Begegnungen mit der Natur - Ruth Finckh - E-Book

Begegnungen mit der Natur E-Book

Ruth Finckh

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Beschreibung

Naturbegegnung - das kann der Eindruck einer romantischen Mondnacht sein, aber auch der Blick auf ein Bärtierchen unter dem Mikroskop, das Frieren im Schneesturm oder das Abtauchen in ein exotisches Meer. Man freut sich an der Grünkraft eines vertrauten Kastanienbaums, gruselt sich vor krabbelnden Insekten, genießt den Duft blühender Wiesen - und fühlt nicht zuletzt die eigene Körperlichkeit und den nie endenden Kreislauf der Entstehung und Vergänglichkeit alles Lebens, wenn man sich mit Verstand und Sinnen auf die Natur einlässt. Dieser Erfahrung in all ihren Facetten spüren die Beiträge des Bandes nach.

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Seitenzahl: 349

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Eine Sammlung von Texten aus dem Club der altersgemischten Dichterinnen und Dichter der Schreibwerkstatt der Universität des Dritten Lebensalters Göttingen

Zusammengestellt von Dr. Ruth Finckh und den Autorinnen und Autoren dieses Buches

Buchgestaltung: Dr. Ruth Finckh, Samira Belmonte, Claudia Liersch, Martina Scheible und die Autorinnen und Autoren November 2022

Zu diesem Buch

Unsere Anthologie ist das Ergebnis vielfältiger vertrauensvoller Zusammenarbeit. Dass diese Kooperation über viele Alters- und Erfahrungsgrenzen hinweg so gut gelungen ist, liegt an der freundlichen Neugier und Offenheit, die den Club der altersgemischten Dichterinnen und Dichter, auch Offene Schreibwerkstatt der UDL genannt, seit vielen Jahren auszeichnet. Quer durch die Generationen wurde gelacht, argumentiert und gemeinsam um die beste Formulierung gerungen. Das Thema Begegnungen mit der Natur wurde von den Mitgliedern der Schreibwerkstatt in ungewohnter Einhelligkeit für dieses Jahr festgelegt

Wir haben online gearbeitet, ausschließlich und mit wachsender Selbstverständlichkeit. Die Dienstagnachmittage voller lebendiger Diskussionen in unseren Videokonferenzen wurden zur lieben Gewohnheit, fast so unmittelbar wie reale Begegnungen.

Die Studierenden haben die Möglichkeit, Studienleistungen zu erbringen, indem sie mit einem Partner oder einer Partnerin aus der UDL gemeinsam ein Schreibprojekt durchführen und dazu einen Bericht schreiben. Eines der Tandemprojekte (Am Meer) ist in diesem Band dokumentiert.

Mein persönlicher Dank gilt Samira Belmonte, Claudia Liersch und Martina Scheible, die gemeinsam mit mir in vielen Stunden intensiver Zusammenarbeit mal beschwingt, mal sich verzweifelt die Haare raufend über Buchbearbeitungs-Tücken, aber immer fröhlich und als wunderbares Team dazu beigetragen haben, dass dieses Buch gelungen ist.

Dr. Ruth Finckh

Danke!

An alle, die daran mitgearbeitet haben, dieses Buch zu schreiben, zu gestalten und zu lektorieren, das hoffentlich vielen Lesern Freude bereiten wird.

Unser ganz besonderer Dank gilt

Juliana Krüger, die bei der Bildbearbeitung und -integration intensiv und liebevoll mitgewirkt hat und besondere Verdienste an der Weinheim-Fotocollage hat.

Tobias Liersch, der die Formatierung mit technischen

Wunderkniffen unterstützt hat und dem ein für eine Anthologie sinnvolles Inhaltsverzeichnis zu verdanken ist.

Hans-Jochen Hüchting für die umfangreiche Organisation der Werkstatt-Schreibreise nach Weinheim und für seine großzügige Gastfreundschaft dort.

Manfred Kirchner, der uns mit geübtem Rat und tatkräftiger Hilfe die Anmeldung und die Verhandlungen mit BoD – Books on Demand abgenommen hat, ohne die niemand ein tatsächliches Buch in die Hand bekommen hätte.

Die Herausgeberinnen

Dr. Ruth Finckh, Samira Belmonte,

Claudia Liersch, Martina Scheible

Inhaltsverzeichnis

Gernot Sander: Kaulquappen

Gerhard Diehl: Naturbetrachtung

Mareike Bräuer: Nachbarschaftshilfe

Renate Wunderer: Der Hochzeitstag

Manfred Kirchner: Carlos und Lilli – eine außergewöhnliche Entenliebe

Ingrid Hüchting: Mein Freund Pica

Manfred Kirchner: Orpheus und Orphea - das Krähennest

Ruth Finckh: Die Gestreifte

Dr. Christiane Kimm-Olde: Upupa – In Erinnerung an Piccia, eine geschickte Jägerin (2000-2022)

