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True Crime aus Berlin – die Berliner Kriminalpolizei hat in den Jahrzehnten seit Ende des Zweiten Weltkriegs einige spektakuläre Fälle zu verzeichnen! Das Buch ist dabei so informativ wie spannend. Neben konkreten Fällen, wie beispielsweise dem aus religiösem Wahn verübten Doppelmord an Michaela Mokri und Dieter Kauffmann oder der Entführung Audrey Klewers, werden auch bahnbrechende kriminaltechnische Entwicklungen wie die DNA-Analyse behandelt. Eine facettenreiche Lektüre nicht nur für Krimi-Fans.-
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Seitenzahl: 674
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Förderkreis der Polizeihistorischen Sammlung
Saga
Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur GegenwartCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2005, 2019 Förderkreis der Polizeihistorischen Sammlung und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726410488
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk
– a part of Egmont www.egmont.com
Mit Beiträgen des Polizeipräsidenten in Berlin Dieter Glietsch und des Landeskriminalpolizeidirektors Peter-Michael Haeberer
Herausgegeben vom Förderkreis Polizeihistorische Sammlung Berlin e.V.
Lange schon hat die Kriminalpolizei auf nahezu allen Ebenen darüber gesprochen, dass endlich einmal ihre Geschichte „aufgeschrieben“ werden müsste. Nachdem 1998 das Buch über die Schutzpolizei „Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart“ erschien, wurde der Druck noch größer. Doch wer sollte ein solches Nachfolgebuch auf den Weg bringen?
Nach dem viel gebrauchten Motto „Die Kriminalpolizei bittet um Ihre Mithilfe“ wurden Autoren gesucht, Überlegungen angestellt, lockere Planungen gemacht, mögliche Inhalte erörtert und ein Finanzrahmen erarbeitet.
Der damalige Leitende Kriminaldirektor Gert Wildenhein konnte 1999 den Pensionär Friedrich Sander für das Projekt gewinnen. Diesen beiden Pensionären gilt ein besonderer Dank, denn die Aufgabe war nicht leicht. Da die Kriminalpolizei leider über keinerlei Archive verfügt, waren sie angewiesen auf die Erinnerungen der Kollegen, um die Entwicklung der Kriminalpolizei von der Nachkriegszeit bis heute darzustellen. Aber die noch aktiven Kollegen, die sich erinnern konnten, waren mit dem Tagesgeschäft ausgelastet, und die Pensionierten hatten vielfach mit dem Beruf vollständig abgeschlossen.
So zog Friedrich Sander durch die Archive und Bibliotheken und fand vieles, was bei der Polizei nicht mehr vorhanden war, kopierte, sortierte, schrieb, sprach mit Kollegen und begeisterte Autoren.
Besonders schwierig war es, Autoren für Texte über das Thema „Polizeipräsidium der Volkspolizei“ zu finden, aber mit Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und Überredungskunst gelang auch dies.
Auf zahlreiche Themen musste wegen des vorgegebenen Buchumfangs verzichtet werden, sodass eine lückenlose Dokumentation von 1945 bis heute nicht möglich war. Daraus ergibt sich die Option der Fortsetzung. Ob durch uns oder andere, wird sich zeigen.
Titel und Untertitel verweisen auf den Schwerpunkt des Buches. Natürlich berichten einige Autoren dort, wo es sinnvoll ist, auch von Geschehnissen, die sich vor dem Jahr 1945 ereignet haben.
Wie alles im Leben verändert sich auch die Kriminalpolizei ständig. Als Konsequenzen sind einige Dienststellenkennzeichnungen und Organisationsstrukturen sicher überholt, wenn dieses Buch erscheint. Die Fakten müssen im Kontext des Entstehungsvorgangs der Artikel und des Buches gesehen werden.
Allen Autoren und Helfern, allen Sponsoren inner- und außerhalb der Polizei sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt für ihre lohnenswerte Unterstützung. Denn das vorliegende Buch ist eine wichtige Bestandsaufnahme der kriminalpolizeilichen Arbeit in dieser Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg geworden. Die Sammlung von historischen Betrachtungen, wissenschaftlichen Darstellungen und informativen Berichten aus der Praxis legt einen Grundstein für die Aufarbeitung von sechs Jahrzehnten Kriminalpolizeigeschichte.
Ich wünsche allen Interessierten eine kurzweilige Lektüre!
Gerhard Simke, Vorsitzender des Förderkreises Polizeihistorische Sammlung Berlin e.V.
von Dieter Glietsch Polizeipräsident in Berlin
Die Geschichte der Berliner Kriminalpolizei seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist – wie die keiner anderen Polizeiorganisation in Deutschland – von den historischen Rahmenbedingungen dieser Zeit geprägt.
Hier in Berlin untersteht die Polizei bis zur Wiedervereinigung faktisch alliierter Oberhoheit, wenn diese auch in den beiden Teilen der Stadt unterschiedlich ausgestaltet war, hier gilt bis zur Herstellung der staatlichen Einheit teilweise eine andere Rechtslage als in der übrigen Bundesrepublik Deutschland, und hier findet im Oktober 1990 eine besondere Art von Vereinigung statt, weil die beiden Hälften einer Stadt wieder zusammengeführt werden.
Während sich die Polizei in den neuen Bundesländern im Wesentlichen aus altem Personal organisiert und die Polizei in den bisherigen Bundesländern dadurch allenfalls „neue Nachbarn“ bekommt, müssen in der deutschen Hauptstadt die Personalkörper zweier ganz gegensätzlicher Polizeisysteme zusammengeführt werden.
Die Berliner Polizei (und in ihr die Kriminalpolizei) hat diese einzigartigen Aufgaben bravourös gelöst. Berlin wurde und ist – allen Unkenrufen zum Trotz – auch nach der Wiedervereinigung nicht „die deutsche Hauptstadt des Verbrechens“; die Geschichte der Berliner Kriminalpolizei nach 1945 bleibt trotz aller Schwierigkeiten und Probleme eine Erfolgsgeschichte. Dabei knüpft die Berliner Kriminalpolizei durchaus an ihr Ansehen aus der Zeit vor dem Dritten Reich an, wobei sich Erfolge der Nachkriegszeit allerdings kaum noch an der Leistung Einzelner festmachen lassen. So populäre und charismatische Kriminalisten wie den legendären Chef der Mordkommissionen der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, Ernst Gennat, der damals eine Institution und jedem Berliner bekannt war, findet man hier nach dem Krieg kaum noch.
Natürlich gibt es auch in der Nachkriegsgeschichte der Berliner Kriminalpolizei Namen, die bis zum heutigen Tag hervorragenden Klang haben. Aber einerseits sind Kriminalisten wie Sangmeister, „der dicke“ Deter, Schmadlowski („Schmadde“) oder Schwichtenberg („Schwichte“) eben nur altgedienten oder schon pensionierten Kriminalbeamten, nicht jedoch der breiten Bevölkerung ein Begriff. Andererseits erfordern die komplexen Aufgaben der Kriminalitätsbekämpfung heute auch in weitaus stärkerem Maße das zielgerichtete und gekonnte Zusammenwirken vieler in einer leistungsfähigen Organisation.
Der Blick zurück in die Geschichte, die dieses Buch schlaglichtartig beleuchtet, muss aber auch den Blick nach vorn öffnen: Die Ereignisse des 11. September 2001 haben im ersten Jahr des 21. Jahrhunderts die weltweite Sicherheitslage neu definiert. Der weltweite islamistische Terrorismus stellt spätestens seit diesem Tag keine bloß abstrakte Gefahr, sondern eine ernsthafte Bedrohung und eine enorme Herausforderung für alle Sicherheitskräfte dar – auch und gerade für die Kriminalpolizei der deutschen Hauptstadt als Sitz von Bundesregierung und Parlament, Standort aller bedeutenden diplomatischen Vertretungen sowie nicht zuletzt Ort der größten islamischen und der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland.
Es wird in den kommenden Jahren eine zentrale Aufgabe auch der kriminalpolizeilichen Arbeit sein, die Sicherheit dieser Stadt vor terroristischen Anschlägen in Zusammenarbeit mit nationalen und ausländischen Sicherheitsbehörden zu gewährleisten. Die bisherigen Erfolge der LKA-Abteilung Polizeilicher Staatsschutz (LKA 5), ihre zukunftsorientierte neue Organisation und die effizienten Strukturen des Zentralen Objektschutzes lassen mich trotz der schwierigen Lage mit Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft blicken.
Daneben bildet die internationale Organisierte Kriminalität für die Kriminalpolizeien aller westlichen Industrienationen und insbesondere für die Kriminalpolizei in Berlin eine weitere große Herausforderung. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges konnten international agierende Straftäter aus den Ländern Osteuropas ihre Aktivitäten nach Westen ausdehnen. Davon war und ist die grenznahe Metropole Berlins stärker betroffen als andere Regionen.
Im Gefolge der Osterweiterung der Europäischen Union wird Berlin als Drehscheibe des Ost-West-Verkehrs noch stärker Durchgangs- und Zielgebiet der internationalen Kriminalität werden. Rauschgiftund Menschenhandel, Kraftfahrzeugverschiebung und der Absatz von Falschgeld – um nur einige Felder des internationalen Verbrechens zu nennen – sind Delikte, die in einer grenznahen Millionenstadt Schwerpunktsetzungen in der kriminalpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung erfordern. Das Landeskriminalamt wird in seinen neuen Strukturen mit den Abteilungen für grenzüberschreitende Kriminalität (LKA 2), für organisierte Wirtschafts- (LKA 3) und für organisierte Bandenkriminalität (LKA 4) auch diese Herausforderungen meistern.
Als weiteres, zunehmend bedeutsames Aufgabengebiet zeichnen sich Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet ab, dessen scheinbare Anonymität immer neue Formen der Kriminalität entstehen lässt. In der Anfangszeit wurde es hauptsächlich zur Verbreitung illegaler Pornographie missbraucht; die ersten, noch vergleichsweise harmlosen wirtschaftskriminellen Formen des Missbrauchs folgten mit den 0190-Dialern, die sich heimlich selbst installierten. Inzwischen ist das Internet auch Tatmittel bei der Verbreitung von extremistischem und terroristischem Gedankengut bis hin zu Bastelanleitungen für Bomben, bei der Wirtschaftskriminalität mit Millionenschäden durch Betrug im elektronischen Handel oder bei Versteigerungen und schließlich auch bei Angriffen mit Computerviren oder „denialof-service“-Attacken auf das weltweite Netz, bei denen binnen Stunden Milliardenschäden drohen. Die Berliner Kriminalpolizei muss sich auch auf diese neuen, in ihren Dimensionen zum Teil schwer vorstellbaren Formen der Kriminalität vorbereiten. Das erfordert viel spezialisiertes, entsprechend aus- und fortgebildetes Personal sowie erhebliche Investitionen in Sachmittel.
