Best of Bordeaux - Rolf Bichsel - E-Book

Best of Bordeaux E-Book

Rolf Bichsel

0,0

Beschreibung

Alles, was Sie immer schon über Bordeaux wissen wollten, aber nie zu fragen wagten. Ein 292 Seiten starkes, mit superben Bildern illustriertes Werk zum Schmökern und Nachschlagen, das alles enthält, was der Mann /die Frau von Welt über Bordeaux wissen sollte. 200 einprägsame, humorvoll geschriebene Porträts der wichtigsten Güter und spannendsten Geheimtipps, jeweils bestückt mit einem Flaschenbild. Zudem erfahren Sie mehr über die Entstehungsgeschichte der wohl berühmtesten Weinregion der Welt über Geografie und Appelation bis hin zu nützlichen Tipps für Ihre nächste Bordeaux-Reise. Eine Einkaufshilfe für den intelligenten Bordeaux- Kauf, beim Online-Händler, im Weinshop und im Restaurant. Eine Gedächtnisstütze für ausgewachsene Bordeaux-Kenner. Ein unterhaltsames, leicht verdauliches Kompendium für Bordeaux-Novizen. Ein Konversationslexikon für kultivierte Leute, die auch über Bordeaux Bescheid wissen sollten. Ein modernes Nachschlagewerk für Eilige, die alles Wissenswerte zur Region auf einem Blick finden wollen. Kurzum ein Standartwerk für Bordeauxliebhaber, das in keiner Bibliothek, keinem Restaurant und keinem Weinshop fehlen darf.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 621

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



seit 1993
Champagne
Burgund
Rhône
Bordeaux
NÄHER
AM WEIN
IHRE ADRESSE FÜR
FEINE UND RARE WEINE
WWW.LUCULLUS.CH
Lucullus SA
feine & rare Weine
Alles, was Sie immer schon über Bordeaux
wissen wollten, aber nie zu fragen wagten.
Mit 200 Porträts der Marken,
die jeder Weinfreund kennen sollte.
Rolf Bichsel
Best of
BORDEAUX
200 legendäre Châteaux und ihre Weine
Wissen | Geschichte | Reisen
«Best of Bordeaux»
Eine Publikation von VINUM, Europas Weinmagazin
©
November 2016, erste Auflage, Intervinum AG, Zürich
ISBN Print: 978-3-033-05814-9
ISBN E-Book: 978-3-033-05915-3
AUTOR
Rolf Bichsel
VERLEGER
Roland Köhler
VERLAG
Intervinum AG, Zürich
www.vinum.ch
Verlagsleitung: Nicola Montemarano,
Assistenz/Koordination: Barbara Schroeder
Marketing: Dana Muñoz
Verkauf: Peter Heer, Catherine Sereno
Assistenz /
Administration: Manuela Deganello
GESTALTUNG, BILD UND PRODUKTION
Titelbild und Grafikkonzept: Marco Bräm
Lektorat: Brigitte Ackermann
Übersetzungen: Hancock-Hutton, Bordeaux
Fotos: Vinmedia, Bordeaux
Produktion: Hans Graf
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Urheber- und Verlagsrechte an dieser Publikation oder Teilen davon sind für alle Länder vorbehalten.
Jede – auch teilweise – Verwendung oder Verwertung, insbesondere Übersetzung, Nachdruck, Vervielfältigung,
Mikroverfilmung, Speicherung und Nutzung auf optischen wie elektronischen Datenträgern, bedarf der schriftlichen
Zustimmung des Verlags. Eine Verwertung dieses Werks ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen
unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
Der Inhalt dieses Heftes wurde sorgfältig geprüft. Dennoch übernehmen Autor, Redaktion und Verlag keine Haftung
für seine Richtigkeit.
Impressum
Schöner blau: Tangente neomatik nachtblau. Dieses und
weitere Modelle mit dem Automatikwerk der nächsten
Generation finden Sie ab sofort im besten Fachhandel.
Und mehr Informationen zu NOMOS, Glashütte, guten
Uhren unter nomos-glashuette.comund nomos-store.com.
«Bon appétit» mit Bordeaux!
Bordeaux-Weine sind ein Hochgenuss. Entdecken Sie edle Weine aus unserem vielfältigen
Bordeaux-Sortiment und den Subskriptionen, passend zu rotem Fleisch oder kräftigen
Speisen. Weitere Weinempfehlungen finden Sie auf mondovino.ch.
Coop verkauft keinen
Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren. Erhältlich in grossen Coop Supermärkten sowie
unter coopathome.chund mondovino.ch
Unsere Weinexperten empfehlen:
Pessac-Léognan Grand Vin
Château Haut-Bergey
2011, 75 cl
33.95
Les Tourelles de Longueville
2e Vin du Château Pichon
Baron 2012, 75cl
39.50
Saint-Emilion Grand Cru
Château La Tour Figeac
2012, 75 cl
38.95
7
Vorwort
Ich bin 1986 in Bordeaux gestrandet, als Pia-
nist in einem Jazz-Club, und dort hängen
geblieben. Ich wollte weiter in die Tasten
hauen und tat das auch, nur anders, als ich
dachte. Weil das Leben manchmal ganz
ohne uns mit uns spielt, wurde ich Wein-
schreiber und meine neue Heimat Thema.
Seither verkoste ich jährlich hunderte von
grossen Bordeaux und schäme mich dafür:
Wein ist nicht zum Spucken da. In diesen
30 Jahren hat sich Bordeaux radikal verändert. Keine andere Region produziert
eine solche Menge an so stilvollen Weinen. Bordeaux leidet unter seinem Ruf,
rare Luxusgüter in die Welt zu setzen. In Tat und Wahrheit ist die Spitze viel
breiter geworden, gerade die sogenannt kleineren Jahrgänge bieten preislich
wie stilmässig ausgezeichnete Weine. Es gibt hunderte guter Bordeaux, und nur
wenige sind teure Spekulationsobjekte. Auf meiner ersten Primeur-Tour prüfte
ein knappes Dutzend Verkoster 120 Weine. Heute lassen sich einige Tausend
Bordeaux-Gaumen (oder solche, die es werden wollen) bis zu tausend Muster
kredenzen – in einer Woche und ganz ohne schlechtes Gewissen.
Die Menge interessanter Bordeaux hat auch Nachteile. Durfte sich früher
Kenner schimpfen, wer zwei Dutzend Marken und drei Spitzenjahre nennen
konnte, braucht es heute ein Hochschulstudium dafür. Vorliegendes Buch ist
ein (ungenügender) Verteidigungsschlag dagegen. Ich habe versucht – mit all
den Kompromissen und Ungereimtheiten, die ein solches Unternehmen mit
sich bringt – die Spitzenbordeaux, die jeder kennen sollte, auf 200 Marken zu
reduzieren, eine möglichst gute Übersicht über meine Welt der grossen Bor-
deaux zu geben und stellvertretend für viele andere auch ein paar weniger be-
kannte Güter zu integrieren. Grundlage sind meine eigenen Erfahrungen. Ich
halte nichts von Objektivität im Wein.
Den geschichtlichen Teil über die Güter wollte ich ursprünglich auf die paar
Zeilen reduzieren, die überall nachzulesen sind. Beim Zusammenstellen der
ersten Porträts raufte ich mir die Haare ob all der Ungereimtheiten, die, ein-
mal in die Welt gesetzt, fröhlich kopiert werden. Das Gleiche zu tun, gab mein
Berner Dickschädel nicht zu. Was mich ein Jahr zusätzliche Arbeit gekostet hat,
mit Quellenstudium, Kontrolle geschichtlicher Daten, Studium von Heirats-
urkunden und Graben in Online-Archiven. Das Thema ist den Aufwand wert.
Echte Bordeaux-Geschichte ist zehnmal abenteuerlicher als kolportierte.
Rolf Bichsel
Bordeaux lebt
8
Inhalt
200 Jahre Weinabenteuer
Die Bordeaux-Story 10
Dichtung und Wahrheit 12
Ausone und die Römer 14
Schmelztiegel Bordeaux 18
The New French Claret 20
Neuer Luxus 24
Gründerjahre 26
Dreieckshandel 29
Märchenschlösser 32
Klassengesellschaft 33
Klassierung 1855 34
Welthandel 38
Marke und Stil 41
Reife-Theater 42
Gewinn-Kalkül 44
Bordeaux-Macher 45
Arbeitsteilung 48
Die Önologen 51
Übersicht Geschichte 53