Lore I. Lehmann: Casimir

Gernot Sander: Bärtierchen

Helga Margenburg: Die Hornisse

Michael Groß: Träume einer Königin

Laetitia Diehl: Embryophyta – Beblätternde Entwicklung

Mareike Bräuer: Lebensblühen

Martina Scheible: Wet Toes

Lore I. Lehmann: Sina hat ein Geheimnis

Renate Wunderer: Grenzüberschreitung

Mareike Bräuer: Zaubertrank

Lara Döring: Vom Wind getragen

Martina Scheible: Wind Tänzer Wind Dancer

Mareike Bräuer: Oma und der neue Arzt

Renate Wunderer: Einwanderung – Zuwanderung

Ruth Finckh: Gottes grüner Daumen

Martina Scheible: Viriditas – Grünkraft

Claudia Liersch: Gundels Weg oder die Kraft der Kräuter

Gerhard Diehl: Glycinie

Dr. Christiane Kimm-Olde: Evergreen

Claudia Liersch: Bourbon–Vanille

Lore I. Lehmann: Der Garten der verlorenen Träume

Dr. Christiane Kimm-Olde: Der Pinie Kern

Ingrid Hüchting: Drei Geschwister

Hansi Sondermann: Meine Kastanie

Samira Belmonte: Bonsai oder Opa hat den Baum bei meiner Geburt gepflanzt

Renate Wunderer: Lieber Wald

Hansi Sondermann: Wer hat dich, du schöner Wald

Gernot Sander: Waldbrand

Ingrid Hüchting mit Hans-Jochen Hüchting: De-collage

Manfred Kirchner: Mein Wald

Claudia Liersch: Rosé zur blauen Stunde

Dr. Christiane Kimm-Olde: Barfuß in der Normandie

Claudia Liersch: Ich als Schnorchler

Jana Wolter: Wellenreiten

Samira Belmonte: Das Meer

Lisa Mayrl und Samira Belmonte: Die Blaue Lunge

Martina Scheible: Die Zeit steht still

Samira Belmonte: Wellen

Ruth Finckh: Tandemprojekt

Laura Grupe und Helga Margenburg: Am Meer

Samira Belmonte: Begleiter

Gernot Sander: Facetten der Liebe

Renate Wunderer: Gibs auf, gibs auf

Ingrid Hüchting: Natur pur

Gernot Sander: Nacktwanderung

Ruth Finckh: Meine Hände

Martina Scheible: Abgehandelt

Renate Wunderer: Soldatenfriedhof

Samira Belmonte: Natürlich

Martina Scheible: Mittsommerabend Juni 2022 – zu Grabe getragen

Hans-Jochen Hüchting: Nachgetragener Abschied

Helga Margenburg: Erinnerungen an meinen Vater

Ruth Finckh: Hermannshof 1

Ruth Finckh: Hermannshof 2

Ruth Finckh: Hermannshof 3 Nasella tenuissima

Helga Margenburg: Das rosa-weiße Band

Céline Rose Nicole Choukair: Amarinestraße 17

Ruth Finckh: Ida und der Präriegarten

Helga Margenburg: Das Weinfest des Dionysos

Hans-Jochen Hüchting: Zographae

Martina Scheible: Zierlauch Geister

Claudia Liersch: Schmetterling des Jahres

Renate Wunderer: Zauberkräutlein

Hans-Jochen Hüchting: Der Sumpf

Mareike Bräuer: Jahresumbrüche

Renate Wunderer: Eintritt verwehrt

Lara Döring: Nasser Spaziergang

Renate Wunderer: 1943 – Die Verzauberung für Anni W.

Ruth Finckh: Mittsommer - Mittwinter

Martina Scheible: SommerSonnenWinterWende

Renate Wunderer: Oktober

Renate Wunderer: Treibhauseffekt

Martina Scheible: Herbst am Seerosenteich

Ruth Finckh: Kühl für Mai

Renate Wunderer: Trockener Humor

Claudia Liersch: Wasser

Renate Wunderer: Eiskalte Schönheit

Hans-Jochen Hüchting: Sonnenfinsternis

Mareike Bräuer: Mondsüchtig

Renate Wunderer: WetterFest

Ruth Finckh: Macht des Sommers

Renate Wunderer: Winter

Martina Scheible: It is all about perspective

Bild: Melina Bringmann

Gernot Sander

Kaulquappen

Das Gelände um den heutigen Kiessee war in meiner Kindheit unser wichtigster Spielplatz. Dabei waren regelmäßig meine jüngere Schwester Gudrun, mein älterer Bruder, Volker, und ich; gelegentlich war auch unser ältester Bruder Ekkehart mit, ebenso oft Kinder aus der Nachbarschaft. Meistens gingen wir die Strecke von der Riemannstraße zu unserem Spielplatz zu Fuß, nahmen aber oft auch die Fahrräder.

Ich habe bewusst vom „heutigen Kiessee“ gesprochen, denn zu unserer Zeit gab es deren zwei, den großen und den kleinen Kiessee. Der große Kiessee entsprach weitgehend dem heutigen größeren Teil am Sandweg, der kleine war dahinter verborgen. Dort wurde auch noch Kies gefördert (Bild) und mit Loren zu einem angeschlossenen Kieswerk transportiert, wo der Kies sortiert wurde.

Foto: Gernot Sander, Bagger am kleinen Kiessee ca. 1960

Rechter Hand der Gleise zum Kieswerk hatte sich ein kleines Biotop gebildet. Wir nannten es „das Schilf“, denn dort wuchs weit über unsere Köpfe ragendes Schilf, in das wir unzählige Trampelpfade getreten hatten. Das kleine, vielleicht 20 mal 30 Meter große Areal kam uns vor wie eine eigene Welt. Unser größtes Vergnügen bestand darin, im „Schilf“ Verstecken zu spielen, denn in dem Gewirr der Pfade konnte man sich ebenso leicht unsichtbar machen wie verlaufen.

Am Rand des Schilfs, unterhalb einer etwa zwei Meter hohen, vermutlich im Zug der Kiesgewinnung nebenbei entstandenen Lehmwand war ein kleiner Tümpel, höchstens einen halben Meter tief, der aber wegen des tonigen Untergrunds immer mit Wasser gefüllt war.

In diesem Tümpel entdeckten wir irgendwann in den frühen fünfziger Jahren ein großes Gewimmel mit hunderten von Kaulquappen. Das faszinierte uns so sehr, dass wir von da an täglich zu diesem Tümpel pilgerten und die Kaulquappen beobachteten. Ich weiß nicht, ob wir schon Vorkenntnisse über die Entwicklung von Fröschen hatten. Mir kommt es aber so vor, als wären wir damals tatsächlich Entdecker gewesen.

Irgendwann begannen die Kaulquappen zu unserem Entzücken, Beine zu bilden, und wir sahen mit Staunen zu, wie diese immer größer wurden und die Schwänze nach und nach verschwanden. Und dann kam der Augenblick, wo winzige Frösche umherhüpften, die wir gern in die Hand nahmen. Ein wunderbares Gefühl, die kühle Haut der frisch verwandelten Tierchen zu spüren und sie ohne jedes Anzeichen von Angst kurze Hüpfer auf der Hand machen zu sehen. Denn die allermeisten fallen natürlich später ihren Fressfeinden zum Opfer.

Leider ist dieses künstlich geschaffene kleine Biotop mit dem Verschwinden der Kiesgewinnung und der Vereinigung der beiden Teile zum jetzigen Kiessee für immer verloren gegangen. Diese Erlebnisse haben sicher dazu beigetragen, ein langandauerndes Interesse an der Biologie zu wecken, welches unter uns Geschwistern lange anhielt und bei mir bis zum Studium führte.

Gerhard Diehl

Naturbetrachtung

Endlich! Erleichtert ließ sich Anton in seinen Sessel fallen. Es beruhigte ihn, das vom langen Gebrauch abgewetzte Kunstleder unter den Fingern zu spüren. Er hatte es geschafft! Nie wieder vor die Tür! Er war in Sicherheit.

Es war gar nicht so einfach gewesen, den Besitzer von „Lissie’s Konsum-Corner“ in der Beethovenstraße davon zu überzeugen, ihn, Anton, einmal wöchentlich mit allem Lebensnotwendigen zu beliefern. An die Wohnungstür! Das war die Bedingung gewesen! Nur seine präzisen Listen, Vorauskasse per Dauerauftrag und die Zusicherung eines guten Trinkgeldes hatten den Mann dazu gebracht, Antons Vertragsentwurf nach längerem Hin und Her zu unterschreiben. Endlich! Nie wieder raus!

Die verwunderten Blicke des Mannes ignorierte er. Darin hatte er mittlerweile Übung. Genauso hatte er bei den beiden Agenten der Wohnbaugenossenschaft die hochgezogenen Brauen übersehen, mit denen sie sich über die Ränder ihrer Computerbildschirme angesehen hatten, als er mit seinem Anliegen in ihrem Regionalbüro aufgetaucht war. Er hatte nach einem Einzimmerappartement gefragt, keinesfalls Parterre, möglichst in einem höheren Stockwerk – aber nicht ganz oben, kleines Fenster, unbedingt ohne Balkon. Eine glatte Fassade ohne Nischen und Winkel hatte er gefordert, kein Rauputz!

Entspannt lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Weit genug weg vom Fenster stand er ja.

Endlich in Sicherheit! Nie wieder musste er vor die Tür!