Während sich einerseits in den letzten Jahren die organisierte Kriminalität und die Internetkriminalität rasant entwickelten, so gab es andererseits aber auch bei der forensischen Technik der Kriminalitätsbekämpfung gewaltige Fortschritte. Von Verfahren wie der elektronischen Mikroskopie, der automatischen Erkennung von Fingerabdrücken und der Täteridentifizierung anhand genetischer Informationen aus winzigsten Täterspuren, die heute zum kriminalistischen Alltag gehören, wagten Kriminalisten früherer Generationen allenfalls zu träumen – und ein Ende dieser Entwicklung ist noch lange nicht absehbar:
Während der Mulitifunktionelle Arbeitsplatz (MAP), das „Netzwerk Intelligence“ oder das polizeiliche Extranet in vielen Bereichen der Berliner Kriminalpolizei schon realisiert sind, steht der nächste große Schritt in die Zukunft einer modernen, ITgestützten Kriminalitätsbekämpfung unmittelbar bevor – die Einführung von „POLIKS“ (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung), das unser an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit angekommenes altehrwürdiges „ISVB“ (Vorgangsverwaltungs- und Informationssystem) ablöst. Der Vorbereitungs- und Einführungsaufwand, der mit einer so grundlegenden Systemumstellung verbunden ist, stellt kurzfristig an die Berliner Polizei sehr hohe Anforderungen, denen sie sich aber dank engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Zweifel gewachsen zeigen wird.
Nun besteht die Kriminalpolizei in Berlin aber nicht nur aus dem Landeskriminalamt, in dessen Zuständigkeit die bisher erörterten Kriminalitätsformen fallen: Ein erheblicher Teil der Kriminalpolizei arbeitet in den Referaten Verbrechensbekämpfung (VB) der örtlichen Direktionen, die für die sogenannte mittlere und kleine Kriminalität zuständig sind, wobei Delikte der Massen- und Bagatellkriminalität durch die Schutzpolizei auf den Abschnitten bearbeitet werden. Dieser dreistufige Aufbau der Kriminalitätsbekämpfung, bei dem örtliche und „kiezbezogene“ Kriminalität dezentral auf dem Abschnitt oder in der Direktion, überörtliche und schwere Kriminalität zentral im Landeskriminalamt bearbeitet wird, hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.
Gerade jene Straftaten, die den Bürger in seiner Privatsphäre oder als Gewerbetreibenden betreffen, so etwa Wohnraum- oder Laubeneinbruch, Diebstahl im Kfz-Bereich, Fahrraddiebstahl, Geschäfts- oder Lokaleinbruch, gehen seit Jahren zurück und weisen nun sogar niedrigere Häufigkeiten auf als in Westberlin vor 20, 25 Jahren.
Rückgänge verzeichnet erfreulicherweise auch die Jugendkriminalität insgesamt, die nach der Zahl der ermittelten unter 21-jährigen Tatverdächtigen seit sieben Jahren rückläufig ist. Dabei handelt es sich überwiegend, wie die entsprechenden Tatverdächtigenbelastungszahlen belegen, um echte Rückgänge und nicht nur um Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung.
Allerdings ist die Freude über diese Entwicklung nicht ungetrübt; denn während es unter Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden immer weniger Diebe und Einbrecher gibt, bleiben die Zahlen und Anteile der Rohheitstäter unter ihnen leider unverändert hoch.
Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei die jungen Menschen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit oder mit Migrationshintergrund, die im Vergleich zu ihren eingesessenen deutschen Altersgenossen zweibis dreimal häufiger in Erscheinung treten.
Demnach wird die Bekämpfung der Jugend- und speziell der Jugendgewaltkriminalität weiterhin eine der Herausforderungen an die Kriminalpolizei dieser Stadt bleiben. Erfolge auf diesem Gebiet sind bekanntlich nicht allein mit Mitteln der Strafverfolgung zu erreichen; vielmehr müssen hier auch Maßnahmen der Prävention ansetzen, für die sich die Polizei der Mitwirkung vieler im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Präventionsansatzes versichert. Hier sind wir mit den Vereinbarungen zwischen den Senatsverwaltungen für Inneres, für Justiz sowie für Bildung, Jugend und Sport zur gemeinsamen Bekämpfung junger Intensivtäter oder zur vermehrten Anwendung der Diversion im Jugendstrafverfahren auf einem guten, erfolgversprechenden Weg.
Darüber hinaus hat die Berliner Polizei in diesem Jahr mit der Einsetzung hauptamtlicher Präventionsbeauftragter in allen Direktionen und auf allen Abschnitten einen ganz entscheidenden Schritt zur weiteren Intensivierung der Vorbeugung getan; die hauptamtlichen Kräfte der Abschnitte werden vornehmlich an den Schulen ihres Bereichs mit Unterrichtsveranstaltungen zur Gewaltprävention tätig sein.
Damit setzt die Berliner Polizei ihre gute Tradition der verbeugenden Kriminalitätsbekämpfung eindrucksvoll fort; denn die Berliner Kriminalpolizei errichtete schon 1921 die erste Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle weltweit und war auch 1977 deutschlandweit die erste, die Beamte der Schutzpolizei – damals Kontaktbereichsbeamte – zur vorbeugenden Bürgerberatung unmittelbar nach einer Straftat einsetzte. Der Gedanke dieses seinerzeit auch schon „Berliner Modell“ genannten Verfahrens der aktiven, am polizeilich erkannten Bedarf ausgerichteten vorbeugenden Beratung liegt auch dem neuen „Handbuch zur Kriminalprävention für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ zugrunde, das vom Landeskriminalamt Berlin für das bundesweite Programm Polizeiliche Kriminalprävention (ProPK) verfasst und im Jahr 2004 an alle Polizeidienststellen in Deutschland ausgegeben wurde.
Der Blick in eine Zukunft der Berliner Kriminalpolizei wäre unvollständig, würde er bei den denkbaren regionalen Kriminalitätsproblemen oder bei den Beiträgen zur nationalen Kriminalitätsbekämpfung verharren. Europa ist im Jahr 2004 durch den Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union enger zusammengerückt, weitere europäische Staaten streben ihren Beitritt mittelfristig an. Viele dieser Länder suchen auf ihrem Weg in die Gemeinschaft Anleitung und Unterstützung, unter anderem auch bei der Umgestaltung ihrer Strafverfolgungsorgane. Die Europäische Union hat dazu Partnerschaftsprogramme aufgelegt, an denen sich die Berliner Kriminalpolizei nach besten Kräften beteiligt.
Dabei sehen viele neue Mitgliedsstaaten oder Beitrittskandidaten die Kriminalpolizei von Berlin in einer ganz anderen Rolle, als sie uns in unserem föderalistischen System zukommt: Für sie ist die Polizei der deutschen Hauptstadt ganz selbstverständlich das Modell und Spiegelbild der deutschen Polizei schlechthin, so wie sie es vielfach von ihrer jeweiligen eigenen Hauptstadtpolizei kennen und gewohnt sind.
Die Rückmeldungen unserer Kooperationspartner zeigen, dass die Repräsentanten der Berliner Kriminalpolizei in den neuen Partnerländern das Bild einer kompetenten und qualifizierten Hauptstadtpolizei vermitteln. Dazu gehören außer hervorragenden polizeifachlichen Kenntnissen auch Kenntnisse über Kultur und Geschichte des Partnerlandes sowie vor allem sprachliche Kompetenz; denn Deutsch ist zwar eine, aber bei weitem nicht die verbreiteteste Amtssprache der Gemeinschaft. Deshalb gibt es auch auf diesem Gebiet noch einiges zu tun.
Insgesamt sehe ich die Berliner Kriminalpolizei im Wesentlichen gut für die Zukunft gerüstet, und zwar gleichermaßen im Hinblick auf neue Kriminalitätsphänomene wie auf neue Verfahren und Techniken. Wie ihre in diesem Buch an Einzelbeispielen beleuchtete Geschichte seit 1945 zeigt, hat sie sich stets jeder neuen Herausforderung gestellt und sie zukunftsorientiert gemeistert. Diesen Erfolg, den auf Dauer nur der Tüchtige hat, wünsche ich uns auch weiterhin.
von Peter-Michael Haeberer Landeskriminalpolizeidirektor
Es war eine hervorragende Idee, dem 1998 erschienenen Buch über die Berliner Polizei ein weiteres über die Kriminalpolizei Berlins nach 1945 folgen zu lassen. Deshalb danke ich an dieser Stelle sowohl dem Herausgeber und den Autoren als auch allen Helfern, die es ermöglicht haben, dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die vorliegende Ausgabe soll und kann kein geschlossenes Bild der Berliner Kriminalpolizei wiedergeben. Vielmehr legten die Autoren Wert darauf, in Episoden darzustellen, unter welchen teils schwierigen Bedingungen kriminalpolizeiliche Arbeit von 1945 bis heute vollzogen werden musste.
Eine solche Arbeit bedarf des Rahmens, um die Akzente und Leistungen Einzelner vor dem Hintergrund der Verhältnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen. In dem Bemühen, die unterschiedlichen Artikel des Buches mit einer gemeinsamen Klammer zu verbinden, muss ich aber freimütig bekennen, dass mir dies nur zum Teil gelungen ist. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich den 13. August 1961 im Westen der Stadt erlebte und sich mein beruflicher Werdegang aus diesem Grunde auch hier vollzog.
Dadurch wurden mir zwangsläufig Einblicke in die Entwicklung des Ostteiles der Stadt verwehrt und viele derjenigen, die kompetent darüber berichten könnten, standen dem Herausgeber mit eigenen Aufsätzen nicht zur Verfügung.
So wie man Berlin aber nicht ohne seine geschichtlichen Wurzeln verstehen kann, so kann man die Entwicklung der Kriminalpolizei nach 1945 auch nur begreifen, wenn man sie in der Tradition der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, aber auch belastet durch die schwere Hypothek des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes, sieht und erkennt, wie sehr sie durch die politischen Verhältnisse unserer zweigeteilten Stadt vor und hinter dem Eisernen Vorhang beeinflusst wurde.
Keine andere Stadt in Deutschland war so mit der Weltpolitik verbunden wie Berlin. Nach der Machtübernahme der Roten Armee herrschte hier zunächst nur das Besatzungsrecht. Doch bereits im Mai 1945 wurde die Einrichtung einer Kripo-Zentrale in der Dircksenstraße in Berlin-Mitte befohlen und darüber hinaus im Oktober 1945 durch den Alliierten Kontrollrat die Organisation der Polizei in die drei Säulen Verwaltung, Schutz- und Kriminalpolizei festgelegt.
Nachdem es aufgrund der eskalierenden politischen Umstände zur Spaltung im Jahre 1948 kam, wurde am 26. Juli 1948 Dr. Johannes Stumm zum Polizeipräsidenten ernannt. Die Alliierten etablierten ihn mit dem gesamten Präsidium in der Friesenstraße in Berlin-Kreuzberg.