l

l

9
Geografie und Appellationen
Médoc und Haut-Médoc
54
Pessac-Léognan, Sauternes, Graves
56
Saint-Emilion, Pomerol
57
Karte der aufgeführten Güter
Rechtes Ufer
58
Bordeaux Süden
60
Médoc und Haut-Médoc
62
Anleitung 64
200 legendäre Châteaux und ihre Weine von A bis Z 67
Reisen und Entdecken
269
Stadt Bordeaux
270
Rechtes Ufer
272
Süden, Médoc und Atlantik
273
Ausgewählte Adressen für Bordeaux-Reisende
274
Bordeaux-Service
Küche 280
Glas und Karaffe
282
Lagerung und Reife
285
Jahrgangsübersicht 288

l

l

l

l

l

l

l

l

l

l

l

l

l

10
Einführung
2000 Jahre Weinabenteuer
Bordeaux gehört zu den ältesten Weinanbaugebieten der Welt.
Doch was wir Grand Vin nennen, grossen Wein, ist erst im Laufe
des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden. An dessen Entwick-
lung haben Einwanderer aus zahlreichen Nationen gestrickt:
Wein aus Bordeaux ist ein durch und durch universelles Produkt.
Die Bordeaux-Story
Erfolg kommt nicht von ungefähr und grosse Weine resultieren aus gros-
sen Terroirs: Mütterchen Rebe, so will es das Klischee, dreckelt am liebsten in
Sand, Kies und Lehm, wühlt ihre Wurzeln tief in den Schoss von Grossmutter
Erde und schaufelt emsig Mineralkriställchen, Vitaminchen und Arömchen ins
Traubenkröpfchen, auf dass die Beere wachse und gedeihe und daraus Lafite
Rothschild werde. Zehn kleine Römerlein haben die exzellenten Terroirs der
Gironde entdeckt und darauf im Speerumdrehen Urcabernet Sauvignon an-
gebaut, Dionysos spielte önologischen Berater und wurde von Bacchus aus-
getrickst, der den Barriqueausbau einführte, und wenn sie nicht vor Lachen
gestorben sind, dann düngen sie heute noch munter Weingeschichte mit un-
gereimtem Mist. Würde man Terroir auf solch törichte Histörchen reduzieren,
wären zwei Drittel des Bordelais gerade mal gut für Radieschen.
Die Wahrheit ist viel prosaischer. Weil die Gallier oder genauer, die Gallo-
Römer, sich gerne einen hinter die Binde gossen – sonst reduzierte sich Vergnü-
gen ja auf Brot und Spiele – und der Import von Wein zu teuer kam, pflanzten
sie etwa ab der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts selber solchen an. Dazu
mussten sie erst eine Sorte auftun, die dem launischen atlantischen Klima
11
standhielt: die Biturica, von der Plinius der Ältere und der Agronom Columella
sprechen, vielleicht eine Kreuzung aus Sorten, die aus Spanien und dem Balkan
eingeführt worden waren. Die pflanzten sie überall da an, wo gerade Platz dafür
war. Terroir war ihnen Wurstbrot mit Käse.
Und als sie mehr Wein ernteten, als sie selber trinken konnten, schickten sie
den Überschuss in die neu eroberten nördlichen Provinzen, wo es auch genü-
gend durstige Kehlen gab, aber wo die Rebe trotz aller Anstrengungen, resis-
tentere Sorten zu selektionieren, nicht gedeihen wollte: zu den Bretonen oder
nach Britannien. Dazu brauchte es Schiffe und einen Hafen, und auch damit
war Burdigala, Jupiter sei Dank, gesegnet, schenkt man den Historikern Ver-
trauen. Denn bis heute ist es ihren Freunden, den Archäologen, nicht gelungen,
die römischen Docks auszubuddeln, die sie an den abenteuerlichsten Stellen
der heutigen Stadt vermuteten.
Tatsache ist: Bordeaux wurde zur wichtigsten, grössten Weinstadt der Welt,
weil der mondsichelförmige Mäander der Garonne, in denen mehrere grösse-
re Bäche mündeten, und wo die Urbordelaisen eine Siedlung errichteten, sich
nicht nur gut verteidigen liess, sondern sich auch als idealer natürlicher Ha-
fen entpuppte, dank all der Flussäste wie Lot, Tarn, Aveyron, Baïse oder Gers,
welche die Garonne zum Stamm erkoren hatten, Riegel und unumgängliche
letzte Etappe auf dem Weg vom Hinterland (das immerhin knapp ein Viertel des
heutigen Frankreichs umfasst) über den fast hundert Kilometer langen Meer-
busen der Gironde in den Atlantik, der Anschluss an die vereinten Weltmeere
erlaubte. In Bordeaux wirken die Gezeiten noch so stark, dass der Fluss alle acht
Stunden den Rückwärtsgang einlegt – der ideale Aussenborder für römische
Galeeren. Bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert ist Burdigala ein
Emporion, ein Handelshafen, wie der Historiker Strabon vermeldet.
Ohne Hafen wäre Bordeaux heute wohl Teil einer Region namens Libournais
und nicht umgekehrt. Denn am rechten Ufer der Dordogne, in Saint-Emilion,
Lafite Rothschild
12
Geschichte Dichtung und Wahrheit
wo die atlantischen Einflüsse temperierter ausfallen und Olivenbaum und
Korkeiche überleben, auf Böden aus Lehm und Kalk lag das für römische Ver-
hältnisse ideale Weinbauterroir, nicht auf den sandig-kiesigen Fluss-Sedimen-
ten am linken Garonne-Ufer im Norden und Westen der Stadt, wo die Römer
vermutlich ihre Reben zogen, oder auf den Schotterhalden im Süden, welche
die Bordeaux-Bürger ab dem 16. Jahrhundert bestockten. Und schon gar nicht
auf den Kieskuppen des Médoc, die erst das ganze Jahr über zugänglich wur-
den, nachdem holländische Ingenieure die sie umgebenden Moore dank eines
ausgetüftelten Systems von Kanälen und Schleusen trockengelegt hatten. Aber
eben: Saint-Emilion und Pomerol, dessen Weinbau ebenfalls römische Wur-
zeln haben soll (der Name gehe auf den Anbau von Obst zurück, Poma bedeute
Apfel, bezeichne aber auch Früchte generell: warum nicht die Traube?), la-
gen vor den Toren der Stadt Libourne, das trotz kleinem Hafen nicht gegen
Bordeaux ankam. Darum produzierte das ländliche Libournais bis Mitte des
18. Jahrhunderts vor allem Wein für den Eigengebrauch.
Zwar stammen die Gräben und Furchen, welche die Römer bei Saint-Emi-
lion in den Kalkfelsen schlugen, um da ihre Reben besser Wurzeln fassen zu
lassen, wie das in vielen gescheiten Büchern nachzulesen ist, gemäss neuerer
Forschungen aus dem 18. Jahrhundert. Zwar werden die Gelehrten noch lange
darüber streiten, wo die Reste der pompösen Villa Lucianius des römischen
Arnaud II. de Pontac
13
Staatsmanns und Poeten Ausonius auszubuddeln seien. Im heutigen Saint-
Emilion schlummern sie kaum und taugen darum nicht für einen Beweis dafür,
welch grossartige Weine das Städtchen schon damals erzeugt haben soll.
Dichtung und Wahrheit
Ausone ging in die Bordelaiser Geschichte ein, weil er «Oh Vaterland, berühmt
für seine Reben» in eine Tontafel ritzte oder in Pergament giessen liess oder was
auch immer und so ganz nebenbei anmerkte, neben einigen Hundert Hektar
Agrarland auch rund 25 Hektar Weinberge besessen zu haben. Was nicht viel
heissen will: Kein echtes römisches Landgut verzichtete auf einen solchen,
denn mit Wein liess sich Mehrwert scheffeln, was Diodorius von Sizilien schon
im ersten vorchristlichen Jahrhundert zu folgender Anmerkung veranlasste:
«Das gierige Naturell vieler römischer Händler nutzt die Leidenschaft aus, die
der Gallier für den Wein besitzt; auf Booten, die dem Lauf der schi
ffb
aren Flüsse
