daraufhin giftig ansah und uns dann allein ließ. Na endlich. Die Erleichterung verflog sofort wieder, als Niks Leibwächter auf eine Tür zur Linken der marmornen Treppe zusteuerte.

»Oh, warte mal.« Automatisch stemmte ich die Füße in den Boden. Selbst war ich nie dort durchgegangen, wusste aber sehr genau, wohin der Gang dahinter führte.

»Hätte ich dich irgendwo einsperren wollen, wäre das vor zwei Wochen passiert. Hätte mir eine Menge Nerven erspart.«

»Darüber reden wir noch.« Jetzt gerade war ich nur leider viel zu neugierig, um wirklich sauer sein zu können. Mir innerlich einen Ruck gebend, folgte ich ihm.

Die schmale Treppe hinter der ansonsten immer versperrten Tür wurde nur von einigen Fackeln erleuchtet, die sich nach und nach selbst entzündeten, während wir Stufe um Stufe hinuntergingen. Die Luft hier unten war kühl und abgestanden und aus irgendeiner Richtung zog ein Windhauch an uns vorbei. Ich bemerkte erst, dass ich die Arme um den Oberkörper geschlungen hatte, als ich sie voneinander löste, um mir das Haar aus dem Gesicht zu streichen.

Oliver schenkte mir ein beruhigendes Lächeln, aber so ganz wollte es nicht zu mir durchdringen. Es wäre übertrieben zu sagen, dieser Teil des Schlosses sei vernachlässigt, aber gegen den oben zuweilen herrschenden Prunk wirkte es doch ein wenig verbesserungsbedürftig. Ein dünnes Rinnsal Wasser lief die grobe Steinwand hinunter und das Material der Stufen war abgenutzt und brüchig.

Wir erreichten das Ende der Treppe und Ronan führte uns nach rechts bis zu einer unscheinbaren Holztür. Nur die zwei Wachen davor verrieten, dass es sich nicht bloß um eine Besenkammer handelte. Hoffentlich mussten die Armen nicht die ganze Nacht hier unten herumstehen. Ronan wechselte ein paar kurze Worte mit ihnen, dann traten sie zur Seite und ließen uns in den Raum dahinter.

Das Erste, was ich wahrnahm, war ein blendend blaues Licht. Ein paar Sekunden später erkannte ich, dass es sich um eine magische Barriere handelte, die das Zimmer einmal in der Mitte unterteilte.

Oliver und Ronan kamen an meine Seiten. Letzterer warf mir einen kurzen, aber dadurch nicht minder intensiven Blick zu. »Keinen Schritt weiter als bis hier!«

»Ist ja gut«, gab ich patzig zurück. Hatte ich sowieso nicht vor. Meine Magie prickelte und ich streckte einmal kurz die Finger, um sie von der Leine zu lassen. Augenblicklich ergoss sie sich in jeden Zentimeter des Raumes, kroch über grob gehauenen Boden, die schmucklosen Wände empor und in die unregelmäßigen Ritzen zwischen den Steinen. Während sie die Umgebung in Augenschein nahm, hob ich die Hand und berührte sacht die schimmernden Fäden, die von der Barriere vor uns ausgingen. Ein Knistern erfüllte die Luft. Etwas in mir reagierte darauf. Ich kannte das Gefühl. Ciaran nannte es Magiesignatur. Und mit dieser hatte ich schon eine Menge Kontakt gehabt. »War Liam hier?« »Ja.« Oliver räusperte sich. »Er leitet das Team aus Magiern, das Nikolas zusammengestellt hat, um mögliche Veränderungen an der Grenze im Auge zu behalten.«

Ich blinzelte verdutzt. »Seit wann?« Und wieso hörte ich gerade zum ersten Mal davon?

»Seit etwa einem Monat.«

Liam und Nik arbeiteten seit vier Wochen zusammen? Und niemand war auf die Idee gekommen, das mal zu erwähnen? Ich hatte nicht einmal gewusst, dass sie nach unserer Rückkehr überhaupt noch Kontakt hatten. Geschweige denn, dass Nik ihm so viel Vertrauen entgegenbrachte, dass er ihn ein ganzes Team leiten ließ. Die Sache war auf jeden Fall ausreichend interessant, um ihr in den nächsten Tagen weiter nachzugehen. Liam war neben Oskar einer meiner ersten Freunde in dieser Welt gewesen und ich hatte in den letzten Wochen viel zu wenig Zeit mit dem jungen Zauberer verbracht.