Weil der Polizeipräsident aber nach wie vor dem Alliierten Kontrollrat unterstellt war, ging die Befehlsgewalt über die Polizei noch immer von allen Alliierten gemeinsam aus. In der Praxis hatten die einzelnen Sektorkommandanten jedoch die eigentliche Machtbefugnis. Während im Ostteil der Stadt diese Befugnis allein bei den Repräsentanten der Sowjetarmee lagt, gab es in den drei Westsektoren auch drei Zuständigkeiten für die Sicherheit der Stadt. Da es nur einen Polizeipräsidenten gab (mit Dienstsitz im amerikanischen Sektor), erstreckte sich die Befehlsgewalt de jure nur auf die Sektorassistenten – ein Amt, das in der Polizei extra eingeführt wurde. Weisungen an den Polizeipräsidenten wurden von allen (West-)Alliierten über Allied Kommandantura Order oder Letter verfügt. Daneben gab es die direkte Befehlsgewalt alliierter Offiziere gegenüber jedem einzelnen Polizeibeamten, die bis zum Abzug der Alliierten im Jahre 1994 galt.
In den Jahren der Zusammenarbeit entwickelte sich ein durchaus freundschaftliches Verhältnis zwischen den Sicherheitsoffizieren der drei West-Alliierten und ihren schutzpolizeilichen Partnern.
Mit der Kriminalpolizei waren die Verbindungen mit Ausnahme der Abteilung I („Polizeilicher Staatsschutz“) eher lose. Deren Hauptaugenmerk lag – wen wundert’s angesichts der politischen Rahmenbedingungen – auf der Bekämpfung geheimdienstlicher Agententätigkeit und auf der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts.
Als eine Arabeske der Geschichte sei angemerkt, dass die Kriminalpolizei des Landes Berlin heute so gut wie keine Spionagefälle mehr bearbeitet, es aber immer noch vereinzelte Ermittlungshandlungen wegen Verbrechen aus der nationalsozialistischen Zeit gibt.
Erst die ab Mitte der siebziger Jahre zu verzeichnende Terrorwelle mit weltweiten Anschlägen auf die zivile Luftfahrt führte zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den Alliierten, die die Lufthoheit beanspruchten, und der Kriminalpolizei, die dazu führte, dass in den Maßnahmenkatalogen weniger militärische als vielmehr polizeiliche Taktik in den Vordergrund rückte. Die Alliierten hatten gelernt, dass sie sich auf die Polizeilicher Lagen verlassen konnten und angesichts der damals bereits beginnenden Truppenabzüge auch mussten.
Bei allem gegenseitigen Verständnis war das Rechtsverhältnis zwischen Polizei und Alliierten letztlich aber noch immer durch das Kriegsrecht bestimmt und dieses zugleich auch Ausdruck der durch die unterschiedlichen Machtbefugnisse verursachten Zweiteilung dieser Stadt. Nichts anderes dürfte für den Ostteil der Stadt gegolten haben, wo das Präsidium der Volkspolizei direkt oder indirekt über das Ministerium für Staatssicherheit der russischen Besatzungsmacht zuzuarbeiten hatte.
Mit dem historischen Abstand von 15 Jahren betrachtet, war das Jahr nach dem Fall der Mauer und vor der Wiedervereinigung Deutschlands das wohl interessanteste in Berlin.
Zweistaatlichkeit im unmittelbaren Erleben – so konnte man als Bürger dieser Stadt die „Grenze“ jederzeit überschreiten, als Angehöriger der Organe staatlicher Rechtspflege durfte man es in amtlicher Eigenschaft dagegen nicht.
Nur, wer konnte und wollte sich daran halten? Observationskräfte beider Seiten überschritten die „Grenze“ mit und ohne Erlaubnis, und Ermittler bekamen Hinweise zu Straftaten auf der jeweils anderen Seite.
Die Zusammenarbeit war dabei nicht immer einfach, zumal Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), zunächst aus dem Ministerium ausgeschieden, über die „Runden Tische“ bei dem Präsidium der Berliner Volkspolizei wieder eingestellt wurden.
Verräterische Einträge in Personalakten durften die Probanden, soweit möglich, selbst bereinigen. Schnelles und pragmatisches Handeln wurde deshalb mit der Vereinigung erforderlich, um Unheil zu vermeiden, zugleich aber auch Partnerschaften zu bilden, um die Kollegen aus dem Ostteil der Stadt in die für sie fremde Rechtsmaterie einzuführen, sie auszubilden und ihnen die Grundzüge demokratischer Kontrollinstanzen zu vermitteln.
Dass sich die Eingliederung auf sehr professionelle Weise vollzog, ist letztlich einem Mann zu verdanken, der kein Kriminalbeamter, aber ein überaus engagierter und für die Aufgabe prädestinierter Mann war. Der Leiter der Schulabteilung des Polizeipräsidenten in Berlin, LtdPD Simon. Er entwickelte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern ein Konzept zur Aus- und Fortbildung des personellen Zuwachses und setzte es erfolgreich um. Sein Name wird deshalb zu Recht mit diesem über Jahre dauernden Mammutwerk in Beziehung gesetzt werden.
Die Kriminalpolizei hatte von Anfang an darauf verzichtet, reine Ost- oder reine Westdienststellen zu gründen. Eine Entscheidung, die sich schnell bezahlt machen sollte. Allerdings war sie auch mit dem Nachteil behaftet, dass diese Dienststellen, die ihrer neuen Größe von Berlin angepasst und deshalb für die gesamte Stadt zuständig waren, immer wieder reduziert werden mussten, weil viele der neuen Mitarbeiter sehr schnell durch ihre Vergangenheit eingeholt wurden und konsequenterweise entlassen werden mussten.
Mit dem Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 wurde klar, dass die „Hauptstadt im Wartestand“ in kürzester Zeit wieder Hauptstadt „in vivo“ werden würde.
Für die Kriminalpolizei aber waren dies zunächst eher Fragen akademischen Charakters, denn die Sicherheitsprobleme, die durch Parlament und Ministerien in die Stadt hineingetragen wurden, waren gering im Gegensatz zu denen, die sich aus der allgemeinen Kriminalitätslageentwicklung ergaben.
Um den Ängsten der Neuberliner mit Bundesaufgaben zu begegnen, wurde recht schnell eine gemeinsame Lagebetrachtung zwischen Berlin und Brandenburg einerseits und Berlin und dem Bund andererseits angestrebt. Das Bundeskriminalamt und die Berliner Kriminalpolizei stellten als Erstes ein gemeinsames Lagebild auf, mussten aber bald erkennen, dass die Deliktsfelder der allgemeinen Kriminalität auf Parlamentarier oder Ministerien keinen Einfluss hatten, noch diese den ihren geltend machten, um der steigenden Kriminalität Einhalt zu gebieten.
Die Sogwirkung der wirtschaftlichen Metropole war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht zu übersehen. Zwar entwickelte sich der gemeinsame Kriminalitätsraum Berlin-Brandenburg erst langsam, dennoch zeigte er bereits erste Konturen, als sich der Speckgürtel nicht nur mit stadtmüden Berlinern, sondern auch mit der dazugewonnenen positiven und negativen Infrastruktur füllte.
Hinzu kam als weiteres Phänomen das der russischen Emigranten. Zu tausenden strömten Russen, Russlanddeutsche und Angehörige der früher zur UdSSR gehörenden und nunmehr selbständigen Völker in die Stadt und brachten nicht nur ihre Sprache und Gebräuche mit.
Zusammen mit den hier verbliebenen Vertragspartnern aus der ehemaligen DDR, die afrikanischen oder südostasiatischen Völkern angehörten, zeigten sie wenig Neigung zur sozialen Integration. Soziale Abschottungstendenzen waren unübersehbar und bezogen sich erst recht auf die Kontakte zu der Berliner Polizei.
Neue Formen der ethnisch abgeschotteten Bandenkriminalität bei den Eigentumsdelikten, der Kraftfahrzeugverschiebung, des Falschgeldabsatzes und des Gewaltinkassos waren die Folge.
Kriminalität im ethnisch-sozialen Umfeld in dieser Schärfe war eine neue Erfahrung für die Berliner Kriminalpolizei, eine Herausforderung, der sie sich im Großen und Ganzen mit gutem Erfolg gestellt hat und auch in Zukunft stellen wird. Doch davon später.
Anfang der siebziger Jahre wurde klar, dass die Polizei sich aus der kleinräumigen Verteilung in der Fläche zurückziehen musste, um ihre Ressourcen zu bündeln und zielgerichteter einzusetzen. Mit der Polizeireform von 1974 ergaben sich auch für die Kriminalpolizei einschneidende Veränderungen.
Ohne ins Detail zu gehen, weil das den Rahmen der einführenden Worte zu diesem Buch bei weitem sprengen würde, sei nur so viel angemerkt:
Die bestehenden 112 Polizeireviere wurden in 31 Abschnitte umgewandelt. Die Revierkriminalbüros wurden aufgelöst. Die bisher auf zwölf Inspektionen verteilten örtlichen Kriminalpolizeien wurden in fünf örtlichen Polizeidirektionen in jeweils zwei Inspektionen zusammengefasst. Der Rückzug der Kriminalpolizei aus der Fläche wurde durch kriminalpolizeiliche Sofortdienste der Polizeidirektionen kompensiert.
Die zentralen Kriminalreferate und Inspektionen der ehemaligen Abteilung K wurden zu einer „Direktion Verbrechensbekämpfung“ zusammengefasst. Die in der Kriminaldirektion der ehemaligen Abteilung K zentral durchgeführten Aufgaben wurden in einem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ in der Landespolizeidirektion zusammengefasst.
Drei Anmerkungen sind zu der „Reform von 1974“, wie sie gemeinhin genannt wird, zu machen.
Der daraus entstandene Dualismus zwischen der „Direktion Verbrechensbekämpfung“ und dem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ prägte die nächsten Jahre deutlich. Abhängig von den jeweiligen Leitern der Dienststellen entwickelte sich daraus entweder ein fruchtbares Miteinander oder aber ein hemmendes Konkurrenzverhältnis.
Erst mit der Entscheidung, am 1. Juni 1994 das LKA-Modell in die Praxis umzusetzen, entspannte sich dieses Verhältnis. Berlin hatte erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein verfassungsgemäßes Landeskriminalamt.