folgen, oder auf Wagen, die über die Ebene rollen, transportieren sie ihren Wein
und machen unglaubliche Gewinne. Sie gehen gar so weit, eine Amphore gegen
einen Sklaven einzutauschen, so dass der Käufer also auf seinen Diener verzich-
tet, um das Getränk bezahlen zu können.»
Decimus Magnus Ausonius, ein römischer Gelehrter, Politiker und Dichter,
kam um 310 in Bordeaux auf die Welt (andere Quellen sprechen von Vasate,
Ausone
Ein edles Weinglas für alle Fälle?
Weiss-, Rot-, Schaum- und Süssweine.
Oft gestaltet sich die Wahl des richtigen Glases
schwieriger als die Wahl des passenden Weines.
Was ist einem echten Weingeniesser wichtiger?
Einen Schrank voller Gläser oder einen Keller voller Weine?
Die Kunst des modernen Weingeniessens liegt darin, dass man auch
mit einer kleineren Menge den intensivsten Genuss erreichen kann.
Voraussetzung ist immer, dass der im Glas befindliche Wein alle
Chancen zur bestmöglichen Präsentation bekommt.
In Zusammenarbeit mit professionellen Glasdesignern und dem
bekannten Weindegustator René Gabriel ist nun dieses einzigartige
GABRIEL-GLAS© entstanden; mittelgross, nobel und erschwinglich.
Führende Glaskompetenz trifft hier langjähriges Genuss-Know-How.
Weingenuss pur! Für jeden Tag! Für jeden Wein! Zu Ihrem Wohl!
Ein einziges, geniales Glas für Ihren persönlichen Weingenuss?
Probieren geht über Studieren. Sie werden begeistert sein!
Die proklamierten Vorteile überzeugen
Eine kleine Menge genügt, um innen die ganze Glasbreite zu erreichen.
Der «Bouquet-Drive» am Glasbauch beschleunigt die Aromenentfaltung.
Die leicht konische, innen geschwungene Form konzentriert das Bouquet.
Die dünnwandige Ausführung verbreitet eine königliche Finesse.
Das ideale Kelchvolumen ist für eine normale Füllmenge konzipiert.
Die kompromisslose Höhe eignet sich für junge und reife Weine.
Ob weiss, rot oder süss – alle Weine bieten maximalen Genuss.
Einfachere Weine legen zu und Spitzenweine bleiben Spitzenweine.
Die generelle Form bietet maximale Eleganz und eine noble Präsentation.
Trotz der Leichtigkeit bleibt das Glas strapazierfähig.
Dank modernster Technologie ist die Ausführung bleifrei geblieben.
Das Glas ist spülmaschinenfest und hat in jedem Geschirrspüler Platz.
Bitte nur Pulver, keinesfalls Tabs verwenden
Weingenuss bleibt dank attraktivem Preis vom GABRIEL-GLAS© erschwinglich.
Das Gabriel-Glas© ist in zwei Varianten erhältlich
StandArt: Maschingengeblasen, ca. 150 Gramm
Gold-Edition: Mundgeblasen, ultraleicht, ca. 90 Gramm
Füllmenge: 510 ml, 17,95 oz (GB), 17,25 oz (USA)
Gabriel-Glas (Schweiz) GmbH
Unterdorfstrasse 21, CH-6274 Eschenbach LU, Tel. +41 41 448 19 16
Fax +41 41 930 01 08, [email protected], www.gabriel-glas.com
15
Ausone und die Römer Geschichte
Bazas) und starb nach langer Karriere um 395 auf dem Landgut seiner Familie
in der Nähe von la Réole im Süden der Gironde . Mit Saint-Emilion verband ihn
so gut wie gar nichts. Die Legende, er habe dort ein Weingut besessen, entstand
im 17. oder 18. Jahrhundert, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren,
dass bei der Geschichtsinterpretation merkantile und chauvinistische Interes-
sen überwogen. Hier die Fakten: Ausone erwähnt in einer seiner Schriften eine
Villa namens Lucaniacus, «die mit einem Palast aus Rom rivalisieren kann» und
von Condat aus mit dem Maultiergespann zu erreichen sei. 1806 publizierte der
Lokalhistoriker Suffrein eine Geschichte von Libourne, das er zum alten Condat
machte. Der Name bezeichnet im Gallischen einen Ort, der an einem Zusam-
menfluss liegt: Heute sind rund 100 verschiedene Condate aus der damaligen
Zeit bekannt, darunter die heutigen Cognac und Angers. Libourne fehlt in der
Liste. Der magere Beweis veranlasste Suffrein dazu, Ausone‘s Villa in Saint-Emi-
lion anzusiedeln, wo es tatsächlich Funde aus gallo-römischer Zeit gibt. Doch
nachdem Archäologen in der Nähe von Saint-André / Montagne auf die Funda-
mente einer grossen Römervilla stiessen, wurde Suffreins These als pure Er
fi
n-
dung verspottet. Forscher streiten bis heute darüber, welche Ausgrabungen
Ausone zuzuordnen seien, der mehrere Güter um Bordeaux und Saintes besass,
aber einen Grossteil seines Lebens in römischen Zentren wie Mailand und Trier
verbrachte. Ob Suffrein, der mit seiner These ja vor allem die Wichtigkeit von
Libourne schon zur Römerzeit beweisen wollte, von Jean Cantenat beeinflusst
wurde, der sein Gut mit dem unaussprechbaren Namen Rocblancan etwa 1781
in Ausone umbenannte, oder ob im Gegenteil der Küfer und Weinbauer sich an
den Forschungsergebnissen des Lokalhistorikers und Amateur-Archäologen
inspirierte, werden wir wohl nie erfahren. Sicher ist: genau zu der Zeit erhalten
auch andere Güter der Region (Pétrus, Conseillante, Beauséjour) klingendere
(und verkaufsfördernde) Namen. Dieser kleine Exkurs soll nicht etwa als An-
klage der Geschichtsfälschung verstanden werden, sondern nur illustrieren, wie
nahe Dichtung in Wahrheit in Bordeaux oft beieinanderliegen.
Weil der wichtigste Atlantik-Hafen des französischen Südens in Bordeaux
zu liegen kam, bestimmt er bis heute dessen Geschicke, und Bordeaux wurde
zur nördlichsten Zone des Südwestens, in der Anbau von rotem Spitzenwein
noch klappte. Denn Bordeaux liegt am Atlantik und nicht am Mittelmeer und
schon gar nicht am Amazonas, allen gegenteiligen Ansichten zum Trotz. Was
ein echter Bordelese sein will, geht nie ohne Mütze und Schirm spazieren, von
den Bordelesinnen gar nicht zu sprechen, die ständig auf der Hut sind und
meist darunter und nie durch die Stadt gehen, ohne die Röcke zu straffen: Hätte
Billy Wilder «Some Like it Hot» 1959 in Bordeaux gedreht statt in New York,
hätte er die hübschen Knie der Monroe auch ohne Metro-Lüftung entblössen
lassen können. Denn hier faucht der Westwind und bringt Regen, Stürme und
Sommergewitter sind legendär, das Wetter ist mitunter so launisch, dass der
16
Geschichte Schmelztiegel Bordeaux
Quecksilber Schluckauf kriegt, und ohne Wetterbericht weiss man nie, ob man
ein T-Shirt umschnallen muss oder einen Schafwoll-Pullover, im Hochsommer
wie im tiefsten Winter. «Ein echter Bordelese», brachte mir mit erhobenem
Zeigefinger kein Geringerer als Jacques Chaban-Delmas bei, «geht nie ohne
Schirm spazieren.» Ich tat das doch und stellte mich zum Interview-Termin
beim legendären früheren Bürgermeister der Stadt bis auf die Haut durchnässt
ein und tropfte während des ganzen Gesprächs wie frische Wäsche auf das
gewichste und gebohnerte Rathaus-Parkett. Am 4. August 2003 schnellte das
Thermometer hier zwar auf übermütige 40,7 Grad Celsius. Am 8. August 1924
blieb es jedoch faul auf 1,5 Grad sitzen.
Aber wo Mehrwert winkt, führt auch ein Weg, selbst aus dem grössten Klima-
Schlamassel. Die legendären Terroirs des Bordelais hat der Mensch hervorge-
