Begleitung eines Asperger-Kindes im Setting Grundschule - Nina Onawa - E-Book

Begleitung eines Asperger-Kindes im Setting Grundschule E-Book

Nina Onawa

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Beschreibung

Im Längsschnitt über 2 ¾ Jahre wurde ein Asperger-Kind im Setting Grundschule von mir um anno 2010 begleitet. Um meine Arbeit laufend zu reflektieren, entstand eine regelmäßige Entwicklungs- und Planungs-Dokumentation von Interventionsangeboten. Durch die Reflektion meines ergotherapeutisch-pädagogischen Handelns sind Fragen und Ideen entstanden, deren Lösung ich in die Verantwortung einer inter- und intradisziplinären Forschung geben möchte, um Antworten für ein professionelles Handeln zugunsten des autistischen Kindes zu gewinnen und nutzen zu können.

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Autorin

Nina Onawa, Jahrgang 1967, ist in Hannover geboren. Sie schloss zunächst eine Ausbildung zur Bankkauffrau in einer Hypothekenbank ab. Es folgten Weiterbildungen zur Bankfachwirtin und EDV-Kauffrau mit anschließender Programmiertätigkeit in einem Rechenzentrum für Sparkassen. Nach der Geburt des ersten Kindes wuchs das Interesse für die Lern-Entwicklung von Kindern und an Wahrnehmungsprozessen. 2002 absolvierte sie die Ausbildung zur Sozialassistentin und ihre Familie nahm Pflegekinder auf. Ab 2008 arbeitete Nina Onawa nach Abschluss der Ausbildung zur Ergotherapeutin als Schulbegleitung von autistischen und ADHS-Kindern. Weiterhin führte sie nebenberuflich Kurse im Kindergarten zur Sprechförderung und Aufmerksamkeit sowie LRS-Hilfe durch. 2014 schloss sie ein Studium in B. Sc. Psychologie zum Thema „Lerntheorien“ ab. 2016 hat sie die Ausbildung zur Steuerfachangestellten zweijährig mit guten bis sehr guten Noten abgeschlossen. Seit Juli 2018 hat sie die Erlaubnis als Heilpraktikerin beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie tätig sein zu dürfen.

Von Nina Onawa sind bei BoD u.a. erschienen:

Mutismus: Erwachsene ohne spontane, impulsive Intuitivsprache

Aktualisierte Lerntheorien aus Sicht um anno 2000

Mami hat mich durchschaut, so’n Mist!

Na siehste, Mama! - Geschichten und Gedichte zum Nachdenken und Schmunzeln

Dialogisches Lernen: Lesen und Schreiben. Ideen-Pool bei LRS für Eltern und Kind

Schulbegleitung & Lehrkraft verstehen sich sowie die Wichtigkeit einer kognitiv-emotionalen Unterstützung

Nina Onawa

Begleitung eines Asperger-Kindes im Setting Grundschule

Chancen und Grenzen: Einzelfallbericht einer Schulbegleiterin - mit Generierung von Hypothesen und Fragestellungen an die empirische Wissenschaft -

Nach Reflexion meines ergotherapeutisch-pädagogischen Handelns, um Antworten für ein professionelles Handeln zugunsten des autistischen Kindes zu gewinnen und nutzen zu können.

Längsschnitt über 2 ¾ Jahre um anno 2010

Für eine konstruktive Kritik erreichen Sie die Autorin [email protected]

Allein wegen der flüssigeren Lesbarkeit steht im Text die maskulin gewählte Form für eine neutrale Form, wenn eine geschlechtsunspezifische nicht möglich war.

Namen und Datumsangaben werden aufgrund des Datenschutzes nicht erwähnt. Deshalb wurden biographische Daten verkürzt oder verändert.

Die Ideen in diesem Buch sind von der Autorin sorgfältig ausgewählt worden. Dennoch ersetzt dieses Buch nicht die Beratung und Therapie durch dafür ausgebildete Fachkräfte. Eine Garantie und Haftung können nicht übernommen werden, auch nicht für Links und die Inhalte deren Homepages.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort.

