Ben und Lasse - Agenten mit zu großer Klappe - Harry Voß - E-Book

Ben und Lasse - Agenten mit zu großer Klappe E-Book

Harry Voß

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Beschreibung

In der Schule der beiden ungleichen Brüder Ben und Lasse wurde eingebrochen. Der Erstklässler Lasse hat sofort einen Verdacht: Die Brüder Dominik und Leon, die auf dem Schulhof ständig für Schlägereien sorgen, hecken irgendeinen geheimen Plan aus. Ben und Lasse nehmen die Verfolgung auf und machen rätselhafte Entdeckungen rund um das städtische Gefängnis. Was haben Dominik und Leon dort verloren? Ein Fall für Agent Benjamin Baumann und seinen naseweisen Bruder Lasse.

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Seitenzahl: 256

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Harry Voß

Agenten mit zu großer Klappe

Harry Voß, Jahrgang 1969, ist seit 1995 als Kinderreferent hauptamtlich für den Bibellesebund e.V. tätig. Auf seinen Lesetouren und bei Kinderbibelwochen, Kinderfreizeiten und Bibelactionpartys ist er als Gitarre spielender Geschichtenerzähler unterwegs.

Nach dem Megaseller Schlunz hat Harry Voß mit Ben & Lasse eine neue Buchreihe für Kinder ab 8 Jahren begonnen.

Mit seiner Familie lebt Harry Voß in Gummersbach.

Impressum

© 2016 by Bibellesebund Verlag, Marienheide

und SCM Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH

3. Auflage 2018

© 2019 der eBook-Ausgabe

Bibellesebund Verlag, Marienheide

https://shop.bibellesebund.de/

 

Coverillustration: Georg Design, Münster (www.georg-design.de)

Covergestaltung: Gisela Auth, Gummersbach

ISBN 978-3-95568-311-5

 

Hinweise des Verlags

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des Textes kommen.

Noch mehr eBooks des Bibellesebundes finden Sie auf

www.ebooks.bibellesebund.de

Inhalt

Titel

Impressum

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1

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal zum Einbrecher werde.

Aber heute Morgen ist es so weit. Ich bin sowieso schon spät dran. Ich bin zu spät aufgestanden, hab zu lange gefrühstückt und jetzt kann ich meine Turnschuhe für den Sportunterricht nicht finden. In der Ecke, in der sie sonst immer liegen, sind sie nicht. Ich bin kurz davor, durchzudrehen. Den Turnbeutel habe ich bereits gefunden. Der liegt unter dem Bett. Aber er ist leer. Wo um alles in der Welt sind meine Turnschuhe? Ich schaue in jeder Ecke nach, sogar im Papierkorb. Nichts. Dann entdecke ich oben auf dem Kleiderschrank einen Beutel, der aussieht wie der Turnbeutel aus meiner Grundschulzeit. Damals hab ich noch so einen peinlichen Beutel mit aufgedruckten Rennautos mit mir rumgetragen. Aber jetzt bin ich im fünften Schuljahr. Da hat man so was nicht mehr. Da ist der Turnbeutel einfach nur schwarz. Ohne alberne Bildchen drauf.

Mein Bruder Lasse ist im ersten Schuljahr. Der hat einen Turnbeutel mit aufgedruckten Dinosauriern drauf. Lasse ist total stolz. Okay, ich war damals auch auf meinen Rennauto-Turnbeutel stolz. Mann, ist das lange her …

Jedenfalls seh ich jetzt diesen alten Turnbeutel auf dem Kleiderschrank liegen. Ich bekomme einen furchtbaren Verdacht. Bestimmt hat Mama in den letzten Tagen hier einen Aufräum-Wahn bekommen und dabei meine Turnschuhe in diesen peinlichen Turnbeutel aus der Grundschule gesteckt, weil sie den schwarzen nicht gefunden hat. Und dann hat sie ihn auf den Schrank gelegt. O Mann. Jetzt muss ich mich echt beeilen. Ich schiebe meinen Schreibtisch-Stuhl an den Kleiderschrank und steige vorsichtig darauf. Junge, Junge, ist das wackelig. Die Sitzfläche dreht sich unter meinen Füßen hin und her. Ich komme mir vor wie ein Artist im Zirkus, während ich da oben nach meinem Turnbeutel taste.

Genau in diesem Augenblick kommt mein Bruder Lasse rein. Ohne anzuklopfen. „Wo bleibst’n du, Ben? Wir müssen los zur Schule!“

Ich bekomme einen tierischen Schreck. Ich kippe mit dem Rennauto-Beutel in der Hand zur Seite, der Stuhl dreht sich weg und ich lande mit vollem Karacho auf meinem Bett. Es kracht, als ob mein ganzes Bett einstürzt. Als ich meine Matratze anhebe und darunter schaue, sehe ich, dass zwei der Holzlatten aus dem Lattenrost durchgebrochen sind. Na, ganz toll.

„Musst du mich so erschrecken?“, schimpfe ich.

„Was machst’n du da oben?“, fragt Lasse.