Der Rückzug aus der Fläche war für die Kriminalpolizei, die gut 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeit bezogen auf den Tatortbezirk verrichtet, ein schwerwiegender Fehler. Erst mit der Umsetzung des Berliner Modells, das heißt mit der Reform der schutzpolizeilichen Aufgaben vor Ort, wurde in den letzten Jahren dem Erfordernis, Kriminalbeamte in der kleinsten örtlichen Gliederungseinheit zu verwenden, erneut Rechnung getragen. Mit dem „Hauptsachbearbeiter K“ ist zwar der alte Revierkriminalbeamte noch nicht zurückgekehrt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Reform von 1974 war keine „Reform“ im Sinne der alten preußischen Heeresreformen mit definiertem Beginn und definiertem Ende. Leider wurde sie so (falsch) verstanden! Mit ihr hätte der Prozess der kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung eingeleitet werden müssen. Statt dessen begann mit dem Streit, wer denn nun die Fachaufsicht über „die Kriminalpolizei“ habe, ein schädliches Konkurrenzdenken zwischen örtlicher und zentraler Kripo. Erst 2003 mit der „Neuordnung der Führungsstrukturen“ und der unbestrittenen Verantwortung des Landeskriminalamtes für die Qualitätssicherung der Kriminalitätsbekämpfung in der ganzen Stadt wurde dieser Streit beendet.
Es war aber auch nicht zu übersehen, dass immer neue Ideen innerhalb der Schutz- und Kriminalpolizei eine Reformmüdigkeit mit sich brachten.
Anfang der neunziger Jahre wurde im Zuge einer Organisationsuntersuchung durch „Mummert und Partner“ das „Berliner Modell“ entwickelt. Von der Kriminalpolizei anfänglich eher misstrauisch betrachtet, wurden einfache kriminalpolizeiliche Aufgaben an die Schutzpolizei auf den Abschnitten zur Endbearbeitung abgegeben mit dem Ziel, die Kriminalpolizei spürbar zu entlasten.
Kriminalistik war für die Schutzpolizei im mittleren Dienst seit Anfang der siebziger Jahre nur Hörfach gewesen. Also musste ein neues Ausbildungsvorhaben aufgelegt werden. Die Probleme sind nicht gering, aber der Erfolg wird sichtbar. Kriminalitätsbearbeitung gehört heute bereits in vielen Bereichen der Schutzpolizei zu den ganz normalen Aufgaben.
Die Ende der neunziger Jahre stadtweit eingeführte Verwaltungsreform im Zuge der bundesweit angestrebten neuen Steuerungsmodelle in den Verwaltungen dagegen wurde für die Berliner Polizei um zwei Jahre verschoben.
Eine schicksalhafte Entscheidung. Zunächst schien alles gut zu laufen. Für das Jahr 2001 wurden fünf Pilotdienststellen ausgewählt. Auch das Landeskriminalamt hatte eine Abteilung ausgewählt, die für das gesamte LKA als Pilot-Projekt fungieren sollte, die Abteilung LKA 5, der Polizeiliche Staatsschutz. Der Startschuss dazu fiel am 1. Januar 2001.
Trotz aller Wirren und Widrigkeiten überlebte die Abteilung 5 das erste Jahr fiskalischer Verantwortung und schloss mit einem positiven Ergebnis ab.
Man hatte der Polizei bei der Umsetzung des Reformvorhabens einen Aufschub von zwei Jahren gewährt, nicht aber bei der Fortsetzung der Neugestaltung.
Seit dem 1. Januar 2004 sind alle Organisationseinheiten in den Vollbetrieb als Leistungs- und Verwaltungszentrum oder aber als Serviceeinheit in den Betrieb gegangen. Das insgesamt positive Resultat der Pilotphase konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Übergang in die fiskalische Verantwortung in Zeiten des allgemeinen Mangels mit Problemen behaftet ist. Dieses Dilemma besteht in der Haushaltsmisere des Landes Berlin, bei der jährlich drei Milliarden mehr Ausgaben als Einnahmen verzeichnet werden.
Diese Tatsache führte zur Konsequenz: sparen, sparen und nochmals sparen!
Natürlich kann die Polizei nicht von den Sparnotwendigkeiten des Landes ausgenommen werden, andererseits hat sie aber – und hier insbesondere die Kripo – einen gesellschaftlichen Auftrag, der zwar volkswirtschaftlich betrachtet werden muss, aber im Einzelfall nicht einfach betriebswirtschaftlich gegenzurechnen ist.
Wenn kriminalpolizeiliche Arbeit nicht mit dem Rotstift durchgeführt werden soll, bedeutet das für alle, die in der Kripo Verantwortung tragen, dass sie intelligente Alternativen entwickeln und trotz der geringeren personellen Ressourcen sowie der reduzierten finanziellen Mittel ihre Aufgaben so erfüllen, wie es die Allgemeinheit erwarten darf.
In der Konsequenz heißt das, kontinuierlich die Sinnhaftigkeit von Hierarchieebenen zu prüfen, den Einsatz von Personal zu optimieren und die Organisation des LKA als Resultat der inneren Schwerpunktsetzung anzupassen. Dem entspricht die Neuorganisation des LKA in den Jahren 2003 und 2004.
Die Entwicklung der Informationstechnologie hat einen rasanten Aufschwung bewirkt. Zwar gehörte die Berliner Kriminalpolizei zu den Ersten, die Mitte der siebziger Jahre ein voll funktionsfähiges elektronisches Vorgangsverwaltungs- und Informationssystem (ISVB) ihr Eigen nannte.
Mit der Entscheidung für ein zentrales System waren aber auch Weichen gestellt worden, die im Zeitalter der Miniaturisierung der individuellen Nutzung von Informationstechnologien (IT) entgegenstanden. Die Umstellung auf neue technische Möglichkeiten war aber nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein Erkenntnis- und Ausbildungsproblem. Erst spät konnte dies mit großem finanziellem Aufwand begonnen werden.
Erste Schwerpunkte wurden daher auf Unterstützungssysteme gelegt: Verbesserung der Mobilität, Digitalisierung von Fingerabdruckblättern, des Täterbildmaterials, das Projekt „POLIKS“ (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung), um nur einige Projekte zu benennen. Auf all diesen Feldern wurde die Berliner Kriminalpolizei aktiv und hat dort einen Standard erreicht, der bemerkenswert ist.
Erst in zweiter Linie wurden Maßnahmen begonnen, die die IT-Kompetenz der Mitarbeiter steigern sollen. Notwendig war das geworden, weil Informationstechnologien vermehrt zur Bewältigung krimineller Logistik und als aktives Tatmittel zum Einsatz kamen. Eine Neuerung, deren Konsequenz noch nicht abzusehen ist. Aber schon sind neue Entwicklungen sichtbar. Der 11. September 2001 hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Veränderte Aufgaben zur Gefährdungsbewertung bedingen einen vernetzten Informationsaustausch.
Die Kriminalpolizei ist eine Organisation zur Informationsverarbeitung. Um den modernen Methoden des Verbrechens Vernünftiges entgegensetzen zu können, muss sich die Kriminalpolizei weiterhin nicht nur um eine technische Ausrüstung bemühen, mit der sie dieser Klientel fach- und sachgerecht, aber auch schnell und präzise begegnen kann, sondern muss dem organisatorischen Netzwerk der Täter vernetztes Denken bei der Auswertung und vernetzten Transfer beim Zugriff auf Informationen gegenüberstellen.
Die Kriminalpolizei ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und somit auch ein Spiegelbild der Stadt. Sie wird auch in den nächsten Jahren weiteren Veränderungen und einem weiteren Strukturwandel unterliegen.
Immer aber wird die Kriminalpolizei von und mit Menschen leben, die mit Initiative, Engagement, Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein ihren Dienst in einer Gemeinschaft von Professionellen versehen und alles unternehmen, um sich dem Verbrechen mit all seinen erschreckenden Facetten entgegenzustellen.
von Klaus Dettmer
Mord und Totschlag durchziehen die Geschichte wie ein roter Faden. Sie zu sühnen und ihnen vorzubeugen gehörte zu den ersten Übereinkünften einer Gemeinschaft, sei es in mündlich tradierten Formen oder später in schriftlich fixierter Form. Im „Sachsenspiegel“ des Eike von Repgow sehen wir eine noch stammesbezogene Kodifizierung des hohen Mittelalters, in der „Karolina“ Karls V. von 1532 ein erstes Strafgesetzbuch des Reiches. An die Stelle der ursprünglichen Großfamilien, Sippen und Stämme traten im Lauf der Entwicklung die neuen Verbände der Kirche, der Städte und der Territorialfürsten. Die Ahndung von Angriffen auf Körper und Leben blieben bis in die allerjüngste Zeit auf Abschreckung bedacht. Die Unterscheidung der höheren Gerichtsbarkeit gegenüber der niederen als Blutsgerichtsbarkeit lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen. Aber auch Verstöße gegen das Eigentumsrecht, gegen sittliche Konventionen oder einfacher Ungehorsam gegen Vorgesetzte wurden durch die Todesstrafe geahndet, wie die im vierten Teil des „Berliner Stadtbuches“ von 1389 zusammengefassten Urteilssprüche zeigen: Nr. 5: Eckart Maler enthauptet wegen Misshandlung seines Meisters, Nr. 10: Hermann Krunkel mit einem Genossen gehängt, weil sie dem Werkmeister Armbrüste stahlen, Nr. 14: Friedrich Woltersdorf gerichtet wegen Kirchendiebstahl, Nr. 15: eine Frau verbrannt wegen Kuppelei, Nr. 16: Peter Juris gerichtet für Pferdediebstahl usw. 1 Während die Brandmarkung mit Hilfe eines glühenden Eisens im Gesicht noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa als Erkennungszeichen des Verbrechers üblich war, 2 blieb der Pranger beziehungsweise das Herumzeigen des Verbrechers in ländlichen Gegenden noch im 20. Jahrhundert eine geübte Form der Warnung. Vom Steckbrief, in Preußen seit 1717 eingeführt, führt eine direkte Linie hin zur Fahndung durch das Fernsehen (Sendung „xy-ungelöst“) 3 .
In Zeiten schwacher Zentralgewalten mussten die Städte die Rechtsprechung in eigener Regie übernehmen und sich durch Bündnisse mit anderen Städten gegen räuberische Adlige zur Wehr setzen. Ertappte kleinere Kriminelle erhielten als Kennzeichnung den Staupenschlag (Auspeitschung, bei der der Delinquent vom Henker durch die Straßen geführt wurde), sie mussten Urfehde schwören (Verzicht auf Rache und Rückkehr) und wurden ausgewiesen. Auf dem flachen Land vermehrten sie das fahrende Volk, das heißt Spielleute, Bettler, Landsknechte und Zigeuner. 4 Die sich aus diesen Gesellschaftsschichten rekrutierenden Banden konnten die Territorialmächte erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts durch Einsatz des Militärs (Razzien, im damaligen Sprachgebrauch: Generalvisitationen) endgültig auflösen. 5
Die Stadt Berlin verlor nach dem Berliner Unwillen im Jahre 1447 ihre Selbständigkeit. Durch den Bau ihres Schlosses in der Stadt bewiesen die Hohenzollern, wer das Sagen in der Stadt hatte. Aus der Häufigkeit der kurfürstlichen Edikte zum Thema Landstreicher-, Bettler- und Verbrecherunwesen geht hervor, als wie dringend dieses Problem gesehen wurde und wie wenig die Verordnungen fruchteten. 6 Die Stadt war durch Mauern und Tore verschlossen, die Torkontrolle versahen Soldaten. Einund Ausreisende ließen sich leicht kontrollieren. Innerhalb der Stadt, deren fünf Teilstädte seit 1709 durch einen Magistrat regiert wurden, unterstanden die Einwohner verschiedenen Rechtsherren: ausgenommen von der städtischen Rechtsprechung waren die Hofbediensteten, die Adligen, die Soldaten und die Angehörigen der französischen reformierten Gemeinde.