Einleitung: Relevanz

Problemdarstellung

2.1 Makroebene: nützlich aggregierte Daten zur Legitimation

2.2 Mikroebene: Verstehen des Kindes und Risiken

2.3 Mesoebene: inter- und intradisziplinärer Austausch aller Beteiligten

Einzelfall

3.1 Diagnose und Anamnese

3.2 Ich-Perspektive

3.3 Subjektive Analyse durch Empathie-Perspektive

3.4 Fazit

Grund-Verhaltensweisen

4.1 Grund-Bedürfnis eines Kindes

4.2 Lernstufen eines Kindes

4.3 entwickelnde Spielformen eines Kindes

4.4 Grund-Angst eines Kindes

4.5 Kardinalsymptom des autistischen Kindes: Nichtteilhabe an der Gesellschaft

4.6 Kontrollierende Sprache eines autistischen Kindes

4.7 Emotionen eines Kindes und soziale Erwünschtheit

4.8 Empathie

4.9 Disstress

4.10 Fazit

Interventionen in Bezug auf den Einzelfall

5.1 Planung

5.1.1 Fragestellungen

5.1.2 Hypothese

5.1.3 Ziele

5.2 Besondere Verhaltensweisen des begleiteten Schulkindes

5.3 Vorgehensweisen/Methoden/Doku und Einstellungen der Schulbegleitung

5.4 Bedingungen und Chancen des Systems

5.4.1 (therapeutische) Bedingungen der Schulbegleitung

5.4.2 Dilemmata und Grenzen des Systems

5.4.3 Nachteilsausgleich

5.4.4 Familien(-system)

5.4.6 Mehrfach-Rolle als Schulbegleitung

5.4.7 Organismus-Dilemma der Schulbegleitung

5.4.8 Anforderungen an den Unterricht und Schulfächern

Ausblick und Diskussion

Hypothesen und Fragestellungen an die Forschung

Quellenverzeichnis und Empfehlungen

Sachwortregister

Vorwort

Die Bücher, die ich schreibe, werden geprägt von meinen persönlichen Erfahrungen als Kind und Mutter sowie als Therapeutin. Es fließen Texte anderer Autoren und Wissenschaftler ein, die ich entweder bestätigen oder nachempfinden kann, aber auch, wenn ich anderer Meinung bin. Die Texte sind aus meiner jeweiligen Perspektive geschrieben, die dennoch nicht alle tatsächlichen Erfahrungen oder die verständlichste Beschreibung widerspiegeln können. Das Erlebte lässt sich kaum in Worte wiedergeben.

Deshalb überlasse ich Ihnen die eigene Entscheidung, welche von mir aufgeschriebenen Texte Ihnen nützlich sind oder Gegenteiliges auslösen. Entscheidend ist meist einfach nur die Veränderung. So ist nach Albert Einstein die Definition von Wahnsinn, immer wieder das Gleiche zu tun, aber trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten.

1. Einleitung: Relevanz

Im Längsschnitt über 2 ¾ Jahren wurde ein Asperger-Kind im Setting Grundschule von mir um 2010 begleitet.

Um meine Arbeit laufend zu reflektieren, entstand eine regelmäßige Entwicklungs- und Planungs-Dokumentation von Interventionsangeboten. Durch die Reflexion meines ergotherapeutisch-pädagogischen Handelns sind Fragen und Ideen entstanden, deren Lösung ich in die Verantwortung einer inter- und intradisziplinären Forschung geben möchte, um Antworten für ein professionelles Handeln zugunsten des autistischen Kindes zu gewinnen und nutzen zu können. Während des Schreibprozesses des Einzelfallberichtes habe ich Hypothesen und Fragestellungen an die empirische Wissenschaft generiert; unabhängig davon, ob sie geklärt und mir dann in dem Kontext nicht bekannt sind. Nicht jede Frage wird sich je klären lassen, dennoch entlasten sie vor absoluten Behauptungen und müssen ggf. als Möglichkeit bedacht werden und im Raum stehen. Ab S. → können die Hypothesen nochmals hintereinander nachgelesen werden.