„Nix für kleine Jungs!“

Mama kommt dazu: „Was macht ihr hier? Wollt ihr nicht langsam mal losgehen?“

Lasse zeigt mit ausgestrecktem Arm auf mich: „Ben hat das Bett kaputt gemacht!“

Oh weh. Ich erzähle ganz schnell die ganze Geschichte, bevor ich hier schon am frühen Morgen von Mama ausgeschimpft werde. Die verschwundenen Turnschuhe, der Rennauto-Beutel, der Stuhl als Leiter, das Schreckmonster Lasse, der Sturz, die zerbrochenen Latten. Mama klärt mich auf, dass in dem alten Turnbeutel auf dem Schrank nur meine alte Turnhose aus der Grundschulzeit steckt und dass meine normalen Turnschuhe im Wohnzimmer unter dem Sofa liegen. Da, wo ich sie letzte Woche hingeschleudert hab. Tja, und jetzt, wo sie das sagt, fällt es mir auch wieder ein. Ich bin letzte Woche nach dem Sportunterricht so sauer gewesen, dass ich meine Turnschuhe aus dem Turnbeutel geholt und einfach quer durch das Wohnzimmer gepfeffert habe. Ich hatte beschlossen, nie wieder zum Sport zu gehen. Wir hatten letzte Woche Geräteturnen und sollten über einen Bock springen. Das ist so ein mega hohes Gerät, das aussieht wie ein Schafbock, nur ohne Kopf. Viel zu hoch für jemanden wie mich. Ich bin natürlich nicht drüber gekommen, sondern immer nur mit den Knien dagegen geknallt oder hab mir sonst irgendwo wehgetan. Furchtbar.

Also. Die Turnschuhe habe ich letzte Woche unters Sofa geschleudert. Heute hab ich sie wieder rausgeholt. Mamas wissen seltsamerweise immer, wo alles steckt. Ich schätze mal, wenn wir Kinder in der Schule sind, laufen alle Mamas dieser Erde durch ihre Wohnungen, scannen mit ihrem Superblick jeden Winkel und jede Ecke und speichern das irgendwo in ihrem Gehirn, damit sie später von allen Sachen sagen können, wo sie liegen.

„Um das Bett soll sich Papa heute Abend kümmern“, sagt Mama, nachdem sie unter die Matratze geschaut hat. „Einbrüche sind sein Spezialgebiet.“

Ha, ha. Scherz. Ein Wortspiel. Sehr originell. Mein Papa ist Polizist. Wenn irgendwo in eine Wohnung oder in ein Haus eingebrochen wird, dann fährt er dort hin und spricht mit den Leuten, nimmt den Fall auf und versucht, den Einbrecher zu fangen. Leider findet sich der Einbrecher meistens nicht. Und dann wird der Fall irgendwann zu den Akten gelegt und der Einbrecher bricht weiterhin ganz munter in so viele Wohnungen ein, wie er möchte. Wenn einer wie ich in seinem Bett einbricht, dann hat Papa damit natürlich nichts zu tun. Aber immerhin – jetzt kann ich mich auch einen „Einbrecher“ nennen.

Als Lasse und ich schließlich in wilder Hektik das Haus verlassen, fragt mich mein Bruder aber dann doch ganz überrascht: „Stimmt das, Ben? Wenn Papa von einem Einbruch erzählt, dann meint er gar nicht, dass ein Dieb in ein Haus eingebrochen ist? Sondern dass ein Junge in seinem Bett eingebrochen ist?“

„Nein, Lasse“, sage ich so geduldig wie möglich. „Das war ein Witz von Mama. Einbruch – Einbruch. Das ist ein Wortspiel.“

Lasse lacht: „Ein Teekesselchen also? Wie Birne und Birne?“

„Ja genau.“

„Oder wie Schloss und Schloss?“

„Richtig.“

„Oder wie …“

„Ja, Lasse, wie alle anderen Teekesselchen auch.“

„Lustig!“ Im weiteren Verlauf des Schulwegs zählt er etwa fünfzig weitere Teekesselchen auf und wünscht sich dabei immerzu, dass sie das so bald wie möglich mal in der Schule spielen. Dann kann er nämlich sein neuestes Teekesselchen „Einbruch – Einbruch“ sofort zum Besten geben.

Wenn wir beide morgens zur Schule gehen, können wir einen Großteil der Strecke gemeinsam zurücklegen. Die Grundschule von Lasse und meine Gesamtschule befinden sich in derselben Straße. Zwischen den beiden Schulen liegen eine Wiese und die Turnhalle. Also bringe ich Lasse zuerst in seine Schule und gehe dann ohne ihn bis zu meiner Schule. Unterwegs kommen an fast jeder Kreuzung Kinder dazu. Seit Julian Prinz aus der Kasernenstraße zu uns gestoßen ist, zählt Lasse seine Teekesselchen nur noch leise für sich auf und kichert wie blöde, wenn ihm wieder ein originelles eingefallen ist.