Bei dem im 15. Jahrhundert aus der Verwaltung von Burgund übernommenen Begriff der „Polizei“ muss zwischen zwei Bedeutungen unterschieden werden: der ältere, allgemeinere Begriff bezeichnete damit die Regierung, Verwaltung und öffentliche Ordnung oder mit den Worten des Grimm’schen Wörterbuches:„… eine Art Sittenaufsicht in Staat und
Gemeinde, den Staat selbst sowie die Staatskunst, die Politik.“ 7 Der jüngere Begriff definierte die Aufgabe der Polizei als Sorge für die Abwendung zukünftigen Übels. 8 Erst aus dem jüngeren Begriff konnte sich die Verwaltungsaufgabe der Sicherheitsund Kriminalpolizei entwickeln.
Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 trug in Teil 10 Titel II Paragraf 17 der Polizei auf, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Es stattete die Polizei zu diesem Zweck mit Zwangsmitteln aus sowie mit dem Recht und der Pflicht des ersten Angriffs und der vorläufigen Untersuchung (Teil II Titel 17 Paragraf 12).
Kurfürst Friedrich III. hatte bereits 1693 versucht, durch ein staatliches Polizeidirektorium eine einheitliche Polizeiverwaltung einzuführen, offenbar ohne Erfolg. 1718 befahl König Friedrich Wilhelm I. dem Magistrat, einen Polizeiinspektor mit drei bis vier Unterbediensteten anzustellen. 1735 übertrug derselbe König dem Magistrat und dem Militärgouverneur die Rechtsprechung in Polizeisachen. Die Gerichtsbarkeit blieb bei der Hausvogtei. Zwischen Rechtsprechung und Polizeigewalt wurden die Aufgaben getrennt. Da sich aber hier der erwünschte Erfolg nicht einstellte, setzte König Friedrich II. 1742 Carl David Kircheisen als Direktor des neu gegründeten Polizeidirektoriums ein und ernannte ihn 1746 auch zum Stadtpräsidenten. Die 1742 in Anlehnung an das Pariser Vorbild erlassene Instruktion sah die Ernennung von commissaires de quartiers und die Unterteilung der Stadt in ihnen unterstehende Aufsichts-Bezirke vor. Statt der ursprünglich geplanten 30 Commissaires wurden nur 18 angestellt. Des Weiteren vergrößerte man den Polizeiapparat durch die Anstellung von neun Polizeidienern, zwei Polizeimeistern und rund 40 Nachtwächtern.
Seit 1707 bestanden Vorschriften zum Meldewesen, deren Durchführung man der geheimdienstlich organisierten Fremdenpolizei übertrug, die durch Spitzel in Gasthäusern und unter der Dienerschaft Informationen sammeln ließ. Das Berliner Modell der staatlichen Polizei diente als Vorbild für die Einrichtung von Polizeidirektionen in Königsberg (1752), Potsdam (1776), Elbing (1773), Danzig und Thorn (1794). 9
Kircheisens Amtsnachfolger war seit 1770 Johann Albrecht Philippi. 1787 folgte Johann Friedrich von Eisenhardt, bis er 1794 abgesetzt wurde und Friedrich Philip Eisenberg die Nachfolge antrat. In seiner Amtszeit wurde das Polizeipräsidium durch das Reglement vom 21. Januar 1795 in eine kollegiale Behörde umgewandelt. Sein Nachfolger Büsching (seit 1804) hob diese Reform 1805 wieder auf. In dieser Zeit erhielt die Kriminalpolizei in der Immediat-Kriminalkommission von 1797 zum ersten Mal fest umrissene Konturen. Sie wurde aus dem Polizeiapparat ausgegliedert und dem Gerichtswesen unter Aufsicht des Kammergerichts angegliedert. Ihr Zuständigkeitsbereich erstreckte sich auf Berlin und einen Umkreis von fünf Meilen um Berlin.
Die Kriminalpolizei erhielt einen eigenen Personalkörper von zwei Kriminalsekretären, einem Kriminalinspektor und zwei Kriminalkommissaren. Als kriminaltechnische Hilfsmittel stellte die Kommission Nachrichten über kriminelle Vorfälle zusammen, legte ein alphabetisches Steckbriefregister an, registrierte unentdeckte Verbrechen, führte Listen über gestohlene Sachen und verdächtige Personen und registrierte Festnahmen und Entlassungen sowie die Namen von Festungs- und Zuchthausinsassen. 10 Der Sittenpolizei übertrug die Kommission die Aufklärung des Zusammenhangs von Prostitution und Verbrechen. Die Selbständigkeit der Kommission endete 1804 mit der Unterstellung unter die Kriminaldeputation des Stadtgerichts.
In der Zeit der Besetzung Berlins durch die Truppen Napoleons unterstand das Polizeiwesen dem comité administratif. In der Polizeiverwaltung blieb durch die Person Büschings die Kontinuität erhalten. Während dieses Zeitabschnitts wurde die Zahl der Polizeireviere von 19 auf 23 erhöht.
Mit den Stein-Hardenberg’schen Reformen, hier insbesondere der Städteordnung vom 19. November 1808, erhielten die Kommunen die Selbstverwaltung. Die bisherige gemeinsame Stadt- und Polizeiverwaltung wurde getrennt und verschiedenen Verwaltungen überwiesen.
Im Paragrafen 166 der Städteordnung behielt sich die Staatsregierung vor, in den Städten eine eigene staatliche Polizeiverwaltung einzurichten oder sie im Auftrag durch den Magistrat ausführen zu lassen. In der Kabinettsorder vom 25. März 1809 ernannte König Friedrich Wilhelm III. Justus Gruner zum Königlichen Polizeipräsidenten in Berlin. Er übernahm landes- und ortspolizeiliche Aufgaben und hatte in Berlin den Rang eines Regierungspräsidenten inne. Die Zuständigkeit des Polizeipräsidiums erstreckte sich über das Weichbild von Berlin (engerer Polizeibezirk) hinaus auch auf Charlottenburg, den Tiergarten und Ortschaften in den Kreisen Teltow und Niederbarnim (weiterer Polizeibezirk).
Die kollegiale Leitung der Geschäfte wurde aufgehoben und durch eine bürokratische ersetzt. Nach französischem Vorbild entstanden vier Geschäftsbereiche: Während das Allgemeine Geschäftsbüro die Landespolizeisachen betreute, besorgte das Polizei-Amt die ortspolizeilichen Angelegenheiten.
Hinzu kamen das Fremdenbüro und das Sicherheitsbüro. Letzteres erhielt seine Funktionsfähigkeit erst durch die erneute Unterstellung der Kriminalpolizei unter das Polizeipräsidium. Das geschah durch die Ernennung des Direktors des Berliner Kriminalgerichts, von Schlechtendahl, zum Polizeipräsidenten am 12. Februar 1811, nachdem Gruner an die Spitze der preußischen Polizeiverwaltung getreten war. Die Zuständigkeiten zwischen Kriminalgericht und Polizeipräsidium regelte das Abkommen vom 1. April 1811. 11 Sie blieben bis zur Errichtung einer Staatsanwaltschaft am 3. Januar 1849 ein Zankapfel zwischen beiden Behörden.
Zwischen 1816 und 1821 erhielt Berlin den Status eines Regierungsbezirks mit voller Zuständigkeit für das Polizeiwesen. Der Polizeipräsident übernahm in seiner Person auch die Funktion eines Regierungspräsidenten. Die ortspolizeilichen Aufgaben betreute in dieser Zeit der Direktor des Polizei-Intendanturamtes. Im Jahre 1822 endete das Experiment des Berliner Regierungsbezirks. Von nun an verstärkten sich die Tendenzen zum Herauswachsen Berlins aus der Provinz Brandenburg und das Bedürfnis, diesem Umstand in geeigneter Form Rechnung zu tragen.
Das Polizeipräsidium erhielt 1822 seine frühere Selbständigkeit zurück, übernahm aber zusätzlich Zuständigkeiten eines Regierungspräsidiums unter anderem in Gewerbesachen. Die Behörde gliederte sich 1822 auf in das General-Geschäftsbüro und das Polizei-Intendanturamt sowie Spezialbüros (Polizei-Untersuchungsamt, Sicherheitsamt, Polizei-Fremdenamt und Wohnungs-Meldungsamt).
Das Stadtgebiet war in 22 Revierbereiche eingeteilt. Den exekutiven Dienst versahen drei Kriminalkommissare, soweit diese Aufgaben nicht den Revierkommissaren übertragen waren. Das führte zu Doppelgleisigkeit bei der Arbeit, da die Kriminalkommissare ihre Aufträge vom Sicherheitsbüro erhielten. Die Ineffizienz der scharfen Trennung zwischen landes- und ortspolizeilichen Aufgaben führte zur Neuregelung der Geschäftsbetriebes im Jahre 1830.
Es entstanden fünf selbständige Abteilungen unter der verantwortlichen Leitung jeweils eines Dirigenten. Die Aufgaben des Sicherheitsbüros übernahm die Abteilung IV. Zu dessen Dirigenten wurde der Geheime Hofrat Carl Falkenberg bestellt. Ihr Auftrag lautete: Verhütung und Ermittlung verübter Verbrechen, Aufsicht über gefährliche Personen, Beobachtung dienst- und arbeitsloser Personen, Ausweisung oder „correctionelle Einsperrung“ (Arbeitshaus) dieses Personenkreises, Kontrolle von Gewerben, die mit dem genannten Personenkreis in Berührung standen wie Trödlern, Hausierern, Pfandleihern, Schlafstellenhaltern, Bordellwirten und Lohnhuren. Die bereits von der Immediat-Kriminalkommission angelegten Karteien wurden durch weitere ergänzt und umfassten 1830 Übersichten über alle Festungs- und Zuchthausinsassen in Preußen, entlassene Häftlinge, Häftlinge in Untersuchungshaft in der Kurmark, verhaftete Landstreicher, unter Polizeiaufsicht stehende Personen, Prostituierte und sämtliche dienst- und arbeitslosen Personen. Das Steckbriefregister vervollständigte man fortlaufend aus 27 in- und ausländischen Zeitungen. 12
Die vom Dezernenten des Sicherheitsbüros Merker seit 1819 herausgegebenen „Mitteilungen zur Beförderung der Sicherheitspflege“ fanden ihre Ergänzung und Fortsetzung in den seit 1840 erscheinenden „Beiträgen zur Erleichterung des Gelingens der praktischen Polizei“. 13 Sie enthielten wöchentliche Überblicke über die polizeilichen Tagesereignisse in der Residenzstadt Berlin sowie Statistiken des Stadtvogteigefängnisses. Die vom Sicherheitsbüro erstellten Listen gesuchter Verbrecher waren der Vorläufer des seit 1852 herausgegebenen „Preußischen Central-Polizeiblattes“. Die Redaktionstätigkeit blieb eine ständige Aufgabe der Abteilung IV.