Die Literatur ergänzte ich während des Schreibprozesses und war nicht Grundlage meines Handelns, sondern bestätigte reflektiv meine Intuition über Lernmethoden aufgrund meiner impliziten Kenntnisse und Erfahrungen.

Können wir effektive Strategien anbieten, die bei vielen betroffenen Kindern zu positiven Resultaten führen würden und können diese von den Begleitern einfach und transparent eingesetzt werden?

Dabei verweise ich auch auf das systemische Umfeld mit konkurrierenden Zielvorstellungen, die es gilt zu erkennen und angemessen zu berücksichtigen. Wo sind womöglich Grenzen einer Schulbegleitung?

Der Einsatz von Schulbegleitern (Schulassistenten, Integrationshelfern u. ä.) im Rahmen von Autismus könnte weiter ansteigen. Offizielle Statistiken aus Deutschland gibt/gab es nicht, aber in Literatur, im eigenen Umfeld und auf autistischen Foren kann dieser Trend aus Erfahrung wahrgenommen werden. Ich möchte auf meine Erfahrungen aufmerksam machen und auf Forschungsfragen und -möglichkeiten hinweisen, um kindzentriert die Anforderungen an die unterstützende Begleitung zu kanalisieren und Stellenbeschreibungen am Kind orientiert auszurichten.

Jedes Kind ist anders, daher kann es kein universelles Konzept geben. Die folgenden Erfahrungen waren stimmig zum Kind, seinem Kontext und Umfeld (seinem System). Dennoch können Ansätze auch bei anderen Kindern erfolgreich sein, daher möchte ich für weitere Forschung und Umsetzung anregen.

Für autistische Kinder bestehen durch eine Schulbegleitung Chancen der Veränderung, da diese settingnah die Entstehung eines Problems beobachten können: erkennen, verstehen und andere Impulse anbieten.

Das Asperger-Kind, welches ich begleitete, überraschte mich immer wieder in anderen Situationen doch etwas zu können, was es vorher nicht zeigte.

Zur Vorbereitung auf die Welt der Erwachsenen ist der Ort Schule ein essentielles Setting des Lernens. Einerseits zur beruflichen Vorbereitung (eher extrinsisch motiviert) und andererseits für vielfältige Peergroup-Interaktionen unter geringem Kontroll-Einfluss (überwiegend intrinsisch motiviert), damit sich eine sozial-angepasste Generation mit Ähnlichkeiten (Konformität) formieren kann.

Konformität fördert das Zugehörigkeitsgefühl, das gegenseitige schnelle Verstehen, das Vorahnen, das Erhalten von Bestätigungen und beugt Einsamkeitsgefühlen vor. Individuell formen sich durch Feedback aus der Umwelt die eigene Identität und ein sicheres Selbstbewusstseinsgefühl. Schule ist demnach nicht nur beruflich vorbereitendes Lernen, sondern selbständiges Beziehungslernen durch permanente, konstruierende gruppendynamische Absprachen einer Generation. (Vgl. auch Harris, 2002).

Gleiche Bildungschancen für alle haben einen hohen politischen Stellenwert. Wird autistischen Kindern auf Antrag der gesetzlichen Vertreter eine Schulbegleitung bewilligt, existiert auch für Ergotherapeuten und Psychologen ein Arbeitsfeld settingnah am Kind. Die Qualifikationen insbesondere in Bezug auf Wahrnehmung, Motorik und Kognition im Rahmen von Handlungskompetenz, sozio-emotionaler Kompetenz und psychisch-funktioneller Unterstützung wie bei Stress, Motivation und Stärkung des Selbstbewusstseins, sind prädestiniert für Ergotherapeuten. Nach Bedarf kann kompetenzzentriert, ausdruckszentriert oder interaktionell methodisch gearbeitet werden. Der Ergotherapeut unterstützt das Kind in seiner Handlungsfähigkeit, um seinen schulischen Alltag (Produktivität) optimaler bewältigen zu können.