Warum nur hatte ihn nie jemand verstanden? Schließlich wusste er schon seit langem Bescheid. Seit seiner Kindheit. Er kannte sich nämlich mit der Natur aus, hatte früh durchschaut, was sich draußen vor seiner Wohnungstür abspielte. Denn schon im Vorschulalter hatte er sich für Tiere interessiert. Besonders Insekten hatte es ihm angetan. Es gab kaum einen Dokumentarfilm zum Thema, den er nicht gesehen hatte. Manche waren ja noch in Schwarz-Weiß gewesen wie ‚Formicula‘. Aber trotzdem wusste er seitdem, was es über Ameisen zu wissen gab. ‚Centipede Horror‘ kam ihm wieder in den Sinn. Danach hatte er sich mit Tausendfüßlern ausgekannt. ‚Der tödliche Schwarm‘ hatte ihm endgültig die Augen für Wespen geöffnet. Nach und nach hatte er so sein Wissen erweitert, seine Kenntnisse vertieft, war zum Experten geworden. Inzwischen gab es Gott-sei-Dank kaum noch eine Insektenart, der sich die Naturfilmer nicht angenommen hätten, ob es sich nun um Bienen, Moskitos oder Feuerkäfer handelte. Ganz zu schweigen von Heuschrecken oder Spinnen! Warum nur war ein so wichtiger Forschungsbeitrag wie ‚Arac Attack‘ so wenig beachtet worden?

Anton schauderte es wohlig. Ach, sollten die anderen doch draußen herumlaufen, wenn sie die Zeichen nicht erkannt hatten. Sollten sie ruhig nichtsahnend durch die Felder radeln und über Sanddünen streifen, sollten nur weiter auf buntkarierte Decken zum Picknick in den Stadtpark einladen oder sorglos unter Bäumen am Waldrand sitzen.

Dabei war doch alles ganz offensichtlich. Ihm hatten die Dokus die Augen geöffnet. Er wusste genau, wie schnell sich haarige Fühler aus Gullideckeln strecken konnten, wie große Facettenaugen – ihre Beute fixierend – aus Garagenhöhlen hervorschauten, wie schwellende Saugrüssel von Dächern herab zugriffen oder wie großfenstrige Häuserfronten über Nacht zu Brutwaben ausgebaut wurden. Anton hatte sich alles gemerkt und rechtzeitig seine Schlüsse daraus gezogen. Was musste es ihn kümmern, wenn keiner begreifen wollte. Zufrieden lächelnd sank er tiefer ins Kunstleder.

Nie wieder vor die Tür! Endlich! Er war in Sicherheit!

Während er sich weiter entspannte und still seinen Triumph auskostete, streifte sein Blick zufällig das Buch, das vor ihm auf dem nierenförmigen Couchtisch aus der Wohnung seiner Eltern lag. Er atmete noch einmal tief durch, runzelte aber bereits dabei ein wenig die Stirn und spürte gleichzeitig, wie sich eine neue Unsicherheit in seinem Nacken festsetzte. Unmerklich beschleunigte sich sein Atem. Wenn der Bericht stimmte, den dieser Franz da über den Gregor zusammengetragen hatte, dann könnte der Horror bald auch hier drin losgehen.

Mareike Bräuer

Nachbarschaftshilfe

Schnüff, schnüff! Schnüff, schnüff! Suchend, mit meiner Nase nah am Boden, bewege ich mich durch den Garten; die Stacheln auf meinem Rücken stellen sich auf. Es wird kälter, das merke ich!

Ein Versteck! Schnüff, schnüff! Jaaa, ein Versteck, das brauche ich jetzt! Weiter laufe ich forschend über den Rasen. Es riecht nach Erde, Gras und nassem Laub. Laub! Das könnte richtig sein! Schnell renne ich auf den Laubhaufen in der Ecke des Gartens zu und beginne mit meinem Vorderpfoten darin zu graben. Ein schöööner Laubhaufen ist das! Hoch aufgeschichtet und ohne so eine gefährliche Harke, die sonst manchmal darauf liegt.

Ich will gerade mit meiner Nase voran vorsichtig in den Haufen hinein, da... „Frrrchh“ Huch! Hastig rolle ich mich zusammen. Im Laubhaufen raschelt es und immer wieder macht etwas: „Frrrr, Frrrchh!“. Doch was ist das? Ich rolle mich ein wenig auf und mit meiner sensiblen Nase nehme ich weitere Gerüche aus dem Laubhaufen auf.

Da: Laub, nass, ein bisschen Moos, und das? Das riecht doch... nach Igel! Ja, ja! Ein anderer Igel faucht mich da von innen an! Jetzt raschelt es wieder. Eine Fellnase schiebt sich aus dem Laub! „Frrrchh!“, faucht er mich wieder an. Das lasse ich mir nicht bieten!

„Frrrchh!“, fauche ich zurück und stelle meine Stacheln ein wenig auf. So stehen wir da eine Weile, fauchend, mit aufgestellten Stacheln und blicken uns an. Weitere Geräusche kommen im Dunkel der Nacht hinzu. Ein Quietschen; „Wasn das fürn Lärm, ey?“; Poltern. Doch wir lassen uns nicht beirren. Hier geht es ums Revier! Schnaubend will ich näher an den Igel heran. Da bewegt der endlich seinen stacheligen Po aus dem Laubhaufen heraus. Auch seine schwarze Nase fährt schnuppernd über den Boden. Er streckt sie in Richtung Zaun und schnauft. Was ist da? Was hat er gerochen? Schnüffelnd versuche ich die gleichen Gerüche aufzunehmen.

Ja, das ist der Nachbarsgarten, der mit den vielen Maikäfern im letzten Sommer. Auch da riecht es nach Erde, Gras, totem Holz und ... LAUBHAUFEN! Ich kann mein Glück kaum fassen. Meine Beine tragen mich über die kurzgemähte Wiese und unter dem Zaun entlang in den Garten nebenan. Und da ist er! Ein wunderschöner Laubhaufen! Noch größer, als der erste. Und ich horche ... Nein, kein Rascheln, kein Schnaufen ist zu hören. Mit der Nase zuerst stürze ich mich ins Paradies. Hach, dieser Geruch! Noch einmal grunze ich, bevor ich mich zum Schlaf zusammenrolle. Danke, Nachbarsigel!

Renate Wunderer

Der Hochzeitstag

Herr Specht war heute der erste im Wald, der zur Arbeit ging. An sich war er kein Frühaufsteher, doch heute hatte er seinen 11. Hochzeitstag und er wollte seine Frau mit einem besonderen Leckerbissen überraschen. Verbissen klopfte er an die Kanadische Birke. Direkt unter ihrer Krone war die Ausbeute normalerweise am erfolgreichsten und mit aller Manneskraft hieb er seinen Schnabel in die weiße Rinde, dass die Blätter erzitterten. Erschrocken erwachte die Birke aus ihrem Schlaf und riss die Augen auf.

Du hast mich aus dem schönsten Liebestraum gerissen, rauschte sie erbost.

Klack, klack, klack, klopfte der Specht, ruhig Blut, dauert nicht lange und ich werde mein Frühstück gejagt haben. Für meine Frau, zum Hochzeitstag, setzte er hinzu.