Bald darauf kommt Maria Höflich aus der Nachbarklasse dazu und fängt schon an zu plappern, bevor sie uns überhaupt richtig sieht. Sie hat heute Morgen schon davon gehört, dass in der vergangenen Nacht in unserer Schule eingebrochen worden ist. Und jetzt erzählt sie haarklein, was sie alles erfahren hat: „Ich weiß es von Elisabeth und die weiß es von Hanna und Hanna weiß es von ihrem Vater und der kennt ja den Hausmeister total gut, weil die immer zusammen kegeln gehen! Der Hausmeister hat das schon heute Morgen um sechs Uhr bemerkt, der geht ja immer total früh in die Schule. Und dann hat er gesehen, dass das Fenster zum Technikraum hinter der Schule kaputt war und dann hat er gesehen, dass innen lauter Sachen fehlen: zwei Beamer und ein Mischpult und noch mehr Sachen, das hab ich mir nicht alles behalten. Aber dann hat er auf der Straße Hannas Papa getroffen, der gerade auf dem Weg zur Arbeit war, und hat es ihm erzählt. Und der hat dann seine Frau angerufen und es ihr erzählt und die hat es Hanna erzählt und die hat es Elisabeth erzählt und die hat es mir erzählt.“ Maria hat kein einziges Mal Luft geholt, während sie das alles berichtet hat. Aber jetzt atmet sie einmal tief ein und beendet ihren Vortrag: „Ich weiß es sozusagen aus erster Hand, nämlich vom Hausmeister persönlich … also … fast aus erster Hand. Vom Freund des Hausmeisters … und ähm … von dessen Tochter und von deren Freundin. Aber ich finde, das ist schon sehr nah dran.“

Maria erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Und meistens interessiert mich das gar nicht. Aber das mit dem Einbruch ist zur Abwechslung mal etwas, das ich wirklich interessant finde. Wenn ich groß bin, will ich nämlich auch Polizist werden. Wie mein Papa. Das weiß ich jetzt schon. Aber nicht so einer, der immer nur zu den Leuten hinfährt, sich den Einbruch erzählen lässt und dann den Einbrecher doch nicht fängt. Nein. Wenn ich mal Polizist bin, dann haben die Einbrecher nichts mehr zu lachen. Ich werde wirklich jeden fangen und jeden Fall aufklären. Ich kann sehr gut beobachten, ich kann verfolgen, ich kann messerscharf kombinieren. Ich bin Agent Benjamin Baumann. Schrecken aller Verbrecher.

Lasse ist begeistert von Marias Bericht: „Was? Ein Einbruch in eurer Schule? Boah, das ist ja cool!“ Er schlägt mir an den Arm: „Ben, das ist ein neuer Fall für uns! Wir sind doch Agenten! Wir fangen die Diebe!“

O weh. Hab ich gesagt, ich bin der Schrecken aller Verbrecher? Dann sollte ich noch hinzufügen, dass ich die Verbrecher natürlich am allerbesten alleine fange. Mein Bruder Lasse ist nämlich keineswegs der Schrecken aller Verbrecher. Die größte Gefahr an ihm ist höchstens, dass sich die Gangster totlachen, wenn sie es mit ihm zu tun haben. Aber sehr hilfreich bei den Ermittlungen ist Lasse nicht. Wirklich nicht.

Lasse wendet sich an Maria: „Weißt du, Maria, Ben und ich werden mal Polizisten, wenn wir groß sind. Und wir sind auch jetzt schon die besten Kriminalfall-Löser. Gemeinsam als Team sind wir unschlagbar.“ Jetzt schaut er wieder mich an und schlägt mir an den Arm: „Hab ich recht, Ben?“

Ich rolle mit den Augen und sage lieber nichts. Wenn Lasse irgendwann mal Polizist wird, dann haben die Verbrecher dieser Welt ja doch wieder eine Chance. Ich kann mir genau vorstellen, wie das dann ablaufen wird: Ich fange sie alle und bringe sie ins Gefängnis. Und Lasse lässt sie vor lauter Schusseligkeit wieder frei.

Aber bis jetzt sind wir ja noch keine Polizisten. Ich bin elf Jahre alt und gehe in die fünfte Klasse der Gesamtschule unserer Stadt. Lasse ist sechs Jahre alt und ist im ersten Schuljahr. Da ist die Welt noch in Ordnung. Die Erstklässler malen den ganzen Tag Bilder oder rechnen einen Apfel plus einen Apfel gleich zwei Äpfel. Wahnsinn. Lasse hat keine Ahnung, was da an komplizierten Unterrichtsfächern noch auf ihn zukommt, wenn er mal im fünften Schuljahr ist. Der wird sich noch wundern.

„Und weißt du noch was, Maria“, fährt Lasse fort, „Einbruch ist ein Teekesselchen. Es gibt nicht nur den Einbruch, wenn jemand in der Schule einbricht, sondern auch den Einbruch, wenn Ben in seinem Bett einbricht.“

Maria lächelt höflich, aber sie scheint diese Erkenntnis nicht ganz so spannend zu finden.