In Zukunft ist die Wahrscheinlichkeit auch durch den staatlichen Auftrag der Inklusion groß, dass die Nachfrage an spezifisch qualifizierten Schulbegleitern steigt. Bisher gibt es keine staatlich geregelte (duale) Ausbildung, die dieses Aufgabengebiet abdeckt. In Frage kommen zurzeit u.a. Heilpädagogen, Erzieher, Sozialassistenten, Kinderpfleger, Heilerziehungspfleger, Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialpädagogen, Sonderpädagogen. Psychologen als Schulbegleiter sind mir bisher nicht bekannt. Auch beruflich nicht spezifisch Ausgebildete werden/wurden rekrutiert. Aussagekräftige statistische Daten waren nicht zu erhalten, da es keine offizielle Meldepflicht gibt.

Ich möchte v.a. die Chance für Ergotherapeuten und Psychologen in diesem Arbeitsfeld hervorheben, da zeitnah verhaltenstherapeutische Interventionen durch Wahrnehmungsveränderungen das Kind im Feld (in Vivo) unterstützen und ein sofortiger Transfer möglich ist. Die Entstehung von Problemen ist beobachtbar; eine therapeutisch-pädagogisch (fließende Übergänge sind möglich und nicht auszuschließen) anregende Unterstützung als Intervention kann unmittelbar angeboten und die Wirkung wiederum zeitnah beobachtet werden.

Jedoch erfordert die Schulbegleitung Kenntnisse, die in einer regulären Ausbildung nicht enthalten sind bzw. sein werden und eine spezifische (duale) Ausbildung bisher kompakt nicht angeboten wird bzw. mir nicht bekannt ist.

Schulbegleiter können Entstehungen, unterschiedliche Ausprägungen und Häufigkeiten von Verhaltensmerkmalen im Feld beobachten, zählen und dokumentieren. Sie können Beobachtungen unmittelbar mit dem Verhalten vieler anderer Kinder vergleichen und sich so zusätzlich absichern, ob es eine Auffälligkeit ist oder auch typisch sein kann.

Beispiel: Da sich viele Kinder mündlich am Unterricht nicht ausreichend beteiligen, kann die Schulbegleitung das Problem allgemein thematisieren oder die alleinige pädagogische Verantwortung an die Lehrkräfte übergeben und somit die Beziehung zwischen Kind und Schulbegleiter entlasten, wenn individuelle Impulse durch die Schulbegleitung keine Wirkung entgegen der Norm zeigten.

Beispiel: Der Umgang mit einem Links-Händer-Lineal fiel dem Asperger-Kind schwer und erfordert mit meinem logischen Verständnis-Gefühl eine komplexe Aufgabenumstellung, die nur möglich ist, wenn das Kind kognitiv den Transfer selbständig umsetzt. Dieses Kind schien die kognitive Kontext-Orientierung nur durch die Haltung des Lineals (0 cm rechtsseitig) zu verlieren, so dass ich andere Mitschüler, die Linkshänder waren, ansprach, wie sie den Umgang mit dem Lineal lösten. Sie nutzten ohne Problem ein Rechtshänder-Lineal! Ich bat daher das begleitete Kind bei anderen Kindern, nachdem ich diese um Hilfe bat, die Arbeitsweise anzusehen und beschreiben zu lassen. Die Kinder sind für diese Kooperationsimpulse meist aufgeschlossen und untereinander hilfsbereit.