Vorsichtig ließ ich meine Fingerspitzen in seinen Zauber gleiten. Das Knistern wurde lauter, verletzte mich aber nicht. Lächelnd nahm ich einen der Fäden zwischen Daumen und Zeigefinger und zog daran. Das magische Netz leuchtete einmal auf, dann zerriss es in einem Regen aus Funken. Innerhalb eines Wimpernschlags war die Barriere verschwunden und damit auch die größte Lichtquelle des Raumes. Lediglich zwei flackernde Fackeln in meinem Rücken sorgten jetzt noch für ein Minimum an Beleuchtung. Langsam gewöhnten meine Augen sich an die plötzlich eingetretene Dunkelheit, und als ich endlich erkannte, was ich vor mir sah, holte ich erschrocken Luft. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem einzelnen Stuhl und der darauf zusammengesunkenen Gestalt.

»Was habt ihr getan?«, fragte ich entsetzt und wollte instinktiv nach vorn treten. Ronan streckte einen Arm aus. Keine Sekunde zu früh, denn da hob die Frau den Kopf und ihr Blick bohrte sich in meinen. Meine Magie kehrte so schnell in meinen Körper zurück, dass es mich kurz aus dem Gleichgewicht brachte. Ich schwankte und konnte gerade noch den Energiestoß aufhalten, der sich aus meinen Handflächen lösen wollte. Was zur Hölle war denn jetzt los?

Sicherheitshalber wich ich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß, und sah dann die beiden Männer an.

»Was«, wiederholte ich dieses Mal schärfer, »habt ihr getan?«

»Sie ist nicht die Einzige«, sagte Oliver und fuhr sich durch das kurze blonde Haar. »Sie ist nur die Einzige, die überlebt hat.«

»Die was überlebt hat?«, fragte ich angespannt. Die Frau legte den Kopf schief und jetzt fiel etwas mehr Licht auf ihre Züge. Sie wirkte menschlich, aber das hieß nichts, denn das tat ich ebenfalls. Einen Moment musterte sie mich, dann verzogen sich die rissigen Lippen zu einem freudlosen Lächeln und sie flüsterte ein einzelnes Wort. Kein Geräusch drang durch die Stille, aber ich verstand es auch so. Felicity. Diese Fremde wusste meinen Namen. Oder sie hatte meine Grandma gekannt und hielt mich für sie. Immerhin war ich ihr Ebenbild. Aber irgendwas … Nein, auf keinen Fall hatte sie vor fünfhundert Jahren gelebt. Dies war keine Unsterbliche. Inzwischen war ich recht gut darin geworden, das zu erkennen. Ich verbrachte wohl zu viel Zeit mit Ciaran. Aber na gut, das war ein anderes Problem. Hatte diese Fremde Myra gekannt? Wusste sie deshalb, wie ich aussah?

»Oliver«, sagte ich drängend, weil die anhaltende Stille langsam bedrohlich wurde. »Jetzt redet schon.« Sie hatten mich ja wohl nicht hergebracht, um keine einzige Frage zu beantworten.

»Lass uns das draußen besprechen«, sagte Ronan leise. »Kannst du …« Er deutete auf die Stelle, an der vor wenigen Minuten noch die Barriere gewesen war.

Erst jetzt fiel mir die weiße Linie auf dem Boden auf. Die Wand war bloß Spielerei gewesen, ein Schutz, falls sich jemand Unbefugtes hier herunterverirren sollte. Die wahre Magie lag in diesem unscheinbaren Strich. Deshalb hatte ich die Stimme der Fremden auch nicht hören können. Ich war neugierig, aber auch klug genug, mich nicht mit Liams Magie anzulegen. Also sorgte ich nur dafür, dass sich das Netz wieder aufbaute, und folgte den beiden Männern dann zurück in die Eingangshalle.

Das warme Licht war so willkommen, dass ich tief durchatmete und für einen Moment die Augen schloss.