schaut wie Moses Gott in Manns Trilogie «Joseph und seine Brüder» und ihnen
so zur Existenz verholfen. Findige Köpfe haben das Terroir den Bedürfnissen
angeglichen und sich gleichzeitig diesem angepasst (die längere Version liest
sich etwa so: Nachdem Armenier oder Griechen oder Mesopotamier oder wer
auch immer die Rebe, eine Schlingpflanze aus dem schattigen Wald, an die
basischen Lehm-Kalk-Böden und die brennende Sonne gewöhnt hatten, damit
sie Trauben ergibt, aus denen Wein gepresst werden kann, passten die Gallo-
Römer, die mit Weinbau am rechten Ufer begonnen hatten, aber auch diesseits
des Flusses Wein gewinnen wollten, die Pflanze wieder an die sauren Böden
und das feucht-fröhliche Klima des linken Garonne-Ufers an). So haben sie
das Terroir im weitesten Sinn geschaffen, Terroir, gemacht aus Zeit und Raum,
Terroir, gebaut aus Geschichte und Natur, Terroir, untrennbar mit Mensch und
Schicksal verbunden.
Schmelztiegel Bordeaux
Wer den tausendjährigen Stammbaum eines reinrassigen Bordelesen unter-
sucht, kommt ein zweites Mal auf die Welt. Die Bituriker, die der Legende nach
Burdigala gegründet und die Vitis Biturica eingeführt haben sollen, die Urmut-
ter des Cabernet, sind nicht die einzigen Blutspender des Bordeaux-Archetypes.
Novempopulie hiess die römische Provinz des Südwestens. Neun Völker sollen
da aus und ein gegangen sein. In Tat und Wahrheit waren es nicht neun, son-
dern fast dreissig Stämme, die mehr oder minder freiwillig den römischen Staat
akzeptierten und damit fast automatisch römische Gene: Liebe ist blind, nicht
rassenrein. Im Lauf der Jahrhunderte gesellten sich Westgoten und Sarazenen
dazu, später wanderten Briten ein, selber ein Gemisch aus Angeln, Sachsen und
Normannen, dazu kamen Juden und Navarresen und Lombarden und Hollän-
der und Iren und Schotten und Hanseaten und Bewohner des Baltikums und
Südseeinsulaner und Nordafrikaner und Senegalesen und Italiener und Spa-
nier und Portugiesen: Bordeaux ist seit 2000 Jahren Handelsstadt, so kosmo-
18
politisch wie Hongkong, Rio und New York zusammen, und war lange ein Mag-
net für alle, die zu Reichtum und Erfolg kommen wollten.
Militärisch hat es Bordeaux nie zu etwas gebracht. Hier dominierte man nicht
mit der Waffe in der Hand, sondern mit Pflugschar und Sichel und Zählrahmen
und Griffel. Die Römer besassen hier nicht einmal eine Garnison. Die lag in
Blavia (Blaye) am rechten Gironde-Ufer. Dem Eroberer passte man sich vorder-
rücks an und machte ihn hinterrücks dekadent. Das düstere Kapitel des Zweiten
Weltkriegs mit U-Boot-Hafen und Deportierbahnhof und Maurice Papon, Gene-
ralsekretär der Gironde von 1942 bis 1944, 1998 in einem aufsehenerregenden
Prozess als Komplize von Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt, und
der Weinwelt, die in Collabos, Emigranten und Dulder zerfiel und wo Männer-
hände Mangelware waren, verspricht unrühmliche Bände, die immer noch da-
rauf warten, gefüllt zu werden: Böse Geister lässt man auch in Bordeaux lieber
in Ruhe und Leichen im tiefen Keller. Doch nie nahm der Ruf wirklich Schaden.
Dem unwirklichen Charme des Weins und seiner Heimat widersteht auch der
schwerste Junge nicht, so wenig wie den Reizen eines leichten Mädchens. Bor-
deaux ist eine Stadt, die tagsüber im Sonntagsstaat verkommt und nachts nach
Halbwelt duftet wie jenes nach betörendem Parfum.
Wenn Wein zum Trumpf geworden ist, der sticht und jedes Spiel für sich ent-
scheidet, haben die Bordeleser, (die lange keine Frau im Keller duldeten, weil der
19
Rebensaft sonst sauer wurde, ihr Geld aber nur zu gerne im Bordell verprassten
und im 1738 erbauten Stadttheater, das schon 17 Jahre später wieder abbrennen
sollte, was den Bau des heutigen Grand Théâtre durch den Architekt Victor Louis
erlaubte, eine der Sehenswürdigkeiten der 2007 als Kulturerbe der Menschheit
klassierten Stadt, so lauthals ihre unzweideutigen Geschäfte abwickelten, die
meist im Alkoven des Chambre Séparée endeten, dass die wenigen echten Kul-
turliebhaber den Intendanten des Königs dazu brachten, 1746 in Bordeaux den
ersten öffentlichen Park oder Jardin Public Frankreichs anlegen zu lassen, wo
die gute Männergesellschaft dann endlich unter freiem Himmel oder im Schat-
ten von Atlaszedern schwadronieren konnte) – wenn Wein zum Trumpf gewor-
den ist, sagte ich, haben die Bordelesen dies ausgerechnet einem Weibsbild zu
verdanken: Aliénor von Aquitanien. Die Enkelin von Wilhelm dem Troubadour,
Herzog von Aquitanien, Gattin des französischen Königs Louis VII., von dem
sie sich scheiden liess, Kreuzfahrerin und blutschänderische Geliebte ihres
Onkels Raymond von Poitiers, ehelichte 1151 den zehn Jahre jüngeren engli-
schen Thronfolger Henri II. Plantagenet, dem sie acht Kinder schenkte, darunter
Richard Löwenherz und Johann ohne Land, die Ivanhoe-Fans aus Walter Scotts
Ritterroman kennen, bevor sie einen Komplott gegen den Gatten anstiftete und
dafür zehn Jahre in Festungshaft verbrachte. Um die resolute Dame stricken
sich zahlreiche Legenden. Wichtig ist für uns nur eine, und die ist nachweislich
20
Geschichte The New French Claret
echt: Dank ihr kam Bordeaux für 300 Jahre unter englische Herrschaft, wurde
so zum Weinkeller des Inselreichs aufgerüstet und schüttete in den besten Jah-
ren die heutige Jahresproduktion der Schweiz aus dem und über den Ärmel.
Gep
fl
anzt wurde die Rebe weiter in den sogenannten Palus, dem fruchtba-
ren Schwemmland entlang der Garonne, die sich im Westen der Stadt mit der
Dordogne verbündet, an welche bei Libourne die Isle Anschluss gefunden hat.
An Wasser fehlt es wirklich nicht im Land. Nicht den grössten Terroirs der Welt,
sondern diesen nach heutiger Ansicht für Spitzenwein eher ungeeigneten, im
Rhythmus der Gezeiten pulsierenden, fetten Böden und seinem regnerischen
Atlantikklima hat Bordeaux seinen Ruf zu verdanken. Womit einmal mehr er-
wiesen ist, dass Terroir mit Handelspolitik und verkehrsstrategischer Lage nicht
weniger zu tun hat als mit Geologie und Klima.
Die Weine dieser Böden waren von durchscheinender, klarer, hellroter Farbe
wie praktisch alle im Kulturraum, den wir heute Frankreich nennen, erzeugten
«Rotweine» bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Engländer nannten sie Claret, in
Britannien bis heute Synonym für Bordeaux. Nicht einmal besonders elegant
oder ra
ffi
niert waren sie, wie man uns das hie und da weismachen will, sondern
von kräftiger Konstitution, damit sie die lustige Schifffahrt einigermassen heil
überstanden und erst beim Käufer sauer wurden, und mit grosser Sicherheit
leicht süss und prickelnd, wie Weine noch heute werden, wenn man sie sich sel-
ber überlässt, wie man das damals machte und mochte. In den wenigen histo-
rischen Quellen, die Wein mit Herkunft zitieren (Andely, Rabelais, Villon), ist bis
Ende des 16. Jahrhunderts nie von Bordeaux die Rede.