In Zukunft könnten mehr statistisch verwertbare Daten über Bedingungen und Reaktionen autistischer Verhaltensweisen im Längsschnitt vorliegen. Daten über internalisierte Affekte und Aussagen des Kindes könnten unmittelbarer situationsorientiert gesammelt und aggregiert werden. Vermehrt wird auf entwicklungspsychopathologische Forschung statt monokausaler Ätiologiekonzepte gesetzt, auch um die Wirksamkeit von Risiko- und Schutzfaktoren (Resilienz) des Individuums in Analysen einzubinden (vgl. Brack, Lauth, Linderkamp & Schneider, 2008), die nach wie vor noch vernachlässigt werden (vgl. Petermann & Petermann, 2010). So wird in der Aggressionsforschung von Kindern und Jugendlichen beobachtet, dass ein aggressives Merkmal nicht stabil ist (vgl. Petermann & Petermann, 2010). Veränderungen von einem negativen zu einem positiven Entwicklungsweg sind zu jeder Zeit nicht unmöglich (Plastizität und Variabilität). Es zeigen sich trotz ähnlicher Risikobedingungen unerwartet unterschiedlichste Lebensbiografien. Entwicklungsübergänge wie die Einschulung führten auch zu neuen Chancen, unerwünschte Aggressivität aufgrund veränderter Umgebungsbedingungen zu reduzieren bzw. abzulegen. (Vgl. Petermann & Scheithauer, 2010).

Wie können nun Beobachtungen im Setting Schule reliabel abgesichert werden, wenn man nicht über empirische Standardmöglichkeiten (Methoden) verfügt?

2. Problemdarstellung

2.1 Makroebene: nützlich aggregierte Daten zur Legitimation

Auch durch den Mangel an Daten aus verschiedensten Situationen im Feld der Peergroup und des Lernortes Schule gibt es über den Autismus keine gesicherte und konforme Ursachenforschung und Interventionsklarheit. Aktuell wird von einer Nichtheilung der tiefgreifenden Entwicklungsstörung ausgegangen. Die verschiedensten Typen des hauptsächlich autistischen Verhaltens zeigen im Individuum fließende Übergänge einerseits und unterschiedlichste Ausprägungen andererseits auf, so dass allgemeiner von Autismus-Spektrum-Störungen gesprochen wird.

Für den deutschen Sprachraum gibt es einen großen Nachholbedarf an qualitativ hochwertigen Wirksamkeitsuntersuchungen zur Kinder- und Jugendlichen-psychotherapie (vgl. Beelmann & Schneider, 2003).

2.2 Mikroebene: Verstehen des Kindes und Risiken

Da sich das autistische Kind von der Gesellschaft entzieht, weiß die Gesellschaft noch zu wenig über die Wahrnehmungen und Gefühlswelt des Kindes, da mit dem Kind keine gewohnten alltagsüblichen Dialoge geführt bzw. deutliche Zeichen verstanden werden (können).

Man darf auch nicht vergessen, dass Kinder ganz oft etwas wissen bzw. können, aber nicht wissen, wie sie es zeigen sollen bzw. es nur jetzt, weil es gewünscht wird, erst recht nicht zeigen wollen (Jetzt-erst-recht-Taktik) oder sich aus Unsicherheit bzw. fehlendem Vertrauen in sich oder Andere nicht trauen. D.h., wir können nie 100%ig aussagen, ob das Kind etwas wirklich nicht kann oder weiß!

Wenn man bedenkt, dass Autisten Beziehungs- und Kommunikationsprobleme haben, besteht das Risiko, dass eine kontaktnahe und dialogführende Schulbegleitung kontraindiziert in den Autismus wirkt und dennoch die Chance gleichzeitig besteht, indiziert in schulische Anforderungen wirken zu können. Jeder Mensch möchte sich einerseits als selbstbestimmend wahrnehmen, aber andererseits sich auch an Gruppengewohnheiten anschließen. Dem autistischen Kind wird eine untypische Persönlichkeitsart zugeschrieben, die es womöglich selbst und sogar leidend spürt, aber evtl. nicht mitteilt bzw. mitteilen kann. Es hat somit eine Außenseiterrolle, die es durch den Einsatz einer Schulbegleitung diesbezüglich behält. Da schulisch und beruflich erwartet wird, dass ein Kind allmählich lernt, sich Anforderungen anzupassen (soziale Integration), wird eine Kontrolle und Hinweise (bis zur direkten Korrektur, wenn die Kontrolle Fehler erkennt) unvermeidbar. Werden Fehleranbahnungen präventiv zur Vermeidung aufgefangen und ein Ausprobieren nach Versuch und Irrtum unterbrochen bzw. erst gar nicht zugelassen, so kann die Fehlerselbsterkennung mit dem Antrieb, Fehler selbst korrigieren zu wollen, nicht in die Aufmerksamkeit des Betroffenen gelangen.