Aber doch nicht zu nachtschlafender Zeit. Schon mal was von Waldesruhe gehört?

Ich hab’s eher mit der Waldeslust, dachte Herr Specht, kicherte in sich hinein und fing die erste Made.

Darüber war die Kanadische Birke so erzürnt und vor lauter Entrüstung hellwach, dass sie begann, sich zu schütteln und mit ihren Zweigen zu rütteln. Der Wind sah die verzweifelten Versuche der Birke, und hui fuhr er mit Sturmgeschwindigkeit durch ihr Geäst. Er hatte die ganze Nacht flach gelegen, war ausgeruht und begann voller Lust herumzutollen und zu spielen.

Herr Specht, der sich in die Birkenrinde eingekrallt hatte und sein erstes Frühstück genoss, konnte gerade noch seine Flügel heben und sich in die Luft schwingen, bevor es ihn davon wehte. Vor Schreck aber hatte er sich an seiner Made verschluckt und der Wind raubte ihm den letzten Atem. Hin und her geschaukelt,

Bild: Renate Wunderer

musste er sich willenlos den Böen überlassen. Hilfe, piepste er und riss japsend den Schnabel auf. Schluss mit dem Getobe, schrie die Birke. Am Ende bin ich geknickt und geknackt und liege tot am Boden.

Der Wind pfiff eh’ aus dem letzten Loch und war völlig ausgepowert. Mit einem letzten Heulen legte er sich wieder und genoss seine Flaute. Herr Specht hatte sich Schutz suchend in einer Astgabel niedergelassen. Er schnupfte und schniefte und klopf, klopf, klopf machte sein bumberndes Vogelherzchen. Erst jetzt dachte er wieder an seinen Hochzeitstag und zärtlich an sein Weibchen. Die Birke, mitleidig gestimmt, gestattete Herrn Specht noch einige Hammerschläge. Und tatsächlich fielen ihm noch einige Maden direkt in den Schnabel und zufrieden machte er sich auf den Weg zu seiner Ehegattin.

Viel Freude und noch viele Jahre, raunte die Birke ihm hinterher.

Für Jonas zum 11. Geburtstag

Manfred Kirchner

Carlos und Lilli – eine außergewöhnliche Entenliebe

Unglaublich schön, diese Tage im Mai.

Anfang Mai hatten sich Carlos und Lilli bei uns einquartiert. Carlos, ein Mandarin-Enten-Erpel und Lilli, eine Stockente. Carlos kannten wir schon länger. Eine Mandarin-Ente fällt zwischen Stockenten, Blässhühnern, Teichhühnern, Haubentauchern und Schwänen auf, bei uns auf dem Juessee in Herzberg. Und dort lebt er wohl schon zwei Jahre, vermutlich ausgebüxt von irgendeiner Familie, die ihn als Haustier halten wollte. Carlos hat ein starkes Selbstbewusstsein. Wo er sitzt, steht, schwimmt, ist kein Platz für Sammy, den Stockentenerpel, der immer wieder versucht, sich Lilli zu nähern; und auch nicht für andere Stockentenerpel. Ruhen Carlos und Lilli in der Sonne auf der Mühlengrabenmauer, sitzt Sammy im gebührenden Abstand daneben. Stimmt dieser Abstand nicht mehr, startet Carlos raketenhaft und schießt flatternd und über das Wasser laufend auf Sammy zu, und auf andere Erpel auch.

Das Trio, Carlos, Lilli und Sammy, war schon öfter bei uns im Garten, hat auf dem Rasen geruht. Und anscheinend hat den dreien unser Gras geschmeckt, denn manchmal grasten sie wie Schafe. Na ja, dachten wir, das ist ja wohl normal, ein Mandarin-Enten-Erpel, allein, keine Mandarin-Enten-Partnerin im weiten Umkreis. Wenn ich schon allein hier in diesem Herzberg sein muss, wird Carlos sich vielleicht auch gedacht haben, kein Mandarin-Mädel weit und breit, lache ich mir ein Stockenten-Mädchen an.

Mitte April tauchten Carlos, Lilli und Sammy fast jeden Tag in unserem Garten auf, Sammy weiter in gebührendem Abstand. Es gefällt ihnen gut bei uns, dachten wir. Und dann, ein paar Tage später, kamen nur noch Lilli und Carlos. Sie inspizierten unser Grundstück ausgiebig. Lilli schlich sich in eine trockene Ecke unterhalb der Terrasse, verdeckt, hinter irgendeinem namenlosen Kletterzeug. Carlos stand Schmiere, äußerst aufmerksam in alle Richtungen schauend. Dann kam Lilli wieder aus ihrer Ecke, eine kurze Unterhaltung – kock, kock, kock, kock – zwischen den beiden, und dann der Abflug. Wir waren neugierig. Ein Blick hinter das Gestrüpp – nichts Aufregendes. Nur eine kleine Mulde, die Lilli da gescharrt hatte. Und dann kamen Carlos und Lilli täglich. Lilli verschwand für dreißig bis vierzig Minuten hinter dem Kletterzeug und Carlos stand auf Posten, aufmerksam die Umgebung beobachtend. Unsere Neugier steigerte sich. Ein paar Tage später, als die beiden wieder fortgeflogen waren, schauten wir vorsichtig nach. Eier, drei oder vier, relativ groß, blaugrün-pastellfarben. Was passiert hier, fragten wir, uns einander ungläubig anschauend. Google! Mandarin-Ente nachgeschlagen, unter Fortpflanzung gelesen. Ja, das geht, dass sich Mandarinenten mit Stockenten paaren können. Unser Nachbar war Augenzeuge, wie er uns sagte: Die beiden hatten sich gepaart. Mit dem Brutgeschäft beginnt die Stockente erst, wenn alle Eier gelegt sind. Heraus aus den Eiern schlüpfen Hybrid-Kinder, die aber nicht fortpflanzungsfähig sind. So jedenfalls Google. Jetzt wird es richtig spannend, waren wir uns einig. Täglich beobachteten wir das Gelege und den Besuch von Lilli und Carlos von unserer Terrasse aus. Irgendwie hatten sie unsere Anwesenheit akzeptiert, reagierten beruhigt auf unsere Ansprache. Dann begann Lilli mit dem Brutgeschäft. Warum brüteten sie eigentlich nicht am Juessee? Keine Deckung? Hunde? Katzen? Störungen durch Menschen?

Carlos ist ein Erpel erster Güte, der Traum jeder Stockente. Geduldig – eigentlich stoisch – stand er vor dem Zugang zur Brutmulde, fragte immer wieder seine Liebste, wie es ihr geht mit seinem „kock kock kock kock“. Und Lilli mochte auch immer wieder etwas erzählen, kann wohl Mandarin. Einfach köstlich, dieses Gesäusel zwischen den beiden.