Julian Prinz, der schon eine ganze Weile mit uns die Straße entlang schlurft, wundert sich über den Vorfall an der Schule: „Wieso bricht der Hausmeister denn in die Schule ein? Hat der keinen Schlüssel?“

Maria seufzt laut auf: „Hast du nicht zugehört, Julian? Der Hausmeister ist nicht eingebrochen. Der Hausmeister hat den Einbruch entdeckt!“

„Und wer ist dann eingebrochen?“, fragt Julian.

„Das weiß man natürlich nicht. Darum muss sich jetzt die Polizei kümmern.“ Sie zwinkert mir zu. „Was, Ben?“

„Richtig“, stimme ich zu.

Lasse hebt seinen Zeigefinger: „Oder die Superagenten Ben und Lasse!“ Er schlägt mir schon wieder gegen den Arm. „Was, Ben?“

„Ist klar, Lasse“, sage ich etwas genervt. „Wenn du eine heiße Spur hast, dann lass es mich wissen. Wie ich dich kenne, hast du den Einbrecher in null Komma nichts verhaftet.“

„Klar, hab ich auch!“, quakt Lasse. „Aber nicht ohne deine Hilfe! Du bist es doch, der so schlau und mutig ist wie ein echter Polizist!“

Maria kichert. Julian fragt: „Wieso seid ihr denn Agenten? Die gibt’s doch nur im Fernsehen.“

„Nein, die gibt es auch in echt“, antwortet Lasse. „Mein Bruder und ich sind die mutigsten Agenten, die du dir vorstellen kannst. Außer Papa natürlich, der ist noch mutiger. Aber der ist kein Agent, sondern Polizist. Verstehst du den Unterschied?“

„Nein.“

„Ben hat mir eine Agenten-Anstecknadel geschenkt. Die ist der Beweis dafür, dass wir echte Agenten sind!“ Lasse zieht den Reißverschluss seiner Jacke auf. An seinem Pullover steckt der peinliche Anstecker, den ich ihm mal zu Weihnachten geschenkt habe: eine aus Goldfolie und Glitzersteinchen gebastelte Plakette mit der Aufschrift: „Agent Lasse Baumann“. Hab ich in fünf Minuten dahingekritzelt und zusammengeklebt, aber Lasse trägt das Ding mit so viel Stolz, als hätte es ihm der Bundespräsident höchstpersönlich überreicht.

„Pack das weg, Lasse“, flüstere ich ihm zu. Das Teil sieht echt peinlich aus.

Julian ist offensichtlich beeindruckt: „Klasse“, findet er.

Lasse nickt. „Klasse ist übrigens auch ein Teekesselchen. Es gibt die Klasse in der Schule, zum Beispiel Klasse 1b. Und es gibt klasse, wenn was klasse ist.“ Er lacht. „Klasse, was?“

„Ganz klasse, Lasse“, sage ich und wundere mich, wie schnell Lasse mit seinen Gedanken von einem Thema zum anderen springen kann. Ich bin in Gedanken noch ganz bei dem Einbruch. Der interessiert mich wirklich. Ob ich diesen Fall lösen kann? Aber möchte ich Lasse wirklich dabei haben? Vielleicht kann ich es ihm noch ausreden. Immerhin sind solche Sachen ja wirklich gefährlich und nichts für Erstklässler.

2

„Habt ihr alle eure Zutaten fürs Frühstück dabei?“, fragt Beatrix Munterbauer, unsere Klassensprecherin, etwa fünfzigmal hintereinander. Und zwar jeden einzeln. Sie trägt ein Klemmbrett in der Hand mit einer Liste darauf, als sei sie die Trainerin eines Football-Teams. „Sondra, hast du den Käse mitgebracht?“

Sondra kratzt sich am Kopf. „Nein, wieso?“

Bea stöhnt auf. „Weil auf meiner Liste steht, dass du den Käse mitbringst!“

„Ach so. Hab ich vergessen.“

„Und du, Ben?“ Bea kommt auf mich zu, als sei sie meine Lehrerin. „Hast du deine Sachen dabei?“

„Ein Päckchen Butter“, sage ich und öffne meine Schultasche. „Hab ich dabei.“

Heute hat Herr Jung, unser Klassenlehrer, Geburtstag. Beatrix hatte die glorreiche Idee, ihn mit einem gemeinsamen Frühstück in der Klasse zu überraschen. In der zweiten Stunde haben wir bei ihm Deutsch. Und dann soll schon alles auf einem großen Tisch bereitstehen. Nicht jeder fand die Idee gut. Nachdem Bea aber lang und umständlich auf jeden einzeln eingeredet hat, haben sich schließlich alle bereit erklärt mitzumachen. Und immerhin ist Frau Munterbauer, die Mutter von Bea, Elternpflegschaftsvorsitzende oder so was. Also die Klassensprecherin von den Eltern sozusagen. Die bombardiert die Mamas mit ungefähr hundert E-Mails pro Woche. Und diese Woche hatten sie mehrfach den Betreff: „Frühstück für Herrn Jung“.