»Die Frau dort unten«, setzte Ronan zu einer Erklärung an, ohne dass ich ihn erneut darum bitten musste, »ist das Ergebnis eines Experiments. Seit mehreren Tagen tauchen immer wieder Menschen wie sie um die Grenze herum auf.«

»Wahrscheinlich versucht Alea herauszufinden, wie viel Magie sie durch unsere Schutzzauber schicken kann, bevor diese aktiviert werden«, fügte Oliver hinzu.

»Indem sie was tut?«, fragte ich entsetzt, auch wenn ich tief in meinem Inneren schon wusste, was ich für eine Antwort bekommen würde.

»Indem sie Fae-Magie auf Menschen überträgt«, bestätigte Ronan meinen Gedanken.

»Aber …« Mein Mund fühlte sich mit einem Mal viel zu trocken an. »Aber das sollte doch gar nicht möglich sein.«

»Du hast mit Nik das Gleiche getan.«

An dieser Aussage waren so viele Dinge falsch, dass ich gar nicht wusste, wo ich mit der Korrektur beginnen sollte. Zuallererst hatte ich gar nichts getan. Nik hatte das Schwert gepackt, das Myras Magie beherbergte. Dass er dabei ohne sein Wissen etwas von meinem Blut im Körper hatte, ging auf mein Konto. Das musste ich mir anrechnen lassen. Aber nichts davon war geplant gewesen! Ich hatte nicht gewusst, dass der kleine Tropfen ausreichte, dass sich die Magie an Nik binden würde, und schon gar nicht hatte ich damit rechnen können, dass sie seinen Körper nicht mehr verließ, nachdem mein Blut es getan hatte. Ronan wusste das natürlich alles, deshalb verzichtete ich auf eine wiederholte Erklärung und beließ es bei einem giftigen Blick.

Er tat, als bemerkte er das gar nicht, und fuhr einfach fort: »Wir können erwachsene Menschen nicht davon abhalten, das Fae-Reich zu betreten, wenn sie es wollen.«

»Aber sie wissen doch nicht, was sie dort erwartet.«

»Doch«, sagte Oliver leise. »Das wissen sie. Deswegen gehen sie ja.«

»Weil sie Teil eines Experiments sein wollen?«

»Weil sie Magie wollen.«

»Aber –« Ich stockte erneut. Ich wollte sagen, dass es das nicht wert war, doch konnte ich das überhaupt beurteilen? Gegen meine eigene Magie hatte ich mich anfangs mit Händen und Füßen gewehrt, aber jetzt war sie so sehr ein Teil von mir, wie mein Herz es war. Wäre sie auf einmal verschwunden – keine Ahnung, was ich dann tun würde. Das war nicht das Gleiche, oder? Etwas, das schon immer ein Teil von mir gewesen war, gegen etwas, dass nie zu mir hätte gehören dürfen? Irgendetwas trieb diese Menschen an und es war sicher nichts Gutes. »Was wird jetzt mit ihr passieren?«

»Das ist Niks Entscheidung.« Ronan sah mich abschätzend an. »Und bis er hier ist, gehst du dort nicht wieder runter. Ist das klar?«

»Sie kennt meinen Namen«, sagte ich, ohne überhaupt auf seine Frage einzugehen.

»Sie ist völlig verwirrt. Geistig nicht in der Lage, auch nur einen klaren Satz zu formulieren.«

»Was nicht heißt, dass sie nichts weiß.« Oder dass man ihr nicht helfen konnte.

»Glaubst du, wir haben nicht daran gedacht, sie zu befragen?«

»Wenn du mit ihr genauso geduldig warst, wie du es gerade mit mir bist, ist es kein Wunder, dass sie dir nichts gesagt hat.«

Ronans graue Augen blitzten zornig auf. Vielleicht war es doch nicht so schwer, ihn aus der Ruhe zu bringen. »Sag mir nicht, wie ich meinen Job zu machen habe.«

»Wieso?«, fragte ich unschuldig. »Findest du es nervig, wenn dir jemand in dein Leben reinredet?«

»Ich rede dir nicht in dein Leben rein, ich versuche, dafür zu sorgen, dass du es behältst.«

»Ich kann selbst auf mich aufpassen!«, fauchte ich gereizt. Es war zu spät für diese Art von Gespräch. Oder zu früh? Ach verdammt, ich wollte ins Bett.

