Beruflich in Großbritannien - Stefan Schmid - E-Book

Beruflich in Großbritannien E-Book

Stefan Schmid

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Beschreibung

In der Schule lernen wir einiges über dieses Land und dennoch tun sich Deutsche schwer, auf der Insel Tritt zu fassen.Anhand authentischer Situationen aus verschiedenen Arbeits- und Lebensbereichen werden realistische Konflikte und problematische Situationen geschildert, wie sie Deutschen in England bei geschäftlichen Kontakten typischerweise begegnen.Wie kommt es, dass die Entscheidungsfindung in britischen Unternehmen so anders erfolgt als in Deutschland?Wieso wechseln Briten das Thema, wenn sich Deutsche erst so richtig dafür begeistern?Wieso ist Kritik und Lob für Deutsche bei Briten oft schwer zu unterscheiden?Das wissenschaftlich fundierte und nun in aktueller Überarbeitung vorliegende Trainingsprogramm ist so konzipiert, dass es Geschäftsreisenden eine individuelle Vorbereitung auf den Umgang mit Briten und deren Lebenssituation bietet.

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Handlungskompetenzim Ausland

herausgegeben vonAlexander Thomas, Universität Regensburg

Vandenhoeck & Ruprecht

Stefan SchmidAlexander Thomas

Beruflichin Großbritannien

Trainingsprogramm für Manager,Fach- und Führungskräfte

2., überarbeitete Auflage

Vandenhoeck & Ruprecht

Die 11 Cartoons hat Jörg Plannerer gezeichnet.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-647-99750-6

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

© 2016, 2003 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, USAwww.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlag: SchwabScantechnik, Göttingen

■Inhalt

Vorwort

Einführung in das Training

Englisch zu sprechen heißt nicht, Briten zu verstehen

Was bedeutet in diesem Zusammenhang »Kultur«?

Warum ist interkulturelles Lernen notwendig und ein Trainingsprogramm hilfreich?

Hinweise für die Bearbeitung des Trainingsmaterials

Themenbereich 1: Selbstdisziplin

Beispiel 1: Nimm dir einen Keks

Beispiel 2: Geburtstagswünsche

Beispiel 3: Der Feueralarm

Beispiel 4: Royal Opera

Beispiel 5: Not too bad

Beispiel 6: Die Diskussion

Kulturelle Verankerung von »Selbstdisziplin«

Themenbereich 2: Indirektheit interpersonsaler Kommunikation

Beispiel 7: Wohin mit den Gästen?

Beispiel 8: Alles ist gut?!

Beispiel 9: Bist du krank?

Beispiel 10: Eine schöne Krawatte?

Beispiel 11: Gut oder nur nicht schlecht?

Kulturelle Verankerung von »Indirektheit interpersonaler Kommunikation«

Themenbereich 3: Ritualisierung

Beispiel 12: Der Kneipenjob

Beispiel 13: »Cheers!«

Beispiel 14: Die Verlobte

Kulturelle Verankerung von »Ritualisierung«

Themenbereich 4: Pragmatismus

Beispiel 15: Die Putzhilfe

Beispiel 16: Smarte Lösung

Beispiel 17: Der Umzug

Beispiel 18: Deutsch-englisches Haus

Kulturelle Verankerung von »Pragmatismus«

Themenbereich 5: Ritualisierte Regelverletzung

Beispiel 19: Das Geburtstagsgeschenk

Beispiel 20: Die Bürodekoration

Beispiel 21: Mein lieber Speichellecker

Beispiel 22: Das Wetttrinken

Beispiel 23: The full monty

Kulturelle Verankerung von »Ritualisierte Regelverletzung«

Themenbereich 6: Interpersonale Distanzreduzierung

Beispiel 24: The policeman

Beispiel 25: Auf dem Land

Beispiel 26: Alte Freunde?

Beispiel 27: Formell oder informell?

Beispiel 28: Eine deutsch-englische Freundschaft

Beispiel 29: You can say you to me

Beispiel 30: How are you?