The New French Claret
Auf die Idee des Grand Vin, der sich vom gewöhnlichen Rebensaft unter-
scheidet wie der Prinz vom Bettelknaben, kamen die Besitzer einer Flur namens
Ho Brian (Haut-Brion) im Süden der Stadt Bordeaux zwischen 1550 und 1650,
und für diesen Geistesblitz sollte ihnen jeder halbwegs dankbare Bordeaux-
Freak eine Kerze stiften. Natürlich dachten die diversen Jean und Arnaud de
Pontac (in Bordeaux wie anderswo galten Vornamen damals gleich für mehrere
Generationen, was Quellenstudium besonders spannend macht) nicht an die
durstige Nachwelt, sondern vorab ans eigene Portemonnaie und ans wirtschaft-
liche Überleben. Denn 1492 strandete Kolumbus auf den Bahamas, 1519 machte
Magellan sich auf zur ersten Weltumsegelung, und 1582 schrieb der deutsche
Arzt und Naturkundler Leonhart Rauwolf im über 500 Seiten starken Band des
Berichts seiner Orientreise über türkische Trinkgewohnheiten auf Seite 105:
«Under anderen habens ein güt getränck/welliches Sie hoch halten/Chaube
von jnen genennet/das ist gar nahe wie Dinten so schwartz/unnd in gebres-
ten/sonderlich des Magens/gar dienstlich.» 1550 öffnete das erste Ka
ff
eehaus
in Istanbul, in Venedig begann die Mokka-Kocherei um 1600, und Säcke vol-
Geniessen Sie als Gast frisch und in vollen Zügen! Unser Küchenteam ver-
wöhnt Sie mit saisonaler, hochwertiger SlowFood-Frischküche und vielen
Produkten aus dem eigenen bio-dynamischen Garten. Wir überraschen
Sie in bester Qualität, sei es kreativ vegetarisch, mit bestem Fleisch oder
abwechslungsreich vegan. Entdecken Sie auf einem Spaziergang durch
den historischen Englischen Park unsere Gärten mit Kräutern und vielen
ProSpecieRara-Sorten. Erholen Sie sich im historischen Bad von 1928
oder machen Sie einen Ausflug an den Bodensee oder in den Alpstein.
CH-9404 Rorschacherberg
Tel. +41 71 858 62 62
I
wartegg.ch
Das Bio-Château
am Bodensee
22
ler «Chaube»-Bohnen wurden um 1650 zum ersten Mal in den Hafenregistern
von London und Marseille aufgeführt. Was der beflissene und um Exaktheit
bemühte Rauwolf auch nicht verschwieg: Bei den Türken galt Kaffee als Ersatz
für Wein, dessen Konsum, von kurzen Perioden der Trinkfreiheit abgesehen, im
ganzen weiten Osmanischen Reich unter Strafe stand.
Wenn die Bordelesen im Allgemeinen, die seit gut 300 Jahren Rendite aus
dem Weinbau zogen, und die de Pontac im Besonderen, die dringend auf diese
angewiesen waren, denn sie gaben mit einer Hand aus, was sie mit der anderen
einnahmen, der aufkommenden Konkurrenz die Stirn bieten wollten, mussten
sie sich wohl oder übel etwas einfallen lassen. Ihre kommunen Weine, die nur
darum Erfolg hatten, weil A) der Genuss von Wasser so gefährlich war, dass man
dieses mit Wein desinfizieren musste und B) allen anderen Rebensäften aus den
umliegenden Gebieten und dem übrigen Südwesten bis Weihnachten der Zu-
gang zum Hafen verwehrt war, hielten dem Vergleich mit anderen, meist kräfti-
geren und transportfähigeren Getränken wie Kaffee, Tee, Schokolade nicht ewig
stand und schon gar nicht dem Branntwein und der feurigeren Konkurrenz aus
Portugal, mit dem England schon seit den Windsor-Verträgen von 1386 militäri-
sche und wirtschaftliche Zusammenarbeit pflegte, oder Spanien, dessen «Sack»
aus Jerez durch Händler der Vintner‘s Company in London ab 1565 vertrieben
wurde. Lässt Shakespeare Falsta
ff
Bordeaux trinken? Denkste! Der Schürzen-
23
jäger deklamiert im 1597 verfassten Schauspiel Henry IV in der dritten Szene:
«Ein guter Sherry steigt ins Hirn und wärmt das Blut». Von Claret keine Rede!
Ein Erfolgsprodukt stampft man nicht einfach so aus dem Boden. Man ana-
lysiert vorrangig Produktionsbedingungen, Markt und Absatzmöglichkeiten.
Entsprechen die Voraussetzungen nicht den Bedürfnissen des Konsumenten,
investiert man in geschicktes Marketing. Man peilt Multiplikatoren an, Leute,
die den Zeitgeist schmieden, lässt ihnen das Produkt zur Probe zukommen,
lädt sie zu einem guten Essen ein oder zum Bräunen auf die Jacht. Genau das
haben die de Pontac und deren Nachfahren mit Geschick getan. Sie haben die
natürlichen Voraussetzungen analysiert und daraus das Beste gemacht. Weil sie
Kieshalden besassen anstelle der fruchtbaren Sedimente entlang des Garonne-
Ufers, holten sie diese einfach zu jenen, verwendeten Flussschlick zum Verbes-
sern der Schotterböden (wer glaubt, die Rebe wachse allein auf Stein, beginne
noch einmal von vorne) und legten darauf ihre Rebzeilen an. Der Rebe schien
das zu bekommen: doch entsprach das Resultat den Erwartungen?
Nach langen Jahren des Pröbelns und Selektierens war der Wein, der daraus
resultierte, zwar tatsächlich von roter Farbe, doch leider auch ziemlich herb
und eckig und gar nicht süss und sü
ffi
g. Und er duftete ziemlich eigenartig –
im wahrsten Sinn des Wortes. Der Londoner Marine-Generalsekretär und Par-
lamentarier Samuel Pepys kritzelte 1663 in sein viel zitiertes Tagebuch nicht,
Château Calon Ségur
24
Geschichte Neuer Luxus
er habe einen Wein getrunken, der besser schmecke als alle anderen, sondern
einen Wein, der einen noch nie angetro
ff
enen, guten und sehr besonderen Ge-
schmack habe (drank a sort of French wine, called Ho Bryan, that hath a good
and most particular taste that I never met with), und zwischen den Zeilen liest
man Erstaunen und eine Unze Unsicherheit, so im Stil von: «Schmeckt schon
seltsam, das Ding, doch wenn andere das mögen, muss ich daran wohl auch
Gefallen finden.» Doch die Fluren und Äcker, die als Mitgift an die Pontac kamen,
waren nicht vom Fleck zu bewegen, die neuen Anbautechniken entwickelt und
die geeigneten Reben selektiert und gepflanzt und der Pfändungsbeamte stand
vor der Tür. Da erklärte man einfach die Not zur Tugend und machte den Nach-
teil zum Vorteil. Undurchsichtige Farbe und Gerbstoffgeschmack? Etwas für
Männer von Welt und erst noch viel haltbarer als die rosa Tunke der Konkur-
renz, besonders, wenn man den Wein in Glasflaschen füllte, deren Produktion
sich ab dem 16. Jahrhundert schrittweise verbesserte (das Kellerbuch des engli-
schen Königs Charles II. aus dem Jahre 1660 belegt den Kauf von 169 Flaschen
hobrion, zum Preis von 21 Shilling 4 Pennies die gut gefüllte Flasche), diese
mit einem Korkstopfen zupfropfte, dessen Gebrauch auch langsam in Mode
kam, etwas reifen liess und in dünnwandigen venezianischen Kristallgläsern
auftischte statt in Trinkhörnern, Zinntassen oder Lederbechern des gemeinen
Volkes. Liess man ihn etwas reifen, entwickelte der neue Wein nach und nach
erstaunliche Geschmeidigkeit, ausgewogenen Geschmack und ein umwerfen-
des Bukett, wie man das noch nie geschnüffelt hatte. Und damit der Wein auch
garantiert nicht verwechselt werden konnte und zur eigentlichen Marke wurde,
benannte man ihn nach seinem Produzenten und dem Ort seiner Herkunft und