Oliver schüttelte bloß resigniert den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich demonstrativ ab.

»Ach ja?«, fragte Ronan herausfordernd. »Dann sieh mich an und sag mir, dass du nicht vorhast, da wieder runterzugehen.«

Ich biss die Zähne zusammen. Das konnte ich nicht sagen, weil Ronan die Lüge sofort durchschauen würde, auch wenn mein magisches Erbe mich nicht zwänge, die Wahrheit zu sagen. »Sie kennt meinen Namen!«

»Jeder im Fae-Reich kennt deinen Namen. Du und Nik habt ihre Königin getötet! Glaubst du, das fällt niemandem auf?«

»Aber vielleicht kann ich ihr helfen!« Wenn sie bisher wirklich die Einzige war, die Aleas Experimente überlebt hatte … Menschliche Körper und Fae-Kräfte verstanden sich nicht besonders gut, das hatte ich selbst erlebt. Vielleicht gab es einen Weg, sie zu retten, bevor die menschliche Hülle unter der Magie nachgab.

»Und wenn sie dich umbringen will?«

»Dann kann ich mich verteidigen!«

»Deine Magie ist da unten nutzlos. Sobald du die Linie übertrittst, bist du genauso wehrlos wie jeder andere Mensch auch.«

»Ich kann mich auch sehr gut ohne Magie verteidigen, danke.«

»Na schön.« Ronan spiegelte Olivers Haltung und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. »Beweis es.«

»Was?« Ich lachte verwirrt auf. War das sein Ernst? »Willst du, dass ich dich jetzt angreife, oder was?«

»Ja, sicher. Versuch es. Aber ohne jede Magie.«

Na schön. Konnte er haben. Ich zog den Arm zurück, hielt mich aber gar nicht erst mit einem Schlag auf. Stattdessen zielte ich mit einem Tritt gegen Ronans Brust, dem dieser mit einer Drehung zur Seite ausweichen konnte. Schon war er hinter mir und schlang einen Arm um meinen Oberkörper. Ich tauchte unter dem Griff weg, hakte ein Bein um seines und brachte ihn damit immerhin aus dem Gleichgewicht. Er stieß mich zurück, bis sich mein Rücken gegen die Wand und sein Arm gegen meine Kehle presste.

»Du magst mächtig sein«, knurrte er nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, »aber ohne deine Magie hast du keine Chance. Du bist erwachsen und es wäre mir egal, wenn du nur dich in Gefahr bringst, aber du riskierst Niks Leben mit deinen rücksichtslosen, impulsiven Entscheidungen.«

Aber jetzt gerade hatte ich meine Magie. Und sie hatte genug. In einer einzigen großen Welle stieß die Kraft aus meinem Körper und riss Ronan von den Füßen. Ich packte sein Hemd, bevor er auf den Steinboden knallen konnte.

»Ja, ich bin mächtig«, zischte ich leise genug, dass nur er es hören konnte. »Und wenn du nicht herausfinden willst, wie mächtig genau, schlage ich vor, du machst nie wieder auch nur die Andeutung, ich könnte nicht alles in meiner Macht Stehende tun, um den Mann, den ich liebe, zu beschützen. Ist das klar?« Ruckartig ließ ich ihn los.

Ronan ächzte leise. »Nachricht angekommen.«

Ich lächelte zufrieden. Oliver schüttelte tadelnd den Kopf, aber das war mir egal. Ich hatte meinen Standpunkt rübergebracht. Und jetzt würde ich ins Bett gehen.

Kapitel 4

 

 

 

Meine Träume handelten von diffusen Schatten, verschwommenen Silhouetten und leuchtend rotem Blut auf meinen bleichen Händen. Ich erwachte mit einem Keuchen. Kalter Schweiß trocknete auf meiner Haut. Das Hemd klebte unangenehm feucht auf meinem Körper. Einen Augenblick verharrte ich so. Irgendwas war anders. Meine Träume endeten nicht abrupt. Ich durchlebte sie immer bis zum letzten Moment. Mein Kopf schnellte nach oben. Ich war nicht allein. Und ich hatte bis jetzt gebraucht, um das zu bemerken. Bevor die Panik einsetzen konnte, traf ich auf vertraute goldgesprenkelte Augen und sofort beruhigte sich mein rasender Herzschlag.