Mama hat mir ein Päckchen Butter in eine Brotdose gepackt. Ich hol die Dose aus der Schultasche und drück sie Bea in die Hand.

„Wieso Butter?“, fragt Bea und schaut auf ihre Liste. „Du solltest Margarine mitbringen.“

„Ist doch dasselbe.“

„Nein, das ist überhaupt nicht dasselbe!“, empört sie sich.

Raul, der zufällig neben Bea steht, hebt seinen Finger: „Da muss ich ihr recht geben. Butter ist aus Milch hergestellt, Margarine aus Pflanzen.“

„Na und?“ Ein bisschen nerven mich die zwei. „Beides schmiert man sich als Unterlage aufs Brot, damit die Wurstscheibe nicht runterfällt.“

„Jetzt haben wir zweimal Butter und keinmal Margarine auf unserem Frühstücks-Buffet!“, jammert Bea. Ich schüttel den Kopf und sag lieber nichts mehr dazu. Als ob das so schlimm wäre! Ich ess hier sowieso nur Nutellabrote, falls jemand Nutella dabei hat. Und da schmier ich mir nie was drunter. Weder Butter noch Margarine.

„Ich hab auch Butter mitgebracht!“, ruft Mandy und hält ein völlig weich gewordenes Stück Butter in der Hand. Die Butter quillt zwischen ihren Fingern raus und sieht aus wie weiße Knete.

„Was hast du denn mit der gemacht?“, ruft Bea erschrocken.

„Wieso?“ Mandy schaut sich die weiße Matsche in ihrer Hand genauer an. „Ich hab sie in meinem Federmäppchen aufbewahrt, damit ich sie nicht verliere.“

„Ohne Verpackung?!“

„Natürlich mit. Die Verpackung hab ich schon mal abgemacht. Die wollen wir doch sowieso nicht mitessen. Aber die Butter war so hart, die konnte man gar nicht schmieren. Also hab ich sie in meinen Händen ein bisschen warm gehalten. Jetzt ist sie schon viel weicher.“

Bea verzieht angewidert ihr Gesicht. Mandy legt das weich gedrückte Stück Butter auf den vorbereiteten Geburtstagstisch in der Nähe der Tafel. Mein Päckchen Butter liegt bereits darauf.

„Wieso hast du überhaupt Butter mitgebracht und nicht Marmelade?“, bohrt Bea weiter. „Auf meiner Liste steht, du bringst Marmelade mit!“

„Ja, ich weiß“, sagt Mandy. „Aber meine Mutter hat gesagt, ich soll die Butter mitnehmen. Von der haben wir noch so viel.“

Bea fasst sich mit der freien Hand an den Kopf. „Und wir? Wir haben jetzt auch zu viel davon!“

Der Unterricht beginnt. Erste Stunde. Frau Starke, unsere Englisch-Lehrerin, hat einen fremden Jungen mit in die Klasse gebracht. „Das ist Adrian“, stellt sie ihn vor. „Er gehört ab heute mit zu eurer Klasse. Sein Vater hat hier in der Stadt eine neue Arbeitsstelle begonnen und darum ist die Familie hierher gezogen.“ Sie schaut Adrian aufmunternd an. „Ich denke mal, du wirst dich hier recht schnell wohlfühlen. Das ist eine sehr nette Klasse.“

Adrian lächelt. Selbstbewusst und siegessicher. Kein bisschen schüchtern, obwohl er hier niemanden kennt. Das beeindruckt mich. Adrian wirkt wie einer, der sich nicht unterkriegen lässt. Seine blonden Haare sind zu einer topmodernen Frisur gestylt. Seine Kleidung sind Markenklamotten, das seh ich von meinem Platz aus. Seinen Rucksack hat er lässig über die rechte Schulter gehängt.

„Bei mir ist noch ein Platz frei!“, ruft Tobias durch die Klasse, obwohl das überhaupt nicht stimmt. An seinem Tisch sitzt noch Torben. Auf der anderen Seite sitzt Sondra.

Frau Starke wundert sich ebenfalls: „Neben dir ist doch gar kein Platz frei. Da sitzt doch Torben.“

„Torben kann sich woanders hinsetzen!“

Torben macht große Augen: „Was?“ Mit seiner Zunge leckt er sich eine Ladung Rotz von der Lippe.

Frau Starke zeigt auf einen freien Platz in der ersten Reihe: „Hier, neben Samir ist noch ein Platz frei.“

Das ist der Moment, in dem Samir aufhorcht. Samir ist erst seit zwei, drei Monaten hier in der Klasse. Er versteht fast kein Wort Deutsch. Seine Familie ist aus Syrien nach Deutschland gekommen. Die ganze Familie hat an einem mehrwöchigen Sprachkurs teilgenommen, aber viel mehr als „Ja“, „Nein“ und „Aha“ kommt von ihm nicht. Er sitzt den ganzen Vormittag da und starrt an die Tafel. Aber ich glaube nicht, dass er viel kapiert. Wenn sein Name fällt, dann schreckt er auf. So wie jetzt. „Ah! Ja!“, sagt er erfreut und stellt seine Tasche vom Nachbarstuhl auf den Boden. Anscheinend hat er doch verstanden, dass Adrian da sitzen soll.