Beispiel 31: Happy birthday

Kulturelle Verankerung von »Interpersonale Distanzreduzierung«

Themenbereich 7: Deutschlandstereotyp

Beispiel 32: Die Brandanschläge

Beispiel 33: Die Kündigung

Beispiel 34: Heil Hitler

Kulturelle Verankerung von »Deutschlandstereotyp«

Neues und Bekanntes zur Wiederholung

Beispiel 35: Zwei Bier

Beispiel 36: Ein Fall von Heuchelei?

Beispiel 37: Nur Geduld

Beispiel 38: Die Party

Kurze Zusammenfassung

Schlussbemerkung

Literaturempfehlungen

■Vorwort

Vor mehr als zehn Jahren erschien die erste Auflage von »Beruflich in Großbritannien« und damit wurde es höchste Zeit für eine Überarbeitung, zum einen, um neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen, und zum anderen, um die Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Beratungs- und Trainingsprojekten in dieses Buch einfließen zu lassen.

Doch hat sich wirklich etwas verändert in den deutsch-britischen Beziehungen? Zuerst fällt auf, wie vieles gleich geblieben ist: Nach wie vor sind die wirtschaftlichen Verflechtungen der beiden Länder sehr eng. Von keinem Land importiert das Vereinigte Königreich mehr Produkte, deutsche Autohersteller freuen sich über einen Marktanteil von 30% – hauptsächlich, weil technischen Produkten aus Deutschland immer noch eine hohe Qualität nachgesagt wird. Nach wie vor kann man sich darauf verlassen, dass manche Passanten auf die Frage, was ihnen zu Deutschland einfällt, »Hitler« sagen. Und die deutsche Fußballnationalmannschaft hält nach wie vor den Status eines Angstgegners für das englische Team.

Es zeichnen sich aber auch bemerkenswerte Veränderungen ab: Als die renommierte Zeitschrift »The New Statesman« im Jahr 2013 »Why can’t we be more like Germany« titelte, eröffnete sie einen Reigen in den britischen Medien, der sich darum dreht, was die Briten von den Deutschen lernen könnten und müssten (neben Elfmeterschießen), um sich gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Insgesamt scheint das Deutschenbild der Briten nicht zuletzt seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 – bei der viele Briten Deutschland besuchten – positiv beeinflusst zu sein.

Der Fokus dieses Buchs liegt jedoch darauf, Ihnen dabei zu helfen, die deutsch-britischen Beziehungen auf der Mikroebene, also in dem alltäglichen persönlichen Kontakt, günstig zu gestalten. Dazu sind viele neue Situationen in das Buch eingearbeitet worden, auch diese basieren wieder auf authentischen Beispielen – wie auch in der ersten Auflage. Daher werden selbst Leser der ersten Auflage neue Facetten und Problemkonstellationen der deutsch-britischen Zusammenarbeit entdecken.

Gerade im deutsch-britischen Zusammenhang – wo wir doch so viel übereinander wissen – drängt sich zunächst bei Missverständnissen oder unterschiedlichen Herangehensweisen nicht unbedingt die Erklärung auf, Probleme könnten an unterschiedlichen kulturellen Werten und Normen liegen, sondern man wundert sich eher über das kuriose Verhalten des Gegenübers.

Dieses Buch hat zum Ziel, den Leser dafür zu sensibilisieren, wo Deutsche kulturelle Unterschiede in der Zusammenarbeit und im Zusammenleben mit Briten erleben. Es will Verständnis dafür schaffen, wie sich diese Unterschiede historisch entwickelt haben könnten, und dazu anregen, das eigene Verhalten in der Zusammenarbeit mit Briten auf den Prüfstand zu stellen, um mit neuem Wissen so manche Situation anders zu bewerten und anzugehen.

Dieses Training setzt sich aus einer Vielzahl von Situationen zusammen, die Missverständnisse zwischen Deutschen und Engländern illustrieren. Die Situationen sind nicht konstruiert, sondern wurden im Rahmen einer Forschungsarbeit an der Universität Regensburg in umfangreichen Interviews mit Deutschen, die in England leb(t)en, erhoben. Die weitere Analyse der Situationen erfolgte durch ein Team von Experten, die profunde Kenner beider Länder sind, und deren Perspektiven aus unterschiedlichen Fachdisziplinen (Politologie, Soziologie, Geschichte, Anglistik etc.) bildeten die Grundlage für Erklärungen der Situationen und die kulturhistorischen Herleitungen der kulturellen Divergenzen.