Als Kriminalinspektoren fungierten seit 1812 zuerst der Kriminalsekretär Schardt. Ihm folgte der Polizeiinspektor Eckert und ab 1827 der Polizeiinspektor Duncker bis 1847. Während seiner Amtszeit erhöhte sich die Zahl der Kriminalkommissare auf sechs feste Kräfte, nicht mitgerechnet die Kommissare beim Berliner Kriminalgericht. Die Kriminalbeamten trugen Uniform, die sie im Bedarfsfall gegen Zivilkleidung austauschten, und wiesen sich durch die seit 1810 eingeführte Polizeimarke aus (Paragraf 20 des Polizeireglements vom 5. Januar 1810). Das stetige Anwachsen der Einwohnerzahl Berlins von 178 000 im Jahre 1800 auf 270 000 im Jahre 1838, dann zwischen 1838 und 1847 eine beschleunigte Zunahme auf 403 000, ließ die sozialen Probleme und die mit ihnen verbundene Kriminalität derart anwachsen, dass auch die Öffentlichkeit darüber Aufklärung und Information verlangte. Im Vordergrund der Vorwürfe gegen die Kriminalpolizei stand das Vigilantenunwesen (Spitzel), das vielen Verfassern aber die Möglichkeit gab, Umfang und Erscheinungsformen der Kriminalität darzustellen.
Als Folge der Revolution von 1848 wurde am 23. Juni 1848 die Schutzmannschaft als Polizeieinheit aufgestellt. Das Preußische Polizeigesetz vom 11. März 1850 (Gesetzes-Sammlung GS, S. 265–268) ermöglichte die Errichtung von Spezialeinheiten, denen ausschließlich die Behandlung kriminalistischer Aufgaben oblag. Diese Richtlinien setzte in Berlin der umstrittene Polizeidirektor Wilhelm Stieber (Amtszeit 1850 bis 1860) um, der 1852 eine Revierkriminalpolizei schuf, die jedem der inzwischen 36 Polizeireviere einen geeigneten Schutzmann für die Bearbeitung kriminalpolizeilicher Fragen überwies. In Fachkursen wurden diese Schutzleute auf ihre kriminalistischen Aufgaben vorbereitet. 1854 wurde die Kripo als Abteilung VII aus der Sicherheitspolizei (Abteilung IV) ausgegliedert.
Stieber hoffte, als Abteilungs-Dirigent die bisherige Trennung in Dezernats- und Exekutivarbeit aufzuheben. Ihm standen als Personal zwei Hilfsdezernenten, ein Sekretär, zwei Kriminalinspektoren, ein Leicheninspektor, zwölf Kriminalkommissare und 50 Kriminalschutzleute zur Verfügung.
Für die Sicherstellung der Leichen von Selbstmördern und verunglückten Personen war bereits 1840 ein Kommissariat eingerichtet worden. Dem Beispiel des 1864 in Paris eröffneten Leichenschauhauses (morgue) folgend, zielten die Planungen in Berlin auf die Einrich-tung eines vergleichbaren Instituts, das als Abteilung der Staatsarzneikunde auf dem alten Charité-Kirchhof entstand und mit einem Kühlsystem des neuesten Standes ausgerüstet war. Im Dezember 1885 dem Polizeipräsidium unterstellt, wurde es als „fiskalisches Leichenschauhaus“ am 1. März 1886 eröffnet. Ein Kommissariat zur Sicherstellung von Leichen hatte hier später seine Amtsräume. 14
Wesentliche Erfolge der Kripo-Arbeit sind den unter Stieber arbeitenden Kriminalkommissaren Bormann, Rockenstein und Pick zuzurechnen. Stieber fasste seine Erfahrungen im „Practischen Lehrbuch der Kriminal-Polizei“, Berlin 1860, zusammen.
Die mit dem Gesetz vom 17. Juni 1846 (GS, S. 267, Neuregelung durch Verordnungen vom 2. und 3. Januar 1849; GS, S. 1 und S. 14) geschaffene Staatsanwaltschaft erhielt in Paragraf 4 das Recht, Polizeibehörden, insbesondere die Kriminalbeamten, zu Untersuchungshandlungen hinzuziehen. Durch Paragraf 159 der Strafprozessordnung (15. September 1879) erhielten die Kriminalbeamten den Status von Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Daraus hat sich aber keine Kontrolle über die Kripo entwickelt, denn diese entwickelte ihr Ermittlungsinstrumentarium methodisch, technisch und verwaltungsmäßig weiter. Seit 1864 erhielt die Kripo als ständiges zusätzliches Unterpersonal Wachtmeister und Schutzmänner.
1872 wurde jedem Revier ein Kriminalschutzmann zugeteilt, der dem Reviervorsteher unterstand, aber Aufträge der Kriminalkommissare auszuführen hatte. Um den Bedarf an geeignetem fachlichen Personal zu decken, durften ab 1875 neben den Militärversorgungsempfängern auch andere eingestellt werden. Die Posten der Abteilungsdirigenten der Abteilungen II und IV wurden durch höhere Beamte besetzt. Trotzdem rekrutierten sich die Kriminalwachtmeister und -schutzmänner weiter vorwiegend aus der Schutzmannschaft. Seit 1879 waren sie ausschließlich der Abteilung IV unterstellt, die ihrerseits haushaltsmäßig selbständig wurde. 15
Angepasst an die bestehenden sechs Bezirkshauptmannschaften der Schutzpolizei bildete man 1877 sechs Bezirkskommissariate der Kripo, deren Auftrag Aufklärung von Delikten im jeweiligen Bezirk lautete. Zusätzlich hatten die Bezirkskommissariate aber auch Aufgaben der Sittenpolizei und der politischen Polizei wahrzunehmen. Bezirke mit einer Bevölkerungszahl von 200 000 Personen hatten einen zu großen Zuschnitt. Durch die Vermehrung der Bezirkskommissariate konnte die durchschnittliche Bevölkerungszahl je Kommissariat auf 150 000 gesenkt werden. 16 Die Zahl der Polizeihauptmannschaften stieg mit dem Wachstum der Bevölkerung bis 1908 auf 13. Auf der lokalen Ebene war die Polizei durch 111 Reviere präsent. 17
Mit der Einrichtung von drei Inspektionen (A: zuständig für die Bezirkskommissariate, B: zuständig für gewerbs- und gewohnheitsmäßig verübte Straftaten, C: zuständig für Angelegenheiten, die juristische, kaufmännische oder technische Vorkenntnisse erfordern) unterhalb der Abteilungsdirigenten gelang es 1885, eine effektive Mittelinstanz zu installieren. Den Revieren wurde zur Überwachung der Gaststätten und Gewerbebetriebe ein weiterer Kriminalschutzmann auf Dauer zugewiesen. Die den Kriminalschutzmännern vorgesetzten Kriminalwachtmeister erhielten eine kriminalistische Ausbildung. Seit 1886 stand die Sittenpolizei (unter der Leitung eines vierten Kriminalinspektors) wieder unter der Zuständigkeit der Abteilung IV. 18
In den folgenden Jahren wurden die Geschäfte in der Inspektion A auf die Dezernate I bis III und in der Inspektion B auf die Dezernate I und II aufgefächert und die Personalstärke durch einen zweiten Kriminalinspektor für jede der beiden Inspektionen aufgestockt. Die Zahl der Bezirkskommissariate stieg (parallel zu den Bezirkshauptmannschaften) auf zwölf. Die Bearbeitung einfacher Kriminalfälle wurde einem neu gegründeten Dezernat D übertragen. In der Inspektion B stieg die Zahl der Kommissare von zwölf auf 16.
Die Zuständigkeit des Berliner Polizeipräsidenten für das Berliner Umland, den so genannten weiteren Polizeibezirk, war durch die Kreisordnung von 1872, die die Übertragung der Ortspolizei auf die Amtsvorsteher vorsah, ausgehöhlt und schließlich 1873 durch eine Kabinettsorder aufgehoben worden. Zielgerichtetes polizeiliches Handeln im Berliner Umland wurde dadurch erheblich behindert. Das Gesetz vom 12. Juni 1889 (GS, S. 129) übertrug deshalb dem Berliner Polizeipräsidenten die orts- und landespolizeiliche Zuständigkeit für die Amtsbezirke Rixdorf, Schöneberg und Deutsch-Wilmersdorf im Kreis Teltow, für Lichtenberg, Reinickendorf, Weißensee und Stralau-Rummelsburg im Kreis Nieder-Barnim sowie für den Stadtkreis Charlottenburg. In diesen Verwaltungen wurden mit Berliner Beamten besetzte Kriminalbüros eingerichtet. 1898 kamen die Stadt Schöneberg, 1899 die Amtsbezirke Tempelhof, Treptow und Britz (Kreis Teltow) sowie Tegel und Pankow (Kreis Nieder-Barnim) unter die Zuständigkeit des Berliner Polizeipräsidenten. Die Entwicklung fand ihren vorläufigen Abschluss mit der Schaffung des Landespolizeibezirks Berlin im Jahre 1900, in dem aber weiterhin Vororte mit eigener Polizeiverwaltung (das heißt auch Kriminalpolizei) bestanden, die sich aber durch einen Nachrichtendienst mit der Berliner Kripo verständigten. 19
Nach 1890 führte die Kripo so genannte fliegende Patrouillen zur Beobachtung der Kriminellen ein. Jede der aus zwölf Schutzmännern und einem Kriminalwachtmeister bestehenden Gruppen war auf besondere Verbrechensarten spezialisiert und handelte über die Grenzen der Reviere und Bezirke hinweg. 20 Seit 1903 war der Abteilung IV die Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung des internationalen Mädchenhandels angegliedert. Als weitere übergreifende Zuständigkeiten kamen hinzu: 1920 die Zentralstelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder, Schriften und Inserate und vermutlich 1929 die Zentralstelle für Falschgeldwesen (Inspektion D angegliedert).