Welche Qualifikation gebe ich als Arbeitgeber in die Tätigkeit eines Schulbegleiters mindestens als Anforderung hinein, um Selbstwirksamkeitsprozesse im Kind anzuregen?

Eine Abgrenzung der schulbegleitenden Tätigkeit zu verhaltenstherapeutischen und pädagogischen Methoden ist kaum möglich, wenn die Begleitung Problem-Entstehungen zeitnah erlebt und erkennt, die zu verändern wären.

2.3 Mesoebene: inter- und intradisziplinärer Austausch aller Beteiligten

Eingesetzte Schulbegleiter identifizieren sich mit einer stabilen Berufsposition, indem sie sich für das zu begleitende Kind qualifiziert fühlen bzw. eine individuelle Spezial-Qualifizierung während des Beziehungsaufbaues erwerben. Nach dem Kostenträger (die die Arbeitsstelle zurzeit eher nicht mehr direkt besetzen) zwischengeschaltete Einrichtungen der Arbeitsvermittlung (Arbeitgeber/Anstellungsträger) setzen individuell ausgewähltes Personal ein. Eltern, die eine Entlastung einfordern oder Hilfemaßnahmen empfohlen bekommen, wollen sich auf eine qualifizierte und vernetzte Unterstützung verlassen können. Beteiligte fühlen sich verantwortlich, erstellen womöglich zu sehr defizitorientierte Berichte, da das Loslassen von Gewohnheiten nicht automatisiert erfolgt, sondern kognitive und kollektive Reflexionsprozesse erfordert. Die Perspektive fällt dann vorrangig auf Negatives, da diese klärungsbedürftig wären, unabhängig davon, ob kollektiv langfristige Veränderungen zum Wohle des Betroffenen erreicht werden können.

Systemische Einflussfaktoren dieser Art mit Konflikten zwischen Loslassen und Festhalten müssen mit Blick auf das Wohl des Kindes austangiert werden. Welche Leistungen können erlernt bzw. zugemutet werden, v.a. wenn die intrinsische Motivation des Kindes nicht ausreichend und eine extrinsische Vorarbeit gefordert ist?

Da es keine graduelle Einteilung der Asperger-Diagnose gibt, haben Unbeteiligte sofort eine starke assoziative Vorstellung von dem Kind, die nicht stimmen muss, aber als Eindruck beeinflusst. Erklärt man, dass die Ausprägung im unteren Bereich liegt und eine Schulbegleitung eingesetzt wird, entsteht womöglich kein Verständnis von Unbeteiligten. Die Gesellschaft erwartet nachvollziehbare Begründungen, um Gleichheit und Gerechtigkeit abzuwägen. Entstehende Neidgefühle (s. S. → und →) lassen sich korrigieren bzw. vermeiden. Als Verantwortliche für den Einsatz einer Schulbegleitung sind daher defizitäre Argumente zur Legitimation festzustellen und transparent der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Das Handeln von Verantwortlichen wird kontrollierbar und Misserfolge (Nichtwirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen) modifizierbar. Deshalb sind Instrumente, um einen Status zu dokumentieren, Ziele zu formulieren und Entwicklung wahrzunehmen, unerlässlich. Diese Inhalte sind dann Gesprächsgrundlage aller Beteiligten und können nach außen vertreten werden. Die Ermittlung des Forschungsbedarfs und der Forschungsdurchführung müssen inter- und transdisziplinär erfolgen, um Ergebnisse anzuerkennen und Mehrfachstudien nur zum Zweck der Bestätigung oder Falsifikation durchzuführen. Der Schulbegleiter sollte mit Hilfe von Fachleuten Informationen über das individuelle Verhalten erhalten, Fein- und kurzfristige Ziele erarbeiten, umsetzen und im Team reflektieren.