Grundsätzliches zur Verwendung des Buchs:

1.Die englische Kultur ist natürlich viel komplexer als in diesem Buch dargestellt. Lehren und Lernen bedeutet immer ein Reduzieren der Sachverhalte, um deren Aufnahme zu erleichtern. Deswegen fassen Sie bitte die hier vorgestellten Kulturstandards als ein Rahmengerüst auf, das nicht alles erklären kann/soll und von Ihnen im Laufe eines Englandaufenthalts mit eigenen Erfahrungen ergänzt und verfeinert werden kann. Die Kulturstandards sollen Ihnen helfen, den Fokus zu erweitern auf Motive, die Sie zuvor nicht gesehen haben, sollen Sie aber nicht einschränken, alles nur noch unter diesen Aspekten zu betrachten – auch Briten sind verschieden.

2.Für erfolgreiches Handeln in einer anderen Kultur ist sowohl das Wissen um das Fremde wie auch um das Eigene unverzichtbar. Konzentrieren Sie sich deswegen nicht nur auf das Erlernen englischer Werte und Normen, sondern reflektieren Sie auch Ihre eigenen und deren Wirkung auf Briten.

3.Wenn Sie in diesem Trainingsprogramm feststellen, dass auf der Insel einiges anders läuft, als Sie es aus Deutschland gewohnt sind, kann dies zunächst verunsichern. Nutzen Sie diese Verunsicherung als Motivation, sich intensiv auf die Umstellung vorzubereiten.

Stefan SchmidAlexander Thomas

■Einführung in das Training

■Englisch zu sprechen heißt nicht, Briten zu verstehen

Nimmt man den Fokus der Schulausbildung als Maßstab, weiß die Mehrheit der Deutschen über kaum ein anderes Land so gut Bescheid wie über Großbritannien. Kaum eine andere Nation genießt im deutschen Schulwesen so viel Aufmerksamkeit. Jeder Schüler setzt sich mindestens fünf Jahre mit dem Erlernen der englischen Sprache auseinander, lernt Details über Literatur, Kultur, Politik, Gebräuche, kurz, beschäftigt sich über Jahre hinweg mit Land und Leuten. Bobbys, rote Telephonzellen und Linksverkehr werden genauso selbstverständlich mit der Insel assoziiert wie das Königshaus, Tee oder das (vermeintlich) schlechte Wetter.

Eine Vielzahl an Austauschprogrammen auf Schul- und Universitätsebene bieten neben Sprachkursen im Land einer großen Zahl junger Deutscher die Möglichkeit, England »hautnah« und nicht nur im Unterricht zu erleben.

Auch von einem historischen Standpunkt aus betrachtet gibt es eine Reihe von Berührungspunkten zwischen den beiden Ländern, die manchen sogar als Rechtfertigung erscheinen, von »Vettern« und »Cousins« zu sprechen. Seien es die gemeinsamen Vorfahren Angeln, Sachsen und Jüten oder die »deutsche Vergangenheit« der englischen Königsfamilie – es scheint so, als ob die Vielzahl verbindender Elemente und umfassender Kenntnisse über Sprache und Sitten das Überbrücken von Differenzen erleichtern müsste.

Zweifel an leicht überwindbaren Meinungsverschiedenheiten mögen aufkommen, wenn man das politische Parkett Europas der letzten Jahre betrachtet und dabei die Rollen in Betracht zieht, die beide Länder dabei spielten. Hier präsentieren sich die Briten aus deutscher Sicht häufig als sture Eigenbrötler, die im europäischen Einigungsprozess eher als Bremser fungieren, während die Briten tatsächlich ihre nationale Unabhängigkeit und Identität durch einen Zusammenschluss der europäischen Staaten bedroht sehen. An Verständnis für die Position des jeweiligen Gegenübers scheint es eher zu mangeln.

Bemühungen wie das Chequers-Seminar 1990, bei dem sich die damalige Premierministerin Margaret Thatcher mit einer Gruppe von Historikern traf, um anlässlich der bevorstehenden Wiedervereinigungen über die Licht- und Schattenseiten des deutschen »Nationalcharakters« zu diskutieren, verstärken zusätzlich den Eindruck, dass trotz aller Bemühungen in den Bildungssystemen gerade in Bezug auf kulturelle Unterschiede zwischen Großbritannien und Deutschland noch Klärungsbedarf besteht.