»Was –« Ich musste mehrmals zum Sprechen ansetzen und blinzelte verwirrt. »Was tust du hier?«

»Als ich das letzte Mal nachgesehen habe«, Nik legte den Kopf schief, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen, »war das hier noch mein Schloss. Ich überlasse es dir aber gern, wenn du mich weiter hier wohnen lässt.«

»Ich will dein Schloss nicht.« Langsamer, als mir lieb war, setzte mein verschlafenes Hirn die Situation in einen sinnvollen Zusammenhang. Nik saß auf der Bettkante und das bedeutete … »Du bist wieder da!«

»Eigentlich sprichst du mit meinem Doppelgänger, den ich für langweilige Ratssitzungen einsetze. Ich dachte nur, du könntest etwas Gesellschaft vertragen.«

Ich gab ein ersticktes Stöhnen von mir. »Gibt es deinen Doppelgänger auch ohne den Versuch, witzig zu sein?«

Zur Antwort hob er mich mitsamt der Bettdecke auf seinen Schoß, schlang die Arme um mich und brachte die Lippen an mein Ohr. »Ich habe dich auch vermisst.«

Ich gab ein wohliges und noch leicht verschlafenes Brummen von mir, vergrub mein Gesicht in seinem Nacken und atmete seinen vertrauten Geruch ein. Er war derjenige, der weggewesen war, und doch fühlte ich mich gerade, als sei ich nach Hause gekommen. Wow. War das kitschig romantisch. Wir brauchten ganz schnell einen Themenwechsel. »Bist du eher zurück wegen dem, was an der Grenze passiert ist?«

»Ronan sagte schon, dass er dich eingeweiht hat.«

So konnte man es natürlich auch nennen. »Hast du sie gesehen?«

Er nickte langsam. Eine Bewegung, die ich mehr spürte, als sah. »Meine Magier sind an der Sache dran.«

Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum. »Wie konntest du so schnell hier sein? Oliver und Ronan sind gestern erst zurückgekommen.«

»Ich wurde sehr genau über die Dinge hier auf dem Laufenden gehalten. Gwen hat euren Vogel geschickt, als die beiden los sind, und er hat mich gestern gegen Vormittag erreicht.«

Das erklärte immerhin, warum ich Peanut den ganzen Tag über nicht gesehen hatte. Sich das Sorgerecht für das eigensinnige Tier zu teilen, erforderte eine Menge Kommunikation, aber ich stand Niks Schwester inzwischen so nah, dass ich sie beinahe als meine eigene bezeichnen würde.

Ich streckte mich und spähte aus dem Fenster auf die beleuchtete Turmuhr. Halb sechs. Sehr lange hatte ich nicht geschlafen. »Bist du etwa zwanzig Stunden durchgeritten?« Allein die Vorstellung reichte, um jeden Muskel in meinem Körper schmerzen zu lassen. »Neunzehn. Wir hatten noch eine kleine Notfallbesprechung.« Ohne mich loszulassen, griff er zur Seite und hielt mir einen Teller vors Gesicht. »Schokokuchen?«

»Hä?«, machte ich wenig intelligent. Zu mehr verbalem Ausdruck war ich gerade nicht fähig. Es reichte aber noch, um wieder neben Nik aufs Bett zu rutschen, ein Stück des Gebäcks abzubrechen und mir in den Mund zu stecken. So etwas passierte ganz automatisch und verlangte zum Glück keine koordinierten Bewegungen. Mit einem zufriedenen Seufzen schloss ich die Augen. Das war die perfekte Balance aus dem herben Geschmack der Schokolade und der Süße des Zuckers.

»Der Kuchen war noch von irgendwas übrig. Wir wollten niemanden in der Küche stören.« Nik drückte einen Kuss auf meine Stirn, dann stand er auf und ließ den Reiseumhang von den Schultern gleiten.

»Wie darf ich mir das denn vorstellen?«, fragte ich amüsiert, während er sein Hemd aufknöpfte. »Ihr sitzt da alle mitten in der Nacht hoch offiziell um euren Versammlungstisch und esst Kuchen?«

»Und Milch trinken wir auch.«

»Ich verliebe mich gerade ganz neu in dich.«

»Es sind die kleinen Dinge.«