„Hallo“, sagt Adrian, als er sich neben ihn setzt.

„Hallo“, sagt Samir. Sein Gesicht zeigt, dass er am liebsten ganz viel sagen möchte. Aber ihm fallen die Wörter auf Deutsch nicht ein. Also bleibt es bei einem fröhlichen: „Ja. Gut. Alles.“ Er nickt freundlich. Adrian nickt auch. Aber er sagt nichts.

„Und dann hab ich noch eine unerfreuliche Neuigkeit“, fährt Frau Starke fort und schaut in die Klasse. „In der vergangenen Nacht wurde hier in der Schule eingebrochen. Jemand hat mehrere sehr teure technische Geräte gestohlen. Eine Fensterscheibe ist zerbrochen und die Tür zum vorderen Technikraum ist aufgebrochen.“

Alle machen erstaunte Gesichter und flüstern erschrocken mit den Tischnachbarn.

„Wenn ihr irgendetwas mitbekommt, dann sagt bitte einem Lehrer Bescheid. Bis jetzt fehlt noch jede Spur.“

Julian meldet sich: „Ich weiß, wer’s war!“

Frau Starke zieht die Augenbrauen hoch: „Ja? Wer denn?“

„Der Hausmeister!“

Frau Starke zuckt mit dem Kopf: „Herr Merkendorf?“

„Ja. Hat Maria gesagt, hat Elisabeth gesagt, hat Hanna gesagt. Die kegeln zusammen.“

„Wer kegelt zusammen?“

„Die alle.“

„Elisabeth und Hanna kegeln mit Herrn Merkendorf?“

„Ja. Hat Maria gesagt.“

„Welche Maria?“

„Maria Höflich aus der Nebenklasse.“

Jetzt muss ich doch mal eingreifen: „Quatsch, Julian! Maria hat nur gesagt, der Hausmeister hat das heute Morgen entdeckt! Wer es war, das weiß niemand!“

„Ach so.“ Julian stützt seinen Kopf in beide Hände und schaut verträumt in die Klasse. Es sieht aus, als müsste er sich das Gespräch von heute Morgen noch mal durch den Kopf gehen lassen.

Ich muss mir in der großen Pause unbedingt mal das kaputte Fenster anschauen. Vielleicht finde ich was heraus.

3

Das gemeinsame Frühstück für Herrn Jung droht eine Katastrophe zu werden. Bea läuft wie ein wild gewordenes Tier von einem zum anderen, hält jedem ihre superschlaue Liste auf dem tollen Klemmbrett unter die Nase und zählt hysterisch auf, wer eigentlich was hätte mitbringen sollen. Als die zweite Stunde beginnt, liegen auf dem Geburtstagstisch etwa zwanzig Päckchen Butter. Kein Brötchen, keine Marmelade, kein Nutella. Aber so viel Butter, wie 25 Schüler auftreiben können.

Die halbe Klasse steht um den Tisch herum und schaut auf die Buttersammlung, als wäre sie ein Museumsstück. Zwei Jungen haben bereits begonnen, aus den Butterpäckchen einen Turm zu bauen.

„Ich glaub, ich muss das jetzt mal organisieren“, sagt Jonathan. „Also. Wer hat alles Butter mitgebracht?“

Zwanzig Kinder melden sich.

„Aha. Und wer hat Marmelade mitgebracht?“

Niemand meldet sich.

„Du bist ein Schlaukopf“, mischt sich Bea ein. „Das wussten wir auch vorher schon.“

„Genau“, stimmt Hilko ihr zu. „Das wussten wir auch vorher schon.“

„Sag mal, Bea“, Tobias stemmt die Hände in die Seite und schaut sie forschend an. „Wieso hast du eigentlich selbst auch nur Butter mitgebracht?“

„Ja“, unterstützt ihn Hilko. „Warum hast du eigentlich auch nur Butter mitgebracht?“

Bea fuchtelt mit ihrem Klemmbrett in der Luft herum: „Weil ich die einzige bin, die wirklich Butter mitbringen sollte!“

„Es tut mir so leid“, sagt Leonie und führt mit beiden Zeigefingern ihre langen Haare hinter die Ohren. „Ich war mir so sicher, dass ich Butter mitbringen sollte. Aber Brötchen und Butter fängt ja auch beides mit B an …“

„Ball und Buntstifte fangen auch mit B an“, sagt Raul. „Hast du die auch mitgebracht?“

Leonie schaut ihn verständnislos an und schiebt gleich noch mal ihre Haare hinter die Ohren. „Nein, hab ich nicht. Entschuldigung.“

„Ich hab ein Brötchen mit“, sagt Adrian, der Neue, plötzlich. Er hält ein mit Salami belegtes Brötchen in der Hand. „Ich kann es spenden.“ Damit legt er sein Brötchen auf den Butter-Tisch.