Dies wirft natürlich auch die Frage auf, wie solche etwaigen Unterschiede die Interaktionen zwischen Menschen beider Länder jenseits der Politik beeinflussen und unter Umständen sogar beeinträchtigen. Im Rahmen der europäischen Integration und einer zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft wird der interkulturelle Kontakt inzwischen für immer mehr Menschen aus beiden Ländern bedeutsam.

Die interkulturelle Psychologie hat eine Reihen von Methoden entwickelt, kulturelle Unterschiede zu beschreiben und in Form von Trainings zu vermitteln, um so Leben und Arbeiten in Kulturen mit anderen Werten und Normen zu erleichtern. Eines der erfolgreichsten Trainingswerkzeuge ist der sogenannte Culture Assimilator, und zu dieser Gattung gehört auch das hier vorgestellte Trainingsprogramm.

■Was bedeutet in diesem Zusammenhang »Kultur«?

Schon von frühesten Kindesbeinen an lernen wir die Regeln und Gesetze unserer materiellen, aber auch unserer sozialen Umwelt. Wir begreifen also nicht nur, dass man sich an einer Kerze verbrennt, sondern wir werden von den Eltern angeleitet, wie man sich bei Tisch benimmt, wie man sich wäscht und kleidet, oder wie man sich Unbekannten gegenüber verhält. Alle diese Normen hören und sehen wir irgendwann zum ersten Mal, durch ihr tägliches Wiederkehren werden sie uns jedoch sehr schnell selbstverständlich, und wir setzen sie automatisch auch bei anderen voraus.

Dies erleichtert das alltägliche Leben ungemein, denn »man weiß einfach« wie bestimmte Vorgänge abzulaufen haben, ohne dass man sie täglich immer neu erfinden müsste. Wenn wir uns zum Beispiel in Deutschland entscheiden, mit dem Zug zu fahren, gehen wir zum Bahnhof, kaufen uns eine Fahrkarte und nehmen an, dass der Zug ungefähr um die Zeit abfährt wie im Fahrplan angegeben. Dies haben wir schon oft so erlebt und deshalb erwarten wir es so.

Natürlich gibt es Ausnahmen und Abweichungen von diesen Regeln – der Zug kann viel zu spät kommen, und es gibt wohl auch Personen, die sich keine Fahrkarte kaufen würden. In der Mehrzahl der Fälle ist es jedoch realistisch anzunehmen, dass die Regeln, nach denen ich mich verhalte, mit denen meiner Mitmenschen zu einem großen Teil übereinstimmen. Meistens schätze ich also das Verhalten anderer zutreffend ein und habe selbst das Gefühl, verstanden zu werden.

Durch diese miteinander geteilten Regeln reduziert sich die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen, wir finden uns leicht zurecht, sind orientiert. Diese Regeln sind also nicht willkürlich, sondern haben sich in unserer Gesellschaft im Laufe der Zeit als hilfreiche und vorteilhafte Lösung zu bestimmten Aufgaben entwickelt.

Unter Kultur versteht man ein System aus Normen und Regeln, das für eine Gesellschaft typisch ist und von deren Mitgliedern geteilt wird. Dieses System hat sich aus Anforderungen entwickelt, die sich dieser Gesellschaft stellen und gestellt haben. Kultur beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln jedes Einzelnen und schafft als Orientierungssystem den Rahmen für eine effektive individuelle Umweltbewältigung (nach Thomas, 1996).

Um die typischen Bauteile einer Kultur erfassen, beschreiben und vermitteln zu können, wurde das Konzept der Kulturstandards entwickelt. Kulturstandards sind die von den in einer Kultur lebenden Menschen untereinander geteilten Maßstäbe zur Ausführung und Beurteilung von Verhaltensweisen. Kulturstandards sind also die zentralen Kennzeichen einer Kultur und bieten ihren Mitgliedern Orientierung für das eigene Verhalten. Sie ermöglichen zu entscheiden, welches Verhalten als normal, typisch und akzeptabel anzusehen und welches Verhalten abzulehnen ist.