Ein letzter Blick bei Abwesenheit des Paares: Dreizehn Eier, vielleicht dreizehn Entenkinder ... und keine Paten! Das sollte sich schnell ändern. Caroline, unsere jüngste Enkeltochter, grüßte jetzt jeden Morgen Carlos, winkte ihm zu, auf ihren Weg in die Kinderkrippe. Und Charlotte, ihre Schwester, passte auf, dass bloß niemand den Enten zu nah kam. Zu nah? Da war doch noch die Katze, die nachts auf die Pirsch ging. Woher wir das wussten? Aus der Wildkamera, die wir etwa zwei Wochen nach Brutbeginn installiert hatten und die alles aufzeichnete, was rings um die Brutmulde von Lilli passierte. „Können wir denn keine Katzenfalle aufstellen?“, so Charlottes Vorschlag. Da man nicht so einfach Katzen fangen kann, war Charlotte einverstanden, dass wir Kaffeesatz rund um das Entennest ausstreuen. Den Kaffeegeruch mögen Katzen wohl nicht, hatten wir gelesen. Und dann war da noch der Igel, der sich fast jede Nacht von der Wildkamera porträtieren ließ. Zum Glück frisst der keine Vogeleier, auch nicht der Siebenschläfer, der mal vorbeischaute.

Auch Enten können nicht von Luft und Liebe allein leben. Allerdings, so unsere Auffassung, finden sie in der Natur genug Nahrung und müssen nicht gefüttert werden. Daher kam es meist zweimal am Tag zu einem rasanten Flugstart der beiden, auch schon mal kurz über unsere Köpfe hinweg – auf der Wildkamera dokumentiert. Und so nach zwanzig bis dreißig Minuten waren sie zurück, meist gemeinsam. Lilli ging voran, peilte die Lage und Carlos kam im Enten-Watschelgang hinterher. Spätestens hier wurde uns klar, wer bei den Enten das Sagen hat.

Und dann war da noch der angeborene Trieb der Entenmutter, kurz nach dem Schlüpfen mit den Kindern zum Wasser zu gehen. Der Mühlengraben fließt nur zirka hundert Meter von der Bruthöhle entfernt. Eigentlich kein Problem. Aber er ist mit Mauern verbaut, hat eine starke Fließgeschwindigkeit, auf der sich die kleinen Entenküken nicht halten können. Ein Anruf beim NABU. Nein, keine Ahnung, war die Auskunft im Büro. Da müsst ihr mal mit Fritz sprechen. Die Auskunft von Fritz erschien uns kompetent: Das sind Wildtiere. Die kennen das, von einer Mauer ins Wasser zu springen. Die Entenmutter wird schon darauf achten, dass die Küken sich im Wasser halten. Das war an einem Vormittag, als wir mit Fritz gesprochen hatten. Am Nachmittag stand dann das Telefon nicht mehr still. Viele Ratschläge, gute und weniger gute, viele Hilfsangebote. Wer hatte denn hier geplaudert? Letztlich setzte sich die Überzeugung bei uns durch, dass die Entenküken auf dem Mühlengraben keine Überlebenschance haben, da es kaum flache Uferbereiche gibt, an denen sie das Wasser verlassen können. So schmiedeten wir einen Evakuierungsplan. Die Entenfamilie soll auf den Ochsenpfuhl umgesiedelt werden, ein Teich mit reichlich Schilf im Uferbereich. Dort können die Entenkinder ungestört von Passanten und unter dem Schutz des Uferbewuchses aufwachsen.

Der Plan stand. Carlos hielt weiter Wache vor der Entenhöhle. Ich erzählte Carlos täglich etwas und er antwortet mit seinem „kock, kock, kock, kock“. Dann war Carlos auch mal einen halben oder auch ganzen Tag weg. Typisches Erpelverhalten? Am Ende der Brutzeit schwächeln sie meist, so Google, und lassen dann die Ente endgültig allein. Aber Carlos ist kein typischer Erpel. Zwei Tage später saß er wieder vor dem Entennest und wich Lilli nicht von der Seite. Ahnte er was? Gemeinsame kurze Ausflüge, um etwas zu fressen, dann war er wieder da, kam hinter Lilli hinterhergewatschelt, den Garten hinauf.

Nach weiteren zwei Tagen war morgens alles anders. Caroline hatte noch „Tschüss Carlos“ gerufen, als sie um acht Uhr das Haus verließ und in die Kinderkrippe gebracht wurde. Als wir wenig später an der Brutstelle vorbeikamen, war Carlos sehr aufgeregt. Und dann kamen da leise Piepser aus der Bruthöhle. Die Entenküken waren geschlüpft. Jetzt mussten wir handeln, denn die Entenmama durfte das Grundstück nicht in Richtung Mühlengraben verlassen. Sie sollte doch in den Ochsenpfuhl umquartiert werden. Schnell hatten wir eine Absperrung errichtet, die die Küken nicht überwinden konnten. Da wir noch ein paar Dinge erledigen wollten, überließen wir Carlos und Lilli das Terrain, zuversichtlich, dass unser Plan aufgehen würde. Und so war es dann auch.

Welch eine Aufregung bei uns, als wir zurückkamen und Carlos und Lilli innerhalb der Absperrung mit dreizehn Entenküken unterwegs waren.

Jetzt begann der schwierige Teil unseres Entenasyls: Carlos, Lilli und die Küken einfangen. Zum Glück standen Regine und Manuela in den Startlöchern, bewaffnet mit Keschern und Behältern, in die die Enten transportiert werden sollten. Carlos ergriff die Flucht, als wir mit der Evakuierung starteten. Manuela gelang es, Lilli auf dem Nest zu fassen. Gemeinsam schafften wir es dann, auch die Entenküken zu fassen und zu Lilli in den Transportsack zu legen.

Foto: Manfred Kirchner

Es war etwas schwierig, einen Zugang zum Ochsenpfuhl zu finden; alles zugewachsen. Von Mücken zerstochen, von Dornen und Zweigen zerkratzt gelang es uns dann doch, Lilli und ihre Kinder in die Wildnis des Ochsenpfuhls zu entlassen.

Traurig saß Carlos die nächsten Tage vor der Entenbruthöhle, rief mit einem hohen kurzen Pfeifton immer wieder seine Lilli und seine Kinder. Wir erzählten ihm vom Ochsenpfuhl. Aber er war wohl untröstlich, antwortet nicht mehr mit dem vertrauten „kock, kock, kock, kock“; nur dieser hohe Pfeifton. Wir würden ihm gern helfen. Dafür aber müsste er sich fangen und auch zum Ochsenpfuhl bringen lassen. So weit reichte dann das Vertrauen in uns doch nicht.

Ob er seine Familie gefunden hat? Man erzählte sich, dass auf dem Ochsenpfuhl eine Stockente mit einer Schar Entenküken gesehen wurde. Etwas später soll dann eine Entenmutter mit 11 kleinen Entchen über den REWE-Parkplatz in Richtung Sieber gewandert sein. Lilli?

Im März des nächsten Jahres, es hat leicht geschneit, sitzt Carlos eingeschneit mit einem Stockentenweibchen und einem Stockentenerpel bei uns im Garten auf dem Rasen. Das Trio, Carlos, Lilli und Sammy? Carlos unternimmt in den folgenden Tagen Erkundungsflüge auf unserem Grundstück, landet auf Garagendach und Terrassenüberdachung. Doch dann ist er weg. Aufgeregt meldet sich unser Nachbar kurze Zeit später und berichtet von einer brütenden Ente direkt neben seinem Hofweg. Und Carlos hält wieder Wache.