Bea schaut ihn etwas irritiert an. Weil Adrian erst seit einer Stunde zur Klasse gehört, traut sie sich anscheinend nicht, ihn schon wild herumzukommandieren. „Da ist doch schon was drauf“, sagt sie nur.

„Weiß ich“, gibt Adrian zurück. „Salami. Ist doch gut. Dann muss man es nicht noch schmieren.“

„Meinst du?“

„Ich hab auch ein Brötchen mit“, ruft Sofie und legt sofort ihr Käsebrötchen neben das Salamibrötchen auf den Frühstückstisch.

„Also, ich weiß ja nicht“, wirft Bea unsicher ein. Aber schon laufen immer mehr Kinder zu ihren Schultaschen und wühlen ihre Pausenbrote heraus.

„Ich hab auch eins“, ruft Torben, zieht die Nase hoch, greift in seinen Ranzen und holt seine Brotdose raus. Als er sie öffnet, ist das Brötchen schon zur Hälfte aufgefuttert. „Oh, schon reingebissen.“ Er holt es raus. „Macht aber nichts, oder?“

„Ach, lass mal“, sagt Bea und verzieht das Gesicht.

In diesem Augenblick verdreht Torben seine Augen, zieht mit einem lauten „Haaa … Haaa …“ Luft durch die Nase und platscht mit einem heftigen „Haaa-Tschi!“ einen mittleren Nies-Schauer über sein Brötchen.

„Iiih“, machen gleich drei Mädchen auf einmal.

Ich hole mein Brot auch aus der Schultasche und lege es auf den Tisch, wo inzwischen schon fünf oder sechs belegte Brote liegen. Dazu mehrere Müsliriegel, gekochte Eier, geschnittene Apfelstücke und Gurkenscheiben.

„Ich kann meins wirklich noch dazulegen“, versucht Torben es noch einmal und wischt sich mit dem Handrücken die Nies-Reste unter der Nase weg.

„Nee, lass mal“, wiederholt Bea.

„Wirklich, ich mach das gern. Das ist Leberwurst, die mag ich sowieso nicht.“

Mandy flatscht eine braune Banane dazu, aber mit so einem Schwung, dass die Banane aufplatzt und aus allen Seiten Bananenmatsche herausquillt.

Anne und ein paar andere Mädchen haben schon begonnen, die Brötchen aufzuklappen, mit einigen der Gurkenstückchen zu belegen und so nebeneinander anzuordnen, dass es fast aussieht, als hätte man belegte Brötchenhälften beim Bäcker gekauft.

Samir schaut mit großen Augen den anderen dabei zu. Er fängt Beas Blick auf und sagt: „Ich auch! Aber – hab nix.“

„Ja, weiß ich doch“, winkt Bea ab.

Als Herr Jung die Klasse betritt, sind die Mädchen gerade eben mit ihren Vorbereitungen fertig geworden. Alle fangen an zu grölen: „Happy Birthday to you!“ Keiner kann wirklich singen, aber der Wille ist immerhin da. Herr Jung ist ganz gerührt und steht wie ein schüchternes Erstklässler-Geburtstagskind vor der Tafel. „Das habt ihr aber schön gesungen“, lobt er uns.

„Wir wollten für Sie ein Frühstück ausrichten“, jammert Bea und hält immer noch ihr Klemmbrett in der Hand. „Aber die anderen haben es einfach nicht auf die Reihe gekriegt. Wir haben nur Butter mitgebracht!“

Herr Jung sieht sich den Tisch an. In der einen Ecke liegt alles voller Butter. In der anderen Ecke liegen die Brote, Brötchen und alle anderen Sachen, die die Mädchen vorhin hier aufgebaut haben. Das sieht so toll aus, als hätte das wirklich extra jemand besorgt. Herr Jung freut sich: „Was heißt denn, ihr habt ‚nur Butter‘ besorgt? Das ist doch ein wirklicher Festtisch!“

Die anderen erzählen, wie das mit der Butter-Überschwemmung zustande gekommen ist und warum der Tisch jetzt doch so voller Frühstücksessen ist. Herr Jung hört sich alles an und lacht laut. Dann holt er ein Pausenbrot aus seiner Tasche, einen Apfel und eine Kinderschokolade und eröffnet das Frühstück. Alle dürfen von allem essen. Und obwohl ja eigentlich nur so viel da liegt, wie jeder mitgebracht hat, fühlen sich nachher alle satt und glücklich. Auch Samir hat es sich schmecken lassen, obwohl er nichts zum Frühstück beigesteuert hat. Trotzdem hat es irgendwie für alle gereicht. Hm. Zauberei.

In der ersten großen Pause gehe ich sofort hinter die Schule zum Fenster vor dem Technikraum. Ich habe gedacht, ich kann was herausfinden. Aber da bin ich wohl nicht der einzige, der diese Idee hatte. Eine ganze Traube von Schülerinnen und Schülern steht um das Fenster herum und gafft auf das große Holzbrett, das von innen dort angebracht worden ist, damit niemand durch die zerbrochene Fensterscheibe einsteigt. Tja. Dadurch kann ich leider auch nicht in den Technikraum hineinschauen. „Mein Nachbar hat gesagt, er hat heute Nacht Geräusche an der Schule gehört“, weiß einer zu berichten.