Kulturstandards dürfen nicht als absolute Norm innerhalb einer Kultur verstanden werden, sondern es treten individuell verschiedene Interpretationen der Kulturstandards auf. Diese Schwankungen und Abweichungen werden in einem gewissen Rahmen von den Mitgliedern der Gesellschaft toleriert.

■Warum ist interkulturelles Lernen notwendig und ein Trainingsprogramm hilfreich?

Regeln und Normen sind nicht überall auf der Welt gleich, sondern können sich von Land zu Land, von Region zu Region, ja selbst von Gruppe zu Gruppe unterscheiden. Ebenso gelten bestimmte Regeln natürlich regionen- und länderübergreifend (z. B. ein Rock als weibliche Kleidung) oder fast überall auf der Welt (z. B. Geld als Zahlungsmittel).

Treffen nun Menschen verschiedener Kulturen zusammen, so werden sich deren Werte und Normen bis zu einem gewissen Grad überlappen, jedoch auch Unterschiede aufweisen. Unser Werte- und Normensystem wird im Kontakt zu Personen aus einer anderen Kultur zum Hemmnis: Der alltägliche, unbewusste Gebrauch unserer Regeln führt dazu, dass wir sie auch unwillkürlich im Kontakt mit Personen anwenden, die aus einer anderen Kultur stammen und auf ein anderes Werte- und Normensystem zurückgreifen.

Unsere gewohnten Verhaltensweisen werden von den anderen teilweise nicht oder falsch verstanden, wir begreifen manche Handlungen unseres Gegenübers nicht und bewerten sie nach unseren kulturell geprägten Vorstellungen. Das eigene Orientierungssystem aus Regeln und Normen ist für solch eine Konstellation unzulänglich, man greift jedoch unwillkürlich – und in Ermangelung eines anderen – immer wieder darauf zurück.

Ziel und Aufgabe des Trainingsprogramms ist es, Deutsche, die mit Briten beruflich zu tun haben, für kulturelle Unterschiede zu sensibilisieren, ihnen das Verstehen dieser Verschiedenheit zu erleichtern und Wege aufzuzeigen, wie sie überbrückt werden können. Das Trainingsprogramm will englische Kulturstandards vermitteln. Es soll helfen, die Zeit anfänglicher Irritationen im Umgang mit Geschäfts- und Gesprächspartnern von der Insel möglichst kurz zu halten und den Aufbau eines Orientierungssystems zu fördern.

■Hinweise für die Bearbeitung des Trainingsmaterials

Die Culture Assimilator-Trainingsmethode wurde in den USA entwickelt. Dieses Trainingsprogramm basiert jedoch auf deutschen Forschungsergebnissen. Es setzt sich aus einer Vielzahl an Situationen zusammen, die Missverständnisse zwischen Deutschen und Briten illustrieren.

Das Trainingsprogramm ist für das individuelle Lernen konzipiert. Dem Lernenden werden zu jeder der dargestellten Situation vier unterschiedlich zutreffende Erklärungsmöglichkeiten (Deutungen) angeboten. Er soll nun jede dieser Alternativen dahingehend einschätzen, ob sie die Situation treffend erklärt. Anschließend erhält der Benutzer Rückmeldungen zu den Erklärungen und kann feststellen, inwieweit seine Annahmen zutreffen. Zu bestimmten Situationen wird abschließend eine Handlungsalternative als Lösungsstrategie angeboten. Darüber hinaus werden verschiedene Situationen je nach zugrundeliegenden Werten und Normen zu einem Kulturstandard zusammengefasst und abschließend in den gesamtkulturellen Zusammenhang gestellt (kulturelle Verankerung).

Das Programm besteht insgesamt aus acht Trainingsabschnitten, die ersten sieben vermitteln die Kulturstandards, im achten erfolgt eine Rekapitulation mit Situationen, die verschiedene Kulturstandards widerspiegeln. Die einzelnen Situationen und Trainingsabschnitte bauen aufeinander auf, so dass sich eine sukzessive Bearbeitung des Programms empfiehlt. Am Ende des Trainingsprogramms findet sich eine Übersicht der Kulturstandards und eine kommentierte Literaturliste zur englischen Kultur.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Erfolg bei der Bearbeitung.