3. Einzelfall

3.1 Diagnose und Anamnese:

Asperger Autismus nach ICD 10: F 84.5 Zusammenfassung (verkürzte Form zur Wahrung des Datenschutzes) eines Gespräches zwischen den Eltern und der Schulbegleitung:

Das Kind ist zu früh geboren. Die Mutter äußerte sich unzufrieden über die klinische Betreuung. Das Stillen klappte nicht. Sie fühlte sich wohler, ihr Baby mit der Flasche zu füttern.

Zu Hause zeigte sich das Kind unauffällig. Im Kindergarten gab es keine Probleme mit der Loslösung von den Eltern. Während eines Zeitraumes von zwei Jahren im Alter von 3-5 Jahren aß es sehr schlecht. Es wurden Halsschmerzen vermutet. Daraufhin wurden die Polypen entnommen. Es ging dem Kind nicht besser. Ein anderer Arzt stellte fest, dass die Mandeln entzündet waren. Nach dem Entnehmen wurde erkannt, dass sie extrem vereitert waren und eine Vergiftung drohte.

Im Kindergarten fiel auf, dass es sich nicht wie andere Kinder verhielt und keinen bzw. zu wenigen Kontakt suchte. Das Kind wurde für ein Jahr in den Schulkindergarten aufgenommen und ist mit sieben Jahren eingeschult worden. Spielverhalten:

Symbolspiel:

„So-tun-als-ob“-Spiele wurden von den Eltern direkt nicht erinnert.

Rollenspiele:

Nein.

Regelspiele:

Nicht von sich aus. Wohl nicht gerne, spielt sie aber mit.

Bilderbücher:

Gerne, oft und kann Texte auswendig.

Konstruktivspiele:

Baut nicht bzw. nur mit einem Elternteil.

Malen, Basteln:

Zu Hause eher ungern. Handwerkt gerne mit dem Vater.

Vom ca. zwei Jahre jüngeren Bruder hält es sich eher fern bzw. umgekehrt.

Spielpartner wenden sich nach einer Zeit vom Kind ab, spielen mit dem Bruder oder die Mutter beteiligt sich am Spielverlauf. Es zeigt wenig Phantasie. Das Schlafverhalten ist i.O. bzw. es schläft relativ viel. Die Uhrzeit kann es nicht zuordnen. Ein Zeitgefühl ist nicht vorhanden. Für Hausaufgaben benötigt es oft mehr Zeit als die Schule vorgibt. Es kann Richtungen wie links, rechts, oben und unten zuordnen und kennt seine Körperteile, kann sie benennen und zuordnen.

3.2 Ich-Perspektive

Man kann normalerweise davon ausgehen, dass das aktuell gezeigte Verhalten für diese Person einen Sinn haben wird (vgl. Slotta, 2002). Es folgt nun eine Erzählung aus der Perspektive des Kindes mit fiktiven Anteilen, die angelehnt an die Realität der familiären Biografie von mir verändert/konstruiert wurden. Diese Form wählte ich, da ohne Verstehen Urteile vage sind. Wieso das Kind vielleicht in den Autismus gegangen ist, wird im Nachhinein womöglich unerschließbar bleiben und kann durch sachliche Wahrscheinlichkeits-Beschreibungen nur vermutet werden. Wähle ich eine fiktive Ich-Perspektive nimmt es mir ab, Vermutungen zu äußern und zu beweisen. Es ist und bleibt fiktiv für jeden erkennbar und Täuschungen werden nicht extern erzeugt, sondern entstehen durch die eigene Vorstellungskraft in eigener Verantwortung.