„Mein Vater hat gesagt, die Schule hat so viel Geld, die juckt das doch gar nicht“, wirft ein anderer ein.

„Der Hausmeister hat es dem Vater von Hanna erzählt und der hat es seiner Frau erzählt und die hat es Hanna erzählt“, höre ich Maria aus der Menschentraube heraus ihre Geschichte erzählen. Einige haben sofort einen Verdacht, wer eingebrochen sein könnte. Aber ich kenne keinen der Namen, die da aufgezählt werden. Ich verlasse die Menge der aufgedrehten Neuigkeiten-Erzähler, gehe ins Schulgebäude rein, die Treppe nach unten und direkt auf die Technikräume zu. Von Weitem sehe ich schon die aufgebrochene Tür. Der Türgriff ist abgeschraubt, der Türrahmen ist an einigen Stellen zersplittert. Einige Erwachsene stehen drumherum und reden miteinander. Einer bemerkt mich und kommt sofort auf mich zugeschossen: „Was hast du hier verloren? Wieso bist du nicht in der Pause?“

„Ich wollte mir den Tatort mal anschauen“, sag ich nur.

„Das ist nichts für Kinder“, sagt der Erwachsene streng, packt mich an den Schultern und schiebt mich den Gang zurück. „Geh mal ganz schnell zu den anderen.“

Ich geh zurück auf den Schulhof, aber ich nehme mir vor, die Tür noch mal zu untersuchen, wenn nicht so viele Erwachsene drumherum stehen. Heute Vormittag wird das aber sicher nichts mehr.

Nach der Pause haben wir Religion. Herr Jung, unser Klassenlehrer, unterrichtet bei uns außer Deutsch auch noch Musik und Religion. Darum haben wir schon wieder bei ihm. „Ich hab im Lehrerzimmer von eurer Geburtstags-Überraschung erzählt“, sagt er und grinst breit. „Die anderen waren total beeindruckt, wie ihr eure Pausenbrote geteilt habt. Keiner hat was für das Geburtstagsfrühstück mitgebracht, aber nachher sind alle satt geworden. Das ist doch klasse.“

„Ich hab viel mehr gegessen als sonst“, sagt Torben und bohrt dabei tief in der Nase.

„Ich auch!“, rufen Mandy und Hilko.

Herr Jung lacht. „Das hat mich an eine Geschichte aus der Bibel erinnert“, sagt er. „Und die passt ja ganz gut zum Religionsunterricht.“ Er erzählt, wie Jesus einmal vor fünftausend Leuten gepredigt hat. Irgendwo in der Wüste, weitab von irgendwelchen Dörfern oder Städten. Stundenlang hörten die Leute Jesus zu und dabei wurde es irgendwann Abend. „Jesus, hör mal langsam auf“, sagten die Männer, die Jesus immer begleiteten, leise zu ihm. „Die Leute haben schon Hunger. Sie müssen mal losgehen und sich was zu essen kaufen.“ – „Gebt ihr ihnen doch was zu essen“, schlug Jesus vor. „Wir haben nichts!“, wandten die Freunde ein. „Und wir haben auch viel zu wenig Geld, um für fünftausend Menschen was zu essen zu kaufen!“ Da kam ein Junge zu ihnen. Er hatte auch Jesus zugehört. Er hatte fünf Brote und zwei Fische dabei. Die gab er den Männern und die brachten es zu Jesus. „Das reicht niemals“, brummten sie dabei. Aber Jesus nahm die Brote und die Fische, dankte Gott in einem Gebet dafür, gab es seinen Freunden und forderte sie auf, das Essen an alle zu verteilen. Die Männer gingen mit den fünf Broten und den zwei Fischen durch die Menschenmenge. Und siehe da – es reichte für alle. Alle wurden satt. Am Ende sammelten sie sogar die übrigen Brotstücke ein. Und das waren noch mal zwölf Körbe voll.

Deborah meldet sich: „Die Geschichte kenne ich.“

Herr Jung nickt.

„Ich auch“, rufen Hilko und noch ein paar Kinder.

„Hat Jesus gezaubert?“, fragt Julian.

Herr Jung schmunzelt.

„Jesus kann nicht zaubern!“, ruft Deborah, ohne sich zu melden. „Jesus tut Wunder!“

„Hat Jesus also ein Wunder gezaubert?“, fragt Julian noch mal.

Herr Jung grinst breit und zeigt mit offener Hand in die Klasse. „Was meinen die anderen?“

Ein bisschen kenne ich mich auch aus. In meiner Familie beten wir auch. Und früher hat uns Mama vor dem Schlafengehen Geschichten aus der Kinderbibel vorgelesen. Außerdem gehen wir sonntags in den Kindergottesdienst. Da hören wir auch Geschichten aus der Bibel. Ich melde mich: „Jesus muss nicht zaubern. Jesus ist der Sohn von Gott. Und Gott kann alles.“