■Themenbereich 1: Selbstdisziplin

■Beispiel 1: Nimm dir einen Keks

■Situation

Frau Herwig lebte seit einem halben Jahr in England und hatte nun englische Freunde zu sich eingeladen. Sie stellte für ihre Gäste eine Schale mit Keksen auf den Tisch, bemerkte jedoch nach einer Weile, dass sich niemand bediente. Sie forderte also ihre Freunde auf, ruhig zuzugreifen, was diese dann auch taten. Allerdings stand die Schale mit den Keksen bald darauf wieder unbeachtet auf dem Tisch. Erneut forderte Frau Herwig ihre Gäste auf, doch von den Keksen zu nehmen, was diese nun wiederum taten.

Warum bedurfte es immer wieder einer erneuten Aufforderung? Ihre Freunde in Deutschland bedienten sich doch auch selbst.

–Lesen Sie nun die Antwortalternativen nacheinander durch.

–Bestimmen Sie den Erklärungswert jeder Antwortalternative für die gegebene Situation und kreuzen Sie ihn auf der darunter befindlichen Skala entsprechend an. Es ist möglich, dass mehrere Antwortalternativen den gleichen Erklärungswert besitzen.

■Deutungen

a)Ihre englischen Freunde fänden es unhöflich, sich einfach gehen zu lassen und sich bei den Keksen zu bedienen.

b)Kekse werden in England nur zum Tee gegessen und nicht zu anderen Tageszeiten. Frau Herwigs Freunde sind zu wohlerzogen, ihr dies zu sagen.

c)Die Freunde mögen die Kekse nicht, sind aber zu taktvoll, dies zu sagen.

d)In Großbritannien gibt es kein Verständnis im Sinne von »fühle dich bei mir wie zu Hause«. Dort gilt eher »my home is my castle« und deswegen übt sich jeder Gast in größter Zurückhaltung.

–Versuchen Sie, Ihre Einstufung jeder Antwortalternative zu begründen. Halten Sie die Begründung in schriftlicher Form stichpunktartig fest.

–Lesen Sie nun die Erläuterungen zu jeder Antwortalternative durch und vergleichen diese mit Ihren eigenen Begründungen.

■Bedeutungen

Erläuterung zu a):

Es gehört zu der englischen Grundvorstellung von Höflichkeit, dass man die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu kontrollieren und verbergen vermag. Dahinter steht die Idee, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und dadurch eventuell andere nicht unfairerweise zu benachteiligen. Briten empfinden es also tatsächlich als unhöflich, wenn man sich als Gast selbst bedient, auch wenn man dazu vom Gastgeber schon einmal aufgefordert wurde. Es wird erwartet, dass der Gastgeber immer wieder dazu auffordert. Wenn man gar zu einem richtigen »dinner« geladen ist, so hat man dann selbstverständlich mit dem Nachschlag darauf zu warten, bis der Gastgeber diesen anbietet und austeilt.

Erläuterung zu b):

Biscuits oder Cookies werden hauptsächlich zum Tee gegessen, aber nicht ausschließlich. Die Vorlieben sind durchaus individuell verschieden und keine kulturelle Norm »verbietet« das Verspeisen von Keksen zu anderen Gelegenheiten.

Erläuterung zu c):

Diese Erklärung ist nicht völlig abwegig, denn es ist natürlich möglich, dass Frau Herwig bei der Auswahl der Kekse eine unglückliche Hand hatte und ihre englischen Gäste sie nun nicht bloßstellen wollten. Die Häufung vergleichbarer Situationen im deutsch-englischen Kontakt lässt jedoch eine andere Erklärung (als deutsche Unkenntnis über englische Keks-Vorlieben) wahrscheinlicher erscheinen.

Erläuterung zu d):

Die besondere Bedeutung der Privatsphäre und damit auch des eigenen Wohnraums teilen die Briten weitgehend mit den Deutschen. Die Tatsache, dass sie als Gäste eine noch größere Zurückhaltung an den Tag legen als dies in Deutschland der Fall wäre, muss also andere Ursachen haben.