machte ihn endgültig zum Luxusprodukt, indem man geschickt suggerierte, er
sei von hoher Abstammung und erblicke in einem Schloss uralten Adels das
Dämmerlicht des Kellers. Doch davon etwas später.
Nach dem Ende des englischen Bürgerkriegs (1642–1650) wurde London zur
intellektuellen und kulturellen Kapitale Europas und lief damit Paris den Rang
ab. Nicht einmal die Pest, der 1665 rund ein Fünftel der Bevölkerung der Stadt
zum Opfer fiel, und die riesige Feuersbrunst im September 1666, die zwar wenig
Menschenleben forderte, aber riesigen Sachschaden anrichtete, beeinträchtig-
ten diese Entwicklung: London war und blieb in. Kurz nach der Feuersbrunst
eröffneten die Pontac in der Kapitale ein Gasthaus namens Pontac's Head, das
sich rasch zum besten Speisehaus der Stadt mauserte. Sie liessen französische
Spezialitäten und eigenen Wein auftragen, und bald ging dort alles ein und aus,
was Rang und Namen hatte. Jonathan Swift beklagte sich zwar darüber, dass der
Wein mit sieben Shilling pro Flakon viel zu teuer sei. Doch andere Intellektuelle,
darunter der Philosoph John Locke, wurden zu eigentlichen Werbeträgern der
Marke. Locke stattete Haut-Brion 1677 einen Besuch ab, nahm dessen Terroir
unter die Lupe, studierte Anbautechniken und versuchte dem Geheimnis auf
Château Lafaurie-Peyraguey
Sauternes
1945
Château Lafaurie-Peyraguey, Sauternes, 1945
Degustationsnotiz von René Gabriel:
mitteldunkel leuchtendes Gold, frisch gepflückte Aprikosen,
Caramel, Orangenschalen, Butterscotch.
Ausstellung: 10. bis 24. Mai 2017, Atelierbesuche auf Anfrage.
Pierre Aerni, Burgstrasse 4, CH-8604 Volketswil, e-mail: [email protected]
www.sauternes-art.ch
sauternes-art.ch
Degustationsnotizen-Metamorphosen
27
Gründerjahre Geschichte
die Spur zu kommen, warum Pontacs Weine so besonders schmeckten, «dass
reiche Engländer dafür zu jedem Preis bestellen würden». Er hielt weiter fest:
«Der Wein von Pontac, der so begehrt ist in England, wird auf einer kleinen An-
höhe gemacht, der in westlicher Ausrichtung liegt. Er besteht aus nichts ande-
rem als aus weissem Sand, gemischt mit kleinen Kieseln. Man könnte denken,
er sei zu arm, um irgend etwas gedeihen zu lassen.» Und plötzlich wollten alle
davon und die de Pontac konnten den Ho Brian zehn- oder zwanzigmal teurer
verkaufen als gewöhnlichen Claret und endlich die Gläubiger bezahlen und sich
eine jüngere Kurtisane leisten.
Doch die Konkurrenz schläft nie. Was einem de Pontac recht, war einem de
Ségur, de Rauzan oder de Lestonnac heilig, und so lösten die Bordeleser Gross-
bürger, die alle auch Reeder und Händler waren und oft Advokaten oder Notare
und Bankiers und immer Stadtparlamentarier, denn nur so hatte man das Sa-
gen, eine regelrechte Anbauschlacht in Bordeaux aus. Und als die Kieshalden im
Südwesten, Westen und Nordwesten der Stadt aufgebraucht waren (dem heu-
tigen Pessac-Léognan), die sich für die Produktion dieser neuen Art des franzö-
sischen Weins besonders zu eignen schienen, den die Briten New French Claret
nannten, vereinnahmte der Bordelaiser Geldadel einfach die von den Hollän-
dern trockengelegten ewigen Jagdgründe des Médoc. Dort waren die flachen
Kuppen aus Kies, der zu Urzeiten von Fluss Garonne aus den Pyrenäen ange-
schleppt worden war, besonders zahlreich, die aufgrund ihrer sanften Rundung
und ihrer gut filtrierenden Böden den Wasserhaushalt optimal regulieren (das
heisst, dafür sorgen, dass die Wurzeln der Rebe nicht im zu feuchten Grund ver-
faulen und aufgrund der Atlantikwitterung auch nicht unter Trockenheit leiden,
von einigen Tagen oder Wochen zwischen Mitte Juli und Mitte August abgese-
hen, was genau zu der Reifeverzögerung führt, die mit zum Geheimnis eines
grossen Bordeaux gehört). Dass man, um zu den plötzlich so kostbar geworde-
nen Böden zu kommen, auch mal mit ziemlich unlauteren Methoden flirtete,
zeigt das Beispiel von Pierre de Mazure de Rauzan, der als Gründer, Verwalter
oder Besitzer auf Gütern wie Latour, Pichon Longueville, Rauzan Gassies und
Rauzan-Ségla mitmischte. Er lieh Kleinbauern scheinbar wohlwollend Geld,
und wenn diese nicht zurückbezahlen konnten, strich er ihre Ländereien ein.
Ein anderer illustrer Gutsbesitzer, Nicolas Alexandre de Ségur, der «Prinz der
Reben», machte seine Weine Latour, Mouton, Calon und Lafite ab 1716 am Hof
des französischen Königs bekannt: Mittelsmann war der Marechal de Richelieu.
Lafite galt als Medikament gegen Gallensteine. Die Legende will ferner, dass der
Marquis de Ségur seine Weste mit geschliffenen Médoc-Kieseln schmückte statt
mit Edelsteinen, um zu demonstrieren, woher sein Reichtum kam. Regelmässi-
ger Konsument seiner Weine war auch der erste britische Premierminister Sir
Robert Walpole, was dafür sorgte, dass die de Ségur-Weine in London Erfolge
feierten. Zwischen 1705 und 1711 wurde in der 1667 durch den Journalisten
28
Henry Muddiman gegründeten und noch heute existierenden Zeitung «Lon-
don Gazette» Kaperware zur Versteigerung ausgeschrieben, darunter ab dem
22. Mai 1707 hunderte von Barriques Haut Brion, Margaux, Latour und Lafite, die
alle stolze Preise erzielten, die ein Mehrfaches über denen einfacher «Clarets»
lagen. Kein Wunder, suchten die ortsansässigen Händler nach preiswerteren
Alternativen. Weil die vier oben genannten Spitzenweine des Jahrgangs 1727
fast unbezahlbar waren, machte ein Bordeleser Makler in einem Brief an den
Kellermeister des britischen Thronfolgers einen Ersatz mit folgenden Worten
schmackhaft: «Noch nie habe ich einen so guten Château d'Issan verkostet wie
in diesem Jahr. Es handelt sich wirklich um Wein voller Charme, von dem ich
dem Prinzen gerne zukommen lassen möchte.»
Von da weg wurden die neuen Bordeaux aus den Märchenschlössern von
Bordeaux als Statussymbol der Schönen und Reichen gehandelt. In der zwei-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte Kaiser Franz-Joseph von Österreich-
Ungarn zu den Liebhabern von Issan, und für den Botschafter und späteren
US-Präsidenten Thomas Jefferson konnte es «keinen besseren Bordeaux geben
als einen Margaux 1784». Château Margaux wurde von Rossini besungen und
von Engels getrunken, der auf die Frage von Eleanor, der Tochter von Karl Marx,
die wissen wollte, was für ihn der höchste Ausdruck des Glücks sei, geantwortet
haben soll: ein Château Margaux 1848.
Stadt Bordeaux
29
Dreieckshandel
Der «Vignoble Bordelais», wie wir ihn heute kennen, mit seinen grossen his-
torischen Marken, ist faktisch im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden. Hin-
weise von Gütern, die behaupten, vor 1650 Spitzenwein vertrieben zu haben,
sind reine Spekulation oder gehören ganz ins Reich der Fabel. Zuerst breitete
dieser Rebbau der neuen Art sich über die besten Böden der Halbinsel des
Haut-Médoc aus, oder genauer gesagt, über das nur ein paar Kilometer breite