Im Erkennungsdienst (ED) fasste man alle damals zur Verfügung stehenden kriminalpolizeilichen Ermittlungen zusammen. Dazu zählten das vom Inspektor Meerscheidt-Hüllesen seit 1876 geführte Verbrecher-Album, das die Verbrechen in 29 verschiedene Gattungen aufschlüsselte, 21 das aus Frankreich übernommene Körpermessungssystem nach Bertillon (1909 mit 90 000 Messkarten), die nach Wiener Vorbild eingeführte Sammlung von Fingerabdrücken (Daktyloskopie, 1909 mit 68 000 Karteikarten), 22 das fotografische Atelier, das Merkmalsverzeichnis, das Spitznamenverzeichnis sowie eine Handschriftensammlung. 23
Ständig gesammelt wurden die Polizeiberichte, die Tagesverzeichnisse und die Fahndungsblätter. In der Abteilung IV saß auch die Redaktion des Zentral-Polizeiblatts und des Deutschen Fahndungsblatts. Aus dem Strafregister erhielt die Kripo auf dem Wege der Amtshilfe Auskunft. Für Ausbildungszwecke entstanden seit 1890 die Sammlungen des Kriminalmuseums, in denen in drei Abteilungen Werkzeuge, die bei Verbrechen an Leib und Leben, zweitens Geräte, die bei Diebstählen, und drittens Ausrüstungen, die bei Betrügereien und Falschgeldherstellung zum Einsatz kamen, zur Veranschaulichung mit nachgestellten Szenarien in den Räumen des neuen Polizeipräsidiums am Alexanderplatz ausgestellt wurden. 24
1889/90 bezog die Behörde nach nur dreijähriger Bauzeit das vom Baustadtrat Blankenstein am Alexanderplatz errichtete neue Polizeipräsidium. Die Kriminalpolizei war über Eingang V zu erreichen.
In der gedruckten Geschäfts- und Reviereinteilung der königlichen Polizeiverwaltung im Landespolizeibezirk Berlin für das Jahr 1910 gehörten zur Exekutive sieben Kriminalinspektoren, 51 Kriminalkommissare, 143 Wachtmeister und 406 Schutzmänner, davon je 115 Wachtmeister und Schutzmänner in den 115 Polizeirevieren sowie vier Wachtmeister und 27 Schutzmänner in den Vororten. 25
Während des Ersten Weltkrieges verschob sich der Tätigkeitsbereich der Kripo durch die Zunahme der Prostitution stark in Richtung auf sittenpolizeiliche und fürsorgepolizeiliche Aufgaben. Unter der Zielsetzung, die Übertragung von Geschlechtskrankheiten auf Militärpersonen zu verhindern, wurde das Kontrollwesen durch den Straßenaufsichtsdienst, ärztliche Untersuchungen, Lokalbesuchs-Verbote, sittenpolizeiliche Aufsicht und schließlich auch Schutzhaft erheblich ausgebaut. 26
Den politischen Umbruch nach Kriegsende 1918 überstand die Kripo ohne große Veränderungen in ihrem Aufbau. Sie lehnte die Übernahme von Aufgaben der politischen Polizei und der Schutzpolizei ab und setzte ihre fachbezogene Arbeit der Verbrechensbekämpfung ungeachtet der Bildung von Arbeiter- und Soldaten-Räten und der Besetzung des Polizeipräsidiums durch Spartakusanhänger im Januar 1919 fort. Die Wiederbewaffnung der Kripo erfolgte bereits zehn Tage nach Ausrufung der Republik. Der neue Leiter der Kripo, Erich Prinz, konnte sich nur wenige Monate im Amt halten. Bernhard Weiß befolgte, später als Polizei-Vizepräsident, die strikte Leitlinie, die Kripo aus politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten. 27
Eine Vereinheitlichung der Zuständigkeiten brachte die Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin im April 1920. Die Zusammenfassung von Alt-Berlin mit den umgebenden Städten, Gemeinden und Gutsbezirken in 20 neuen Bezirken vollzog auf verwaltungstechnischem Gebiet die Ziele des Landespolizeibezirks vom Anfang des Jahrhunderts.
Die Mangelwirtschaft der Kriegs- und der Nachkriegsjahre mit Inflation und Bürgerkrieg ließen ein neues Spektrum verbrecherischer Aktivitäten entstehen, dem sich die Kripo stellen musste. Die Geschäfts- und Reviereinteilung von 1922 zählte dazu Verstöße gegen die Konkursordnung, das Aktiengesetz, Gesetze betreffend die Gesellschaften mbH, die Gewerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Lotterievergehen, Urheberrechtsverstöße, Schutz von Patenten, Gebrauchsmustern und Warenbezeichnungen, unlauterer Wettbewerb, Handel und Schmuggel mit in- und ausländischen Banknoten und Zahlungsmitteln. 28
Die verschiedenen Deliktsgruppen wurden auf 19 Arbeitsgebiete aufgeteilt, die den Inspektionen A, B I und B II und C nachgeordnet waren. Dazu kamen noch die Falschgeldbekämpfung, der allgemeine Streifendienst, die Taschendiebstreifen und die Pfandhausstreifen. Neben dem Erkennungsdienst, der Schriftleitung der Tagesberichte, dem Fahndungsbüro und dem Kriminalmuseum wurden als Anpassung an die Bedürfnisse der Zeit eine Beratungsstelle zum Schutz gegen Einbruch und Diebstahl sowie die Nachrichtensammelstelle für Vermisste und unbekannte Tote eingerichtet.
Die Reformbemühungen auf dem Gebiet der Polizeigesetzgebung führten 1922 zum Erlass des Reichskriminalpolizeigesetzes (RGBL. IS. 593-595), dessen organisatorische Umsetzung erst 1925 durch die Bildung eines Landeskriminalpolizeiamtes beim Polizeipräsidenten Berlin erfolgte. Es beaufsichtigte und koordinierte die Arbeit der Landeskriminalpolizeistellen. Für den Staat Preußen fungierte es als Zentrale des Erkennungs- und Meldedienstes.
Im Polizeipräsidium wurden neue Fachinspektionen gebildet: A: Mord/Körperverletzung, B: Raubüberfall, C: Diebstahl, D: Betrug, E: Sittenpolizei, F: Verstöße gegen die Gewerbe- und Konkursordnung, G: Kinder und weibliche Jugendliche (nach 1927 mit weiblichen Beamten besetzt), H: Streifendienst, Fahndung nach Personen und Sachen, I: Erkennungsdienst.
In allen 20 Polizeiämtern von Groß-Berlin, die sich am Aufbau der Berliner Bezirke orientierten, entstanden Ortsinspektionen der Kripo in den 295 Polizeirevieren. 29
Bekanntheit in der Öffentlichkeit über den Rahmen der Behörde hinaus erlangten in der Weimarer Republik die Kommissare Gennat (Mordfälle), Werneburg (Raubüberfall), Philip Greiner (Glücksspiel), Günther Braschwitz (Einbruch), Max Bünger (Geldschrankknacker), Ernst Engelbrecht (Bandenverbrechen), Hans Schneickert (Erkennungsdienst), Otto Trittin (Juwelen- und Museumsdiebstähle); Arthur Nebe (Rauschgift) dagegen eher nach 1933.
Erhebliches Gewicht legte man nach 1918 auf die professionelle Ausbildung der Kripo durch das Angebot von Lehrgängen an der Höheren Polizeischule in Eiche bei Berlin, durch Vorlesungen im Polizeipräsidium und durch das Lehrangebot des 1927 eröffneten Polizei-Instituts in Charlottenburg. Hier entstand auch durch Runderlass des Preußischen Ministers des Innern vom 6. März 1930 eine Musterlehrmittelsammlung, die damit die Nachfolge des Kriminalmuseums antrat. Die im Polizei-Institut erarbeiteten Forschungsergebnisse veröffentlichte das Archiv für Kriminologie des Verlages von F.C.W. Vogel.
Erich Liebermann v. Sonnenberg vom Dezernat Fälschungen kooperierte bereits vor der Machtübernahme Hitlers mit den Nationalsozialisten. Sie übertrugen ihm nach 1933 die Leitung der Abteilung IV. Noch erfolgreicher war sein Kollege Arthur Nebe, der es bis zum Leiter des Reichskriminalpolizeiamtes brachte.
Ansätze zur Wahrnehmung fürsorgerischer Aufgaben durch weibliche Dienstkräfte stammten bereits aus der Zeit vor der Jahrhundertwende, als die ursprüngliche seelsorgerische Betreuung von Prostituierten durch einen evangelischen Pfarrer an eine „Hilfsstelle für Frauen“ überging, die beim Polizeipräsidium angesiedelt war. Die Kosten für eine fest angestellte Fürsorgerin übernahm der Berliner Frauenbund. 30
Für betreuungsbedürftige Jugendliche wurde mit Unterstützung der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge eine Wohlfahrtsstelle beim Polizeipräsidium eingerichtet, die unter der Leitung von Margarete Dittmer stand. 31
Nachdem seit 1924 in Preußen Beamtinnen Vernehmungen vornehmen konnten, entstand 1927 eine neue Kriminal-Inspektion „Weibliche Kriminalpolizei“, die mit kriminalpolizeilich ausgebildeten Beamtinnen besetzt war. Die einzelnen Dezernate beschäftigten sich mit straffällig gewordenen Kindern (G 1), Sittlichkeitsverbrechen (G 2) und mit der Fahndung und Erfassung von gefährdeten Kindern, weiblichen Minderjährigen und hilfsbedürftigen weiblichen Volljährigen (Gefährdeten-Polizei). 32
Nach der Machtergreifung 1933 wurde die Kriminalpolizei in der neuen Abteilung K zusammengefasst. Die Abteilung gliederte sich in das Landeskriminalpolizeiamt, die Landeskriminalpolizeistelle und die örtliche Kriminalpolizei.
Im Landeskriminalpolizeiamt bestanden die Untergliederungen ED (Erkennungsdienstzentrale), FG (Deutsche Zentrale zur Bekämpfung von Geldfälschung), G (Zentralstelle zur Bekämpfung des Glücksspiels), M (Zentralstelle zur Bekämpfung des Mädchenhandels), R (Rauschgiftzentrale), T (Zentrale zur Bekämpfung von Taschendieben) und V (Nachrichtenstelle für Vermisste und unbekannte Tote). Die örtliche Kriminalpolizei bestand aus der Abteilung A (Kriminaldirektion) und B (Exekutive der örtlichen Kriminalpolizei).