Der Brutversuch war dann doch erfolglos, denn die Enten werden einfach zu oft gestört und sind dann verschwunden. Carlos, Lilli und Sammy haben sich anscheinend ein neues Revier gesucht.

Foto: Manfred Kirchner

Ingrid Hüchting

Mein Freund Pica

Seit einem Jahr pflege ich eine Fernbeziehung zu einer Elster in unserem Garten. Das begann so: Eines Tages flog sie fluchtartig vor mir auf, als ich die Terrasse betrat. Hatte sie ein schlechtes Gewissen? Hatte sie böse Erfahrungen mit feindseligen Menschen gemacht? Sie steht allgemein in keinem guten Ruf.

Früher galt sie als Vorbote von Pest, Krieg und Naturkatastrophen und sogar als Galgenvogel, der sich an Leichen sättigt. Heute ist sie als Diebin verpönt. Besonders Singvogelliebhaber hassen sie, weil sie sich in der Brutzeit an Jungvögeln und Gelegen vergreift. Mir fiel es nicht schwer, zu erraten, was sie von der Terrasse stibitzt hatte. Der an einer regengeschützten Stelle stehende Teller mit Futter für unseren Nachbarkater, der regelmäßig ein paar Stückchen Trockenfutter übrig lässt, war leer. Bald darauf saß ich am äußersten Ende der Terrasse, als eine Elster den Gipfel des Apfelbaums gegenüber anflog. An ihrer Unruhe merkte ich, dass sie misstrauisch war. Mehrmals wechselte sie ihren Standort und erst nach langem Zögern nahm sie sich das Terrassendach als Landeplatz vor. Von dort aus konnte sie genau erkennen, dass ihr keine Gefahr drohte, aber auch, dass keine Futterreste auf dem Teller lagen.

Enttäuscht flog sie davon. Daraus schloss ich, dass es derselbe Vogel war, den ich tags zuvor entdeckt hatte. Von da an lockte ich sie immer wieder erfolgreich mit kleinen Speiseresten. Mir schien, als habe sie sich den Platz gemerkt und beginne, mich zu erkennen, mich mit dem Futter in Verbindung zu bringen und ihre Fluchtdistanz zu verringern. Daraus entwickelte sich eine Partnerschaft: Zum einen befreit sie mich von Sehnen und anderen zähen Fleischteilen, gut bekaut und eingespeichelt. Zum anderen fand noch eine in ihren Augen weitere Delikatesse reißenden Absatz: Im Frühjahr letzten Jahres hatte ich beschlossen, ein langes Beet neu zu bepflanzen. Nur die Gehölze blieben stehen, der Rest der Fläche wurde tiefgründig umgegraben. Dabei kamen Heerscharen von weißlich grünen Engerlingen zutage. Um sie am Entkommen zu hindern, legte ich sie in eine Porzellanschüssel mit hohem Rand und stellte sie an die Futterstelle für den Kater, die die Elster auch für sich entdeckt hatte. Schade, dass ich nicht Zeugin der Fressorgie sein konnte; sie muss wohl früh am Morgen stattgefunden haben.

Wenige Tage später und die Tage darauf erlebte ich eine hässliche Überraschung Der Rasen, der an das neue Beet anschloss, war übersät mit zehn Zentimeter tiefen Löchern. Ein Dachs sei das nicht gewesen, klärte mich ein mir bekannter Jäger auf, das könnten nur große Vögel mit starken Schnäbeln gewesen sein. Wahrscheinlich Pica und ihre Artgenossen, dachte ich bei mir, füllte die Löcher stillschweigend mit gemischter Erde und Rasensamen auf und dankte ihnen für ihre Befreiung von den gefräßigen Schädlingen, die die Wurzeln unserer verdorrten Himbeersträucher auf dem Gewissen hatten.

Neulich träumte ich, Pica habe sich mit einer sehr noblen Geste für meine Nahrungsbeihilfe bedankt. Auf ihrem Futterteller lag mein schon so lange vermisster Ehering.

Erfreut wachte ich auf und schaute hoffnungsvoll nach dem Teller. „Aber da war noch nichts!“

Manfred Kirchner

Orpheus und Orphea - das Krähennest

Die Frühlingssonne lockt. Nach dem Corona-Lockdown sehnen wir uns nach Sonne und dem Duft des Frühlings. Im Park an der Sieber blühen die Narzissen leuchtendgelb. Traubenhyazinthen streuen ihren kräftigen Duft in den leichten Wind, der durch den Park streicht. Die Winterjacken haben wir, Tilda und ich, gegen leichtere Kleidung getauscht und gehen über den Damm der Sieber zielstrebig in Richtung Park, als ein Vogelschiss auf meine Stirn platscht und sich auf der Brille verstreut. „Ein Vogelschiss auf dem Kopf bringt Glück“, so der Kommentar von Tilda. Ich kenne ihn auch, diesen Spruch. Der tröstete mich jetzt aber nicht. Ich bin stinksauer. Und dann noch das „GrahGrah“-Gelächter aus der Höhe der Platane, unter der wir gerade durchgegangen sind. Es klingt wie Hohn. Krähenkot. Da war doch was. Überträger von Krankheitskeimen? Ich werde mich zu Hause sofort gründlich waschen.

Ich kann es ohne Brille nur erahnen: in den oberen noch blattfreien Ästen ein Krähennest. Nein, nicht eins, zwanzig oder mehr entlang des Dammes mit seinen alten Linden, Platanen und Pappeln. Eine Krähenkolonie. Und jetzt vernehmen wir auch den Krach der Krähen, der das Rauschen der Schmelzwassermassen aus dem Harz in der Sieber übertönt. Einige der Vögel stoßen zeternd immer wieder auf die besetzten Nester herab, werden lautstark abgewehrt. Wollen sie die Nistplätze für sich erobern? Irgendwie erinnert uns das an Alfred Hitchcocks „Die Vögel“.

Zwei Krähen bauen eifrig an einem neuen Nest und schleppen Zweige und Federn heran. Sie werden hier brüten, ihre Jungen großziehen. Die Frühlingssonne hat die Krähen sehr inspiriert. Tilda erzählt mir von dem Liebeswerben auf den Nestern. Schnäbel berühren sich zärtlich, immer wieder, leise gehauchtes „Grah“, Brautgeschenke aus der Kehle gezaubert, Paarungsversuche. Wir bleiben stehen, beobachten die Krähen bei ihrem Liebesspiel. Sind wir jetzt Stalker? Die Krähen kümmert es wenig.

Die Brille. Da hilft nur fließendes Wasser, um wieder hindurchsehen zu können. Die Sieber mit ihrem reißenden Schmelzwasser ist da leider ungeeignet. Auch ohne Brille wird der Spaziergang ein Erlebnis. Wir werden durch die frischen, leuchtenden Farben und den Duft des Frühlings, den Gesang von Meisen, Buchfinken und Amseln reichlich entschädigt, nachdem wir den Brutbereich der Krähen verlassen haben. Und doch reizt es mich, den Vogelschiss nicht einfach hinzunehmen.