Band entlang der Gironde, wo die besten Kiesböden liegen, um Margaux und
seine Satellitengemeinden, Saint-Julien, Pauillac, Saint-Estèphe, Saint-Seurin de
Cadourne, Moulis, Listrac, Saint-Laurent. Etwas später entwickelte er sich nach
dem Vorbild des Médoc auch im Libournais (Fronsac, Saint-Emilion, Pomerol),
dessen Weine dank einiger tüchtiger Handelsmänner der Stadt Libourne vor
allem im Norden Frankreichs und im Benelux-Raum Absatz fanden. Der auf
dem Weltmarkt agierende Bordeleser Handel interessierte sich erst Ende des
19. Jahrhunderts für diese Ecke, als Wein aus dem Médoc und den Graves
aufgrund der Reblauskrise Mangelware wurde: Auf den Kalkböden von Saint-
Emilion hielt die Rebe dem tückischen Schädling etwas länger stand, und in
Pomerol machte erst die Drainage des Plateaus, das im Winter oft knietief unter
Wasser stand, Spitzenweinbau auf breiterer Basis möglich. Motor dieser rasan-
ten Entwicklung war der durch den «Dreieckshandel» mit den Kolonien reich
30
Château Gruaud Larose
31
Dreieckshandel Geschichte
gewordene Bordeleser Geldadel. Ich habe schon einmal angedeutet, dass Ver-
gangenheitsbewältigung nicht gerade die Stärke der Bordelesen ist. Ein Kapitel
fehlt in vielen Abhandlungen über die Bordeaux-Geschichte oder wird gerade
mal gestreift: Das unrühmliche Kapitel des Sklavenhandels. Bordeaux gehörte
mit Liverpool und Nantes lange zu deren wichtigsten Motoren. Dabei ging der
gewiefte Handelsmann wie folgt vor: Er suchte Kapital zusammen (wie bereits
erwähnt, waren viele Bordeleser Bürger im Nebenberuf Bankier), kaufte oder
charterte ein paar Schiffe, liess diese in Bordeaux mit Waren (Wein) beladen,
schickte diese in die weite Welt, investierte den Gewinn in «Schwarzes Elfen-
bein» aus Afrika, das er in die Kolonien bringen und dort gegen «Kolonialwaren»
eintauschen liess, Kaffee, Kakao, Zucker, die den Weg zurück nach Bordeaux
fanden. So strich er nicht nur grösseren Gewinn ein, sondern machte sich auch
nur indirekt die Hände schmutzig. So manches Weingut wurde mit Kapital aus
der Taufe gehoben, das dank des Sklavenhandels gescheffelt worden war, und
der im bordeauxnahen Labrède residierende Philosoph Montesquieu wusste
aus erster Hand, wovon er sprach, wenn er aus der Feder laufen liess: «Der Schrei
für die Sklaverei ist der Schrei nach Luxus und Genuss, nicht der nach ö
ff
entli-
cher Glückseligkeit.» Doch in vielen gescheiten Büchern liest sich dieses Kapitel
etwa folgendermassen: Im 18. Jahrhundert wurde Bordeaux durch den Handel
reich, zog zahlreiche Immigranten aus allen möglichen Ländern an, England,
Irland, Skandinavien, Deutschland, der Schweiz. Diese liessen sich meist im
Quartier der Chartrons (Kartäuser) nieder wie Generationen von Einwanderern
vor ihnen: Ursprünglich ein Sumpfgebiet ausserhalb der eigentlichen Stadt,
wurden die Chartrons mit ihren Kellern, die es ermöglichten, Fässer direkt vom
Keller auf die Frachter zu rollen, bereits ab dem späten Mittelalter zum traditio-
nellen Weinhändlerquartier, und das blieb bis in die 1980er Jahre. Bordeaux
wuchs rasant und platzte bald aus allen Nähten, wurde zur drittgrössten Stadt
Frankreichs (hinter Paris und Lyon) und leistete sich eines der schönsten – und
aus heutiger Sicht besterhaltenen – Stadtensembles des 18. Jahrhunderts.
Während Jahrhunderten hatte Bordeaux Scharmützel und Feldzüge und
Kriege schadlos überstanden oder kam mit einem blauen Auge davon. Zu wich-
tig war die strategische Lage, zu gross der Einfluss der Bürger, zu viel Kapital
stand auf dem Spiel. Da verzieh man Bordeaux alles. Während der Fronde ab
1648 war Bordeaux Sponsor und Bastion dieses Aufstands gegen den Macht-
hunger der zunehmend absolutistischer regierenden französischen Krone. Die
Kapitulation der Stadt am 3. August 1653 setzte der Protestbewegung o
ffi
ziell ein
Ende. Trotz einiger Strafaktionen – der regierungstreue Bernard de la Nogaret
de la Vallette, Duc d'Epernon, Besitzer von Beychevelle, liess das Schloss des
Aufwieglers Blaise de Suduirault in Schutt und Asche legen, doch es ist bis heu-
te nicht ganz klar, ob es sich dabei um eine private Abrechnung handelte oder
eine politische – blieb der Bordeleser Handelsadel davon so gut wie verschont
32
Geschichte Märchenschlösser
und pflanzte und presste und prasste fröhlich weiter. Auch in der französischen
Revolution setzten die Abgeordneten der Gironde auf das falsche Pferd (doch
wer setzte in dem blutigen Durcheinander schon auf das richtige), sie wurden
zu Feinden der jungen Nation deklariert und um einen Kopf kürzer gemacht.
Es kam zu zahlreichen weiteren Hinrichtungen in Bordeaux. Wer dem Schafott
entgehen wollte, musste das Land verlassen und akzeptierte die Enteignung.
Ein Grossteil der Güter kam unter den Hammer. Doch aus heutiger realpoliti-
scher Sicht war auch die Revolution nicht mehr als eine Zäsur: sie ermöglichte
eine Blut- und Kapitalauffrischung, denn viele Güter wurden während der
Restauration von einer neuen Adelskaste erworben. In den Jahren nach dem
Wiener Kongress kam so mancher Bürger rasch zu Reichtum, leistete sich als
Erstes ein Adelspatent (solche wurden von der immer in Geldnöten stecken-
den, wieder eingesetzten französischen Krone im Multipack kommerzialisiert)
und als Krönung der Karriere und äusseres Zeichen für Macht und Erfolg ein
echtes Château, natürlich umgeben von Reben. Der (neureiche) Bankier oder
Geschäftsmann löste den alten Bordeleser Geldaristokraten ab, der im 17. und
18. Jahrhundert auch weinbaumässig das Sagen hatte und sich als Händler,
Notar, Arzt oder Handelsmann immer auch einen Sitz im Stadtparlament er-
kaufen musste, erbte er diesen nicht vom Vater oder Onkel. Das war für einen
Bordeaux-Bürger erster Klasse genauso obligatorisch wie vor sehr langer Zeit die
Ordonnanzpistole für den Schweizer, der zur guten Gesellschaft zählen wollte.
Märchenschlösser
Nun gehen einige grosse, bekannte Weinbaubetriebe wie Lafite, Latour oder
Margaux tatsächlich auf mittelalterliche Herrschaftssitze zurück (Seigneurie
heisst das auf Französisch, eine Art Verwaltungsbezirke, in denen der lokale Herr
Recht sprach und das Sagen hatte). Die meisten davon besassen auch ein altes,
meist baufälliges Schloss, oder besser, eine Burg, denn ein Château (Kastell!)
ist per Definition kein Wohngebäude, sondern zuerst einmal eine militärische
Verteidigungsanlage. Bewohnt waren diese finsteren, feuchten Steinpaläste mit
ihren dicken Mauern und den schiessschartengrossen Fenstern schon lange
nicht mehr oder allenfalls vom Personal. Ab der Renaissance wichen die alten
Châteaux der komfortableren Villa im italienischen Stil, die man Maison Noble
nannte. Der eigentliche Stammsitz verkam zum Symbol für alte Abstammung
und hohen Adel. Eines der ersten eigentlichen Weinschlösser ist Haut-Brion.