Die örtliche Kripo wiederum war in die Fachgruppen B (Betrug: KJ.B I-II), E (Einbruch: KJ.E I-II), M (Mord: KJ. MI-III), Kriminalmuseum und Kriminallehrmittelsammlung sowie die regionalen Kriminalgruppen Mitte, Ost und West untergliedert. Während es bei der Zahl von 296 Revieren mit beigeordneten Kriminalbeamten blieb, verringerte man die Anzahl der Polizeiämter von 20 auf elf. 33
Mit dem Stichwort „Verreichlichung“ wird für die NS-Zeit die Überführung von Landeskompetenzen auf das Reich umschrieben. Als Ergebnis dieses Umstrukturierungsprozesses bei der Kriminalpolizei stand eine Sonderbehörde, die der allgemeinen Polizei nur noch äußerlich verbunden war. 34 Der Erlass des Reichsinnenministeriums vom 18. Dezember 1934 erhob das Landeskriminalpolizeiamt zu einer vom Berliner Polizeipräsidium unabhängigen Abteilung. 1936 vollständig vom Berliner Polizeipräsidium gelöst, entstand aus ihm 1937 das Reichskriminalpolizeiamt (Werderscher Markt 5/6) mit schon bestehenden und auch neu gebildeten Reichszentralen zur Bekämpfung spezieller Verbrechensarten: Zu den bestehenden Zentralen zur Bekämpfung von Geldfälschungen, Rauschgiftvergehen, internationalem Mädchenhandel, internationaler Taschendiebe, Glücks- und Falschspiel sowie der Reichszentrale für Vermisste und unbekannte Tote kamen die neu gebildete Reichszentrale zur „Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, die Reichszentrale zur Bekämpfung von Kapitalverbrechen (Mord, Brand, Katastrophen), die Reichszentrale zur Bekämpfung reisender und gewerbsmäßiger Betrüger und Fälscher sowie reisender und gewerbsmäßiger Einbrecher. 35
Seit dem 17. Juni 1937 war das Reichskriminalpolizeiamt (ab jetzt Kriminalpolizeiamt) dem Amt Kriminalpolizei im Hauptamt Sicherheitspolizei Heydrich unterstellt. Seit dem 27. September 1939 firmierte es als Abt. V-Verbrechensbekämpfung im Reichssicherheitshauptamt. 36 Leiter dieser Behörde war von 1934 bis 1945 Arthur Nebe, dem in der Weimarer Zeit das Dezernat Rauschgiftmissbrauch unterstanden hatte. Seine Beziehungen zu den Widerstandskreisen des 20. Juli wusste Nebe lange zu verbergen. Kurz vor Ende des Krieges tauchte er unter, wurde verraten und nach Verurteilung durch den Volksgerichtshof am 3. März 1945 hingerichtet. 37
In Anlehnung an das Modell der Gestapo entstanden auf der Ebene der ehemaligen Länder 18 Kriminalpolizeileitstellen (KPLSt) als Mittelbehörden, denen bei den staatlichen örtlichen Polizeiverwaltungen Kriminalpolizeistellen nachgeordnet waren. 1943 löste man die Kriminalpolizeistellen völlig aus der Unterstellung unter die örtliche Polizeiverwaltung.
Auch die Weibliche Kriminalpolizei wurde 1937 neu geordnet und als Sonderdienststelle der Kriminalpolizei zugeordnet. Die Dezernate G 1, G 2, G 3 erhielten nun die Bezeichnung KJ M III 1 (KKommissarin Dinger), KJ M III 2 (KKommissarin Gobbin), KJ M III 3 (KKommissarin Oberhey). 38 Sie unterstanden direkt dem Reichskriminalpolizeiamt. Auf der weltanschaulichen Grundlage des Rassege-dankens und der darauf aufbauenden Gesetzgebung wurde der Weiblichen Kriminalpolizei unter anderem die Aufklärung solcher Fälle übertragen. Wurde bei Kindesmissbrauchsfällen Schwachsinnigkeit der Eltern festgestellt, konnte das zu deren Sterilisierung führen. 39
Im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung entstand durch Runderlass vom 21. Dezember 1941 das Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei mit Sitz in Berlin. Ihm waren kriminalbiologische Untersuchungsstellen auf Landesebene angegliedert. 40
Scharf ging die Kripo auch gegen die zum Feindbild erklärten „Berufsverbrecher“ vor, deren Schicksal in der Regel durch Überstellung in ein Konzentrationslager besiegelt war. 41 Das Gesetz über die Behandlung „Gemeinschaftsfremder“ bot die Handhabe zu Maßnahmen gegen Zigeuner, Asoziale und Homosexuelle. 42
Auch zur Teilnahme an den Mordaktionen der Polizeibataillone bei den Einsatzgruppen in den besetzten Ostgebieten wurden Angehörige der Kripo eingesetzt. 43
Nach der Kapitulation vom 8. Mai 1945 übernahm zuerst die sowjetische Besatzungsmacht die Reorganisation der Verwaltungsgeschäfte. Durch Anweisungen ihrer Orts- und Bezirkskommandanten wurden örtliche Polizeireviere und Inspektionen wieder errichtet. Auf Befehl Nr. 1 des sowjetischen Stadtkommandanten Bersarin vom 25. Mai 1945 entstand die neue Stadtpolizei unter Leitung des Polizeipräsidenten Paul Markgraf. 44 Auch nach dem Übergang der Verwaltungskontrolle auf die Interalliierte Militärkommandantur (IMK-Befehl vom 11. Juli 1945) blieb Bersarins Befehl in Kraft. Unter Rückgriff auf die rechtlichen und organisatorischen Strukturen der Polizei vor 1933 wurden die Polizeiaufgaben wieder auf die Schutz-, Kriminal- und Verwaltungspolizei sowie auf örtliche Polizeigruppen verteilt. 45 Die Kriminalpolizei wurde in den 20 Polizeiinspektionen der Schutzpolizei unterstellt. Die Polizeiinspektionen beaufsichtigten 172 Polizeireviere (mit 18 Revierzweigstellen, sieben Revierposten und 22 Landposten). Es blieb aber bei der alten Zählung der Reviere (insgesamt 296). Die bei jedem der 20 bezirklichen Polizeiinspektionen angesiedelten Kriminalkommissariate unterstanden direkt der Kriminaldirektion beim Polizeipräsidenten. Dort wurden acht zentrale Kriminalinspektionen eingerichtet (B: Betrug; E I-E II: Einbruch; ED: Erkennungsdienst; F: Fahndung; M I: Mord, M II: Sittlichkeit, M III: Weibliche Kripo). Die Bearbeitung der Alltagskriminalität erfolgte dezentralisiert. 46
Auch die Weibliche Kriminalpolizei wurde mit zwei Kommissariaten und jeweils fünf Beschäftigten wieder eingerichtet. 47
Nach Aufgabe des provisorischen Quartiers in einem ehemaligen Gebäude der Deutschen Arbeits-Front (DAF), Linienstraße 83–85, bezog das Polizeipräsidium neue Räume in der Elsässer Straße 87. Seit dem 12. November 1945 nahm die Polizeischule im Gebäude der ehemaligen Polizeisportschule am Hohenzollernring in Spandau ihren Lehrbetrieb wieder auf. Ihr folgte bereits im Dezember 1945 die Polizeischule in der Wattstraße 69/70 in Oberschöneweide. Seit 1946 wurden auch die Kripobeamten zu zweimonatigen Lehrgängen an die Polizeischule abgeordnet. Zu Anfang des Jahres 1946 erlaubten die Alliierten die Bewaffnung von Schupo und Kripo mit Knüppeln und Pistolen. Wegen der in der Nachkriegszeit verstärkt auftretenden Bandenkriminalität richtete die Kripo-Zentrale in der Dircksenstraße 14 bereits am 21. Dezember 1945 ein Sonderkommando zur Bekämpfung der Banden in der Innenstadt ein. Im Dezember 1947 wurde ein motorisiertes Sonderkommando aus Schutzpolizei und Kripo zum Einsatz gegen den Schwarzmarkt aufgestellt. 48
Mit der BK/O (46)391 vom 4. Oktober 1946 setzte die Alliierte Kommandantur Sektorenassistenten ein, die sowohl dem jeweiligen Polizeichef der Militärregierung als auch dem Polizeipräsidenten unterstanden. Es handelte sich um Bruno Bliemeister für den amerikanischen Sektor, Paul Wurm im britischen Sektor, Werner Ladwig im französischen Sektor und Willy Schubert im sowjetischen Sektor. 49 Außerdem durfte der Polizeipräsident leitende Beamte nur noch mit Genehmigung der Alliierten anstellen, ernennen, versetzen oder entlassen. Eine sektorenübergreifende Arbeit wurde somit fast unmöglich. Andererseits endete damit die Phase der Durchdringung des Polizeikörpers mit KPD-Anhängern. So wurde der seit Mai 1945 amtierende Leiter der Kriminalpolizei Heinz Wagenschütz im September 1945 durch Paul Kuckenburg abgelöst, ebenso die Leiterin der Weiblichen Kriminalpolizei Grünsteudel durch Klara Schlesinger-Thury. Weiterhin war es der KPD gelungen, Helmut Klein als stellvertretenden Leiter der Polizeischule in Oberschöneweide einzusetzen und durch die im Polizeipräsidium für Personalfragen bei der Kripo zuständigen KPD-Mitglieder Fruck und Binder 15 von 21 Dezernaten und fast alle Kriminalkommissarstellen mit KPD-Mitgliedern zu besetzen (unter anderem Loll als Inspektionsleiter in Neukölln und Mielke als Inspektionsleiter in Lichtenberg). 50
Obwohl der Polizeipräsident eine Wiederverwendung von belasteten Kripo-Beamten ausgeschlossen hatte, wurden aus Mangel an geschultem Personal auch Beamte bei der Kripo eingestellt, die in der NSZeit aktiv gewesen waren, insgesamt waren das im April 1946 zwölf Prozent. 51
Im Tauziehen um die Vorherrschaft in Berlin verhängte die sowjetische Besatzungsmacht ab 24. Juni 1948 eine totale Blockade aller Verkehrswege von und nach Westberlin. Die auf verschiedenen Ebenen geführten Auseinandersetzungen betrafen auch die Polizei. Wegen Missachtung von Weisungen des Magistrats und eigenmächtig ausgesprochenen Entlassungen enthob Bürgermeister Ferdinand Friedensburg den Polizeipräsidenten Paul Markgraf am 26. Juli 1948 seines Amtes und setzte als kommissarischen Vertreter Dr. Johannes Stumm ein. Stumm war 1920 in die Kripo eingetreten und später zuständig für die Bekämpfung des Rechtsradikalismus bei der Abteilung I (heute dem Staatsschutz vergleichbar) des Polizeipräsidiums. 52 Da ihm der Zutritt zum Präsidium in der Elsässer Straße verwehrt wurde, verlegte er seinen Amtssitz in die Friesenstraße 16 im Bezirk Kreuzberg. Seiner Aufforderung an die Angehörigen der zentralen Polizeidienststellen, ihren Dienst am neuen Amtssitz aufzunehmen, andernfalls drohe Kündigung, folgten 70 Prozent der Mitarbeiter. Durch die BK/O (49)23 stimmte die Alliierte Kommandantur der Ernennung Stumms am 12. Februar 1949 rückwirkend zu. 53