Krähen, Raben, Rabenvögel, Galgenvögel? Viele Dichter haben sich mit dieser Vogelgattung auseinandergesetzt. Ein Spazierungang durch die Literatur führt mich über Wilhelm Buschs „Das Rabennest“ und „Hans Huckebein“ und Edgar Allan Poes „The Raven“ bis Joachim Ringelnatz, dem es mit seiner Moralanalyse geht wie mir:

Im dunklen Erdteil Afrika

Starb eine Ziehharmonika.

Sie wurde mit Musik begraben.

Am Grabe saßen zwanzig Raben.

Der Rabe Num’ro einundzwanzig

Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig

Und gründete dort etwas später

Ein Heim für kinderlose Väter.

Und die Moral von der Geschicht? –

Die weiss ich leider selber nicht.

Ich will sie beobachten, mehr über sie erfahren. Und die beiden bekommen einen Namen, die Krähen, die mir aufs Haupt geschissen haben. Nimmermehr, wie Edgar Allan Poe seinen Raben nannte? Der Name ist zu tragisch geprägt, nicht geeignet. Wilhelm Buschs Hans Huckebein passt da schon eher. Bosheit, Neugier und Frechheit gepaart mit dem Schiss auf mich! Oder doch nicht? Ich bin ja erst am Anfang meiner Betrachtungen. Mal sehen, wie tragisch, komisch, lustig oder komischtragischlustig sie enden werden. Der Name? Ich nenne sie erst einmal Orpheus und Orphea. Ich kann sie sowieso nicht unterscheiden, sehen alle gleich aus mit ihrem glänzend-schwarzen Federkleid. Und doch kann es zumindest zeitweise gelingen: Es brüten nur die Weibchen. Vielleicht entdecke ich ja noch ein anderes Merkmal, nach dem ich sie unterscheiden kann. Und eine Adresse: Sieberdamm, Nest 1? Das passt. Ordnung muss sein. Tilda schaut sehr merkwürdig, als ich ihr meine Ideen präsentiere.

Eine Woche später: Vor meinem nächsten Spaziergang, es hat geschneit, habe ich mein Fernglas eingesteckt. Tilda weigert sich, mitzukommen, „bei diesem Sauwetter“. Sie schaut mich nur ungläubig an. „Bitte mach dir einen Schal um. An Erkältung erkrankte jammernde Männer kann ich nicht ertragen!“, ihr bissiger Kommentar.

Ich werde in das Nest schauen. Von der hohen Böschung gegenüber dem Damm sollte das klappen. Die Sicht ist frei auf das Nest, die Bäume haben noch keine Blätter. Und tatsächlich, Orphea sitzt auf dem Nest. In der Krähenkolonie ist es ruhig geworden. Auf fast allen Nestern sitzen Weibchen und brüten. Ab und zu kommt ein Krähenmännchen geflogen und serviert seiner Partnerin einen leckeren Happen. Ich beobachte das Nest und die Umgebung schon eine halbe Stunde, als Orpheus am „Nest 1“ auftaucht, verfolgt von zwei lautstark schimpfenden und ihn immer wieder angreifenden Amseln, im Schnabel ein nacktes Vogelküken. Schnell übergibt er das tote Küken Orphea und fliegt fort. Die Amseln haben das Manöver anscheinend nicht durchschaut und greifen weiter Orpheus an.

Ich bleibe noch einen Augenblick, obwohl mir schon die Kälte in die Glieder zieht. Meine Füße eiskalt und nass. Hätte ich doch nur die Winterstiefel angezogen. Und dann kommt Orpheus noch einmal zum Nest, würgt aus seinem Rachen etwas heraus und übergibt es gekonnt an Orphea. Saat von den Feldern? Die sind verschneit, scheiden aus. Vielleicht vom Hühnerhof am Stadtrand? Krähen sind in ihrer Nahrungswahl anspruchslos. Die beiden sind ein eingespieltes Team, geht es mir bei meinem Heimweg durch den Kopf. Bevor ich Tilda meine Beobachtungen schildern kann, hat sie schon eine Schale mit heißem Wasser für meine kalten Füße geholt. Mein „Danke!“ quittiert sie allerdings etwas zynisch, sie erspare sich so sicher in nächster Zeit einen Haufen Arbeit mit einem kranken Mann. Dann aber hört sie sich die Geschichte vom Krähennest doch aufmerksam an.

Es ist Anfang Mai. In der Krähenkolonie herrscht hektisches-Treiben. Überall in den Nestern fordern Krähenküken unüberhörbar Futter. Die Kräheneltern sind wie immer lautstark unterwegs. Der Weg unter den Krähenbäumen ist vollgeschissen, die Bank neben der Brücke übersät mit Krähenkot. Kein schöner Anblick. Erste Proteste der Anwohner kursierten in den letzten Tagen in der Heimatzeitung und auf Facebook. Man müsse die Krähen vergrämen, notfalls abschießen, so einige Forderungen. Tilda möchte nicht durch Krähenkot waten, hat ihren Liegestuhl in unserem Garten einem Besuch der Krähen vorgezogen. Mit gemischten Gefühlen – die Krähen machen sich gerade bei den Menschen unbeliebt – gehe ich auf den Beobachtungsposten an der Uferböschung und sehe durch mein Fernglas vier schon recht große Jungvögel im „Nest 1“, jedoch keine Elternvögel. Der Ausschnitt, den mir das junge Laub der Bäume für einen Blick freigelassen hat, ist klein. Bald werde ich von hier nicht mehr in das Nest sehen können. Und dann kommt Orpheus geflogen, oder Orphea? Zu blöd, dass ich sie nicht mehr unterscheiden kann. Oder doch? Da ist doch ein Ring an einem Bein. Den sehe ich jetzt zum ersten Mal. Dann muss es Orphea sein, die ja bei meinen bisherigen Beobachtungen auf dem Nest saß. Wer hat sie wann wo beringt? Ich muss unbedingt mit einem Ornithologen sprechen. Ich will gerade gehen, da kommt Orpheus ebenfalls zum Nest, die Kehle und den Schnabel voll mit Futter für die Küken. Vier bettelnde Schnäbel. Schnell leert auch Orpheus seinen Schnabel und fliegt wieder davon.

Zeit für mich, nach Hause zu gehen. Ich rufe Alfred vom NABU an und erzähle ihm von der beringten Krähe. Er ist begeistert, will mit mir zusammen zum Krähennest und den Ring „lesen“, irgendwann die nächsten Tage. Er erzählt mir, dass Ornithologen im Kreis Herford in Nordrhein-Westfalen vor einigen Jahren Jungkrähen beringt haben. Vielleicht ist Orphea ja von dort an den Harzrand gewandert. Er will wissen, seit wann es diese Krähenkolonie an der Sieber gibt. Ich weiß es nicht. Früher sind mir die Krähen hier nur im Herbst und Winter aufgefallen, abends, wenn sie in großen Schwärmen die Bäume als Schlafbäume aufgesucht haben.

Nach etwa zwei Wochen will Alfred das Geheimnis hinter dem Krähenring lüften. Doch das Krähennest ist leer. Orpheus und Orphea? Sie haben sich sicher in die riesige Schar der Krähen eingereiht, die dann wieder im Herbst und Winter die Bäume an der Sieber als Schlafbäume aufsuchen und sich nicht mehr von den anderen Krähen unterscheiden.