■Beispiel 2: Geburtstagswünsche

■Situation

Frau Mühle war nun schon mehrere Monate mit ihrem englischen Freund Gavin zusammen. Sie hatte inzwischen seine Eltern kennengelernt und verstand sich auch auf Anhieb gut mit ihnen. Bei ihren Besuchen in Gavins Familie wurde sie stets ausgesprochen freundlich aufgenommen. Zweifel an der Aufrichtigkeit dieser Freundlichkeit kamen ihr, als sie zum Geburtstag eine Karte mit dem Aufdruck »Alles Gute« bekam, auf der nichts anderes stand als die Unterschriften der Gratulanten.

Warum hatte sich die Familie nicht wenigstens ein bisschen mehr Mühe gegeben?

–Lesen Sie nun die Antwortalternativen nacheinander durch.

–Bestimmen Sie den Erklärungswert jeder Antwortalternative für die gegebene Situation und kreuzen Sie ihn auf der darunter befindlichen Skala entsprechend an. Es ist möglich, dass mehrere Antwortalternativen den gleichen Erklärungswert besitzen.

■Deutungen

a)Dies könnte ein unterschwelliges Zeichen dafür sein, dass die Eltern die Verbindung zwischen Frau Mühle und ihrem Sohn nicht billigen.

b)Deutsche werden in England als sehr distanziert wahrgenommen; dem wollten sich die Eltern anpassen.

c)Glückwunschkarten haben in England nur diesen formalen Charakter.

d)Zusätzliche Glückwünsche wären den Eltern einfach zu überschwänglich gewesen.

–Versuchen Sie, Ihre Einstufung jeder Antwortalternative zu begründen. Halten Sie die Begründung in schriftlicher Form stichpunktartig fest.

–Lesen Sie nun die Erläuterungen zu jeder Antwortalternative durch und vergleichen diese mit Ihren eigenen Begründungen.

■Bedeutungen

Erläuterung zu a):

Es kann in diesem Fall nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die Eltern Frau Mühle auf indirekte Weise zu verstehen geben wollten, dass sie über die Liaison mit ihrem Sohn nicht glücklich sind. Dagegen spricht aber, dass Frau Mühle sonst nie Ablehnung bemerkt hatte. Eine andere Antwort bietet eine wahrscheinlichere Erklärung.

Erläuterung zu b):

In England stößt man tatsächlich hin und wieder auf die Vorstellung, dass Deutsche besonders ernst und vielleicht auch etwas steif sind. Dieses Stereotyp hat allerdings auf die vorliegende Situation keinen Einfluss, denn die Eltern von Frau Mühles englischem Freund hätten eine Karte genau in diesem Stil auch an eine Engländerin geschrieben.

Erläuterung zu c):

Allem Anschein nach hat Frau Mühle noch kein Weihnachten in England erlebt, denn zu diesem Anlass werden wahre Massen solcher Karten verschickt, sei es an Verwandte, Freunde oder gar Nachbarn, mit denen man sonst nicht viel zu schaffen hat. Hocherfreut ist man dann, wenn man selbst möglichst viele dieser Gruß- und Glückwunschkarten erhält, die teilweise nicht einmal unterschrieben sind. Es trifft den Sachverhalt jedoch nicht ganz, wenn man davon ausgeht, dass die Karten nur formalen Charakter besitzen. »It is the thought which comes« – der Gedanke zählt, und dieser ist auch an einer vorgedruckten Postkarte zu erkennen. Diese Antwort klärt allerdings nicht, warum die Engländer bei Personen, die sie besser kennen, nicht noch ein paar persönliche Worte anfügen.

Erläuterung zu d):

Frau Mühles große Enttäuschung rührt daher, dass sich die Eltern ihrer Meinung nach nicht die Zeit genommen haben, ein paar persönliche Wünsche auf die Karte zu schreiben. Den Eltern ging es darum, Frau Mühle zu zeigen, dass sie an ihren Geburtstag gedacht haben. Darüber hinausgehende Glück- und Segenswünsche fänden gerade Briten der älteren Generation zu überschwänglich und pathetisch. Über diese Konstellation hinausgehend ist in England insgesamt eine größere Zurückhaltung beim emotionalen Ausdruck zu erleben, wenn es sich um starke Gefühle wie Zuneigung, Ärger oder Ablehnung handelt.

■Beispiel 3: Der Feueralarm

■Situation