Die de Pontac errichteten es im Jahr 1550 als Landsitz, als Sommerresidenz, als
Symbol für Besitz und Reichtum und vielleicht gar für den Weinberg, der rings-
um lag. Doch das Bordeleser Weinschloss, wie es vor allem im Médoc steht, ist
eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Je
ff
erson spricht 1787 selbst von hautbrion
noch ganz ohne Château und erwähnt nur zwei solche: Château de la Fite und
Château Margau, beides echte alte Herrensitze. Selbst La Tour, ebenfalls eine
33
Klassengesellschaft Geschichte
alte Seigneurie, musste noch auf den Schlosstitel verzichten und war einfach ein
Cru, ein Gewächs. Viele «Schlösser», darunter das von Latour, wurden erst nach
der o
ffi
ziellen Klassierung von 1855 errichtet, von der gleich die Rede sein wird:
Erst nach dieser (in der alle Güter noch ohne Château aufgeführt werden) wird
der Begriff für ein Weingut zum unerlässlichen Präfix und ein echtes solches
zum wichtigsten Imagegeber. Erbauer der mehr und meist minder geschmack-
vollen Dinger waren die neuen Reichen, Unternehmer oder Bankiers, die Douat,
Pereire oder Rothschild. Im Architekten Louis-Michel Garros, dem Erfinder aller
möglichen «Neo»-Stilistiken (Neo-Renaissance, Neo-Klassik etc.), der die engli-
scher Gotik ebenso plünderte wie die französischer Renaissance, fanden sie den
idealen Realisator. Erster Schloss-Auftrag von Garros, der sich nach Studien in
Paris 1863 in Bordeaux niederliess, war Fonréaud in Listrac. Zahlreiche weitere
wie Lachesnaye, Malescot-Saint-Exupéry, Lascombes oder Ducru-Beaucaillou
folgten. Garros ist der eigentliche Erfinder des «Weinschlosses», von dem er
später auch um Béziers zahlreiche Varianten erstellte, wo eine andere Kaste
mit Handel von Schnaps und Massenwein praktisch über Nacht zu Vermögen
gekommen war. Er widerlegte mit seiner Interpretation des «Château» klar die
These des anderen grossen eklektischen Architekten der Epoche, Viollet-Le Duc
(dem wir die so umstrittene wie gelungene Renovation von Carcassonne ver-
danken, diesem zu Stein gewordenen Kindertraum einer Ritterburg im Langue-
doc), der in seinem 1858 erschienenen Handbuch zur Architektur monierte,
der Begriff Château sei einzig den Gebäuden des Mittelalters vorbehalten, jede
neuere Form sei als «Maison des Champs» zu bezeichnen, als Landhaus: «Ein
Land, das die Aristokratie abgeschafft hat und damit alle Privilegien, kann nicht
ernsthaft «Schlösser» bauen. Denn was ist ein Schloss angesichts der Aufteilung
eines Gutes anderes als eine Eintagsfliege, ein verschwenderisches Bauwerk,
das mit seinem Besitzer untergeht und nicht die geringste Erinnerung hinter-
lässt.» Wie recht man haben und sich doch ganz und gar täuschen kann!
Klassengesellschaft
Am 18. April 1855 adressierte das Syndikat der Handelsmakler von Bordeaux
einen Brief an die Bordeleser Handelskammer, der mit folgenden Worten be-
gann: «Messieurs, wir hatten die Ehre, am 5. dieses Monats Ihren Brief zu erhal-
ten, mittels dessen Sie uns baten, Ihnen die komplette Liste der klassierten roten
Weine der Gironde zukommen zu lassen sowie die unserer grossen Weissweine.
Um Ihrem Wunsch nachzukommen, haben wir alle nötigen Auskünfte einge-
holt und können Ihnen beiliegende Liste bekannt geben.» Die Liste enthielt 56
Namen von Rotweingütern der Region des (Haut)-Médoc und einen aus den
Graves (Haut-Brion) sowie 21 Namen von (edelsüssen) Weissweinen aus Sau-
ternes und Barsac, die in fünf Kategorien vom 1. bis zum 5. Grand Cru Classé
eingeteilt waren: Es handelt sich um die von Hand geschriebene Urform der
34
Geschichte Klassierung 1855
berühmtesten und ältesten aller o
ffi
ziellen Weinrangierungen: das Klassement
von 1855, anlässlich der Weltausstellung von Paris erstellt und von Staatschef
Napoleon III. verabschiedet. Ein Gut (Cantemerle) ging vergessen und wurde
ein Jahr später hinzugefügt, und ein Gut wechselte 1973 von der zweiten in die
erste Kategorie: Mouton-Rothschild. Sonst wurde diese Einteilung nie geändert:
Wenn sie heute auf 61 Rot- und 27 Weissweingüter angewachsen ist, hat das
mit Gutsteilungen zu tun beziehungsweise der Tatsache, dass einige Güter in
anderen aufgegangen sind.
Die Geschichte der Klassierung allein würde Bände füllen. Halten wir einfach
fest, dass die Katalogisierung der Weine des Médoc plus Haut-Brion in zwei,
später drei, schliesslich fünf Kategorien bereits ab Anfang des 18. Jahrhunderts
gehandhabt wurde. «Gross» (Grand) waren die «Crus» (Gewächse, gemeint sind
Weine, deren Trauben an einem ganz bestimmten Ort wachsen), weil sie sich
qualitativ wie preislich stark von den ordinären Alltagsweinen unterschieden
(die man folgerichtig auch etwa Crus Ordinaires nannte) und einer illustren und
finanzkräftigen Schicht von Käufern vorbehalten waren. Bereits 1723 wurden
die vier heutigen Premiers Crus Margaux, Latour, Lafite und Haut-Brion von
einem englischen Weinhändler als topping growths bezeichnet. Ab 1740 zir-
kulierte eine Liste der weinproduzierenden Gemeinden, die drei Kategorien
kannte: Premier, Second und Troisième Cru. Unter den Premiers finden wir
unter anderem Pessac (bzw. les Crus de Pontac, in der Mehrzahl), Pauillac, Saint-
Julien, Margaux, Sauternes und Barsac. Der weininteressierte französische
Botschafter und spätere amerikanische Präsident Thomas Jefferson besuchte
Bordeaux 1787 und kritzelte eine Liste der besten Weine in sein Tagebuch – mit
drei Kategorien vom Premier zum Troisième Cru. Er wird daher ab und wann als
Begründer des Bordeleser Klassements bezeichnet und bis heute von den paar
Gütern, die er aufführt, als Zeuge dafür zitiert, dass diese schon damals berühmt
und gesucht waren. Das ist auch nicht ganz falsch. Doch es ist kaum denkbar,
dass Jefferson sein Klassement selber erstellte. Dazu fehlte ihm ganz einfach die
Zeit. Jefferson weilte nur gerade drei Tage in Bordeaux. Er kam am 24. Mai aus
Toulouse/Agen/Langon in der Stadt an und reiste am 28. Mai Richtung Blaye
und La Rochelle weiter. Bis ins Médoc ist er vermutlich gar nicht gekommen.
Er gibt an, bei Langon, das in der Nähe von Sauternes liege, wo die besten
Weissweine der Gironde erzeugt würden, die Garonne überquert zu haben, was
ihn automatisch in den Süden der Graves brachte und ihn dazu zwang, min-
destens Preignac und Barsac zu streifen, und er schreibt denn auch: «We find
the plains entirely of sand and gravel, and they continue so to Bordeaux. Where
they are capable of any thing, they are in vines.» (Die gewellten Böden bestehen
ausschliesslich aus Sand und Kies, und das bis Bordeaux. Dort, wo überhaupt
etwas wächst, tragen sie Reben.) Persönlich besuchte er ferner mit Sicherheit
Haut-Brion: Er gibt an, dessen sandig-steinigen Boden unter die Lupe genom-
35
Eric de Rothschild
36
men zu haben, die sich stark von den Kreideböden von «Pontac» unterschieden,