Ruth Finckh

Die Gestreifte

Die Gestreifte schiebt sich durch die Tür. Vorsichtig, ganz vorsichtig setzt sie einen Fuß vor den anderen. Sie macht sich lang, spitzt die Ohren. Ihr Bauch berührt fast den Boden.

Es riecht ganz anders hier. Nicht staubig und warm wie zu Hause, sondern frisch. Abenteuerlich. Verlockend. Es ruft mich. Ich muss das erforschen. Aber ich hab Angst!

Die Gestreifte lässt das Haus hinter sich, zum ersten Mal im Leben. Sie ist noch jung und soll eigentlich drinnen bleiben. Aber irgendjemand hat die Tür offengelassen, und jetzt…

Ich mag mein Zuhause und meine Menschen und die weiche Decke und das leckere Essen. Aber dies hier ist anders. Es riecht nach anderem Futter. Richtigem. Lebendigem. Ich muss das haben!

Ein Spatz hüpft auf dem Rasen herum. Er rechnet nicht mit Gefahr. Die Gestreifte pirscht sich an, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ihre Schnurrhaare vibrieren.

Haben, haben! Etwas zwingt mich in den Schatten der Büsche. Etwas drückt mich auf den Boden. Etwas sagt mir, dass ich warten muss, bis das kleine, braune, duftende Ding näher kommt. Haben!

Die Gestreifte macht einen geschmeidigen, gewalttätigen Satz.

Das Flattern an meinem Gesicht. Das Knirschen zwischen den Zähnen!

Dieses Gefühl wird sie nie mehr vergessen.

Dr. Christiane Kimm-Olde

Upupa – In Erinnerung an Piccia, eine geschickte Jägerin (2000-2022)

Stolz und ziemlich überheblich hast du auf mich herabgeblickt.

Während dich dein rostbraun gefärbter Oberkörper und Kopf dezent mit der Baumrinde verschmelzen lassen, prunkst du bei deinem Federkleid mit deiner üppigen, schwarz-weiß gestreiften Robe, die dem Ballkleid einer festlich gekleideten Dame gleicht. Diese auffällige Tracht macht dich im silbrig glänzenden Blattwerk der Olivenbäume leicht sichtbar. Wie die eleganten Damen vergangener Epochen einst ihre prächtig bemalten Fächer elegant öffneten, um sich frische Luft zuzufächeln oder auch, um eine geheime Botschaft einem heimlichen Verehrer zu versenden, klappst du deine prächtige Fächerhaube urplötzlich auf, wenn du potenzielle Partnerinnen auf dich aufmerksam machen möchtest. Dann beeindruckst du sie mit diesem hell-orangefarbenen Fächer, der kontrastreich in schwarzen Spitzen endet.

Du neckst auch mich mit deinen Balzrufen oder deinem erregten Schnabelknappern, wenn ich durch das schattige Unterholz des Pinienhaines streune. Lautlos gleitet mein geschmeidiger Körper durch das Dickicht auf der Suche nach einem Schlafplatz, wo ich die heißen Sonnenstunden des Tages verbringen kann.

Überheblich blickst du mit dem schwarzen Auge deines seitlich zu mir geneigten Kopfes auf mich herab. Dein eleganter Körperbau wird vollkommen durch den langen, ganz leicht gebogenen Schnabel, der deine Silhouette zu einem prächtigen Gesamtkunstwerk vollendet.

Groß bist du, stattlicher als die flinke Meise oder die nachts singende Nachtigall. Zu groß für mich und viel zu schnell. Obwohl ich eine geschickte Jägerin bin, kann ich deine Bewegungen nicht einschätzen. Dein schlanker Körper flattert schmetterlingsgleich schaukelnd auf und ab, unrhythmisch und launenhaft erscheint mir dein Flug. Kaum wähne ich dich in greifbarer Nähe schlägst du deine Flügel heftig zusammen und erhebst dich pfeilschnell in unerreichbare Höhen.

Verehrt wirst du heute wie schon in vergangenen Zeiten. Wie ist mein Herr stolz auf dich und dein Familiengefolge. Er rühmt dich heute noch so hoch wie einst der kunstbeflissene Renaissancefürst Lorenzo, den man auch den Prächtigen nennt. Wie viele Generationen deiner Art mögen seitdem vergangen sein? Er ließ dich verewigen in einem wandfüllenden Fresko auf das der Hausherr seine Gäste voller Stolz verweist: Das Bild zeigt eine fürstliche Villa, umgeben von den fruchtbaren Olivenbäumen, deren Blätter im gleißenden Sonnenlicht silbrig schimmern. Schwarz aufragende Zypressen rahmen das in einem zarten Gelbton gehaltene zweistöckige Gebäude ebenso wie die seitlich des Anwesens stehenden mächtigen Pinien, deren ausladende Baumkronen dem Haus den notwendigen Schatten spenden. Und hier bist auch du – in deinem schaukelnden Flug hat dich der heute unbekannte Maler porträtiert. Mit ausgebreiteten Schwingen, so dass dein schwarzweiß gebändertes Gefieder wunderbar zur Geltung kommt.

Doch damit nicht genug. Du warst es würdig ein zweites Mal auf diesem Tableau zu erscheinen. Ganz im Geschmack der damaligen Florentiner Gesellschaft hat der Künstler dich im Profil dargestellt – wie ein zum Kampf gerüsteter Heerführer in seinem silbernen Harnisch und federgeschmückten Helm, erscheinst du hier mit prachtvoll aufgestellter Federhaube, dein filigraner, leicht gebogener Schnabel einem Säbel gleich. So thronst du, unerreichbar für deinen Feind, auf der obersten Baumkrone.

Meinesgleichen hat nicht den hohen Status erlangt, neben dir auf diesem Kunstwerk verewigt zu werden, obwohl meine eigenen Vorfahren damals ebenso an diesem Ort lebten, sich in der Küche des Hauses der Schälchen mit lauwarmer Milch erfreuten oder in der Speisekammer die eine oder andere Maus erlegten.

Bild: Dr. Christiane Kimm-Olde

Heute in den frühen Morgenstunden habe ich deinem schaukelnden Flug ein Ende gesetzt. Vielleicht warst du schon alt und daher nicht mehr aufmerksam und flink genug, um mir entfliehen zu können, oder es war einfach unvorhergesehenes Jagdglück meinerseits.

Vielleicht hat dich deine eigene Suche nach Nahrung unkonzentriert werden lassen und du hast nicht realisiert, dass du selbst zur Beute werden könntest. Du hast auf dem Giebel des alten Ziegenstalls gesessen, der schon lange nicht mehr benutzt wird, und hast darauf gewartet, dass eine der zwischen den Terracotta-Ziegeln Unterschlupf suchenden jungen Eidechsen aus ihrem warmen Versteck hervorkommen würde, damit du sie mit deinem unerbittlichen Schabel packen und in dein Nest im Baumstamm der hohen Pinie tragen könntest. Hier habe ich zugeschlagen. Du hast viel zu spät gemerkt, dass ich dich schon geraume Zeit beobachtet hatte.